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| Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Land zu Unrecht verpflichtet, über den Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Aufwendungen für die Behandlung mittels Atlastherapie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. |
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| Der Ausspruch des Verwaltungsgerichts ist bereits deshalb fehlerhaft, weil sich das Begehren der Klägerin darauf beschränkt, den Beklagten zu verpflichten, ihr Beihilfe für die Aufwendungen gemäß den Anträgen vom 6.5. und 29.7.2004 für die Atlastherapie zu gewähren. Nach dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts wäre die Beklagte dagegen verpflichtet, nicht nur über die Gewährung einer Beihilfe zu den geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.073,13 EUR, sondern über die Beihilfefähigkeit der gesamten Aufwendungen der Klägerin für die Atlastherapie zu entscheiden. Der Ausspruch reicht deshalb über das Klagebegehren hinaus und verstößt damit gegen § 88 VwGO. |
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| Das Urteil des Verwaltungsgerichts kann auch hinsichtlich des von der Klägerin mit ihrer Klage verfolgten Begehrens keinen Bestand haben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe zu den geltend gemachten Aufwendungen für die in der Zeit vom 20.2. bis 23.7.2004 durchgeführten Behandlungen nach der Atlastherapie. |
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| 1. Die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten richtet sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 mit weiteren Nachweisen). Ob und inwieweit die Klägerin Beihilfe für die von ihr geltend gemachten Aufwendungen beanspruchen kann, richtet sich somit nach der - auf der Grundlage des § 101 LBG a. F. erlassenen - Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO) vom 28.7.1995 in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 17.2.2004. |
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| 2. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit (u. a.) die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete ärztliche Leistungen nach Maßgabe der Anlage zu dieser Verordnung beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. An diesen Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit fehlt es. Bei der Atlastherapie nach Arlen handelt es sich um keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode (unten a). Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für diese Therapie lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht mit dem Fehlen einer Ausschlussentscheidung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO begründen (unten b). Die Aufwendungen der Klägerin für diese Therapie könnten deshalb allenfalls dann als beihilfefähig anerkannt werden, wenn die Anwendung der allgemein anerkannten Therapien für sich genommen nicht ausreichte, um die Beschwerden der Klägerin zu lindern oder auf ein erträgliches Maß zu beschränken. Das ist jedoch nicht der Fall (unten c). |
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| a) Wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg grundsätzlich medizinisch nicht notwendig. Die Gewährung von Beihilfen, die aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden, gründet auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus der Sicht des Dienstherrn ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, ob die von ihm (mit-)finanzierte Behandlung medizinisch indiziert ist und Erfolg verspricht (vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2004 - 4 S 802/03 - und Beschl. v. 28.7.2004 - 4 S 1331/04 -). |
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| Eine Behandlungsmethode ist wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem oder den Urhebern - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. etwa BVerwG, Urteile v. 29.6.1995, aaO, und 18.6.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.6.2003 - 4 S 804/01 - IÖD 2003, 199; Urt. v. 26.7.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231). |
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| In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ist danach davon auszugehen, dass es sich bei der Atlastherapie nach Arlen um keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt (ebenso: VG Freiburg, Urt. v. 8.2.2005 - 7 K 2634/04 - Juris; VG Kassel, Urt. v. 23.10.2002 - 1 E 576/01 - Juris; VG Minden, Urt. v. 4.9.2002 - 4 K 3960/99 - Juris; LSG Saarland, Urt. v. 19.1.2005 - L 2 KR 30/03 - Juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.10.2003 - L 5 KR 62/02 - Juris). |
