Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Sept. 2015 - 3 L 793/15.NW
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 8. Juni 2015 gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Mai 2015 für den Neubau eines Wohngebäudes auf den Grundstücken Flurstück-Nrn. … und … in Schifferstadt, A-Straße ..., wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller und der Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Das Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 8. Juni 2015 gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Mai 2015 für den Neubau eines Wohngebäudes auf den Grundstücken Flurstück-Nrn. … und … in Schifferstadt, A-Straße ..., anzuordnen, ist zulässig (1.) und begründet (2.). Der weitere Antrag, dem Antragsgegner aufzugeben, die von den Beigeladenen begonnenen Arbeiten auf den genannten Grundstücken stillzulegen, ist dagegen erfolglos (3.).
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1. Der Antrag zu 1) ist gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 212 a Baugesetzbuch – BauGB – statthaft und auch ansonsten zulässig.
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Insbesondere ist der Antragsteller gemäß § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Neben dem möglichen Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme kann der Antragsteller auch die mögliche Verletzung der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 8 Landesbauordnung – LBauO – im vorliegenden Verfahren rügen. Zwar wurde die angegriffene Baugenehmigung vom 8. Juni 2015 im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass nach § 66 Abs. 3 LBauO bauordnungsrechtliche Vorschriften nicht zu prüfen sind. Eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung hat nur Wirkung in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorschriften, die in diesem Verfahren zu überprüfen waren. Bezüglich der übrigen gesetzlichen Regelungen enthält die Genehmigung weder eine Feststellung noch eine Freigabe, so dass sie insoweit auch weder den Bauherrn begünstigt, indem sie die Übereinstimmung des Vorhabens mit allen Vorschriften des öffentlichen Rechts feststellt, noch den Nachbarn belasten kann. Dieser ist daher durch die Baugenehmigung hinsichtlich der nicht geprüften Vorschriften nicht in seinen Rechten betroffen im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. November 1991 – 8 B 11955/91 –, NVwZ-RR 1992, 289).
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Allerdings ist die Bauaufsichtsbehörde nicht daran gehindert, die – entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm – beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153). Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn – wie hier – bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen oder zu erwarten sind und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153; vgl. auch VG Neustadt, Urteil vom 12. Juli 2012 – 4 K 329/12.NW –, juris). Hat daher die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren abweichend vom gesetzlich vorgegebenen Prüfungsprogramm tatsächlich bestimmte bauordnungsrechtliche Vorschriften geprüft, werden diese Regelungsinhalt der Baugenehmigung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 4. Februar 2009 – 8 A 11283/08.OVG – und vom 24. Mai 1993 – 8 B 11124/93.OVG –) mit der Folge, dass ein Nachbar im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO befugt ist, sich auf einen möglichen Verstoß gegen die geprüften bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu berufen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 24. Mai 1993 – 8 B 11124/93.OVG – und 28. Mai 1993 – 8 B 11148/93.OVG –; VG Neustadt, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 L 644/14.NW –, juris und vom 2. Juli 2014 – 4 L 553/14.NW –). Vorliegend hat der Antragsgegner im Baugenehmigungsverfahren tatsächlich die Einhaltung des § 8 LBauO geprüft (s. u.a. Blatt 12 und 19 der Baugenehmigungsakte).
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2. Der Antrag zu 1) ist auch in der Sache begründet.
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2.1. Für die nach § 80a Abs. 3 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind die gegenläufigen Interessen des Antragstellers und der Beigeladenen für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit nachbarschützenden Vorschriften bestehen. Demgegenüber ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, wenn die Baugenehmigung offensichtlich nicht gegen nachbarschützende Normen verstößt. Lässt sich auch nach intensiver Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf des Nachbarn wahrscheinlich zum Erfolg führen wird, sind die Erfolgsaussichten also offen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der der Einzelfallbezug gewahrt bleiben muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 – 4 VR 1005/04 –, NVwZ 2005, 689).
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2.2. In Anwendung dieser Grundsätze muss hier die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfallen. Die gemäß §§ 70, 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO erteilte Baugenehmigung vom 8. Juni 2015 verstößt gegen die nachbarschützende und von dem Antragsgegner faktisch geprüfte bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO.
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Danach sind grundsätzlich vor Außenwänden oberirdischer Gebäude Abstandsflächen freizuhalten. Etwas anderes gilt aber in den Ausnahmefällen der § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO, § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBauO oder § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO. Keiner dieser Fälle greift momentan jedoch ein.
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2.2.1. Die Beigeladenen können sich zunächst nicht auf den Ausnahmefall des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO berufen. Danach sind innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Der in § 8 Abs. 1 Satz 2 LBauO angeordnete Vorrang des Städtebaurechts gilt nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen. Auch der tatsächlich vorhandenen Bauweise im nicht überplanten Innenbereich kommt grundsätzlich der Vorrang vor dem Abstandsflächenrecht zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1994 – 4 B 53.94 –, NVwZ 1994, 1008).
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Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, der die Kammer folgt, reicht es für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO nicht aus, dass nach § 34 Abs. 1 BauGB die Grenzbebauung zulässig ist, weil in der Umgebung des zu bebauenden Grundstücks sowohl die offene als auch die geschlossene Bauweise anzutreffen ist. Selbst in den Fällen, in denen die geschlossene Bauweise überwiegend anzutreffen ist, muss angesichts der ebenfalls anzutreffenden offenen Bauweise nicht an die Grenze gebaut werden. Für den unbeplanten Innenbereich kann eine zwingende Grenzbebauung nur angenommen werden, wenn auf den benachbarten Grundstücken trotz unterschiedlicher Stellung der Baukörper auf den einzelnen Grundstücken ein einheitliches Ordnungsprinzip doch insoweit erkennbar ist, dass alle Gebäude ohne Ausnahme − mindestens einseitig − eine Grenzbebauung aufweisen und somit an die Grenze gebaut werden muss, ein Vorhaben mit Grenzabstand sich also nicht einfügen würde, sondern als Fremdkörper erschiene (vgl. OVG Rheinland-Pfalz Urteil vom 11. November 1993 – 1 A 10532/93.OVG –, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11. März 1994 – 4 B 53.94 –, NVwZ 1994, 1008; Beschlüsse vom 8. Februar 2000 − 1 B 10066/00.OVG – und vom 8. Juni 2001 – 8 B 10855/01.OVG –, ESOVGRP; Urteil vom 10. Juli 2003 – 8 A 10257/03.OVG – m.w.N., ESOVGRP). Demgegenüber genügt es für die Annahme einer zwingenden Grenzbebauung regelmäßig nicht, wenn bei ansonsten uneinheitlicher Bauweise die geschlossene Bebauung zahlenmäßig überwiegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 1994 – 4 B 53.94 –, NVwZ 1994, 1008).
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So liegen die Dinge hier nicht. Obwohl die Bebauung westlich und östlich der A-Straße in der näheren Umgebung (zu der die Hausnummern ... – ... westlich der A-Straße und Hausnummern ... – ... östlich der A-Straße zählen dürften) dem genannten Ordnungsprinzip folgen dürfte, können sich die Beigeladenen darauf deshalb nicht berufen, weil ihr geplantes Gebäude nicht nur auf einer, sondern auf zwei Seiten grenzständig errichtet werden soll. Eine beidseitige Grenzbebauung ist indessen planungsrechtlich hier jedenfalls nicht zwingend (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 8. Februar 2000 − 1 B 10066/00.OVG – und vom 8. Juni 2001 – 8 B 10855/01.OVG –, ESOVGRP; Urteil vom 10. Juli 2003 – 8 A 10257/03.OVG – m.w.N., ESOVGRP). Denn die Umgebungsbebauung ist weit überwiegend von nur einseitiger Grenzbebauung geprägt.
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2.2.2. Eine Bebauung ohne Grenzabstand zum Grundstück des Antragstellers kann auch nicht auf § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBauO gestützt werden. Danach sind innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn das Gebäude ohne Grenzabstand gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird. Vorliegend ist eine entsprechende Grenzbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen nicht öffentlich-rechtlich gesichert.
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2.2.3. Ferner rechtfertigt auch § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO keine Zulassung des von den Beigeladenen geplanten Bauvorhabens. Danach kann grenzständige Bebauung zugelassen werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften mit Grenzabstand gebaut werden muss, aber auf dem Nachbargrundstück innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche ein Gebäude ohne Grenzabstand vorhanden ist. Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (vgl. z.B. Beschluss vom 8. Januar 2015 – 8 A 10957/14.OVG – m.w.N.), der die Kammer folgt, kann nach dieser Vorschrift ein Gebäude ohne eigenen Grenzabstand nicht nur dann zugelassen werden, wenn bauplanungsrechtlich mit Grenzabstand gebaut werden muss, sondern erst recht dann, wenn planungsrechtlich mit Grenzabstand gebaut werden darf.
