Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Sept. 2014 - M 8 K 13.5861

bei uns veröffentlicht am29.09.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Südlich des Grundstücks des Klägers liegt die Fl.Nr. ..., dessen Bebauung die Beigeladene mit Vorbescheidsantrag vom 26.03.2013 nach Pl.Nr. ... und Ergänzungsplan Nr. ... abgefragt hat. Auf der Westhälfte des Grundstücks Fl.Nr. ... beabsichtigt die Beigeladene die Errichtung eines Wohngebäudes mit ca. 127 Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit ca. 130 Stellplätzen und einer integrierten Kindertagesstätte mit zwei Kindergartengruppen und einer Krippengruppe. Im Bereich des Baugrundstücks ist entlang der ...-Straße, der ...straße und an der westlichen Grundstücksgrenze zum ... Platz durch einen einfachen Baulinienplan jeweils eine Baulinie festgesetzt, die an der jeweiligen Grundstücksgrenze liegt. Nach dem Vorbescheidsantrag vom 26. März 2013 soll auf der Westhälfte des Grundstücks der Beigeladenen eine Blockrandbebauung mit hofseitigen Anbauten in gestaffelter Höhenentwicklung entstehen. Der geplante Gebäudekomplex ist in 4 Bauteile gegliedert. Der Bauteil a soll entlang der ...-Straße gebaut werden und über eine Gesamthöhe von 17,25 m und sechs Geschosse verfügen, wobei das oberste Geschoß als Terrassen- bzw. Staffelgeschoss mit Flachdach ausgebildet werden soll. Der insgesamt 20,20 m hohe Bauteil b soll an der westlichen Grundstücksgrenze errichtet werden und über fünf bis sieben Geschosse verfügen. Im Süden ist die fünfgeschossige Bebauung geplant, die sich an den siebengeschossigen Gebäudeteil anschließt. Das siebte Geschoss dieses Gebäudeteils ist als ein um ca. 2,5 m zurückgesetztes Terrassengeschoss mit Flachdach geplant. Im Norden sollen die Bauteile a und b miteinander verbunden werden. Das siebte Geschoss des westlichen Gebäudeteils soll auf das sechste Geschoss des Bauteils a gesetzt werden. Der Gebäudeteil b soll auf der westlichen Baulinie zu liegen kommen. Im südlichen Grundstücksbereich sollen sich Bauteile c und d als Hofanbau anschließen. Der viergeschossige Bauteil c soll eine Höhe von 12 m aufweisen. Der zwei- und dreigeschossige Bauteil d soll eine Wandhöhe von 6 beziehungsweise 9 m haben.

Weiterhin ist eine Überdachung bzw. Einhausung der Tiefgaragenzufahrt zwischen dem Bauteil a und der im östlichen Grundstücksteil bestehenden Bebauung vorgesehen. Die Kinderbetreuungseinrichtung soll in den Bauteil a integriert werden.

Das Grundstück des Klägers liegt nördlich gegenüber dem geplanten Bauteil a. Das Anwesen des Klägers ist viergeschossig mit überhohem Erdgeschoss und verfügt über ein ausgebautes Dachgeschoss im steil gestellten Mansarddach. Die Traufhöhe des klägerischen Gebäudes ist 15,64 m. Die Firsthöhe liegt bei 17,19 m.

In dem östlichen Teil des Grundstücks der Beigeladenen ist bereits ein Gebäudekomplex mit einer Tiefgarage vorhanden. Das Gebäude ...straße 34 verfügt in dem an der ...straße in Nord-Süd-Richtung stehenden Gebäudekomplex über fünf Geschosse. Der Gebäudeteil an der ...-Straße stellt sich im östlichen Bereich fünfgeschossig und in der Fortsetzung nach Westen hin viergeschossig dar. Auf dem derzeit nicht bebauten westlichen Grundstücksteil befindet sich eine parkähnliche Grünanlage.

Bild

(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht)

Der dem Vorbescheidsantrag vom 26. März 2013 beigefügte Fragenkatalog wurde mit Bescheid vom ... Dezember 2013 folgendermaßen beantwortet:

Beantwortung der Einzelfragen:

Frage 1:

Höhenentwicklung und Dachform

Ist die im Plan und in der Projektbeschreibung dargestellte Bebauung, gegliedert in die Bauteile

- an der ...-Straße (Bauteil a): fünf und sechs Geschosse; oberstes Geschoss ausgebildet als Staffelgeschoss mit Flachdach,

- an der Westseite (Bauteil b): fünf, sechs und sieben Geschosse; oberstes Geschoss ausgebildet als Staffelgeschoss mit Flachdach,

- Hofanbau (Bauteil c): vier Geschosse mit Flachdach,

- Hofanbau (Bauteil d): zwei und drei Geschosse mit Flachdach,

- Überdachung/ggf. Einhausung der Zufahrt zwischen Bauteil a und Bestandsbau; Flachdach

hinsichtlich Höhenentwicklung und Dachform baurechtlich zulässig?

