Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 15. Feb. 2012 - 1 K 2407/10

bei uns veröffentlicht am15.02.2012

Tenor

Die Bescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 06. und 08.09.2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger auf seinen Antrag vom 28.6.2010 als Beamten auf Probe in den Schuldienst einzustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Übernahme als Beamter in den Schuldienst.
Nach einer Ausbildung im Schreinerhandwerk, der Ableistung des Zivildienstes, der Ausbildung zum und Tätigkeit als Krankenpfleger und der Erlangung der Fachhochschulreife nahm der im Jahr 19... geborene Kläger nach Ablegung der Eignungsprüfung für das Studium ohne Abiturzeugnis an einer Pädagogischen Hochschule des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2005 neben einer Teilzeitbeschäftigung am Universitätsklinikum U. zu 75% und einer daneben von Oktober 2000 bis Januar 2009 mit durchschnittlich 7 h wöchentlich nebenberuflich ausgeübten Dozententätigkeit an der Akademie für Gesundheitsberufe beim Universitätsklinikum U. das Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen an der Pädagogischen Hochschule W. auf. Nach Ablegung der Ersten Staatsprüfung im Jahr 2008 begann er im Februar 2009 den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, den er im Juli 2010 mit dem Zeugnis über die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen abschloss.
Der Kläger ist verheiratet und hat drei in den Jahren 19... bis 19... geborene Kinder. Vom 13.02.1996-06.02.2002 befand sich seine Ehefrau in Elternzeit. Vom 01.02.2000-30.04.2000 arbeitete seine Ehefrau als geringfügig Beschäftigte. Vom 01.06.2000-30.09.2000 war sie mit 25 % und erneut ab 01.03.2001 mit 25 % der Arbeitszeit beschäftigt.
Auf seinen Antrag auf Übernahme in den Schuldienst des Landes als Grund- und Hauptschullehrer im Beamtenverhältnis und nach einem Vorstellungsgespräch erhielt er laut Aktenvermerk in der Personalakte das Angebot, im Angestelltenverhältnis eingestellt zu werden. Seit 10.09.2010 ist er mit einem vollen Lehrauftrag als Arbeitnehmer an der A. - Hauptschule U. beschäftigt.
Mit Bescheid vom 06.09.2010 wurde der vom Kläger weiterverfolgte Antrag auf Begründung eines Beamtenverhältnisses abgelehnt. Der Ernennung zum Beamten auf Probe stehe § 48 LHO entgegen, wo als Höchstgrenze für die Ernennung zum Beamten die Vollendung des 40. Lebensjahres durch Gesetz festgesetzt sei. Der Kläger habe am 21.09.2010 sein 45. Lebensjahr vollendet. Die Zivildienstzeit reiche für eine Verlängerung des Höchstalters nicht aus. Das Land habe kein berechtigtes Vertrauen auf eine Ernennung begründet. Die Voraussetzungen für eine Anwendung der „Fußnote zu § 48 LHO“ lägen nicht vor. Allein die Tatsache, dass der Kläger im Vorbereitungsdienst die Beamtenstellung erlangt habe, führe nicht zu einem Vertrauenstatbestand. Ziffer 3 („Fußnote“) sei nur erfüllt, wenn ein früheres Angestelltenverhältnis gerade im vom Land begründeten Vertrauen auf eine spätere Verbeamtung aufgegeben worden sei.
Hiergegen legte der Kläger unter Bezugnahme auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.07.2009, das für die Bestimmung einer Altersgrenze für die Übernahme in ein öffentliches Amt eine gesetzliche Grundlage forderte, Widerspruch ein. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe sei § 48 LHO geändert worden, wobei es zu folgender „Fußnote“ gekommen sei:
Entsprechend Artikel 4 Abs. 5 des Gesetzes vom 01. März 2010 (GBl. S. 265, 267) kann abweichend von Artikel 2 Nr. 3 bis zum 31. Dezember 2011 im Schuldienst eine Einstellung in den Landesdienst als Beamter erfolgen, wenn
1. der Bewerber im Jahr 2009 den Vorbereitungsdienst beendet hat oder sich im Jahr 2009 noch im Vorbereitungsdienst befand,
2. der Bewerber das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und
3. ein vom Land als Dienstherrn begründetes, berechtigtes Vertrauen des Bewerbers auf eine Einstellung als Beamter bis zur Vollendung des 45. Lebensjahrs bestand.