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Hier scheidet eine Anwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO schon deshalb aus, weil gegenwärtig auf dem Grundstück des Antragstellers überhaupt kein Gebäude vorhanden ist.
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2.2.4. Die Kammer braucht auch nicht näher zu erörtern, ob die Beigeladenen im Hinblick auf den engen Zuschnitt ihrer Grundstücke möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 LBauO haben. Nach dieser Vorschrift kann eine Abweichung zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Demnach muss im konkreten Einzelfall eine besondere Situation vorliegen, die sich vom gesetzlichen Regelfall derart unterscheidet, dass der mit der betreffenden Vorschrift verfolgte Zweck die Einhaltung der Norm nicht erfordert oder als unverhältnismäßig erscheinen lässt. Eine Abweichung von einer nachbarschützenden Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn aufgrund der besonderen Umstände der Nachbar nicht schutzbedürftig ist oder die Gründe, die für eine Abweichung streiten, objektiv derart gewichtig sind, dass die Interessen des Nachbarn ausnahmsweise zurücktreten müssen (näher OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. November 1999 – 8 A 10951/99.OVG –, NVwZ-RR 2000, 580).
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Wird eine Abweichung in der Baugenehmigung selbst erteilt, so muss dies ausdrücklich erfolgen (Schmidt, in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 69 Rn. 43). Zwar setzt § 69 Abs. 1 LBauO einen gesonderten Antrag nicht voraus. Jedoch hat der Bauherr der Bauaufsichtsbehörde unter Angabe der Gründe mitzuteilen, wenn ein Nachbar die Zustimmung zu einer Abweichung von nachbarschützenden Bestimmungen verweigert (§ 68 Abs. 1 LBauO). Dies war vorliegend der Fall, denn der Antragsteller war nicht bereit, auf den ihm vorgelegten Bauplänen seine Zustimmung zu dem Bauvorhaben zu erteilen. Das bloße Vorliegen einer Abweichungslage genügt nach Auffassung der Kammer nicht, die ohne Abweichung ergangene Baugenehmigung als rechtmäßig ansehen zu können, so sie denn für das streitige Vorhaben nur im Wege der Abweichung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 LBauO hätte ergehen dürfen (vgl. auch Schmidt, in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 69 Rn. 40 und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09.OVG –, DVBl 2010, 659 zur Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB). Bei der Baugenehmigung bedarf es der tatsächlichen Abweichungserteilung, wenn nur dadurch ein bestimmtes Vorhaben in einem Baugebiet abweichend von einer bestimmten bauordnungsrechtlichen Vorschrift zugelassen werden kann. Eine dieses Erfordernis nicht berücksichtigende Baugenehmigung verletzt dann auch den Nachbarn in seinem Anspruch auf Einhaltung der maßgeblichen bauordnungsrechtlichen Bestimmung.
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Hier hat der Antragsgegner keine ausdrückliche Abweichungsentscheidung getroffen.
- 18
2.2.5. Der Antragsteller verhält sich nach Ansicht der Kammer zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht treuwidrig, weil er, wie der Antragsgegner behauptet hat, auf dem Nachbargrundstück zu verhindern versucht, was er auf seinem eigenen Grundstück selbst verwirklichen möchte. Hintergrund ist die inzwischen beim Antragsgegner eingereichte Bauvoranfrage von Herrn D zum Neubau eines Dreifamilienwohnhauses auf dem Grundstück des Antragstellers, der dieses möglicherweise an Herrn D verkaufen möchte. Die eingereichten Baupläne sehen ebenfalls ein Bauvorhaben in geschlossener Bauweise vor.
- 19
Ob es zu dem Verkauf kommt, ist zum einen offen. Zum anderen schafft eine noch nicht verbeschiedene Bauvoranfrage keine Fakten, die im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen wären. Ferner könnten die Beigeladenen gegen einen positiven Bauvorbescheid des Antragsgegners Widerspruch einlegen, dessen Erfolgsaussichten im Hinblick auf die obigen Ausführungen gut wären. Denn wenn die Beigeladenen nicht berechtigt sind, ihr Bauvorhaben in geschlossener Bauweise zu verwirklichen, gilt dies ebenso für den Antragsteller bzw. dessen potentiellen Käufer. Der Antragsteller schadet sich in Bezug auf den zu erzielenden Verkaufserlös mit seinem Eilantrag daher womöglich selbst, zumal sein ebenfalls schmal geschnittenes Grundstück im Falle der einseitigen Einhaltung von Abstandsflächen für potentielle Käufer weniger attraktiv sein dürfte. Es liegt daher nahe, dass sich der Antragsteller und die Beigeladenen darauf verständigen, beide an die gemeinsame Grenze zu bauen und dies öffentlich-rechtlich sichern lassen.
- 20
3. Der weitere Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner aufzugeben, die von den Beigeladenen begonnenen Arbeiten stillzulegen, bleibt dagegen der Erfolg versagt.
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§ 80 a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO räumt dem Gericht über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinaus ergänzend die Möglichkeit ein, einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte eines Dritten zu treffen. Für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen bedarf es jedoch eines hinreichenden konkreten Grundes (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 1. April 2015 – 1 OA 38/15 –, BauR 2015, 1153; Bay. VGH, Beschluss vom 26. Oktober 2009 – 2 CS 09.2121 –, NVwZ-RR 2010, 346; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflag 2011, Rn. 1080). Dieser liegt vor, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die angeordnete bzw. wiederhergestellte aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs missachtet werden könnte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 9 VR 2.12 -, NVwZ 2012, 570). Das Erfordernis eines so verstandenen Sicherungsinteresses folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO, der den Erlass von Sicherungsmaßnahmen in das Ermessen der Behörde bzw. des Gerichts stellt. Ihr Erlass ist demzufolge nicht der gesetzlich vorgesehene Regelfall, sondern setzt besondere Umständen des Einzelfalls voraus. Solche sind vorliegend nicht ersichtlich. Es ist zu erwarten, dass der Antragsgegner und die Beigeladenen die Entscheidung der Kammer auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers auch ohne beigefügte Sicherungsmaßnahmen respektieren.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz – GKG – in Verbindung mit Nr. 1.5, Nr. 9.7.1 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs 2013 (LKRZ 2014, 169). Für den Antrag zu 2) auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen ist ein eigenständiger Streitwert festzusetzen, da dieser gemeinsam mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 1. April 2015 – 1 OA 38/15 –, juris). Für den Antrag zu 2) hat die Kammer in Übereinstimmung mit dem VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 9. April 2014 – 8 S 1528/13 –, NVwZ-RR 2014, 752) ebenso wie für den Antrag zu 1) den Streitwert mit 3.750 € bemessen (3.750 € x 2 = 7.500 €).
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Sept. 2015 - 3 L 793/15.NW zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. November 2010 abgeändert und die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben der Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Beklagter und Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Änderungsbaugenehmigung, mit der die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit des geänderten Vorhabens festgestellt wird.
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Sie sind zusammen mit der Beigeladenen Miteigentümer des unbebauten Wegegrundstücks (Fahrweg) Flurstück-Nr. … in H. Dieser Fahrweg dient sowohl dem Wohngrundstück der Beigeladenen (F.straße …) als auch dem im Miteigentum der Kläger stehenden und östlich an den Fahrweg angrenzenden Wohngrundstück F.straße … als Zuwegung.
- 3
Die Beigeladene beantragte im Januar 2006 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau und die Erweiterung ihres Wohnhauses F.straße … . Der zweigeschossige, ca. 13 m lange Anbau an den vorhandenen Baubestand verläuft in seinem ersten Teil mit einer Länge von 1,25 m noch parallel zu der Wegeparzelle, die dann aber endet, so dass der weitere Teil des Anbaus wegen des dann breiteren Baugrundstücks abstandsflächenrechtlich keine Probleme aufwirft. Nach den vorgelegten Plänen sollte im Erdgeschoss des Wohnhausanbaus zum Fahrweg hin ein Kinderzimmer und im Obergeschoss ein Esszimmer errichtet werden.
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Der Beklagte erteilte der Beigeladenen am 31. Januar 2006 die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren.
- 5
Nachdem der Vater der Kläger als damaliger Miteigentümer des Fahrwegs Verletzungen des erforderlichen Grenzabstandes im Bereich des Kinder-/Esszimmers geltend gemacht hatte, zur Bewilligung einer Abstandsflächenbaulast auf der Wegefläche allerdings nicht bereit war, reichte die Beigeladene im Mai 2007 eine Tektur bei dem Beklagten des Inhalts ein, dass für das ursprünglich im Erdgeschoss des Wohnhausanbaus geplante Kinderzimmer nunmehr eine Nutzung als Abstellraum geplant sei. Nach dem vorgelegten Plan soll dieser Raum sowohl einen eigenen Eingang von dem Fahrweg aus als auch – wie bisher – eine Tür zum Flur des Wohnhauses aufweisen. Im Obergeschoss soll die Außenwand des dortigen Esszimmers derart zurückgebaut werden, dass in dem Bereich parallel des Fahrwegs ein Grenzabstand von 3 m eingehalten wird.