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| Nach dem Bericht des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“ des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (im Folgenden: Bundesausschuss) vom 24.9.2002 besteht die Atlastherapie nach Arlen aus einer Serie gezielter Finger-Stoßimpulse über dem Atlas-Querfortsatz auf ein definiertes Rezeptorenfeld im Halsbereich in einer für jeden Patienten individuell zu ermittelnden Impulsrichtung. Die Korrekturimpulse sollen zur Beseitigung von Dysbalancen der quergestreiften Muskulatur über das Nackenrezeptorenfeld und zur Normalisierung des Sympathicotonus beitragen. Indikationen für die Atlastherapie seien nach Angabe der Anwender verschiedene Funktionsstörungen des menschlichen Körpers, die im Nackenrezeptorenfeld bestünden, von dort ausgehen oder von dort beeinflusst würden, wie beispielsweise cervikogene Gleichgewichtsstörungen, neurootologische Veränderungen nach HWS-Trauma, Brustschmerz und Atemstörungen sowie verschiedene neurologische Erkrankungen. Als weitere Indikationen würden von den Anwendern funktionelle Carpaltunnel-Syndrome, Multiple Sklerose, Schmerzen und Bewegungsstörungen nach operativen Eingriffen (z.B. Arthroskopie oder rheumatische Gelenkerkrankungen), Mastodynie, Hörsturz, Sprachentwicklungsverzögerungen, rheumatoide Arthritis und funktionelle weibliche Zyklusstörungen genannt. |
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| In dem Bericht vom 24.9.2002 ist der Arbeitsausschuss unter Verwertung von Stellungnahmen verschiedener Verbände sowie Empfehlungen aus evidenz- basierten Leitlinien und einer detaillierten Auswertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu dem Ergebnis gekommen, dass bei den in der Literatur untersuchten Indikationen ein wissenschaftlicher Nachweis des Nutzens der Atlastherapie bisher nicht habe erbracht werden können. In keiner wissenschaftlichen Veröffentlichung sei die Wirksamkeit der Atlastherapie nach Arlen im Vergleich zur Standardbehandlung mittels nachvollziehbarer und eindeutiger Ergebnisparameter, die für eine valide Wirksamkeitsbeurteilung notwendig seien, untersucht worden. Auch in Bezug auf solche Behandlungen, bei denen die Atlastherapie in Kombination z.B. mit manualmedizinischen Verfahren angewendet werde, bleibe unklar, welcher Anteil der Behandlungsergebnisse möglicherweise auf die Atlastherapie zurückgeführt werden könne. Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Atlastherapie nach Arlen seien somit nicht ausreichend belegt. Die Methode könne daher nicht als Leistung in der vertragsärztlichen Versorgung anerkannt werden. Der Bundesausschuss hat auf der Grundlage dieses Berichts am 21.6.2002 beschlossen, die Atlastherapie nach Arlen in die Anlage B (nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt) der BUB-Richtlinien aufzunehmen. Der Beschluss ist seit dem 25.9.2002 in Kraft. |
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| Was die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung betrifft, ist der Beschluss des Bundesausschusses gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V bindend. Nach § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V in seiner im Zeitpunkt des Beschlusses des Bundesausschusses noch geltenden früheren Fassung dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der - von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, den Bundesverbänden der Krankenkassen, der Bundesknappschaft und den Verbänden der Ersatzkassen gebildete - Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen (u.a.) über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben hat. Entsprechendes gilt nach § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V in seiner am 1.1.2004 in Kraft getretenen Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, der diese Aufgabe aber nunmehr dem - von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutsche Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildeten - Gemeinsamen Bundesausschuss überträgt. Ob eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, soll nach der dieser Regelung zugrunde liegenden Konzeption nicht von Fall zu Fall durch die Krankenkasse oder das Gericht, sondern für die gesamte ambulante Versorgung einheitlich durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bzw. - in der Zeit vor dem 1.1.2004 - durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als sachkundiges Gremium entschieden werden, um so eine an objektiven Maßstäben orientierte und gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung zu erreichen. Der Bundesausschuss hat dabei nicht die Aufgabe, selbst über den medizinischen Nutzen der Methode zu urteilen. Seine Aufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Behandlungsweise besteht (BSG, Urt. v. 19.2.2003 - B 1 KR 18/01 R - SozR 4-2500 § 135 Nr. 1). |