Antwort zu Frage 1:

Ja, das o.g. Vorhaben ist hinsichtlich der abgefragten Höhenentwicklung und Dachform planungsrechtlich zulässig.

Frage 2:

Anordnung der Neubebauung

Ist die im Plan und in der Projektbeschreibung dargestellte Bebauung, gegliedert in die Bauteile

- an der ...-Straße (Bauteil a),

- an der Westseite (Bauteil b),

- Hofanbau (Bauteil c),

- Hofanbau (Bauteil d),

- Überdachung/ggf. Einhausung der Zufahrt zwischen Bauteil a und Bestandsbau

hinsichtlich der Anordnung der Neubebauung baurechtlich zulässig?

Antwort zu Frage 2:

Ja, das o.g. Vorhaben ist hinsichtlich der Anordnung der Baukörper planungsrechtlich zulässig.

Hinweis: zur besseren Nutzbarkeit der verbleibenden Freiflächen sollte die Feuerwehrzufahrt auf dem eigenen Grundstück auf das unbedingt notwendige Minimum reduziert werden, bzw. planerisch so agiert werden, dass eine Feuerwehrumfahrt entbehrlich wird.

Frage 3:

Art der Nutzung

Ist die im Plan und in der Projektbeschreibung dargestellte Bebauung, gegliedert in die Bauteile

- an der ...-Straße (Bauteil a),

- an der Westseite (Bauteil b),

- Hofanbau (Bauteil c),

- Hofanbau (Bauteil d),

- Überdachung/ggf. Einhausung der Zufahrt zwischen Bauteil a und Bestandsbau

hinsichtlich der Art der Nutzung baurechtlich zulässig?

Antwort zu Frage 3:

Ja, das o.g. Vorhaben ist hinsichtlich der Art der Nutzung planungsrechtlich zulässig. Der Schutz der geplanten Wohnbebauung vor den Geräuschemissionen der vorhandenen gewerblichen Nutzung im Süden und der Bahnlinie im Westen ist durch bauliche Maßnahmen zu gewährleisten. Im Baugenehmigungsverfahren ist ein entsprechender Schallschutznachweis vorzulegen.

Frage 4:

Baumfällungen

Wird der im Baumbestandsplan und der Baumliste dargestellten Fällung der Bäume Nr. 21, 22, 25, 65, 69 mit 118 zugestimmt?

Antwort zu Frage 4:

Ja, die Details wurden im vorgenannten Absatz unter „Baurechtliche Grundlagen, Baumschutz“ behandelt.

Die Ausführungen unter „Baumschutz“ lauten wie folgt:

Es kann - unter Vorbehalt des Ergebnisses der artenschutzrechtlichen Untersuchung - für ein dem Vorbescheid entsprechendes Vorhaben das Einverständnis zu der in den späteren Baubescheid aufzunehmenden Genehmigung nach §§ 1 und 5 der Baumschutzverordnung (BaumschutzV) vom 12.5.1992 für folgenden Baumbestand gemäß Baumbestandsplan Nr. ... gegen entsprechenden Ersatz die Fällung von 34 Bäumen wie beantragt in Aussicht gestellt werden:

Nr. 21, 22, 25, 61, 62, 71-74, 76-78, 81, 82, 86, 87, 89, 92-96,100, 101,103-110,113-118.

Hinweis: Die Bäume Nr. 65 und 69 fallen nicht unter die Baumschutzverordnung.

Frage 5:

Erschließung über das Grundstück Fl.Nr. ...

Wird der Erschließung der Neubebauung über das Grundstück Fl.Nr. ... für Fußgänger und Feuerwehr zugestimmt?

Antwort zu Frage 5:

Ja, die Bedingungen und Einzelheiten wurden im vorgenannten Absatz unter „Baurechtlichen Grundlagen, Nutzung des städtischen Grundstücks (Fl.Nr. ...)“ behandelt.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2014 konkretisierte die Beigeladene ihren Vorbescheidantrag vom 26. März 2013 insoweit, als die Betriebszeiten der Kindertagesstätte werktags 7.00 - 19.00 Uhr sein sollen. Die beiden Kindergartengruppen sollen maximal 24, und die Kinderkrippengruppe maximal 12 Kinder aufnehmen.

Der Bescheid vom ... Dezember 2013 wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 06. Dezember 2013 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2013 - am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen - erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,

den Vorbescheid vom ...12.2013 aufzuheben.

Mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 und vom 13. August 2014 wurde die Klage wie folgt begründet:

Der Charakter des Stadtviertels sowie die bisherige Wohnqualität würden durch das Vorhaben verändert. Ein derartig massiver Eingriff in eine bestehende und für das gesamte Gebiet und ihre Anwohner wichtige Erholungs- und Grünanlage erfordere eine eingehende gesamtstädtebauliche Betrachtung durch ein Bebauungsplanverfahren. Das Bauvorhaben füge sich, insbesondere hinsichtlich der Gebäudehöhe und Zahl der Geschosse, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Es werde nicht ausreichend Rücksicht auf die nachbarlichen Belange genommen. Insbesondere durch die geplante Kindertageseinrichtung sei Parkplatznot zu erwarten, da die geplante Anzahl der Tiefgaragenstellplätze zu gering sei. Zudem würde die Realisierung des Vorhabens zu einer erheblich höheren Verkehrsbelastung führen, zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung durch Verkehrslärm führe. Insbesondere sei eine unzumutbare Lärmbelästigung durch den Hol- und Bringverkehr der geplanten Kindertagesstätte zu erwarten. Die beabsichtigte Feuerwehr- und Tiefgaragenzufahrt in der ...-Straße biete keinerlei Lärmschutz. Durch das Vorhaben werde der Lebensraum geschützter Tierarten zerstört und mindestens 34 alte Bäume gefällt. Schließlich würden die Abstandsflächen zu dem klägerischen Grundstück hin nicht eingehalten. Die ausgewiesenen Baulinien können hier nicht Maßstab zur Berechnung der Abstandsflächen sein, da das bestehende große Gebäude der Beigeladenen tatsächlich nicht an die Baulinie angrenze.

Schließlich sei der Nießbraucher des klägerischen Anwesens nicht angehört worden.

Mit dem Schriftsatz vom 12. August 2013 beantragte der Bevollmächtigte der mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 Beigeladenen,

die Klage abzuweisen

Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Beigeladenen aus:

Das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Eine unzumutbare Verschattung der Nachbargrundstücke werde nicht eintreten. Die geplanten Neubauten entsprächen hinsichtlich der Größe und Ausrichtung den in der Nachbarschaft bereits vorhandenen Gebäuden. Da die geplanten Neubauten allesamt nach oben terrassiert seien und somit schmaler würden, dürften diese im Vergleich zu den Bestandsgebäuden keineswegs wuchtiger oder gar erdrückend wirken. Es liege ebenso keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch den von dem Kläger prognostizierten Zufahrtsverkehr und die Stellplatzproblematik vor. Im Übrigen füge sich das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und insbesondere hinsichtlich der Gebäudehöhe und Geschossigkeit, in die nähere Umgebung ein. Der Kläger gehe bei der Berechnung der Gebäudehöhen von falschen Höhen aus. Richtigerweise lassen sich die Staffelgeschosse mit der Firsthöhe der Umgebungsbebauung vergleichen. Der Kläger könne sich auch nicht auf den als zu gering gerügten Stellplatznachweis berufen, denn dieser sei nach der Rechtsprechung nicht drittschützend sei. Das Abstandsflächenrecht sei nicht Bestandteil des Vorbescheids. Schließlich führe die fehlende Anhörung eines Nießbrauchsberechtigten nicht zur Aufhebung des Vorbescheids.

Mit Schriftsatz vom 14. August 2014 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus:

Entscheidend sei nur, ob der Bauteil a sowie die Zu- und Abfahrt der Tiefgarage, welche auf der gegenüberliegenden Straßenseite des klägerischen Grundstücks verwirklicht werden sollten, in Bezug auf die Art und Maß der baulichen Nutzung das Gebot der Rücksichtnahme beachteten. Das geplante Wohngebäude und die Kindertagesstätte seien nach Art der baulichen Nutzung zulässig. Es seien keine Beeinträchtigungen der Anwohnerschaft durch das Kinderspiel im Freien zu erwarten, da der Gebäudeteil a die durch das Kinderspiel entstehenden Geräusche abschirme. Die Details des Hol- und Bringverkehrs seien im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren zu klären. Das Gebot der Rücksichtnahme sei auch nicht wegen des vom Kläger befürchteten Verkehrslärms verletzt. Der Bauteil a sei planungsrechtlich zulässig und verstieße daher nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Dieser komme auf einer Baulinie zu liegen, somit würden bei einem planungsrechtlich zulässigen Baukörper keine Abstandsflächen anfallen.

Das Gericht hat am 29. September 2014 einen Augenschein durchgeführt. Auf das Protokoll dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird ebenso verwiesen wie auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Vorbescheid keine im Prüfumfang des Vorbescheides enthaltenen, drittschützenden Vorschriften verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO i. V. m. Art. 59, 71 BayBO.