- 6
Mit Bescheid vom 21. Juni 2007 erteilte der Beklagte der Beigeladenen antragsgemäß die entsprechende Änderungsbaugenehmigung. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde – nach zwischenzeitlichem Scheitern von Vergleichsverhandlungen – durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung sei rechtmäßig. Insbesondere könne die Beigeladene für den geplanten Abstellraum das Abstandsflächenprivileg nach § 8 Abs. 9 LBauO in Anspruch nehmen.
- 7
Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, bei dem Abstellraum im Erdgeschoss handele es sich nicht um ein eigenständiges Gebäude, was jedoch Voraussetzung zur Anwendung des § 8 Abs. 9 LBauO sei.
- 8
Nach dem neuerlichen Scheitern von Einigungsbemühungen zwischen den Klägern und der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht die Klage durch das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. November 2010 ergangene Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, weil für das geltend gemachte Rückbaubegehren bezüglich des lediglich auf einer Länge von ca. 1,25 m vorliegenden Abstandsflächenverstoßes kein nachvollziehbarer sachlicher Grund erkennbar sei, ein faktisch wahrnehmbarer Vorteil für die Kläger als Nachbarn durch einen Rückbau des Erdgeschossraumes nicht entstünde und sie ganz offensichtlich die Klage als Druckmittel benutzten, um von einer Abstandsflächeneinhaltung völlig losgelöste Ziele zu verfolgen. Die Treuwidrigkeit sei umso mehr deshalb anzunehmen, weil der Abstandsflächenverstoß nur gering sei und für das Bauvorhaben eine Abweichung gemäß § 69 LBauO erteilt werden könnte. Den Klägern gehe es letztlich gar nicht um die Einhaltung der notwendigen Abstandsfläche des Vorhabens der Beigeladenen zu dem Fahrweg, sondern um die Einräumung von – ansonsten in einem separaten Zivilrechtsstreit gegen die Beigeladene zu verfolgenden – Sonderrechten an dem Fahrweg in Form der Einrichtung eines Stellplatzes und der Bewilligung eines Leitungsrechts.
- 9
Der Kläger trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Ihr Klagebegehren sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der jetzige Streit sei Teil eines bereits Jahrzehnte schwelenden, unter den Rechtsvorgängern der jetzigen Parteien begonnenen Nachbarrechtsstreits. Es sei nicht treuwidrig, wenn im Rahmen der Erörterung einer einvernehmlichen Lösung des jetzigen Rechtsstreits für ein Nachgeben zusätzliche Forderungen erhoben würden. Dass sie sich auf solche Vergleichsgespräche eingelassen hätten, dürfe nicht zu ihren Lasten gewertet werden.
- 10
Die Kläger beantragen,
- 11
das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. November 2010 abzuändern und die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 aufzuheben.
- 12
Der Beklagte beantragt,
- 13
die Berufung zurückzuweisen.
- 14
Nach seiner Auffassung habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Abweichung vom Abstandsflächengebot vorlägen. Ob die Geltendmachung der Abstandsflächenverletzung darüber hinaus rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, könne dahingestellt bleiben.
- 15
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
- 16
die Berufung zurückzuweisen.
- 17
Das Verwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass das Geltendmachen der Abstandsflächenverletzung rechtsmissbräuchlich sei, weil dieser Verstoß durch eine Abweichungszulassung legalisiert werden könne. Im Übrigen nutzten die Kläger auch weiterhin ihre Rechtsposition dazu aus, wirtschaftliche Vorteile von allen Seiten zu erzielen. Der Termin zur Beurkundung des ausgehandelten Vertrages sei kurzfristig mit der Begründung abgesagt worden, dass noch Regelungen mit dem Architekten zu treffen seien. Obwohl sie zwischenzeitlich den Zwischentrakt nicht nur im Obergeschoss, sondern auch im Untergeschoss zurückgebaut habe, sei sie nicht bereit, auf die Rechte aus der Änderungsbaugenehmigung zu verzichten.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 19
Die Berufung ist begründet.
- 20
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, weil die angefochtene Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juni 2008 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
- 21
Die angefochtene Baugenehmigung enthält die Feststellung, dass das geänderte Bauvorhaben der Beigeladenen mit den abstandsflächenrechtlichen Regelungen der Landesbauordnung vereinbar ist. Diese Feststellung ist rechtswidrig.
- 22
1. Zunächst begegnet es keinen Bedenken, dass der Beklagte die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens festgestellt hat, obwohl es sich um ein Bauvorhaben nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBauO handelt und das Prüfungsprogramm der Bauaufsichtsbehörde nach § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO auf die Kontrolle der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlichen Vorschriften, allerdings unter Ausklammerung bauordnungsrechtlicher Bestimmungen, beschränkt ist.
- 23
Wenn auch die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht befugt ist, das ihr gesetzlich vorgegebene Prüfungsprogramm und damit die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die zu erteilende Baugenehmigung zu erweitern, so ist sie umgekehrt dennoch nicht gehindert, die – entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm – beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen. Besteht auf den Erlass einer dahingehenden Feststellung wegen der Zurücknahme des präventiven Kontrollprogramms auch kein Anspruch, so bleibt es der Bauaufsichtsbehörde doch unbenommen, zur Klärung der Rechtslage die aus ihrer Sicht gegebene bauordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens festzustellen. Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Urteil des Senats vom 22. Oktober 2008 – 8 A 10942/08.OVG –, BauR 2009, 799 und juris, Rn. 26; OVG Hamburg, Urteil vom 30. März 2011 -2 Bf 374/06-, NVwZ-RR 2011, 591[593]: Befugnis zu zusätzlichen Anordnungen).
- 24
Der Beklagte hat hier eine solche erweiterte Feststellungsregelung getroffen. Zwar äußert sich die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 nicht ausdrücklich zur bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit, diese war indes wesentlicher Inhalt des Tekturantrags der Beigeladenen vom 18. Mai 1987; darüber hinaus hat die Bauaufsichtsbehörde in ihrem Begleitschreiben zur Baugenehmigung an die Kläger vom 22. Juni 2007 ausdrücklich erklärt, auch bauordnungsrechtliche Fragen geprüft zu haben; Letzteres ergibt sich auch aus dem Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008.
- 25
2. Das geänderte Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt im Bereich des an den Altbestand unmittelbar anschließenden Bauteils (sog. Zwischentrakt) im Bereich des Erdgeschosses gegen das Abstandsflächenrecht.
- 26
Die Außenwand im Südostteil des Zwischentrakts hält die gebotene Abstandsfläche von mindestens 3 m (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 3 LBauO) nicht ein. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 LBauO muss die Abstandsfläche auf dem Grundstück selbst liegen. Die Außenwand der Südostecke des Zwischentrakts hält zu der benachbarten Wegeparzelle Nr. … jedoch nur einen Abstand von etwa 50 cm ein. Die in § 8 Abs. 2 Satz 2 LBauO erlaubte Erstreckung der Abstandsfläche bis zur Mitte einer Verkehrsfläche führt hier nicht zur Zulässigkeit des Vorhabens. Zum einen ist diese Erstreckung nur bei öffentlichen Verkehrsflächen, nicht hingegen bei privaten Wegeflächen – wie hier – erlaubt. Zum anderen beträgt die Hälfte der Wegeparzelle Nr. … nur etwa 2 m. Sie reicht damit nicht aus, um im Anschluss an die östliche Außenwand des Gebäudes eine Abstandsfläche von 3 m abzubilden.
- 27
Während im Obergeschoss des Zwischentraktes die gebotene Abstandsfläche infolge des vorgesehenen Rückbaus der Außenwand eingehalten wird, ragt die Abstandsfläche im genehmigten Erdgeschoss des Zwischentraktes über die eigene Grundstücksparzelle der Beigeladenen hinaus. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Beigeladene hierfür nicht auf das Abstandsflächenprivileg gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 LBauO berufen. Danach dürfen ohne Abstandsfläche oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche „sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten“ errichtet werden. Nach der Rechtsprechung beider Bausenate des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz findet das Abstandsflächenprivileg nach § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO nur Anwendung auf selbstständige Gebäude, was eine konstruktive und funktionale Trennung zwischen dem Hauptgebäude und dem – privilegierten – Nebengebäude voraussetzt (vgl. OVG RP, Urteil vom 25. Juni 2009 – 1 A 10050/09.OVG –, ESOVGRP; Beschluss des Senats vom 30. November 2009 – 8 A 10925/09.OVG –, Urteil vom 25. November 2009 – 8 A 10636/09.OVG –, ESOVGRP). An einer solchen konstruktiven und funktionalen Trennung fehlt es hier bereits deshalb, weil zwischen dem jetzt geplanten Abstellraum und der Wohnnutzung in den benachbarten Räumen eine Verbindungstür besteht. Aber auch im Übrigen fehlt es an der gebotenen Selbstständigkeit des Abstellraums, weil er konstruktiv in den ansonsten einheitlichen Baukörper integriert ist.