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| Die Entscheidungen des Bundesausschusses lassen damit auch über den Bereich der kassenärztlichen Versorgung hinaus die Schlussfolgerung zu, dass es der fraglichen Behandlungsmethode an dem Merkmal der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung fehlt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.7.1997 - 4 S 1980/95 - Juris; Beschl. v. 22.2.1995 - 4 S 642/95 - Juris). Dass es sich bei der Atlastherapie nach Arlen um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt, wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass diese Therapie in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu der Behandlung eines Beschleunigungstraumas der Halswirbelsäule in ihrer jüngsten Fassung vom Oktober 2008 nicht als Therapieform genannt wird. Der von der Klägerin genannte Umstand, dass es sich bei diesen Leitlinien nur um eine „S1-Leitlinie“ handelt, steht dem nicht entgegen. Die Leitlinien der Mitgliedsgesellschaften der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) werden in drei, mit S1 bis S3 bezeichnete Klassen eingeteilt. Mit S1 werden Leitlinien bezeichnet, die von einer Expertengruppe im informellen Konsens erarbeitet worden sind, mit S2 Leitlinien, bei denen eine formale Konsensfindung und/oder eine formale „Evidenz“-Recherche stattgefunden hat, und mit S3 Leitlinien „mit allen Elementen einer systematischen Entwicklung“. Auch die in S1-Leitlinien gegebenen Therapieempfehlungen sind danach im Zusammenhang mit der Frage nach der wissenschaftlichen Anerkennung einer bestimmten Therapie zumindest ein gewichtiges Indiz. |
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| Die von der Klägerin erhobenen Einwände geben zu keiner anderer Beurteilung Anlass. Die von ihr im erstinstanzlichen Verfahren angeführte Stellungnahme der Gemeinsamen Gutachterstelle der Bezirksärztekammern Baden-Württemberg für Fragen der Gebührenordnung für Ärzte vom 21.3.2000 äußert sich nur zur Art der Abrechnung einer Atlastherapie und empfiehlt eine chirotherapeutischen Eingriffen entsprechende Abrechnung. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die Atlastherapie wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Die von der Klägerin ferner angesprochenen wissenschaftlichen Publikationen über die Atlastherapie haben dem Bundesausschuss bei seiner Entscheidung vorgelegen und können daher nicht als Beleg für die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung dieser Therapie genommen werden. Auch die Ärztegesellschaft für Atlastherapie und manuelle Kinderbehandlung, die nach den Angaben der Klägerin regelmäßig alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Atlastherapie sammelt und veröffentlicht, hat im Überprüfungsverfahren des Bundesausschusses Stellung genommen, ohne dass dies zu einer anderen Einstufung geführt hätte. |
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| Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass im medizinisch-wissenschaftlichen Fachschrifttum weitere Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Atlastherapie veröffentlicht worden sind, die es nunmehr rechtfertigen, die Atlastherapie als eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode zu qualifizieren. In der von ihr vorgelegten Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. ... vom 29.1.2013 heißt es zwar, die Atlastherapie sei „wissenschaftlich fundiert“, sie werde als wissenschaftlich sinnvoll erachtet und „in medizinischen Fachgesellschaften in speziellen Curricula mit Zertifizierung gelehrt“. Wissenschaftliche Veröffentlichungen, mit denen die Wirksamkeit der Atlastherapie nach Arlen mittels nachvollziehbarer und eindeutiger Ergebnisparameter untersucht worden sind, werden jedoch auch in der Stellungnahme von Dr. ... nicht genannt. |
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| Für den in der Stellungnahme erwähnten Aufsatz des Vorsitzenden der Sektion Physikalische Medizin und Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, Prof. Dr. ... (Orthopädische Mitteilungen 2008, 255 f.) gilt das Gleiche. In dem Aufsatz äußert Prof. Dr. ... zwar die Ansicht, die Datenlage scheine eine Ablehnung der Atlastherapie nicht zu rechtfertigen. Auch Prof. Dr. ... weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass bei den in der Literatur untersuchten Indikationen ein wissenschaftlicher Nachweis des Nutzens der Atlastherapie bisher nur eingeschränkt habe erbracht werden können. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang eine den Bericht des Bundesausschusses für den Zeitraum von 2002 bis 2008 ergänzende Literaturrecherche in der Datenbank „PubMed Medline“, die keine relevanten aussagekräftigen Studien zu Tage gefördert habe. Auch in der „Cochrane Library“ seien keine Aussagen zur Atlastherapie gefunden worden. Auch Prof. Dr. ... geht danach davon aus, dass die Atlastherapie keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode ist. Die oben genannte Ansicht wird von ihm stattdessen damit begründet, dass Arbeiten mit einem niedrigen Evidenzgrad vorlägen, die die Durchführung der Atlastherapie prinzipiell gerechtfertigt erscheinen ließen, und dass auch Expertenmeinungen eine Form der Evidenz darstellten und bei „fehlender anderer Evidenzlage“ Berücksichtigung finden müssten. |