Durch die, sich aus der Beantwortung der im Vorbescheidsantrag vom 26. März 2013 gestellten Fragen ergebende - insoweit auch verbindliche - rechtliche Beurteilung des Vorhabens werden keine im Genehmigungsverfahren zu prüfenden Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz des Nachbarn dienen, verletzt.

Ein Nachbar kann eine Baugenehmigung - und somit auch einen Vorbescheid - nur dann mit Erfolg anfechten, wenn er sich auf eine Verletzung von Normen berufen kann, die zumindest auch seinem Schutz dienen (st. Rspr., BVerwG v. 5.10.1965, BVerwGE 22, 129). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung oder der Vorbescheid gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind.

I.

Die planungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 3 i. V. m. § 34 Abs. 1 BauGB.

Für das streitgegenständliche Vorhabensgrundstück Fl.Nr. ... sind Baulinien entlang der östlich liegenden ...straße, der nördlich liegenden ...-Straße und entlang der westlichen Grundstücksgrenze festgesetzt, deren Aussagegehalt sich darin erschöpft, dass auf diese Baulinie gebaut werden muss. Eine Regelung für die Bebaubarkeit des Grundstücks im Übrigen enthält diese vordere Baulinie nicht (BVerwG, U.v. 26.9.1991 - 4 C 5/87).

Die Zulässigkeit des Vorbescheidsvorhabens richtet sich daher hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung sowie der überbaubaren Grundstücksflächen nach § 34 Abs. 1 BauGB.

II.

Im Einzelnen ist zur Beantwortung der Vorbescheidsfragen Folgendes festzustellen:

1. Frage 1

In der Frage 1 wird der geplante Maß der baulichen Nutzung für zulässig erachtet. Insoweit verletzt der streitgegenständliche Vorbescheid den Kläger nicht in seinen Rechten. Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung haben grundsätzliche keine nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - juris; v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris). Da eine andere rechtliche Beurteilung nur dann in Frage kommt, wenn die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen nach dem ausdrücklichen Willen des Satzungsgebers nachbarschützende Funktion haben sollen, kann eine solche dem im unbeplanten Innenbereich vorgefundenen Maß der baulichen Nutzung nicht zukommen (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 a. a. O.). Abgesehen davon fügt sich das vom Vorbescheidsvorhaben beabsichtigte Maß der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB in seine maßgebliche Umgebung ein, da hier im Wesentlichen fünf- und sechsgeschossige Bebauung (...str.34, ...-Str. 22 und 4, ...str. 28 und 30) vorzufinden ist. Das Gebäude ...-Straße 6 ist viergeschossig und verfügt über ein 1 m - 2 m zurückgesetztes Terrassengeschoss. Die Gebäude ...-Straße 8 und 10 sind viergeschossig mit überhohem Erdgeschoss und verfügen über ein ausgebautes Dachgeschoss im Steilgestellten Mansarddach.

Anhaltspunkte, dass das hier verwirklichte Maß der baulichen Nutzung gegenüber dem Kläger rücksichtslos sein könnte, sind vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich. Der Gebäudeteil a soll in seiner Höhenentwicklung in etwa dem klägerischen Anwesen entsprechen. Das zurückgesetzte Terrassengeschoss tritt hinter die darunter liegende Außenwand in einem 45 Grad Winkel zurück und bildet den Verlauf eines Satteldachs nach. Durch das zurückgesetzte Obergeschoß wirkt das Gebäude schmaler. Das Vorhaben hat weder „erdrückende“ noch „abriegelnde“ Wirkung gegenüber dem Gebäude ...-Straße 8 bzw. dem Grundstück des Klägers.

2. Frage 2

2.1. Die Beklagte hat die auch einer bauordnungsrechtlichen Überprüfung zugängliche Frage 2 ausdrücklich nur planungsrechtlich - positiv - beurteilt.

Da es sich bei dem geplanten Vorhaben um einen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 12 BayBO handelt, gehören die Abstandsflächen auch zu dem Prüfprogramm in dem Vorbescheidsverfahren, Art. 71 Satz 4, 68 Abs. 1, 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO.

2.2. Allerdings sind vorliegend, da und soweit der Gebäudeteil a an der nördlichen Grundstücksgrenze entlang der ...-Straße errichtet werden soll, die Abstandsflächen aufgrund des Vorrangs des Planungsrechts suspendiert. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist vor der an der...-Straße gelegenen Außenwand des Vorhabens eine Abstandsfläche nicht erforderlich, weil dort nach planungsrechtlichen Vorschriften, nämlich aufgrund des Baulinienplans, an diese Grenze gebaut werden muss. Dieser Baulinienplan stellt jedenfalls dann eine solche planungsrechtliche Vorschrift dar, wenn - wie hier - eine Baulinie auf der vorderen Grundstücksgrenze festgesetzt ist, weil in diesem Fall an der Grenze gebaut werden muss (vgl. BayVGH, B. v. 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - jurs).