- 28
Weil die genannten abstandsflächenrechtlichen Bestimmungen nachbarschützend sind, folgt aus dem objektiv-rechtlichen Verstoß zugleich eine Verletzung der Klägerin in ihren Rechten.
- 29
Dass möglicherweise die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung vom Abstandsflächengebot nach § 69 Abs. 1 Satz 1 LBauO vorliegen, wie der Beklagte annimmt, ist für die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden Änderungsbaugenehmigung ohne Belang. Denn der Beklagte hat dem Abweichungsantrag der Beigeladenen vom 19. November 2010 bislang noch nicht stattgegeben. Das bloße Vorliegen einer Abweichungslage genügt indessen nicht, die ohne Abweichungszulassung ergangene Baugenehmigung als rechtmäßig ansehen zu können (vgl. OVG RP, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09.OVG –, ESOVGRP, für das Vorliegen einer Befreiungslage nach § 31 Abs. 2 BauGB).
- 30
3. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hält der Senat das Anfechtungsbegehren der Kläger unter Berufung auf die Abstandsflächenwidrigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen nicht für rechtsmissbräuchlich.
- 31
Es ist grundsätzlich legitim, bestehende Rechte geltend zu machen. Zwar unterliegt die Geltendmachung von Rechten dem die gesamte Rechtsordnung prägenden Grundsatz von Treu und Glauben, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. So kann die Ausübung eines – materiellen oder auch verfahrensrechtlichen – Rechts sich im Einzelfall als treuwidrig und damit unzulässig erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 -, BverwGE 44, 294 [298 f.]). Eine solche, ohnehin nur in engen Grenzen anzunehmende Fallgestaltung liegt hier nach Auffassung des Senats indes nicht vor.
- 32
Das Verwaltungsgericht führt zutreffend aus, dass sich ein Nachbar grundsätzlich gegen jede Unterschreitung der Mindestabstandsfläche zur Wehr setzen kann, ohne den Nachweis einer gerade dadurch hervorgerufenen tatsächlichen Beeinträchtigung führen zu müssen (vgl. VGH BW, Urteil vom 6. Juni 2008 – 8 S 18/07 –, VBlBW 2008, 483 und juris, Rn. 44). Einschränkungen mögen bei Abstandsflächenverstößen im Bagatellbereich angebracht sein (vgl. für den Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten: OVG RP, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 8 A 11062/05.OVG –). Im vorliegenden Fall überschreitet die Abstandsfläche vor der Außenwand an der Südostecke des Zwischentrakts das gebotene Maß indes um ca. 2,50 m.
- 33
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Kläger ihr Begehren treuwidrig allein als Druckmittel zur Durchsetzung völlig anderer Ziele einsetzen. Dass die Kläger im Rahmen der Vergleichsverhandlungen ihre Bereitschaft zur Duldung der Abstandsflächenverletzung mit der Forderung nach einem Entgegenkommen der Beigeladenen in anderer Hinsicht verbinden, macht diese Verfahrensweise noch nicht rechtsmissbräuchlich. Diese Praxis entspricht vielmehr dem üblichen Vorgang des Aushandelns einer einvernehmlichen Konfliktlösung. Eine unzulässige Kopplung der geltend gemachten Rechtsverletzung mit den Forderungen der Kläger liegt auch deshalb nicht vor, weil sich sowohl der Abstandsflächenverstoß der Beigeladenen als auch die Forderungen der Kläger nach Ausweisung eines Stellplatzes und Einräumung eines Leitungsrechts auf dieselbe Wegeparzelle beziehen. Auch kann ein schikanöses Überziehen der Kläger in ihren Forderungen mit der dafür gebotenen Offensichtlichkeit nicht festgestellt werden. Schließlich macht die vom Verwaltungsgericht angenommene Abweichungsfähigkeit des Bauvorhabens nach § 69 LBauO das Geltendmachen der durch die erteilte Baugenehmigung eingetretenen Rechtsverletzung nicht rechtsmissbräuchlich. Vielmehr fällt es in den Verantwortungsbereich des Beklagten und der Beigeladenen, von den Möglichkeiten zur Legalisierung des Abstandsflächenverstoßes Gebrauch zu machen.
- 34
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
- 35
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
- 36
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
- 37
Beschluss
Tenor
Die Baugenehmigung vom 15. September 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 15. März 2012 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen von dem Beklagten erteilte Baugenehmigung.
- 2
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks FlurNr. … in A-Stadt, A-Straße … sowie des im Westen unmittelbar angrenzenden und bisher unbebauten Grundstücks FlurNr. ….. An das Grundstück FlurNr. …. grenzt das Grundstück der Beigeladenen mit der FlurNr. … an, auf dem ein Wohngebäude steht, das ursprünglich im Jahre 1830 errichtet und zuletzt 1955 saniert wurde. Alle genannten Grundstücke liegen im Ortskern von A-Stadt; ein Bebauungsplan besteht nicht. Im Erdgeschoss des Gebäudes der Beigeladenen befinden sich auf der Ostseite drei Fenster, von denen eines bislang von einer Fassadenplatte verdeckt war.
- 3
Im August 2011 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die „Erneuerung von baufälligen Außenwandteilen“ an ihrem Anwesen. In den Bauplänen hatte sie im Erdgeschoss drei Fenster und im Obergeschoss vier Fenster in der grenzständigen Ostwand hin zum Grundstück FlurNr. … eingezeichnet. Die Fenster im Erdgeschoss sollten die geplante Küche sowie das Wohnzimmer belichten. Im Erdgeschoss war vorgesehen, die nördlich und östliche Wand zu belassen, während die westliche und südliche Wand neu gemauert werden sollte. Im Obergeschoss sollte allein die nördliche Wand stehen bleiben. Die Deckenzwischenwände sowie das Dachgeschoss sollten neu errichtet werden.
- 4
Der Beklagte erteilte der Beigeladenen am 15. September 2011 eine Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren. In den Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung hieß es, die in den geprüften Plänen und Unterlagen enthaltenen Grüneintragungen sowie Roteintragungen (brandschutztechnische Nebenbestimmungen) seien bei der Bauausführung zu beachten und einzuhalten. In den Bauplänen strich der Beklagte die in der östlichen Grenzwand vorgesehenen Fenster im Obergeschoss per Roteintrag mit dem Zusatz „Brandwand“, während er in Bezug auf die drei Fenster in der östlichen Grenzwand im Erdgeschoss per Grüneintrag den Begriff „Bestandsschutz“ eintrug. Der Beklagte versah die Baugenehmigung zusätzlich mit dem folgenden Hinweis:
- 5
„Für die östliche Grenzwand kann im Bereich des Erdgeschosses (Bestand Sandstein) Bestandsschutz anerkannt werden.
Im Obergeschoss soll entgegen der eingereichten Pläne die Fachwerkwand durch eine 30 cm starke Wand ersetzt werden (Bestandsschutz geht verloren!). Hier ist eine Brandwand erforderlich (ohne Öffnung)!“
- 6
Am 17. Oktober 2011 legte der Kläger Widerspruch gegen die ihm nicht zugestellte Baugenehmigung mit der Begründung ein, die im Erdgeschoss auf der Ostseite liegenden Räume seien nicht auf die Fenster angewiesen. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, sie in der Brandwand als Öffnungen zuzulassen. Aufgrund der geringen Größe des eigenen Grundstücks und der bisher gegebenen Möglichkeit, dieses grenzständig bebauen zu können, habe er ein erhebliches Interesse daran, dass die Ostwand vollständig als Brandschutzwand ausgeführt werde. Die Fenster genössen im Übrigen keinen Bestandsschutz.
- 7
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2012 wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss u.a. aus, die Baugenehmigung verstoße nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, insbesondere nicht gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot. Die vorhandenen Fenster im Erdgeschoss auf der Ostseite genössen außerdem Bestandsschutz, da zum Errichtungszeitpunkt des Gebäudes um 1830 die Vorschrift des § 30 Abs. 8 Satz 1 LBauO noch nicht gegolten habe.