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| b) Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Atlastherapie lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht mit dem Fehlen einer Ausschlussentscheidung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO begründen. Nach dieser Vorschrift kann das Finanzministerium, soweit nicht in der Anlage zur Beihilfeverordnung bereits geregelt, die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen, die nicht zweifelsfrei notwendig oder nach Umfang oder Höhe angemessen sind, ganz oder teilweise von einer vorherigen Anerkennung abhängig machen, begrenzen oder ausschließen; dazu gehören auch die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Atlastherapie ist weder in der Anlage zur Beihilfeverordnung geregelt noch hat das Finanzministerium eine Ausschlussentscheidung nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO getroffen. Das Fehlen einer solchen Entscheidung führt jedoch nicht dazu, dass die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für die Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode zwangsläufig bejaht werden müsste. Vielmehr ist in diesen Fällen gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BVO in eine Einzelfallprüfung einzutreten (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.1.1999 - 4 S 1086/96 - IÖD 1999, 139; ähnlich Urt. v. 26.7.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Erläuterungen, Anm. 20.2.2 zu § 6 BhV). |
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| c) Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden ist grundsätzlich mit der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten und für den Bereich der Krankenvorsorge durch die Beihilferegelungen konkretisierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar. Allerdings kann die Fürsorgepflicht es dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und entsprechende Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten. Stehen wissenschaftlich allgemein anerkannte Methoden zur Behandlung einer Erkrankung oder zur Linderung von Leidensfolgen nicht zur Verfügung, können auch Aufwendungen für sogenannte „Außenseitermethoden“ notwendig und angemessen und damit beihilfefähig sein, wenn die Aussicht besteht, dass eine solche Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann (BVerwG, Urteile vom 29.6.1995 und 18.6.1998, jeweils aaO; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2004 - 4 S 802/03 -). |
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| Ob die Aussicht besteht, dass die Atlastherapie noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, kann dahinstehen. Denn selbst man dies zu Gunsten der Klägerin unterstellt, wären die Aufwendungen der Klägerin für die Atlastherapie nur dann als beihilfefähig anzuerkennen, wenn die Anwendung der allgemein anerkannten Therapien für sich genommen nicht ausreichte, um die chronischen Beschwerden der Klägerin zu lindern oder auf ein erträgliches Maß zu beschränken (s. Beschluss des BVerwG vom 20.10.2011). Das ist jedoch nicht der Fall. |
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| Zur Klärung der Frage, ob die Anwendung der allgemein anerkannten Therapien ausreicht, um die chronischen Beschwerden der Klägerin zu lindern oder auf ein erträgliches Maß zu beschränken, hat der Senat Herrn Privatdozent Dr. ..., Oberarzt am Universitätsklinikum Freiburg, Department Orthopädie und Traumatologie, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten kommt Dr. ... zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin keine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung der Atlastherapie nach Arlen besteht. Zur Begründung verweist er zunächst auf die Richtlinien der Medizinischen Fachgesellschaften, die sich mit der Halswirbelsäulen-Distorsion und den Folgezuständen beschäftigen. Nach den Richtlinien, in denen die Atlastherapie als therapeutische Maßnahme nicht genannt werde, seien Massagen und physiotherapeutische Maßnahmen grundsätzlich ausreichend, um die Beschwerden zu lindern oder auf ein erträgliches Maß zu beschränken. Der Gutachter führt danach weiter aus, dass der Unfall, den die Klägerin 1996 erlitten habe, geeignet sei, vorübergehend schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule zu erklären. Eine Halswirbelsäulen-Distorsion heile jedoch in der Regel nach etwa vier bis sechs Wochen folgenlos aus. Die seit 1996 andauernden Beschwerden der Klägerin seien daher eher untypisch Die 1997 und 1998 durchgeführten Kernspintomographien zeigten keine Unfallfolgen. Für eine 2012 durchgeführte Upright-Kernspintomographie gelte das Gleiche. Von dem diese Untersuchung durchführenden Arzt werde zwar eine alte posttraumatische Verletzungsfolge dokumentiert. Dieser Befund könne jedoch nicht nachvollzogen werden. Auch in der aktuellen MRT-Untersuchung fände sich ein solcher Befund nicht. Die dauernden Beschwerden ohne wesentliche Linderung trügen damit die deutlichen Zeichen eines chronifizierten Schmerzsyndroms. Bei solchen Patienten sollte ggf. auch an eine spezifische Schmerztherapie gedacht werden. Durch die Atlastherapie könne, wie auch durch die über viele Jahre andauernde und intensive Behandlung der Klägerin nachgewiesen, die Beschwerdesymptomatik nicht gelindert werden. Dem bereits vorliegenden umfangreichen Fachgutachten von Prof. Dr. ..., das zu demselben Ergebnis gekommen sei, werde uneingeschränkt gefolgt. |