Auf diesen Vertrauenstatbestand könne sich der Kläger berufen, da er am 01.02.2009 mit dem Referendariat begonnen habe, nachdem er zuvor im Vertrauen auf die zukünftige Verbeamtung das Arbeitsverhältnis mit der Universitätsklinik U. aufgelöst habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010 wies das Regierungspräsidium T. den Widerspruch unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid zurück.
10 
Am 08.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf Ausführungen des Kultusministeriums zur Anwendung einer Vertrauensschutzregelung (u.a.) für Fachlehrer, die die sonstigen Voraussetzungen (Vorbereitungsdienst im Jahr 2009 absolvierend oder beendend sowie das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet) erfüllten, aus, er sei aufgrund des berufsbegleitenden Studiums und der tatsächlichen Berufsaufgabe erst im Hinblick auf den Vorbereitungsdienst den Fachlehrern vergleichbar und könne sich auf die Vertrauensschutzregelung berufen. Im Übrigen sehe der Wortlaut von § 48 LHO bei Betreuungszeiten für Kinder unter 18 Jahren jeweils eine Erhöhung der Altersgrenze um zwei Jahre vor, weshalb bei ihm von einer Erhöhung der Altersgrenze von insgesamt sechs Jahren zuzüglich der 20-monatigen Zivildienstzeit auszugehen sei. Er habe seine Kinder zusammen mit seiner Ehefrau betreut. Für eine einschränkende Auslegung des § 48 LHO dahingehend, dass die geleistete Betreuungszeit Auswirkungen auf eine Ausbildung bzw. ein Studium, ein Beschäftigungsverhältnis oder den Einstellungszeitpunkt gehabt haben müsse, gebe der Wortlaut nichts her.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Bescheide des Regierungspräsidiums T. vom 06. und 08.09.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn auf seinen Antrag vom 28.06. 2010 als Beamter auf Probe in den Schuldienst zu übernehmen
13 
sowie
14 
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Zur Begründung wird vorgetragen, der vom Kläger geltend gemachte Vertrauensschutz stehe ihm nicht zu. Auf eine Gleichbehandlung mit Fachlehrern könne er sich nicht berufen. Fachlehrer im Bereich der beruflichen Schulen müssten über eine qualifizierte Vorbildung (z.B. Meister) verfügen, um die Voraussetzungen für die Zulassung zur Fachlehrerausbildung zu erfüllen. Hier finde eine gezielte Anwerbung durch das Land statt, die Vertrauensschutz begründe. Dieser setze eine aktive, vertrauensbegründende Handlung des Landes auf den Zeitpunkt der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit voraus. Bei Fachlehrern sei dies die Einstellung in die Lehrerausbildung, da diese eine für die Ausbildung zum Lehramt qualifizierende Tätigkeit aufgäben. Im Bereich der Grund- und Hauptschullehrer gebe es solche Handlungen des Landes nicht. Der Kläger habe die Ausbildung nicht auf Veranlassung des Landes betrieben. Die Referendareinstellung erfolge im Hinblick auf die Berufswahlfreiheit des Bewerbers. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Betreuung seiner Kinder in einer Weise übernommen habe, dass diese in zeitlicher Hinsicht Auswirkungen auf seine berufliche Entwicklung gehabt haben könnte. Es liege nahe, dass die Betreuung der Kinder, soweit diese zeitintensiv gewesen sei, bislang von der Ehefrau des Klägers übernommen worden sei. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Altersgrenze wegen Kindererziehung könnten damit nicht erkannt werden.
