Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 05. Apr. 2005 - 15 K 1037/05

published on 05.04.2005 00:00
Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 05. Apr. 2005 - 15 K 1037/05
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Gericht

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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO der durch die einstweilige Anordnung zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb die einstweilige Anordnung ergehen soll (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht.
Insbesondere hat die Antragstellerin nach nationalem Recht keinen Anspruch auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst. Dieser setzt nämlich gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 JAG (F. 2003) das Bestehen der Ersten juristischen Prüfung (bzw. der Ersten juristischen Staatsprüfung nach altem Recht) voraus. Diese Voraussetzung erfüllt die Antragstellerin unstreitig nicht.
Aber auch aus Vorschriften des Europarechts ergibt sich kein Anspruch der Antragstellerin auf Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst.
Allerdings kann sich die Antragstellerin auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 EG) berufen. Für den Arbeitnehmerbegriff im Sinne des Arbeitnehmerfreizügigkeitsrechts sind nämlich allein drei Merkmale maßgeblich: Die Erbringung von Dienstleistungen, die Gegenleistung des Dienstherrn und die Weisungsgebundenheit, wobei das konkrete Rechtsverhältnis unerheblich ist (vgl. hierzu näher: Maurer in Bergmann/Kenntner (Hrsg.), Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 359/360 RdNrn. 20 - 23). Diese Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs erfüllt ein Referendar. Dies hat der EuGH in seinem zum juristischen Vorbereitungsdienst ergangenen Urteil vom 17.03.2005 - Rs C-109/04 - Kranemann - bestätigt (vgl. RdNrn. 12 ff. des erwähnten Urteils).
Dennoch hat die Antragstellerin derzeit keinen Anspruch auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst.
Ist nämlich, wie im Fall des juristischen Vorbereitungsdienstes, die Zulassung zu einem Beruf nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation abhängig, darf der betreffende Mitgliedsstaat bzw. dessen Behörden auf einer den innerstaatlichen Bestimmungen entsprechend vergleichbaren Qualifikation bestehen. Hierzu müssen die Behörden des Mitgliedsstaates prüfen, inwieweit die Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch das von dem Betroffenen in seinem Herkunftsland erworbene Diplom bescheinigt werden, den nach dem Recht des Aufnahmestaats vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen (EuGH, Urteil vom 07.05.1991 - Slg. 1991, 2357 - Vlassopoulu -). Es liegt auf der Hand, dass zwischen dem deutschen und dem polnischen Recht Unterschiede bestehen können, die eine Gleichwertigkeitsprüfung im Sinne dieser Entscheidung erfordern und zulassen. Gegenüber dem Bewerber besteht eine Pflicht der Behörden des Mitgliedsstaates, diese Prüfung durchzuführen (vgl. RdNr. 22 des erwähnten Urteils vom 07.05.1991). Dieser Pflicht ist sich der Antragsgegner auch bewusst, wie sich aus seinen Ausführungen in der Antragserwiderung vom 04.04.2005 unter III 5 ergibt, so dass auch insoweit kein Bedürfnis nach vorläufigem Rechtsschutz besteht. Der Antragsgegner ist nur deshalb noch nicht in eine weitere Prüfung eingetreten, weil die hierzu von der Antragstellerin zu beschaffenden Unterlagen noch nicht vorliegen.
Die Gleichwertigkeitsprüfung orientiert sich primär an dem ausländischen Diplom, im vorliegenden Fall also an dem unter dem 05.06.1996 von der Universität Stettin ausgestellten Magisterdiplom (vgl. das erwähnte Urteil vom 07.05.1991, RdNr. 19). Hieraus ergibt sich, dass die von der Antragstellerin vorgetragenen Umstände bezüglich ihrer Ausbildung in Deutschland derzeit nur sekundäre Bedeutung haben. Diese Frage kann im vorliegenden Verfahren jedoch dahingestellt bleiben, weil sich aus der von der Antragstellerin in Augsburg zurückgelegten Ausbildung allein noch kein Nachweis von der Ersten juristischen Prüfung entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten ergeben dürfte.
Dies gilt insbesondere bezüglich der Zulassung zur Promotion durch die Universität Augsburg im Schreiben vom 18.02.1998, in dem auch ausgeführt ist, dass der von der Antragstellerin erlangte polnische juristische Abschluss mindestens einem bayerischen vollbefriedigenden Ersten Staatsexamen entspricht. Es spricht bei summarischer Prüfung viel für die Sichtweise des Antragsgegners, dass aus diesem Schreiben nur auf die für eine Promotion erforderliche wissenschaftliche Befähigung der Antragstellerin geschlossen werden kann, eine Aussage bezüglich der „gesamten Breite“ der im Vorbereitungsdienst erforderlichen deutschen Rechtskenntnisse aber nicht möglich ist.
Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin an der Universität Augsburg den Grad eines Magister Legum mit der Gesamtnote „gut“ erreicht hat, erlaubt nicht den Schluss, dass die Antragstellerin der Ersten juristischen Prüfung entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten hat. Denn diese Arbeit befasst sich naturgemäß mit einem von der Themenstellung her sehr begrenzten Rechtsgebiet. Auch mit den von der Antragstellerin in Augsburg erworbenen Leistungsnachweisen dürften voraussichtlich keine der Ersten juristischen Prüfung entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen sein. Das Gericht teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass die von der Antragstellerin angefertigten Klausuren eher Klausuren in Anfängerübungen entsprechen. Für die von der Antragstellerin bestandenen mündlichen Einzelprüfungen dürfte Entsprechendes gelten; diese mündlichen Prüfungen kommen eher so genannten „Fleißprüfungen“ nach dem früheren Honnefer-Modell nahe.
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Die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21.12.1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn die Tätigkeit des Referendars ist kein Ausbildungsberuf, der vom Ausbildungsziel losgelöst ist (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 13.11.2003 - Rs C-313/01 - Morgenbesser -, RdNrn. 51 - 53).
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Die Berufung der Antragstellerin auf § 10 Abs. 2 BVFG wird voraussichtlich erfolglos sein. Nach dieser Bestimmung sind Prüfungen oder Befähigungsnachweise, die Spätaussiedler in den Aussiedlungsgebieten abgelegt oder erworben haben, anzuerkennen, wenn sie den entsprechenden Prüfungen oder Befähigungsnachweisen im Geltungsbereich des BVFG gleichwertig sind. Zwar wird vom Antragsgegner nicht in Abrede gestellt, dass beispielsweise polnische Magister-Diplome nach dieser Bestimmung in Deutschland anerkannt werden. Dennoch ergibt sich hieraus voraussichtlich kein Anspruch auf Gleichbehandlung. § 10 Abs. 2 BVFG dient, ebenso wie § 112 Abs. 2 DRiG, dem Ausgleich von Nachteilen, die aufgrund von singulären historischen Situationen erlitten worden sind. Demgegenüber betrifft das vorliegende Verfahren den Bereich der erstrebten europäischen Normalität. Dementsprechend hat Generalanwalt van Gerven in seinen Schlussanträgen zum Urteil Vlassopoulu ausgeführt, dass man im Falle des Bundesvertriebenengesetzes von einer Vorzugsbehandlung für eine durch historische Umstände benachteiligte Personengruppe sprechen könnte (vgl. a.a.O., 1-2378). Entsprechendes gilt wahrscheinlich auch für die Regelungen in § 112 Abs. 2 DRiG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der
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published on 07.07.2005 00:00