- 8
Dagegen hat der Kläger am 27. März 2012 Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, die Auffassung des Beklagten, dass die drei Fenster in der Ostwand bestandgeschützt seien, sei nicht haltbar. Bestandsschutz sei niemals vorhanden gewesen.
- 9
Der Kläger beantragt,
- 10
die der Beigeladenen am 15. September 2011 erteilte Baugenehmigung sowie den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 15. März 2012 aufzuheben.
- 11
Der Beklagte beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Zur Begründung bezieht er sich auf die im Widerspruchsbescheid vom 15. September 2011 angeführten Argumente.
- 14
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2012.
Entscheidungsgründe
- 16
Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).
- 17
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist der Kläger nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.
- 18
Zwar wurde die angegriffene Baugenehmigung vom 15. September 2011 im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt, so dass gemäß § 66 Abs. 3 Landesbauordnung - LBauO - Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht Prüfungsgegenstand waren. Eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung hat nur Wirkung in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorschriften, die in diesem Verfahren zu überprüfen waren. Bezüglich der übrigen gesetzlichen Regelungen enthält die Genehmigung weder eine Feststellung noch eine Freigabe, so dass sie insoweit auch weder den Bauherrn begünstigt, indem sie die Übereinstimmung des Vorhabens mit allen Vorschriften des öffentlichen Rechts feststellt, noch den Nachbarn belasten kann. Dieser ist daher durch die Baugenehmigung hinsichtlich der nicht geprüften Vorschriften nicht in seinen Rechten betroffen im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 1992, 289).
- 19
Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde abweichend von ihrem gesetzlich vorgegebenen Prüfungsprogramm tatsächlich bestimmte bauordnungsrechtliche Vorschriften geprüft hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist nicht daran gehindert, die - entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm - beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG Rheinland-Pfalz, LKRZ 2012, 153). Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen oder zu erwarten sind und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (OVG Rheinland-Pfalz, LKRZ 2012, 153).
- 20
Der Beklagte hat hier eine solche erweiterte Feststellungsregelung getroffen. Die Baugenehmigung vom 15. September 2011 enthält auch eine Aussage in Bezug auf die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 30 LBauO. Der Beklagte hat in den Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung angeordnet, dass die in den geprüften Plänen und Unterlagen enthaltenen Grüneintragungen sowie Roteintragungen (brandschutztechnische Nebenbestimmungen) bei der Bauausführung zu beachten und einzuhalten seien. In den Bauplänen hat der Beklagte die in der östlichen Grenzwand vorgesehenen Fenster im Obergeschoss per Roteintrag mit dem Zusatz „Brandwand“ versehen und damit eine Regelung zu § 30 Abs. 8 LBauO getroffen. Ferner hat der Beklagte in Bezug auf die drei streitgegenständlichen Fenster in der östlichen Grenzwand im Erdgeschoss per Grüneintrag den Begriff „Bestandsschutz“ eingetragen und damit ebenfalls eine Aussage zu § 30 Abs. 8 LBauO getroffen und zwar dergestalt, dass die Beigeladene zum Grundstück des Klägers im Hinblick auf den bestehenden Bestandschutz keine Brandwand ausführen müsse. Dies hat der Beklagte in einem gesonderten „Hinweis“ zur Baugenehmigung nochmals besonders bestätigt. Auch der Kreisrechtsausschuss des Beklagten hat sich im Widerspruchsbescheid vom 15. März 2012 ausführlich mit der Vorschrift des § 30 LBauO auseinandergesetzt; dieser ist damit Regelungsinhalt der Baugenehmigung geworden mit der Folge, dass der Kläger sich im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO auf einen möglichen Verstoß gegen diese Bestimmung berufen kann.
- 21
2. Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 15. September 2011 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 15. März 2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
- 22
Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 30 Abs. 8 Satz 1, wonach Öffnungen in Brandwänden unzulässig sind.
- 23
Bei der östlichen Gebäudeseite des Wohngebäudes der Beigeladenen handelt es sich um eine Brandwand. Brandwände sind gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 LBauO herzustellen zum Abschluss von Gebäuden, soweit die Abschlusswand in einem Abstand bis zu 2,50 m von der Nachbargrenze errichtet wird, es sei denn, dass ein Abstand von 5 m zu auf dem Nachbargrundstück bestehenden oder nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden öffentlich-rechtlich gesichert ist. Da das Wohngebäude der Beigeladenen unmittelbar an der Grenze zum bisher unbebauten Grundstück des Klägers mit der FlurNr. …. steht, sind Öffnungen wie Fenster darin grundsätzlich unzulässig.
- 24
Die Beigeladene kann sich in Bezug auf die drei streitgegenständlichen Fenster im Erdgeschoss ihres Anwesens entgegen ihrer eigenen sowie der Ansicht des Beklagten nicht auf Bestandschutz berufen. Beim Bestandsschutz geht es um den Schutz eines Bestandes, d.h. eines Istzustandes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, berechtigt der einfach-aktive Bestandsschutz zur Erhaltung und Nutzung einer baulichen Anlage, obwohl dies nach geltendem Recht nicht mehr zulässig wäre (BVerwG, BauR 1975, 114; s. auch Gohrke/Bresahn, NVwZ 1999, 932, 935). Zulässig sind Instandsetzungs-, Instandhaltungs-, Reparatur- oder Unterhaltungsarbeiten, die notwendig werden, um das Nutzungsrecht aus dem Gesichtspunkt des passiven Bestandsschutzes wahrnehmen zu können.
- 25
Es spielt vorliegend keine Rolle, ob - wie der Kläger meint - die Fensteröffnungen im Erdgeschoss weder nach der zeitlich vor Inkrafttreten der LBauO geltenden Bayerischen Bauordnung oder den davor geltenden Art. 676, 677 des Code Civil zulässig waren. Unabhängig davon, ob die Fenster seit dem Zeitpunkt ihrer Errichtung (möglicherweise schon 1830) formell genehmigt oder über einen namhaften Zeitraum materiell genehmigungsfähig waren, ist ein Bestandschutz, sollte dieser überhaupt bestanden haben, jedenfalls mit Durchführung der Bauarbeiten am Grundstück der Beigeladenen im Jahre 2011 entfallen.
- 26
Da der Bestandsschutz zugunsten der Erhaltung des status quo eingreift, dient eine bauliche Maßnahme nur dann der Bestandserhaltung, wenn durch sie die Identität des geschützten Bestandes erhalten bleibt, wenn also Standort, Bauvolumen und Zweckrichtung nicht geändert werden (BVerwG, BauR 1975, 114). Der geschützte Bestand muss als solcher vorherrschend bleiben. Der Bestandsschutz entfällt, wenn die Identität des Bauwerks durch bauliche Veränderungen nicht mehr gewahrt ist. Dies ist der Fall, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird (s. z.B. BVerwG, NVwZ 2002, 92 m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. September 2003 - 8 A 11373/03.OVG -; Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt. LBauO RP, 3. Auflage 2012, § 70 Rdnr. 62). Mit der Beseitigung eines Gebäudes erlischt folglich der Bestandsschutz, wobei grundsätzlich unbedeutend ist, ob das Gebäude durch Maßnahmen des Eigentümers oder anderer Personen bewusst oder durch zufällige Ereignisse, wie Brand und Naturkatastrophen, beseitigt wird (s. z.B. BVerwG, BauR 1975, 114). Dies gilt auch, wenn das Gebäude von dem Eigentümer beseitigt wird, um an seiner Stelle einen Ersatzbau zu errichten (z.B. BVerwG, NJW 1981, 2143). Auch wenn im Zusammenhang mit Reparaturarbeiten das Gebäude zerfällt oder schrittweise beseitigt wird, verliert es den Bestandsschutz (BVerwG, NJW 1981, 2143).
- 27
Die Abgrenzung der Instandhaltung von der Neuerrichtung oder Änderung einer baulichen Anlage ist für den Einzelfall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach der Verkehrsauffassung zu entscheiden (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 2 M 194/11 -, juris; Bay. VGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - 15 CS 08.1638 -, juris; ). In die Bewertung ist die Gesamtheit der durchgeführten Arbeiten innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs einzubeziehen (Bay. VGH, Urteil vom 25. Januar 2006 – 1 ZB 04.1439 –, juris).