18 
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde diese wieder eröffnet. Die Beteiligten erhielten im Hinblick auf die nach § 48 Abs. 1 Satz 2 LHO mögliche Erhöhung der Altersgrenze nach Satz 1 der Vorschrift durch Betreuungs- und Pflegezeiten für Kinder unter 18 Jahren Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme, nachdem Gegenstand der mündlichen Verhandlung auch die dort vom Vertreter des Beklagten angesprochenen „Hinweise“ des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg zu der Neuregelung in § 48 LHO gemäß Erlass vom 08.12.2011 waren. Hierzu wurden die Beteiligten durch das Gericht darauf hingewiesen, dass das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg zur Erläuterung der Erhöhung der Altersgrenze durch Betreuungs- und Pflegezeiten zunächst in Anlehnung an die Begründung zu Art. 2 (Änderung der LHO) des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum „Haushaltsbegleitgesetz 2010 und Gesetz über das Landesschuldbuch“ (Landtagsdrucksache 14/5086 vom 14.01.2010) ausführt:
19 
„Um Verzögerungen bei der Verbeamtung durch Betreuungs- und Pflegezeiten Rechnung zu tragen und diese gesellschaftspolitisch gewünschte Verhaltensweise zu würdigen, erfolgt in diesen Fällen eine pauschalierte Erhöhung der Altersgrenze“ (Erläuterung Abs. 1).
20 
Nach Abs. 2 der Erläuterung des Ministeriums ist für die Berücksichtigung der Betreuungs- und Pflegezeiten zu belegen, „dass eine Betreuung bzw. Pflege tatsächlich ausgeführt wurde und muss eine Betreuungs- bzw. Pflegezeit Auswirkungen auf eine Ausbildung bzw. ein Studium …, ein Beschäftigungsverhältnis oder den Einstellungszeitpunkt gehabt haben. … Damit sollen lediglich solche Fälle ausgeschieden werden, bei denen die Betreuung erkennbar ohne jeglichen Einfluss auf den beruflichen Werdegang geblieben ist, weil z.B. tatsächlich der Partner das Kind betreut hat“.
21 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und übrigen auf die der Kammer vorliegende Personalakte des Klägers verwiesen.
22 
Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

 
23 
Nach dem Verzicht der Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden (101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Klage ist zulässig und begründet.
25 
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob der Einstellung des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Probe die gesetzliche Altersgrenze entgegensteht. Sonstige Umstände, etwa die nach § 9 Beamtenstatusgesetz erforderliche persönliche – auch gesundheitliche – Eignung des Klägers steht außer Frage. Daher hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, der Kläger würde beim Nichteingreifen der gesetzlichen Altersgrenze in das Beamtenverhältnis übernommen. Ermessensgründe stehen daher der Einstellung des Klägers in das Beamtenverhältnis nicht entgegen.
26 
Maßgeblich für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Einstellung als Beamter auf Probe ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Handelt es sich - wie hier - um die Frage, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf, ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - bzw. hier der gerichtlichen Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung - in der Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.05.2011 – 4 S 187/10 – Juris unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24.06.2004, 2 C 45.03, BVerwGE 121,140). Im Übrigen ist bei Verpflichtungsklagen auf Einstellung in das Beamtenverhältnis regelmäßig nach der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage zu entscheiden, weil die Einstellung eines Beamtenbewerbers neben der Feststellung objektiver Tatsachen einen prognostischen Akt wertender Erkenntnis voraussetzt, der nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar ist und maßstabbildende Elemente enthält, die der Dienstherr im Hinblick auf den zu besetzenden Dienstposten selbst festzulegen hat (vgl. VGH Baden-Württemberg a.a.O.).
