Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 23. März 2015 - RN 5 S 15.50107
Gericht
Principles
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein malischer Staatsangehöriger, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach I. in einem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
Der am ...1988 geborene Antragsteller reiste am
Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am
Am
Mit Bescheid vom
Gegen diesen, dem Antragsteller am
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom
Der Antragsgegner beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angegriffenen Bescheides,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Antragsteller betreffende Aktengeheft des Bundesamtes, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag hat Erfolg. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides wird voraussichtlich zur Aufhebung dieser Anordnung führen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes durch Gesetz angeordnet ist, wie dies hier der Fall ist (vgl. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Satz 1 AsylVfG). Bei seiner Entscheidung hat das Gericht eine Interessenabwägung durchzuführen, im Rahmen derer das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Abschiebungsanordnung gegeneinander abzuwägen sind. Im Rahmen dieser Abwägung spielen die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine wesentliche Rolle (vgl. nur: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 146 ff., insbesondere Rn. 152). Die Modifizierung des Prüfungsmaßstabes im Eilrechtsschutzverfahren nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG, wonach eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur erfolgen darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, gilt nicht für nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnungen (VG Regensburg
Das Bundesamt hat die Anordnung der Abschiebung nach I. auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Hier ist das Bundesamt davon ausgegangen, dass I. nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig ist. Deshalb hat es den Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a AsylVfG auch als unzulässig abgelehnt. Bei den europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-III-VO handelt es sich um reine zwischenstaatliche Regelungen, die grundsätzlich keine subjektiven Rechte von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss. Die in der Dublin-III-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln sind an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Damit wird in erster Linie die Beschleunigung der Bearbeitung von Asylanträgen im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der am gemeinsamen europäischen Asylsystem teilnehmenden Staaten bezweckt. Hat ein Mitgliedstaat daher gegenüber einem anderen Staat seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO erklärt, kann der hiervon betroffene Asylbewerber insoweit nicht geltend machen, dass dieser Staat für die Durchführung des Asylverfahrens an sich unzuständig sei. Ein subjektives vor den Gerichten durchsetzbares Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat besteht somit grundsätzlich nicht (EuGH vom 10.12.2013, Rs. C-394/12
Das europarechtliche Zuständigkeitsregime suspendiert andererseits jedoch nicht das subjektiv-öffentliche Recht jedes Asylbewerbers auf die Durchführung eines Asylverfahrens. Im Hinblick auf die Antragsgegnerin resultiert dieser materielle Prüfungsanspruch letztendlich aus Art. 16a Abs. 1 GG bzw. aus Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO, wonach die Mitgliedstaaten grundsätzlich zur Prüfung eines Asylantrages verpflichtet sind. Nur wenn der Mitgliedstaat bei der Prüfung des Asylantrages feststellt, dass an sich ein anderer Mitgliedstaat für den Asylantrag zuständig ist, kann er seine eigene Prüfung beenden, dem Antragsteller auf einen anderen Mitgliedstaat verweisen und ihn dorthin ohne weitere Prüfung abschieben.
Die eben dargestellte Zuständigkeitsverlagerung hat nach den Regelungen der Dublin-III-VO jedoch stets zwei Voraussetzungen: Zum Einen muss der Staat, in dem Asylantrag gestellt wurde, davon überzeugt sein, dass ein anderer Mitgliedstaat zur Prüfung zuständig ist; zum Anderen muss der ersuchte Mitgliedstaat - je nach Fallkonstellation - der Aufnahme zustimmen bzw. mit der Wiederaufnahme einverstanden sein. Nur durch diese beiden Elemente wird ein Zuständigkeitsstreit verhindert und die materielle Prüfung des Asylantrags innerhalb der europäischen Union sichergestellt.
Im Einklang hiermit steht die Regelung des § 34a Satz 1 AsylVfG, wonach die Abschiebungsanordnung erlassen werden kann „sobald feststeht“ dass sie durchgeführt werden kann. Hat der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber aufhält, Erkenntnisse darüber, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist - etwa weil dort bereits ein Asylantrag gestellt worden ist -, so muss er bei diesem Staat zunächst ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Dublin-III-VO stellen. Im vorliegenden Fall ist dies am 20.10.2014 auch geschehen. Weitere Voraussetzung ist jedoch auch, dass der ersuchte Mitgliedstaat dem Wiederaufnahmegesuch zustimmt. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem EURODAC-System, so muss die Antwort auf das Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO innerhalb einer Frist von zwei Wochen erfolgen. Erfolgt innerhalb dieses Zeitraums keine Antwort, so ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird.
Von letzterem ist das Bundesamt im vorliegenden Fall ausgegangen. Dabei hat es jedoch übersehen, dass das italienische Ministero dell’Interno innerhalb der genannten Zweiwochenfrist - nämlich am
Durch die fehlerhafte Abschiebungsanordnung ist der Antragsteller auch in seinen Rechten verletzt; denn wie bereits oben dargestellt, hat der Antragsteller jedenfalls einen Anspruch darauf, dass irgendein europäischer Mitgliedstaat seinen Asylantrag prüft. Nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin-III-VO ist dies nach der Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden und der nicht mehr gegebenen Möglichkeit der Stellung eines weiteren Wiederaufnahmegesuchs nunmehr die Bundesrepublik Deutschland. Auch wenn sich grundsätzlich aus dem europäischen Zuständigkeitsregime kein subjektives Recht des Antragstellers auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründen lässt, so lebt gleichwohl die Pflicht der Antragsgegnerin zur Behandlung des Asylantrags aufgrund der nicht mehr möglichen Rücküberstellung des Antragstellers nach I. wieder auf. Die Antragsgegnerin wird daher prüfen müssen, ob es sich bei dem Antrag des Antragstellers um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt. Danach wird sich dann die erforderliche weitere Prüfung des Antrags richten müssen.
Nach alledem war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylVfG.
Der Gegenstandswert folgt aus 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.