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| Der Senat sieht keinen Anlass, der Meinung des Sachverständigen nicht zu folgen. Das Gutachten wurde in Kenntnis aller Berichte und Stellungnahmen derjenigen Ärzte erstellt, die in der davor liegenden Zeit mit den Beschwerden der Klägerin befasst waren. Es beruht auf einer sorgfältigen Befunderhebung, ist widerspruchsfrei und schlüssig begründet. |
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| Die Einwendungen der Klägerin, die sich auf die Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. ... vom 29.1.2013 gründen, rechtfertigen keine andere Beurteilung. |
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| aa) In dem Bericht über die am 20.7.2012 vorgenommene Upright-Kernspintomographie werden von dem die Untersuchung durchführenden Arzt (Dr. ...) narbige Strukturveränderungen in beiden Ligamenta alaria mit beiderseitigen Strukturauflockerungen und deutlicher Verplumpung der dreieckigen Bandkonfigurationen sowie narbig verdicktes Ligamentum transversum atlantis beschrieben. In dem Gutachten des Sachverständigen heißt es dazu, dieser Befund, mit dem eine alte posttraumatische Verletzungsfolge beschrieben werde, könne nicht nachvollzogen werden. Im Hinblick hierauf stellt Dr. ... die Frage, ob der Gutachter über solche Kenntnisse in der diagnostischen Radiologie verfüge, dass er in der Lage sei, die Ergebnisse eines Facharztes für Radiologie anzuzweifeln. |
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| Mit diesem Einwand wird übersehen, dass die Auffassung des Gutachters durch die von ihm veranlasste radiologische Untersuchung vom 30.8.2012 bestätigt wird, die von zwei Fachärzten für Radiologie durchgeführt wurde und deren Ergebnisse in dem Bericht wie folgt wiedergegeben werden: „Steilhaltung der HWS, eine Reklination ist nicht möglich, eingeschränkte Inklination. Für die Bewegungseinschränkung lässt sich kein knöchernes Korrelat finden, keine Traumafolge, keine das Altersmaß übersteigende Degenerationen.“ Die Beurteilung des Gutachters wird ferner durch die am 8.1.1997 erfolgte Kernspintomographie der Halswirbelsäule der Klägerin gestützt, die nach dem Bericht des die Untersuchung vornehmenden Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. ... keine Hinweise auf Frakturen, discoligamentäre Verletzungen oder Unfallfolgen ergeben hat. Eine weitere zur Kontrolle erfolgte Kernspintomographie vom 8.1.1998 hat nach dem Bericht von Dr. ... das gleiche Ergebnis erbracht. |
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| bb) Zu der Äußerung des Sachverständigen, es bestehe der Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom (Ganzkörperschmerz), wird in der Stellungnahme von Dr. ... angemerkt, dass keiner der die Klägerin regelmäßig behandelnden Ärzte ein solches Syndrom festgestellt habe. Ein Fibromyalgiesyn- drom liege somit anhand der gängigen diagnostischen Methoden nicht vor. Daran ist richtig, dass die die Klägerin regelmäßig behandelnden Ärzte ein Fibromyalgiesyndrom nicht diagnostiziert haben. Eine solche Diagnose wird jedoch auch von dem Gutachter nicht gestellt, da er lediglich von dem Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom spricht. Der von dem Sachverständigen geäußerte Verdacht wird im Übrigen durch das zu der Frage der Dienstfähigkeit der Klägerin eingeholte Gutachten Prof. Dr. ... vom 9.12.1999 gestützt. In dem Gutachten wird der Klägerin aus orthopädischer Sicht „volle und nachhaltige Dienstfähigkeit“ bescheinigt und festgestellt, dass auf orthopädischem Fachgebiet die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft seien. Für möglich gehalten wird jedoch, dass die Klägerin aus anderen Gründen nicht mehr dienstfähig sein könnte, da von einer psychischen Alteration auszugehen sei. Von dem Gutachtern wurde deshalb eine psychosomatische oder psychotherapeutische Evaluierung empfohlen. |
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| cc) In der Stellungnahme von Dr. ... wird ferner die Aussage des Gutachters kritisiert, dass eine Halswirbelsäulen-Distorsion in der Regel nach etwa vier bis sechs Wochen folgenlos ausheile, da in der AWMF-Richtlinie festgestellt werde, dass 12 % der Patienten nach sechs Monaten noch nicht bei ihrem Status quo ante angelangt seien. Ein Widerspruch zwischen dieser Feststellung und der Aussage des Gutachters ist nicht zu erkennen, da der Gutachter nur davon spricht, dass eine Halswirbelsäulen-Distorsion „in der Regel“ innerhalb des von ihm genannten Zeitraums ausheile, also ebenfalls davon ausgeht, dass der Heilungsprozess in Einzelfällen auch länger dauern oder eine Chronifizierung eintreten kann. |