27 
Der Einstellung des unstreitig die Kriterien des § 9 Beamtenstatusgesetz erfüllenden Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe kann nicht die Altersgrenze des § 48 Abs. 1 S. 1 LHO in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung - LHO - entgegengehalten werden, wonach ein Bewerber unter anderem als Beamter in den Landesdienst (nur) eingestellt werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Einstellung das 42. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zwar hatte der am 21.09.19... geborene Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits das 46. Lebensjahr vollendet. Nach § 48 Abs. 1 S. 2 LHO erhöht sich die Altersgrenze nach S. 1 der Vorschrift jedoch für Bewerber, die Betreuungs– und Pflegezeiten für Kinder unter 18 Jahren geleistet haben, u.a. für jeden Betreuungsfall um zwei Jahre. Da der Kläger für drei Kinder unter 18 Jahren Betreuungszeiten geleistet hat, erhöht sich für ihn die Altersgrenze um sechs Jahre, so dass er auch ohne Berücksichtigung seines zwanzigmonatigen Zivildienstes (§ 48 Abs. 1 S. 3 LHO) die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 LHO für eine Einstellung als Beamter auf Probe erfüllt.
28 
Dass der Kläger die eigenen drei unter 18 Jahre alten Kinder neben seiner Ehefrau betreut hat, folgt für die Kammer nicht allein daraus, dass in der Regel auch der einer Berufstätigkeit nachgehende vollzeitbeschäftigte Elternteil jedenfalls üblicherweise auch in seiner Freizeit die Betreuung eigener Kinder übernimmt, sondern daraus, dass die Ehefrau des Klägers bereits vom 01.02.2000 bis 30.04.2000 wieder als geringfügig Beschäftigte neben der Kindererziehung eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und vom 01.06.2000 bis 30.09.2000 mit 25 % sowie erneut ab 01.03.2001 bis auf weiteres mit 25 % der Arbeitszeit in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt war bzw. weiterhin ist. Dass der Kläger während der Arbeitszeit seiner Ehefrau trotz seiner hohen zeitlichen Inanspruchnahme durch (Teilzeit)Berufstätigkeit und Studium sowie zusätzlich durch seine Nebentätigkeit als Dozent für die Krankenpflegeausbildung die Kinderbetreuung übernommen hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Kläger hat dazu auf die gerichtliche Anfrage hin vorgetragen, dass die Arbeitszeiten seiner Ehefrau und von ihm selbst am Universitätsklinikum U. bzw. die Vorlesungs- und Präsenzzeiten an der Pädagogischen Hochschule so eingerichtet worden sind, dass immer ein Elternteil zur Betreuung der Kinder in der Lage war. Die Übernahme einer Vollzeitbetreuung erfordert § 48 Abs. 1 S. 2 LHO nicht.
29 
Bei der Einführung der gesetzlichen Regelung zur Erhöhung der Altersgrenze ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung davon aus, dass es unter anderem bei der Betreuung von Kindern grundsätzlich zu Verzögerungen kommt. Diese Verzögerungen wollte der Gesetzgeber ohne Überprüfung im Einzelfall in pauschalierter Form bei der Verbeamtung berücksichtigt wissen. Denn er hat insoweit den Wortlaut des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu Art. 2 (Änderung der Landeshaushaltsordnung) des Haushaltsbegleitgesetzes 2010 und des Gesetzes über das Landesschuldbuch (Drucksache 14/5680 vom 14.01.2010) in das Gesetz übernommen. Im Gesetzentwurf führt die Landesregierung aus, „um Verzögerungen bei der Verbeamtung durch Betreuungs– und Pflegezeiten in pauschalierter Form Rechnung zu tragen und diese gesellschaftspolitisch gewünschte Verhaltensweise zu würdigen, erfolgt in diesen Fällen eine pauschalierte Erhöhung der Altersgrenze.“ Der nicht erörterten Frage, ob beim Kläger, der noch vor Aufnahme des Studiums die Eignungsprüfung für das Studium ohne Abiturzeugnis an einer Pädagogischen Hochschule des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2005 abzulegen hatte, etwa diesbezüglich eine Verzögerung durch die Kinderbetreuung eingetreten ist, brauchte daher nicht nachgegangen zu werden.