2.3. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Baulinienplan auch nicht funktionslos geworden. Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (BayVGH, B. v. 09.09.2013 - 2 ZB 12.1544 - juris).

Zwar liegt das Bestandsgebäude der Beigeladenen in dem östlichen Grundstücksbereich entlang der ...straße nicht und entlang der ...-Straße nur zu einem geringfügigen Teil an der vorderen Baulinie. Daraus folgt jedoch noch keine Funktionslosigkeit der festgesetzten Baulinien. Das geplante Gebäude kommt sowohl an der nördlichen als auch an der westlichen Baulinie zu liegen. Damit hält das Vorhaben die festgesetzten Baulinien konsequent ein. Die Abweichung von den festgesetzten Baulinien durch das Bestandsgebäude führt hier nicht dazu, dass diese in dem Grundstücksbereich nicht mehr geeignet sind, einen sinnvollen Beitrag zur städtebaulichen Ordnung zu leisten - wie auch das Vorhaben zeigt. Durch die Festsetzung der vorderen Baulinien soll eine einheitliche Anordnung der Bebauung entlang der Straße erreicht und damit der Straßenraum sowie ein bestimmtes Ortsbild gestaltet werden. Die festgesetzten Baulinien tragen nach wie vor entscheidend zu der Gestaltung des Straßenraums und des Ortsbildes durch eine einheitliche Bauflucht bei. Sowohl zur der ...-Straße als auch zum ... Platz hin wird mit der Ausführung des Vorhabens die Baulinie aufgenommen, so dass die in der Umgebung vorhandene straßenseitige Bebauung wieder aufgegriffen wird.

Soweit die nicht auf der Baulinie zu liegen kommenden zurückgesetzten Terrassengeschosse Abstandsflächen einhalten müssen, bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, da in diesem Fall die abstandsflächenpflichtige Wandhöhe nicht ab dem fiktiven Fußpunkt zu bemessen ist, sondern ab dem Austrittspunkt der Wand des zurückgesetzten Terrassengeschosses aus dem auf der Baulinie stehenden Gebäudeteil (vgl. BayVGH, B. v. 26.01.2000 - 26 CS 99.2723 - juris). Soweit somit die Höhe des zurückgesetzten Wandteils dem Rücksprung entspricht oder kleiner ist, bestehen abstandsflächenrechtlich keine Bedenken.

So liegt der Fall hier. Die Wandhöhe des an der ...-Straße zurückgesetzten - freistehenden - Wandteils beträgt 2,89, der Rücksprung 3 m. Die Nordwand des siebengeschossigen Bauteils b weist eine - freistehende - Wandhöhe von 2, 75 m bei einem weiteren Rücksprung von 3 m auf.

Hinsichtlich der Abstandsflächen werden insoweit keine Nachbarrechte des Klägers verletzt, und zwar unabhängig von der Frage, ob diese mitabgeprüft wurden beziehungsweise Inhalt der Antwort geworden sind.

Aufgrund der eindeutigen Aussage, dass „…die Anordnung der Baukörper planungsrechtlich zulässig ist“, ist ohnehin davon auszugehen, dass keine Abstandsflächenprüfung erfolgt ist. Insoweit wurde auch der marginale Rückversatz des fünften Geschosses von der Baulinie an der ...-Straße in einem 5 m langen Bereich westlich der Tiefgaragenabfahrt zu Recht nicht thematisiert; im Übrigen dürfte er, da sich hieraus keine Nachteile für den Kläger ergeben, zumal er dessen Gebäude auch nicht gegenüberliegt, abweichungsfähig sein.

3. Frage 3

3.1. Die Art der Nutzung selbst wird von der Klagepartei nicht in Frage gestellt. Soweit der Kläger sich gegen die weitere Auswirkungen der geplanten Kindertagesstätte - insbesondere das zu erwartende zusätzliche Verkehrsaufkommen zum Bringen und Abholen der Kinder - wendet, ist der Anspruch des Klägers auf Wahrung des Rücksichtnahmegebots nicht verletzt.