- 28
Nach diesen Grundsätzen kann sich die Beigeladene nicht auf einfach-aktiven Bestandschutz berufen. Die genehmigten Baumaßnahmen an ihrem Wohngebäude waren umfassend. Zwar hatte die Beigeladene im August 2011 formal „nur“ die Erneuerung von baufälligen Außenwandteilen an ihrem Anwesen beantragt. Aus den zur Genehmigung gestellten Bauplänen ergibt sich aber zweifelsfrei, dass die vorgesehenen Baumaßnahmen nicht nur dem Erhalt der vorhandenen Bausubstanz dienten, sondern bauliche Veränderungen erforderten, mit denen die Identität des vorhandenen Bauwerks nicht mehr gewahrt blieben. So war im Erdgeschoss vorgesehen, die westliche und südliche Wand neu zu mauern. Im Obergeschoss sollten sogar drei Wände neu errichtet werden. Die Tragfähigkeit des Gebäudes war derart berührt, dass neue Stützwände einzuziehen waren. Auch mussten neue Zwischenwände und das Dachgeschoss komplett neu gebaut werden. Die genehmigten Baumaßnahmen erreichten daher einen Umfang, der dem Bau eines Ersatzbaus entsprach. Dies kann auch unzweifelhaft den zahlreichen Lichtbildern von dem Bauvorhaben in den Verwaltungsakten entnommen werden.
- 29
War damit ein eventueller Bestandsschutz erloschen, scheidet eine Genehmigung des Vorhabens unter Duldung der drei Fenster in der Ostwand des Erdgeschosses des Gebäudes der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt des einfach-aktiven Bestandsschutzes aus. Folglich muss sich die Beigeladene an die heute gültige Rechtlage halten, d.h. Fenster sind in der Brandwand gemäß § 30 Abs. 8 Satz 1 LBauO unzulässig.
- 30
Da die beiden Räume, in denen sich die Fenster befinden, in den genehmigten Bauplänen Aufenthaltsräume eingezeichnet sind und Aufenthaltsräume gemäß § 43 Abs. 2 LBauO über notwendige Fenster verfügen müssen, war die Baugenehmigung nicht teilbar und musste daher insgesamt aufgehoben werden.
- 31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Mangels Antragsstellung waren der Beigeladenen keine Kosten gemäß § 154 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen.
- 32
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 33
Beschluss
- 34
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
- 35
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22. Juni 2014 gegen die dem Beigeladenen am 30. April 2013 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Dreifamilienwohnhauses auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. in Ludwigshafen, A-Straße … wird in Bezug auf das Garagengebäude unmittelbar an der Grenze zum Grundstück Flurstück-Nr. …… angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 22. Juni 2014 gegen die dem Beigeladenen am 30. April 2013 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Dreifamilienwohnhauses und Garage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. in Ludwigshafen, A-Straße … begehrt, ist zulässig (1.) und begründet (2.).
- 2
1. Der Antrag ist zulässig.
- 3
1.1. Er ist nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 212 a Baugesetzbuch – BauGB – statthaft. Da sich der Antragsteller sowohl im Vorverfahren als auch in seiner Antragsschrift inhaltlich ausschließlich mit dem Bau des an der gemeinsamen Grenze geplanten Garagengebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ….. auseinandergesetzt hat, versteht die Kammer sein Begehren so, dass er sich nicht insgesamt gegen die Baugenehmigung vom 30. April 2013 wendet, sondern nur die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung in Bezug auf das Garagengebäude angeordnet werden soll.
- 4
Zwar sind Baugenehmigungen in aller Regel nicht in dem Sinne teilbar, dass Verstöße gegen Nachbarrechte schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („soweit“) nur zu einer Teilaufhebung führen könnten (s. z.B. BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2009 – 2 CS 09.2121 –, NVwZ-RR 2010, 346). Betrifft eine einheitliche Baugenehmigung allerdings getrennt voneinander genehmigbare Bauteile, so ist sie insoweit teilbar und eine Teilanfechtung möglich (Bay. VGH, Beschluss vom 10. Februar 2014 – 2 CS 13.2472 –, juris; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Oktober 2004 – 1 B 11691/04.OVG – zur Verhältnismäßigkeit einer Baueinstellungsverfügung). Dies gilt ebenso, wenn ein Gesamtbauvorhaben, das genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Bauarbeiten betrifft und damit insgesamt genehmigungspflichtig ist (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 28. Februar 2013 – 4 L 44/13.NW –; juris; Lang in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 80 Rn. 5), teilbar ist. Vorliegend könnte das bei getrennter Verwirklichung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 f) Landesbauordnung – LBauO – baugenehmigungsfreie Garagengebäude unabhängig von dem Wohngebäude auf dem Grundstück Flurstück-Nr. 2291 gebaut werden. Die Teilbarkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich bei der Garage des Beigeladenen um einen sog. notwendigen Stellplatz im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO handelt. Denn die Schaffung von notwendigen Stellplätzen kann lediglich, muss aber nicht durch Garagen erfolgen (s. § § 47 Abs. 1 Satz 3 LBauO).
- 5
1.2. Der Antragsteller ist nach § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.
- 6
1.2.1. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Antragsteller offenbar „nur“ Wohnungseigentümer in dem Anwesen auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ….. ist. Geht ein Wohnungseigentümer wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums gegen eine für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung vor, so kann er sich aus eigenem Recht (§ 13 Abs. 1 Halbsatz 2 Wohnungseigentumsgesetz – WEG –) auf die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO berufen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 A 2341/11 –, BauR 2014, 252; Bay VGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 – 1 CS 03.1785 –, NVwZ-RR 2004, 248 und Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 –, juris).
- 7
Zu keinem anderen Ergebnis käme die Kammer im Übrigen, wenn der Antragsteller statt Wohnungseigentümer bloßer Bruchteilseigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. ……. wäre. Auch ein Miteigentümer eines Grundstücks ist gegen eine Baugenehmigung auf dem Nachbargrundstück antragsbefugt. Denn als Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum ist der Betreffende gemäß § 1011 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – berechtigt, die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend zu machen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. September 2004 – 8 A 10664/04.OVG –).
- 8
1.2.2. Der Antragsteller kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin im Rahmen der erforderlichen Antragsbefugnis nicht nur einen Verstoß gegen das hier in dem Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene partiell drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2000 – 4 B 25/00 –, BauR 2001, 212 und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Januar 2010 – 8 A 11151/09.OVG –), sondern auch eine Verletzung des nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Abstandsflächengebots rügen. Zwar wurde die angegriffene Baugenehmigung vom 30. April 2014 formal im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt, so dass gemäß § 66 Abs. 3 LBauO Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht Prüfungsgegenstand waren. Eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung hat nur Wirkung in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorschriften, die in diesem Verfahren zu überprüfen waren. Bezüglich der übrigen gesetzlichen Regelungen enthält die Genehmigung weder eine Feststellung noch eine Freigabe, so dass sie insoweit auch weder den Bauherrn begünstigt, indem sie die Übereinstimmung des Vorhabens mit allen Vorschriften des öffentlichen Rechts feststellt, noch den Nachbarn belasten kann. Dieser ist daher durch die Baugenehmigung hinsichtlich der nicht geprüften Vorschriften nicht in seinen Rechten betroffen im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. November 1991 – 8 B 11955/91 –, NVwZ-RR 1992, 289).
- 9
Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde abweichend von ihrem gesetzlich vorgegebenen Prüfungsprogramm tatsächlich bestimmte bauordnungsrechtliche Vorschriften geprüft hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist nicht daran gehindert, die – entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm – beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153). Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen oder zu erwarten sind und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153).
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Vorliegend hat die Antragsgegnerin in der Baugenehmigung vom 30. April 2013 unter der Nr. 1 der Nebenbestimmungen eine Festlegung der Geländeoberfläche nach der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 2 Abs. 6 LBauO getroffen. Solche Festlegungen erfolgen u.a. wegen der Auswirkungen auf die nach § 8 LBauO einzuhaltenden Abstände im Interesse der Grundstücksnachbarn (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). Ferner hat die Antragsgegnerin ausweislich des Genehmigungsstempels vom 30. April 2013 eine Prüfung der Abstandsflächenberechnung des Beigeladenen vorgenommen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Februar 1996 – 8 B 10341/96.OVG –). Schließlich hat sich die Antragsgegnerin auch in der „Verfügung“ vom 4. Juli 2014, mit der er den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO abgelehnt hat, mit den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der §§ 2 Abs. 6 und 8 LBauO auseinandergesetzt. Hat aber eine faktische Prüfung der Abstandsflächen stattgefunden, ist ein Nachbar im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO befugt, sich auf einen möglichen Verstoß gegen § 8 LBauO zu berufen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 24. Mai 1993 – 8 B 11124/93.OVG – und 28. Mai 1993 – 8 B 11148/93.OVG –; VG Neustadt, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 4 L 553/14.NW –).
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1.3. Dem Antrag fehlt auch nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis.
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1.3.1. Zwar hat der Antragsteller den Widerspruch vom 22. Juni 2014 im Namen der „Eigentümergemeinschaft …… A-Straße …“ eingelegt, ohne von den übrigen Wohnungseigentümern hierzu berechtigt worden zu sein. Eine Auslegung dieses Schreibens ergibt jedoch, dass der Antragsteller den Widerspruch jedenfalls auch im eigenen Namen einlegen wollte.