30 
Unter Berücksichtigung der erwähnten, in das Gesetz eingeflossenen Formulierung des Gesetzentwurfs besteht kein Anlass, den Wortlaut von § 48 Abs. 1 S. 2 LHO einschränkend dahin auszulegen, dass im Einzelfall der Eintritt von Verzögerungen festgestellt werden muss, um zu einer Verschiebung der Altershöchstgrenze zu gelangen. Vielmehr ist die Vorschrift so zu verstehen, dass zwar das Höchstalter für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis nicht generell um die im Einzelnen benannten Verzögerungszeiten hinausgeschoben werden soll. Jedoch ist gerade im Hinblick auf die zu Grunde liegende Pauschalierung davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen von Betreuungszeiten für Kinder unter 18 Jahren den Eintritt einer Verzögerung im Regelfall unterstellt.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Kammer hatte keine Veranlassung, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
23 
Nach dem Verzicht der Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden (101 Abs. 2 VwGO).
24 
Die Klage ist zulässig und begründet.
25 
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob der Einstellung des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Probe die gesetzliche Altersgrenze entgegensteht. Sonstige Umstände, etwa die nach § 9 Beamtenstatusgesetz erforderliche persönliche – auch gesundheitliche – Eignung des Klägers steht außer Frage. Daher hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, der Kläger würde beim Nichteingreifen der gesetzlichen Altersgrenze in das Beamtenverhältnis übernommen. Ermessensgründe stehen daher der Einstellung des Klägers in das Beamtenverhältnis nicht entgegen.
26 
Maßgeblich für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Einstellung als Beamter auf Probe ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Handelt es sich - wie hier - um die Frage, ob einem Einstellungsantrag im Hinblick auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal aus Rechtsgründen stattgegeben werden muss oder nicht stattgegeben werden darf, ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - bzw. hier der gerichtlichen Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung - in der Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.05.2011 – 4 S 187/10 – Juris unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24.06.2004, 2 C 45.03, BVerwGE 121,140). Im Übrigen ist bei Verpflichtungsklagen auf Einstellung in das Beamtenverhältnis regelmäßig nach der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage zu entscheiden, weil die Einstellung eines Beamtenbewerbers neben der Feststellung objektiver Tatsachen einen prognostischen Akt wertender Erkenntnis voraussetzt, der nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar ist und maßstabbildende Elemente enthält, die der Dienstherr im Hinblick auf den zu besetzenden Dienstposten selbst festzulegen hat (vgl. VGH Baden-Württemberg a.a.O.).
27 
Der Einstellung des unstreitig die Kriterien des § 9 Beamtenstatusgesetz erfüllenden Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe kann nicht die Altersgrenze des § 48 Abs. 1 S. 1 LHO in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung - LHO - entgegengehalten werden, wonach ein Bewerber unter anderem als Beamter in den Landesdienst (nur) eingestellt werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Einstellung das 42. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zwar hatte der am 21.09.19... geborene Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits das 46. Lebensjahr vollendet. Nach § 48 Abs. 1 S. 2 LHO erhöht sich die Altersgrenze nach S. 1 der Vorschrift jedoch für Bewerber, die Betreuungs– und Pflegezeiten für Kinder unter 18 Jahren geleistet haben, u.a. für jeden Betreuungsfall um zwei Jahre. Da der Kläger für drei Kinder unter 18 Jahren Betreuungszeiten geleistet hat, erhöht sich für ihn die Altersgrenze um sechs Jahre, so dass er auch ohne Berücksichtigung seines zwanzigmonatigen Zivildienstes (§ 48 Abs. 1 S. 3 LHO) die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 LHO für eine Einstellung als Beamter auf Probe erfüllt.