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| dd) In der Stellungnahme von Dr. ... heißt es weiter, der Gutachter spreche zu Unrecht von einer monomodalen Atlastherapie, da die Klägerin über Jahre hinweg auch krankengymnastische und physiotherapeutische Behandlungen erhalten habe. Auch treffe es nicht zu, dass eine Steigerung der monomodalen Therapieoption durchgeführt worden sei, da die Frequenz der atlastherapeutischen Interventionen nicht zu-, sondern abgenommen habe. |
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| Diese Einwendungen sind ebenfalls unbegründet. Wie sich aus seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.2.2013 ergibt, ist der Gutachter der Meinung, dass auch multiple Therapieformen keine multimodale Therapie ausmachten. Der Gutachter verwendet den Begriff „monomodal“ deshalb in einem anderen Sinn, als er von Dr. ... verstanden wird. Die Annahme, der Gutachter habe verkannt, dass die Klägerin außer den Behandlungen nach der Atlastherapie auch die in der Stellungnahme von Dr. ... genannten anderen Behandlungen erhalten habe, verbietet sich zudem schon deshalb, da Gegenstand des Gutachtens gerade die Frage war, ob die Anwendung der allgemein anerkannten Therapien wie physiotherapeutische Behandlungen und Massagen ausreicht, um die Beschwerden der Klägerin zu lindern. Der Gutachter hat auch nicht unterstellt, dass die Behandlung der Klägerin mittels der Atlastherapie intensiviert worden sei. Auf S. 3 des Gutachtens wird vielmehr berichtet, dass die Klägerin angegeben habe, die Atlastherapie sei zunächst wöchentlich an zwei Tagen durchgeführt worden, während die Behandlung nunmehr nur noch alle drei bis vier Wochen stattfinde. |
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| ee) Gegen die Verwertung des Gutachtens bestehen schließlich auch insoweit keine Bedenken, als die Klägerin beanstandet, dass der Gutachter keine einzige manualmedizinische Befunderhebung vorgenommen habe. In der Stellungnahme von Dr. ... heißt es dazu, dass eine solche Untersuchung „hinsichtlich des manualmedizinischen Störungsmusters“ von großem Interesse sei. Dass der Gutachter die ihm gestellte Frage ohne diese Untersuchung nicht sachgerecht beantworten konnte, ergibt sich daraus nicht. |
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| 3. Sind die Aufwendungen für die Atlastherapie danach nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO notwendig, kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ein Anspruch der Klägerin auf Beihilfe zu diesen Aufwendungen auch nicht aus der Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 BVO hergeleitet werden. Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO nicht notwendige Aufwendungen erst recht nicht unbedingt notwendig im Sinne von § 5 Abs. 6 BVO sein können. Die Regelung des § 5 Abs. 6 BVO ist Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, aus der sich ein Anspruch auf Beihilfe nur dann herleiten lässt, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Dies kommt allenfalls bei unzumutbaren Belastungen bzw. erheblichen Aufwendungen in Betracht, die für den Beamten unausweichlich sind und denen er sich nicht entziehen kann (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89; Beschl. v. 16.9.1992 - 2 BvR 1161/89 - NVwZ 1993, 560; BVerwG, Urt. v. 21.12.2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308). |
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| 4. Auch aus Gründen des Vertrauensschutzes kann die Klägerin die geltend gemachte Beihilfe nicht beanspruchen. Da jeder Beihilfeantrag regelmäßig ein neues, in sich abgeschlossenes Verwaltungsverfahren eröffnet, begründet eine frühere Bewilligung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keinen Anspruch auf entsprechende zukünftige Entscheidungen. Insbesondere kann der Gewährung einer Beihilfe zu einer bereits erfolgten Aufwendung für sich allein regelmäßig nicht die Zusage der gewährenden Behörde entnommen werden, sie werde auch zukünftig in gleicher Weise entscheiden. Maßgebend ist vielmehr die objektive Sach- und Rechtslage, wie sie sich für den jeweiligen Bewilligungszeitraum darstellt. Wenn ein Beamter insoweit Handlungssicherheit haben möchte, muss er eine ausdrückliche Klärung der Beihilfefähigkeit bestimmter Aufwendungen herbeiführen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2004 - 4 S 802/03 -). |
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| Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 536,56 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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