Der durch die Kindertageseinrichtungen verursachte Zu- und Abfahrtsverkehr ist grundsätzlich als zumutbar anzusehen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass mit der Kindertageseinrichtung 60 Betreuungsplätze geschaffen werden, so dass bei der üblichen Annahme, dass 50% der Kinder mit dem Kraftfahrzeug gebracht und geholt werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2011 - 2 CS 11.2149 - juris Rn. 6) mit etwa 60 zusätzlichen Fahrzeugbewegungen am Tag zu rechnen ist. In Hinblick auf die Vielzahl der Wohnungen in der unmittelbaren Umgebung der Kindertagesstätten erscheint der Ansatz von 50% zugunsten der Klägerin ohnehin hoch angesetzt. Zudem soll die geplante Kindertagesstätte in das geplante Gebäude integriert werden und es finden sich laut Kläger zwei weitere Kindertagesstätten in der näheren Umgebung. Es liegt daher die Annahme nahe, dass die Betreuungsplätze zu einem großen Teil durch die Bewohner der geplanten Wohnanlage und durch die Beschäftigte des östlich gelegenen Ärztehauses in Anspruch genommen werden. Beschäftigte des Ärztehauses, die gegenwärtig ein Kraftfahrzeug benutzen, werden es höchstwahrscheinlich auch in der Zukunft tun, so dass keine Erhöhung der Verkehrsbelastung zu befürchten ist. Für die Bewohner der geplanten Wohnanlage ist die Kindertagesstätte fußläufig erreichbar. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dieser zusätzliche Verkehr im städtischen Bereich geeignet ist, zu einer Rücksichtslosigkeit gegenüber der Klägerin zu führen (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2012 - 2 CS 12.1960 - juris Rn. 9).

Abgesehen davon sind die 60 zusätzliche Fahrzeugbewegungen am Tag in der näheren Umgebung des klägerischen Anwesens sind nicht geeignet, zu einer unzumutbaren Verkehrsbelastung zu führen, da 60 zusätzliche Fahrzeugbewegungen am Tag im Bereich der ...straße/...-Straße und ...straße im innerstädtischen Bereich mit einer dichten Bebauung allenfalls marginale Bedeutung haben.

3.2. Ebenso wenig ist das Gebot der Rücksichtnahme durch den zu erwartenden Zufahrtsverkehr zu der geplanten Wohnanlage tangiert. Die von den Stellplätzen einer zulässig errichteten Wohnbebauung ausgehenden Emissionen sind im Regelfall hinzunehmen (BayVGH vom 29.2.2012, Az. 9 B 09.2502, juris Rn. 30; BVerwG vom 20.3.2003, Az. 4 B 59/02, NVwZ 2003, 1516 - juris Rn. 7; VG Augsburg vom 7.3.2012, Az. Au 5 S 12.175, juris Rn. 42). Eine besondere örtliche Situation, die gegebenenfalls ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnte, liegt nicht vor; insbesondere kommt es zu keiner Betroffenheit eines bisher von Zufahrtsverkehr zum Baugrundstück verschonten (rückwärtigen) Bereichs des klägerischen Grundstücks (vgl. BayVGH vom 25.5.2010, Az. 15 CS 10.982, juris Rn. 9). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beibehaltung der bisherigen Verkehrsverhältnisse (Simon/Busse, a.a.O, Rn. 438 zu Art. 66).

3.3. Die Befürchtung des Klägers, dass sich die Parkplatzsituation durch Zufahrtsverkehr erheblich verschlechtern wird, findet im streitgegenständlichen Vorbescheid schon deshalb keine Grundlage, weil dieser keine Festlegungen hinsichtlich der Stellplätze trifft. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids nach Art. 71 BayBO ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen und den diesem Antrag zugrundeliegenden Plänen. Nur die im Vorbescheid ausdrücklich im Sinne einer positiven Bescheidung geklärten Aspekte der Bauvoranfrage nehmen an der Bindungswirkung des Vorbescheids teil (OVG Münster v. 29.07.2002, 7 B 831/02; Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, Art 71 Rn. 103). Die Stellplatzproblematik muss erst in dem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren geklärt werden. Die Vorbescheidsplanung sowie die Festlegungen im Vorbescheid lassen ausreichend Gestaltungsspielraum, die Verkehrs- und Stellplatzproblematik angemessen zu lösen.

Soweit der Kläger anführt, dass die beabsichtigte Tiefgaragenzufahrt in der ...-Straße keinerlei Lärmschutz vorsieht und es deswegen zu unzumutbaren Lärmbelästigungen kommen wird, ist die Rechtsverletzung des Klägers ebenfalls ausgeschlossen, da die Zulässigkeit der Tiefgarage samt Zufahrt in dem Vorbescheid nicht abgefragt worden ist. Damit entfaltet der Vorbescheid diesbezüglich keine Bindungswirkung.

4. Frage 4

Da die Baumschutzverordnung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion hat (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2009 - 14 ZB 09.656 - juris), kann die Beantwortung der Frage 4 ebenfalls keine Rechtsverletzung des Klägers begründen.

Im Übrigen trifft der Vorbescheid keine Feststellungen zu dem Artenschutz, sondern weist lediglich auf die Notwendigkeit der Durchführung einer qualifizierten, artenschutzrechtlichen Untersuchung hin, die ebenfalls keinerlei nachbarschützende Funktion hat.