28 
Dass der Kläger die eigenen drei unter 18 Jahre alten Kinder neben seiner Ehefrau betreut hat, folgt für die Kammer nicht allein daraus, dass in der Regel auch der einer Berufstätigkeit nachgehende vollzeitbeschäftigte Elternteil jedenfalls üblicherweise auch in seiner Freizeit die Betreuung eigener Kinder übernimmt, sondern daraus, dass die Ehefrau des Klägers bereits vom 01.02.2000 bis 30.04.2000 wieder als geringfügig Beschäftigte neben der Kindererziehung eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und vom 01.06.2000 bis 30.09.2000 mit 25 % sowie erneut ab 01.03.2001 bis auf weiteres mit 25 % der Arbeitszeit in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt war bzw. weiterhin ist. Dass der Kläger während der Arbeitszeit seiner Ehefrau trotz seiner hohen zeitlichen Inanspruchnahme durch (Teilzeit)Berufstätigkeit und Studium sowie zusätzlich durch seine Nebentätigkeit als Dozent für die Krankenpflegeausbildung die Kinderbetreuung übernommen hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Kläger hat dazu auf die gerichtliche Anfrage hin vorgetragen, dass die Arbeitszeiten seiner Ehefrau und von ihm selbst am Universitätsklinikum U. bzw. die Vorlesungs- und Präsenzzeiten an der Pädagogischen Hochschule so eingerichtet worden sind, dass immer ein Elternteil zur Betreuung der Kinder in der Lage war. Die Übernahme einer Vollzeitbetreuung erfordert § 48 Abs. 1 S. 2 LHO nicht.
29 
Bei der Einführung der gesetzlichen Regelung zur Erhöhung der Altersgrenze ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung davon aus, dass es unter anderem bei der Betreuung von Kindern grundsätzlich zu Verzögerungen kommt. Diese Verzögerungen wollte der Gesetzgeber ohne Überprüfung im Einzelfall in pauschalierter Form bei der Verbeamtung berücksichtigt wissen. Denn er hat insoweit den Wortlaut des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu Art. 2 (Änderung der Landeshaushaltsordnung) des Haushaltsbegleitgesetzes 2010 und des Gesetzes über das Landesschuldbuch (Drucksache 14/5680 vom 14.01.2010) in das Gesetz übernommen. Im Gesetzentwurf führt die Landesregierung aus, „um Verzögerungen bei der Verbeamtung durch Betreuungs– und Pflegezeiten in pauschalierter Form Rechnung zu tragen und diese gesellschaftspolitisch gewünschte Verhaltensweise zu würdigen, erfolgt in diesen Fällen eine pauschalierte Erhöhung der Altersgrenze.“ Der nicht erörterten Frage, ob beim Kläger, der noch vor Aufnahme des Studiums die Eignungsprüfung für das Studium ohne Abiturzeugnis an einer Pädagogischen Hochschule des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2005 abzulegen hatte, etwa diesbezüglich eine Verzögerung durch die Kinderbetreuung eingetreten ist, brauchte daher nicht nachgegangen zu werden.
30 
Unter Berücksichtigung der erwähnten, in das Gesetz eingeflossenen Formulierung des Gesetzentwurfs besteht kein Anlass, den Wortlaut von § 48 Abs. 1 S. 2 LHO einschränkend dahin auszulegen, dass im Einzelfall der Eintritt von Verzögerungen festgestellt werden muss, um zu einer Verschiebung der Altershöchstgrenze zu gelangen. Vielmehr ist die Vorschrift so zu verstehen, dass zwar das Höchstalter für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis nicht generell um die im Einzelnen benannten Verzögerungszeiten hinausgeschoben werden soll. Jedoch ist gerade im Hinblick auf die zu Grunde liegende Pauschalierung davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen von Betreuungszeiten für Kinder unter 18 Jahren den Eintritt einer Verzögerung im Regelfall unterstellt.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
32 
Die Kammer hatte keine Veranlassung, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 18. März 2014 - 4 S 509/14

bei uns veröffentlicht am 18.03.2014

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. März 2014 - 5 K 677/14 - wird zurückgewiesen.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens

Referenzen

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.