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05. April 2005 - 15 K 1037/05 - wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird unter
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Prüfungen oder Befähigungsnachweise, die Spätaussiedler bis zum 8. Mai 1945 im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember 1937 abgelegt oder erworben haben, sind im Geltungsbereich des Gesetzes anzuerkennen.

(2) Prüfungen oder Befähigungsnachweise, die Spätaussiedler in den Aussiedlungsgebieten abgelegt oder erworben haben, sind anzuerkennen, wenn sie den entsprechenden Prüfungen oder Befähigungsnachweisen im Geltungsbereich des Gesetzes gleichwertig sind.

(3) Haben Spätaussiedler die zur Ausübung ihres Berufes notwendigen oder für den Nachweis ihrer Befähigung zweckdienlichen Urkunden (Prüfungs- oder Befähigungsnachweise) und die zur Ausstellung von Ersatzurkunden erforderlichen Unterlagen verloren, so ist ihnen auf Antrag durch die für die Ausstellung entsprechender Urkunden zuständigen Behörden und Stellen eine Bescheinigung auszustellen, wonach der Antragsteller die Ablegung der Prüfung oder den Erwerb des Befähigungsnachweises glaubhaft nachgewiesen hat.

(4) Voraussetzung für die Ausstellung der Bescheinigung gemäß Absatz 3 ist die glaubhafte Bestätigung

1.
durch schriftliche, an Eides statt abzugebende Erklärung einer Person, die auf Grund ihrer früheren dienstlichen Stellung im Bezirk des Antragstellers von der Ablegung der Prüfung oder dem Erwerb des Befähigungsnachweises Kenntnis hat, oder
2.
durch schriftliche, an Eides statt abzugebende Erklärungen von zwei Personen, die von der Ablegung der Prüfung oder dem Erwerb des Befähigungsnachweises eigene Kenntnisse haben.

(5) Die Bescheinigung gemäß Absatz 3 hat im Rechtsverkehr dieselbe Wirkung wie die Urkunde über die abgelegte Prüfung oder den erworbenen Befähigungsnachweis.

(1) Die Vorschriften über die Anerkennung von Prüfungen nach dem Bundesvertriebenengesetz und landesrechtliche Vorschriften über die Anerkennung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(2) Juristische Prüfungen, die Deutsche aus dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet vor dem 3. Oktober 1990 im Ausland abgelegt haben, sind als erste Staatsprüfung nach § 5 Abs. 1 anzuerkennen, wenn sie in der Deutschen Demokratischen Republik durch völkerrechtliche Vereinbarung mit der Sowjetunion oder mit Staaten in Mittel- oder Osteuropa, die mit der Sowjetunion verbündet waren, oder durch Rechtsvorschrift dem Abschluß als Diplom-Jurist gleichgestellt wurden und der ersten Staatsprüfung gleichwertig sind.

(3) Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz ist nicht anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.