5. Frage 5

Eine Nachbarrechtsverletzung durch die Erschließung der Neubebauung über das städtische Grundstück Fl.Nr. ... für Fußgänger und Feuerwehr kommt nicht in Betracht.

6. Die unterbliebene Anhörung des Nießbrauchers des klägerischen Anwesens führt nicht zur Aufhebung des Vorbescheids. Der Kläger selbst wurde ordnungsgemäß nach Art. 66 BayBO beteiligt. Auf die fehlende Beteiligung eines Dritten kann sich der Kläger nicht berufen, da sich daraus keine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten ergibt (§ 42 Abs. 2 VwGO).

III.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs.1 VwGO abzuweisen.

Es entspricht der Billigkeit, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich somit selbst einem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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bei uns veröffentlicht am 21.08.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt. Gründe

Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Sept. 2016 - M 8 SN 16.3213

bei uns veröffentlicht am 14.09.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (M 8 K 16.3214) gegen den Bescheid vom 27. Juni 2016 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. III.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. Apr. 2017 - M 8 SN 17.1302

bei uns veröffentlicht am 27.04.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt. Gründe

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks FlNr. 3704 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau einer Wohnanlage mit 55 Wohneinheiten einschließlich Tiefgarage mit 60 Pkw-Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. 3658 Gemarkung W. auf der gegenüberliegenden Straßenseite der L.straße. Er hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben. Ferner hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. März 2014 abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, gegenüber seinem Grundstück werde Abstandsflächenrecht verletzt, weil der Baulinienplan von 1913, auf dessen Grundlage die Baugenehmigung an die Beigeladene erteilt worden sei, funktionslos geworden sei. Abgesehen davon könne die damalige Planung hinsichtlich der Baulinien nicht als abwägungsgerecht angesehen werden. Auch nach heutigen Maßstäben enthalte diese Planung kein vertretbares Abwägungsergebnis. Mit Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung im Jahre 1962 seien die Baulinienpläne als übergeleitete Bebauungspläne unwirksam geworden, soweit sie kleinere Abstände zugelassen hätten, als die BayBO 1962 vorgesehen habe. Durch den massiven Verstoß des Bauvorhabens gegen das Abstandsflächenrecht bei unwirksamer Baulinie werde das Gebot der Rücksichtnahme zulasten des Antragstellers verletzt. Das Vorhaben betreffe die besonders schutzwürdige Südseite seines Grundstücks. Zwar halte auch sein Gebäude die vollen Abstandsflächen nicht ein. Der Verstoß sei aber erheblich geringer als der Verstoß gegen Abstandsflächenrecht durch das Vorhaben der Beigeladenen. Die bei Unwirksamkeit der Baulinienplanung erforderliche Befreiung von den Abstandsflächenvorschriften gegenüber dem Grundstück des Antragstellers sei im angefochtenen Bescheid nicht erteilt worden.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts W. vom 10. März 2014 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung vom 10. Januar 2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Baulinienplan von 1913 sei nicht funktionslos geworden. Er weise auf der Südseite der L.-straße eine an der jeweiligen Grundstücksgrenze liegende Baulinie auf, auf der sich die dort vorhandene Bebauung befinde. Demgegenüber herrsche entlang der M.-Straße eine Einzelhausbebauung vor, so dass dort eine Befreiung von der Baulinie städtebaulich vertretbar gewesen sei. Wie sich den Akten zum Baulinienplan 1913 entnehmen lasse, habe ein Abwägungsprozess stattgefunden und es seien Einwendungen abgehandelt worden. Die nachbarlichen Belange des Anwesens des Antragstellers hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung seien bei einem Abstand der beiden Gebäude von ca. 17 m und einer abstandsflächenrelevanten Höhe des Vorhabens der Beigeladenen von maximal 14,42 m ausreichend gewahrt.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die maßgebliche Baulinie entlang der südlichen Grenze der heutigen L.-straße habe noch heute die im Baulinienplan von 1913 vorgesehene städtebauliche Funktion, weil sich dort die gesamte bestehende Bebauung wie auch die geplante Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen an dieser Baulinie orientiere. Es sei nicht ersichtlich, warum die Planung hinsichtlich der Baulinien - insbesondere in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers - als nicht abwägungsgerecht anzusehen sei. Der Antragsteller lege nicht dar, warum der Planinhalt auch zum Zeitpunkt der Überleitung kein vertretbares Abwägungsergebnis dargestellt habe. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes scheide aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Soweit sich der Antragsteller auf die Verletzung der Abstandsflächenvorschriften beruft, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde. Zwar erstreckt sich das Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO auch auf beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 BayBO, so dass im Hinblick auf die von der Beigeladenen (unter anderem) beantragte Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 2 BayBO im Bereich der L-straße /M-Straße auch die Abstandsflächenvorschriften zu prüfen waren (vgl. Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Art. 59 Rn. 15).