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1.3.2. Der Antragsteller hat sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Denn die Baugenehmigung vom 30. April 2013 war ihm zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden, so dass eine Frist zunächst nicht zu laufen begann. Erfahren hat der Antragsteller von der Existenz der Baugenehmigung erst nach Aufnahme der Bauarbeiten am 20. Mai 2014, so dass der Widerspruch vom 22. Juni 2014 rechtzeitig einging.
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2. Der Antrag ist darüber hinaus auch in der Sache begründet.
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Für die nach § 80a Abs. 3 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind die gegenläufigen Interessen des Antragstellers und des Beigeladenen für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit nachbarschützenden Vorschriften bestehen. Demgegenüber ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, wenn die Baugenehmigung offensichtlich nicht gegen nachbarschützende Normen verstößt. Lässt sich auch nach intensiver Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf des Nachbarn wahrscheinlich zum Erfolg führen wird, sind die Erfolgsaussichten also offen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der der Einzelfallbezug gewahrt bleiben muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 – 4 VR 1005/04 –, NVwZ 2005, 689).
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In Anwendung dieser Grundsätze muss hier die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfallen. Die gemäß §§ 70, 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO erteilte Baugenehmigung vom 30. April 2013 verstößt zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz des Antragstellers als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
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2.1. Die Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens „Garagengebäude“ mit nachbarschützenden Vorschriften rühren daher, dass die vorgelegten und genehmigten Bauunterlagen hinsichtlich der nachbarrechtsrelevanten Baumaßnahmen so unbestimmt sind, dass sich eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausschließen lässt. Nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich auf den verfügenden Teil des Verwaltungsakts einschließlich aller seiner Nebenbestimmungen (vgl. Stelkens: in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 37 Rn. 3). Welches Maß an Konkretisierung notwendig ist, hängt von der Art des Verwaltungsakts, den Umständen seines Erlasses und seinem Zweck ab. Eine Genehmigung, deren Inhalt und Reichweite von der Genehmigungsbehörde festgelegt wird, ist hinreichend bestimmt, wenn sich der Umfang der genehmigten Anlage aus dem im Bescheid zum Ausdruck kommenden objektiven Willen der Genehmigungsbehörde unter Heranziehung der Genehmigungsunterlagen erkennen lässt (Bay. VGH, Beschluss vom 5. März 2012 – 2 CS 11.1997 –, juris). Soweit Dritte von einem Verwaltungsakt begünstigt oder belastet werden, muss dieser auch ihnen gegenüber bestimmt sein. Ein Nachbar kann die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit einer Genehmigung geltend machen, soweit deswegen nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (Bay. VGH, Beschluss vom 5. März 2012 – 2 CS 11.1997 –, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2003 – 8 A 11423/02.OVG –).
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Vorliegend ist trotz der Tatsache, dass das Gelände in dem betreffenden Bereich der A-Straße Höhenunterschiede von offenbar bis zu 2 m aufweist, in den der Genehmigung zugrunde gelegten Bauzeichnungen (Ansichten und Schnitte) weder der natürliche Geländeverlauf auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. vor Beginn der Bauarbeiten noch der Geländeverlauf nach Verwirklichung des Bauvorhabens eingezeichnet. Aber selbst wenn man aufgrund der vom Beigeladenen eingereichten Bauzeichnungen den Versuch unternimmt, das Ausmaß, insbesondere die Höhe des Bauvorhabens ausgehend von der bisherigen natürlichen Geländeoberfläche zu ermitteln, ergeben sich erhebliche Zweifel, ob das Vorhaben hinsichtlich seines Abstandes zur Grundstücksgrenze die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften einhält bzw. die gemäß § 34 Abs. 1 BauGB gebotene Rücksichtnahme wahrt.
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2.2. Grundsätzlich sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO vor Außenwänden oberirdischer Gebäude Abstandsflächen einzuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 8 Abs. 6 Satz 3 LBauO). Diesen Abstand hält die Garage des Beigeladenen nicht ein, da sie nach den eingereichten Bauplänen unmittelbar an der Grenze errichtet werden soll.
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Es bestehen ernstliche Bedenken, ob das Garagengebäude gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 LBauO privilegiert an der Grenze zulässig ist. Nach dieser Bestimmung sind Garagen ohne oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche zulässig, wenn sie eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m über der Geländeoberfläche nicht überschreiten, eine Länge von 12 m an einer Grundstücksgrenze und von insgesamt 18 m an allen Grundstücksgrenzen einhalten, ihre Dächer nicht mehr als 45 Grad zur Grundstücksgrenze geneigt sind und der Giebel nicht höher als 4 m ist. Die Tiefe der vor Außenwänden oberirdischer Gebäude einzuhaltenden Abstandsflächen bemisst sich nach der Höhe der Wand oder des Wandteils, die senkrecht zur Wand gemessen wird. Als Wandhöhe gilt das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 LBauO). Maßgebend ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 LBauO die im Mittel gemessene Höhe der Wand oder des Wandteils. Die Wandhöhe ist als arithmetisches Mittel der jeweils gemessenen Wandhöhen zu bestimmen. Der untere Bezugspunkt ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 LBauO die Geländeoberfläche, d.h. die Fläche, die sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplanes ergibt oder von der Bauaufsichtsbehörde festgelegt ist, im Übrigen die natürliche, an das Gebäude angrenzende Geländeoberfläche, § 2 Abs. 6 LBauO.
- 21
2.3. Vorliegend hat die Antragsgegnerin in der Nr. 1 der Nebenbestimmungen zu der Baugenehmigung vom 30. April 2013 eine Festlegung der Geländeoberfläche nach § 2 Abs. 6 LBauO getroffen. Darin heißt es:
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„Maßgebende Geländeoberfläche ist die Höhe der Gehweghinterkante, soweit nicht durch Bebauungsplan eine andere Regelung getroffen wird. Liegt die natürliche Geländeoberfläche mehr als 1 m tiefer als die Gehweghinterkante, gilt für Nebenanlagen (z.B. Garagen), die hinter der rückwärtig zulässigen Baugrenze eines Hauptgebäudes errichtet werden soll, die natürliche Geländeoberfläche als maßgebende Geländeoberfläche.“
- 23
Bei einer solchen Festlegung, die den Zweck hat, eine angemessene Bebauung des Grundstücks zu ermöglichen, handelt es sich um einen gesonderten Verwaltungsakt; sie betrifft die Festsetzung eines rechnerischen Höhenmesspunkts (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG; VG Trier, Urteil vom 12. Juli 2006 – 5 K 46/06.TR –; Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 2 Rn. 80). Damit wird ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Geländeverlauf die für die Anwendung der baurechtlichen Vorschriften maßgebliche Höhenlage – abstrakt – festgelegt mit der Folge, dass z.B. bei der Anwendung des § 8 LBauO der untere Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe dieser Höhenlage entspricht.
- 24
Eine Festlegung nach § 2 Abs. 6 LBauO ist in formeller Hinsicht nur wirksam, wenn sich die maßgebliche Größe aus der Regelung - gegebenenfalls zusammen mit den genehmigten Plänen - mit hinreichender Bestimmtheit ergibt; das kann z.B. durch die Festlegung einer Höhe über NN oder einer Höhe bezogen auf andere feste Größen, wie etwa die Straßenoberfläche an einem bestimmten Punkt, geschehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). Materiell ist die Festlegung der Geländeoberfläche nur zulässig, wenn ein Bedürfnis dafür besteht. Dies ist z.B. der Fall bei schwierigen topographischen Verhältnissen, wenn es die Sicherheit oder gestalterische Gesichtspunkte erfordern, die natürliche Geländeoberfläche aufgrund von Aufschüttungen bzw. großer Unregelmäßigkeiten und Schwankungen nicht mehr feststellbar ist, oder eine Harmonisierung des Geländes aus sonstigen Gründen unerlässlich ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Februar 1996 – 8 B 10341/96.OVG –; VG Trier, Urteil vom 12. Juli 2006 – 5 K 46/06.TR –; vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 17. September 1979 – II W 1.204/79 –, BauR 1980, 158). Ferner sind die Auswirkungen einer Festlegung der Geländeoberfläche im Hinblick auf die Anwendung von nachbarschützenden Vorschriften zu beachten und abzuwägen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). So würde die Festlegung der Geländeoberfläche nach einer Aufschüttung dazu führen, dass nachbarschützende Bestimmungen umgangen würden. Daher ist die Baugenehmigungsbehörde gehalten, nachbarschützende Vorschriften zu beachten und in ihre Entscheidung mit einzustellen. Die Abstandsflächenregelungen des § 8 LBauO stellen solche nachbarschützende Vorschriften dar. Sie dienen neben dem Brandschutz und der Gestaltung auch der Beleuchtung mit Tageslicht und der Lüftung sowie dem Schutz benachbarter Grundstücke vor Gefahren und unzumutbaren Belästigungen (Amtl. Begründung zum Entwurf der Landesbauordnung, Landtagsdrucksache 10/1344, Seite 76). Es muss deshalb gewährleistet werden, dass die Festlegung der Geländeoberfläche und die Errichtung etwaiger baulicher Anlagen mit dem Nachbarinteresse vereinbar sind; darauf hat der Grundstücksnachbar einen Anspruch (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. August 1996 – 8 B 12041/96.OVG –). Eine abweichende Festlegung der Geländeoberfläche durch die Bauaufsichtsbehörde darf daher nicht dazu führen, dass die in Abhängigkeit von der Höhenlage getroffenen Festsetzungen generell unterlaufen werden. Dies würde ein Missbrauch der Festlegungsbefugnis darstellen, durch welche Verstöße gegen Bauvorschriften, die an die Höhe von Gebäudeteilen über der Geländeoberfläche anknüpfen, unrechtmäßig ausgeräumt würden.
- 25
Im vorliegenden Fall bedarf es zumindest der näheren Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob die getroffene Festlegung der Grundstücksoberfläche die Belange des Antragstellers nicht unangemessen beeinträchtigt. Das Baugrundstück zeichnet sich – ebenso wie die Nachbargrundstücke – durch eine Hängigkeit zumindest von West nach Ost aus. Auf den in den Verwaltungsakten enthaltenen Lichtbildern ist zu erkennen, dass die südlich der A-Straße gelegenen Anliegergrundstücke mit den Hausnummern …, …, …, … und … im vorderen an die Straße angrenzenden Grundstücksbereich auf Straßenniveau aufgeschüttet worden sind. Dieses befindet sich auf ca. 96 m NN (s. Landschaftsinformationssystem der Naturschutzverwaltung von Rheinland-Pfalz, http://map1.naturschutz.rlp.de /mapserver_lanis/). Im weiteren Grundstücksverlauf fällt, soweit ersichtlich, das Gelände auf den genannten Grundstücken auf eine Höhe von rund 95 m NN im hinteren Grundstücksbereich ab. Genauere Daten stehen der Kammer momentan nicht zur Verfügung.
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Es ist einsichtig, dass hängiges Gelände Probleme bei der (Grenz-)Bebauung verursacht. Es ist daher im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin versucht hat, dem durch eine gesonderte Festlegung Rechnung zu tragen.
- 27
Aus der in Nr. 1 der Nebenbestimmungen zu der Baugenehmigung vom 30. April 2013 allgemein gehaltenen Regelung folgt für das streitgegenständliche Garagengebäude, dass die Gehweghinterkante der maßgebliche Bezugspunkt für die Bestimmung der Geländeoberfläche sein soll, denn ausweislich der Baupläne soll dieses vor der rückwärtig zulässigen Baugrenze des Hauptgebäudes errichtet werden. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers und den im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens von dem Beigeladenen eingereichten Bauplänen geht die Kammer nach summarischer Prüfung davon aus, dass die natürliche Geländeoberfläche, d.h. die gewachsene und nicht die durch Aufschüttungen oder Abgrabungen veränderte Geländeoberfläche, an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf Höhe des geplanten Garagengebäudes des Beigeladenen um etwa 2 m unterhalb der Gehweghinterkante liegt. In den Baueingabeplänen sind, wie oben ausgeführt, bei der Darstellung der Schnitte und Ansichten weder die natürliche Geländeoberfläche vor Beginn der Bauarbeiten noch die (natürliche) Geländeoberfläche nach Verwirklichung des Bauvorhabens eingezeichnet. Dem Schnitt A-A ist lediglich zu entnehmen, dass der Fußboden des „Gartengeschosses“ etwa 1,80 m unterhalb der Gehweghinterkante – die Kammer setzt wegen fehlender Unterlagen diese mit der Straßenbegrenzungslinie gleich – liegt. Die Höhe der – nicht eingezeichneten und nicht als solche bezeichneten – Stützmauer an der Grenze dürfte nach der „Hofansicht“ rund 2 m betragen; sie läge damit offenbar auf der Höhe der Gehweghinterkante. Damit weicht die festgelegte Geländeoberfläche von der natürlichen Geländeoberfläche offenbar um 2 m ab. Hinzu kommt eine Höhe von ca. 2,70 m für das Garagengebäude als solches. Zusammen erhöht sich damit das aus Stützmauer und Garage bestehende Bauwerk um mindestens 4,70 m gegenüber dem bisherigen natürlichen Geländeniveau. Gegenüber der Regelung in § 8 Abs. 9 Nr. 1 LBauO, wonach Garagen an der Grundstücksgrenze zulässig sind, sofern sie u.a. eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m nicht überschreiten, wäre die genehmigte Garage des Beigeladenen von der natürlichen Geländeoberfläche aus gemessen um 1,50 m höher.
- 28
Die Antragsgegnerin hat sich mit dieser Problematik bisher nicht hinreichend auseinandergesetzt. Bei der Abwägung zwischen dem Interesse des Beigeladenen als Eigentümer eines hängigen Grundstücks, dieses angemessen bebauen zu können und dem Interesse des Antragstellers als Nachbarn, von unzumutbaren Beeinträchtigungen des Bauwerks verschont zu bleiben, darf nach Auffassung der Kammer nicht außer Acht gelassen werden, dass die Antragsgegnerin für die vom Antragsteller bewohnte Souterrainwohnung in dem Anwesen A-Straße … am 26. Februar 1991 eine Tekturgenehmigung in Bezug auf das am 20. November 1989 genehmigte Wohnbauvorhaben erteilt hatte und beide Genehmigungen gerade keine Festlegungen der Geländeoberfläche enthielten. Es ist der Kammer auch nicht bekannt, ob bei der Erteilung der Baugenehmigungen für die Anwesen im näheren Umfeld in der A-Straße ebenfalls Festlegungen nach § 2 Abs. 6 LBauO erfolgt sind. Der Genehmigung vom 30. April 2013 kann jedenfalls nicht deutlich genug entnommen werden, warum in dem konkreten Fall ein Bedürfnis für die Festlegung der Geländeoberfläche auf das Niveau der Gehweghinterkante auf Höhe des Garagengebäudes besteht. Es versteht sich nicht von selbst, warum der Antragsteller künftig ein aus Stützmauer und Garage bestehendes Grenzbauwerk von mindestens 4,70 m hinnehmen muss.
- 29
Ein Bedürfnis für die Festlegung der Geländeoberfläche auf das Niveau der Gehweghinterkante ergibt sich im Übrigen auch nicht zwingend aus den Verwaltungsakten. Zwar befindet sich, worauf die Antragsgegnerin im gerichtlichen Eilverfahren hingewiesen hat, auf dem Anwesen A-Straße … an der südwestlichen Grenze eine ca. 12 m lange Garage, die offensichtlich vollständig auf Straßenniveau errichtet wurde. Jedoch steht bei dem Anwesen A-Straße … eine Doppelgarage im hinteren, tiefergelegenen Teil des Grundstücks mit einer Abfahrt vom Niveau der A-Straße bis zum Niveau des Gartens. Soweit die Antragsgegnerin in der der Antragserwiderung vom 25. Juli 2014 beigefügten Stellungnahme des Bereichs Bauaufsicht die Auffassung vertreten hat, die Errichtung der Garage wie beim Anwesen A-Straße … im hinteren Grundstücksbereich wäre mit dem Bau einer Rampe entlang der gesamten Grundstücksgrenze zum Antragssteller und damit entlang seiner Wohnungsfenster verbunden mit der Folge, dass der Antragsteller bei Benutzung einer derartigen Garage gerade auch in den Nachtstunden die Fahrbewegungen sicher als störend empfunden und kritisiert hätte, rechtfertigt dies nicht ohne Rücksprache mit dem Antragsteller die Festlegung der Geländeoberfläche auf das Niveau der Gehweghinterkante.
- 30
Bestehen nach dem Vorgesagten daher ernstliche Zweifel daran, dass das streitgegenständliche Garagengebäude nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 LBauO privilegiert ist, so war dem vorläufigen Rechtsschutzgesuch des Antragstellers wegen Verstoßes gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO stattzugeben. Ob daneben auch ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gegeben ist, bedarf im Hinblick auf das getroffene Ergebnis keiner Entscheidung mehr.
- 31
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO. Mangels Antragstellung war der Beigeladene nicht an den Verfahrenskosten zu beteiligen.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
Tenor
Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Juli 2013 - 11 K 1561/13 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Nutzung mit Wirkung zum 1. Juni 2014 zu untersagen ist.
Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 1 tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren jeweils selbst.
Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 3.750,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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