Die Antragsgegnerin ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Beigeladenen insoweit keiner Abweichung bedarf. Denn gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist vor der an der L-straße gelegenen Außenwand des Vorhabens eine Abstandsfläche nicht erforderlich, weil dort nach planungsrechtlichen Vorschriften, nämlich aufgrund des Baulinienplans für die J-straße - jetzt L-straße - vom 19. Juli 1913, an diese Grenze gebaut werden muss. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, stellt dieser (übergeleitete) Baulinienplan jedenfalls dann eine solche planungsrechtliche Vorschrift dar, wenn - wie hier - eine Baulinie als Gebäudefluchtlinie auf der vorderen Grundstücksgrenze festgesetzt ist, weil in diesem Fall an der Grenze gebaut werden muss (vgl. Kuchler, BayVBl 2014, 257/266).

Dem Baulinienplan fehlt auch nicht der für eine Überleitung nach § 173 Abs. 3 BauGB 1960 erforderliche Charakter der Verbindlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 30.12.2012 - 1 ZB 11.1536). Insbesondere handelt es sich bei ihm nicht lediglich um einen sogenannten Generalbaulinienplan, aus dem verbindliche Baulinien erst entwickelt werden sollen (s. § 59 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung v. 17.2.1901, GVBl S. 87). Wie sich dem Bescheid der Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg vom 19. Juli 1913 entnehmen lässt, wurden damit die Bau- und Vorgartenlinie für die J-straße und die angrenzenden Teile des Platzes an der A-straße nach Maßgabe des Plans vom 17. August 1912 sowie die Höhenlage der J-straße nach Maßgabe des Plans vom 24. Juli 1913 verbindlich festgesetzt (s. § 64 i. V. m. § 58 Abs. 1 BauO 1901). Bei der mit roter Farbe auf der Südseite der J-straße dargestellten Baulinie im Baulinienplan, die durch die Festsetzung nicht verändert wurde, handelt es sich um eine Gebäudefluchtlinie mit der rechtlichen Wirkung, dass die vordere Gebäudeflucht unmittelbar an diese Linie herangerückt werden muss (vgl. § 4 Abs. 2 BauO 1901 i. V. m. Nr. 4 der Entschließung des Staatsministeriums des Innern vom 3.8.1910, abgedruckt in Englert/Mang, BayBO 1901, 11. Auflage 1957, Anhang 28).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der Baulinienplan nicht mit Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung im Jahre 1962 unwirksam geworden. Eine Festsetzung von kleineren oder größeren Grenz- oder Gebäudeabständen nach Art. 101 des Polizeistrafgesetzbuchs für Bayern - PStGB - vom 26. Dezember 1871 (GBl. Sp. 9) als nach der Bayerischen Bauordnung 1962 zulässig, die zu seinem Außerkrafttreten geführt haben könnte (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 296), enthält dieser Baulinienplan nicht.

Anhaltspunkte dafür, dass der Baulinienplan am rechtsstaatlichen Abwägungsgebot scheitern würde und seine Überleitung aus diesen oder anderen Gründen ausgeschlossen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.1972 - BVerwG IV 14,71 - BVerwGE 41, 67/72), sind auch unter Würdigung des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich. Vielmehr lässt sich der Behördenakte zum Baulinienplan entnehmen, aus welchen Gründen die frühere Vorgartenlinie auf der Südseite der J-straße weggefallen ist und dass die damalige Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 3704 bei der Aufstellung des Baulinienplans angehört worden ist und mit diesem einverstanden war.

Ob der Baulinienplan in Teilbereichen wegen späterer erheblicher Abweichungen funktionslos geworden ist, kann offen bleiben. Denn jedenfalls die Baulinie entlang der südlichen Grenze der L-straße entfaltet auch heute noch ihre städtebauliche Ordnungsfunktion, weil sie vom vorhandenen Baubestand ersichtlich eingehalten wird. Dieser Festsetzung trägt auch das Vorhaben der Beigeladenen Rechnung.

2. Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB angelegte Gebot der Rücksichtnahme verletzt, lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Für eine „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Wohngebäude des Antragstellers ist bei einem Abstand von ca. 17 m zwischen beiden Gebäuden und einer Höhe des Bauvorhabens von maximal 14,42 m sowie einer Höhe des Wohngebäudes des Antragstellers von ca. 13 bis 14 m in Richtung des Bauvorhabens nach der dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. Februar 2000 erteilten Baugenehmigung für die Wohnhausaufstockung nichts ersichtlich. Bei dem gegebenen Abstand ist nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin, dem im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten wird, ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad für das gesamte Wohngebäude des Antragstellers gewährleistet, der für eine ausreichende Besonnung und Belüftung spricht (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 22).

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.