Verwaltungsgericht München Urteil, 10. Feb. 2015 - M 3 K 13.3493


Gericht
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
M 3 K 13.3493
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
3. Kammer
Sachgebiets-Nr. 210
Hauptpunkte:
Erfolglose Klage, Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung von der Schule; drei vorangegangene Ordnungsmaßnahmen (Verweise, verschärfter Verweis) im betreffenden Schuljahr; auslösender Vorfall: Entwenden von zwei Eis-Packungen aus der Schul-Cafeteria; angebliche Zusicherung der Schulleiterin, dass der Disziplinarausschuss lediglich Sozialstunden verhängen werde
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
gesetzlich vertreten durch die Mutter ... .
gesetzlich vertreten durch den Vater ...
- Kläger -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
Freistaat Bayern
vertreten durch: Regierung von Oberbayern Prozessvertretung ...
- Beklagter -
wegen Androhung der Entlassung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 3. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015
am
folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die vom ...-Gymnasium in ... (im Folgenden: die Schule) gegenüber dem Kläger verhängte Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung von der Schule.
Der am ... geborene Kläger besuchte im Schuljahr 2012/2013 eine Klasse der 7. Jahrgangsstufe dieser Schule. In diesem Schuljahr hatte der Kläger - vor der streitgegenständlichen - bereits folgende Ordnungsmaßnahmen erhalten:
- verschärfter Verweis vom ... Oktober 2012 wegen Bloßstellens einer Mitschülerin im Internet.
Der Kläger hatte unter dem Namen einer Mitschülerin ein facebook-account erstellt und Freundschaftsanzeigen an eigene facebook-Freunde gestellt, außerdem hatte er unter dem Benutzernamen und Kennwort eines Mitschülers Buchbesprechungen online erstellt, so dass dessen Konto dann einen negativen Punktestand aufwies
- Verweis vom ... Oktober 2012 wegen Abschreibens von Hausaufgaben
- verschärfter Verweis vom ... Februar 2013 wegen Konsumierens eines alkoholischen Getränks im Schulgebäude (am sog. „...“)
Der streitgegenständlichen Ordnungsmaßnahme liegt folgender Vorfall zugrunde:
Der Kläger hatte am ... April 2013 aus der Eis-Truhe in der Schul-Cafeteria zwei „Magnum“-Eis genommen, diese in die Brusttasche seines Sweatshirts gesteckt und versucht, mit dem Eis die Schul-Cafeteria zu verlassen. Von der Leiterin der Schul-Cafeteria angesprochen, gab er zunächst an, das Entgelt auf der Theke hinterlegt zu haben, was zwei seiner Mitschüler bezeugen könnten. Da deren Befragung zu keinem Ergebnis führte, wurde der Kläger von der Schulleiterin zu dem Vorfall befragt. Bei der darauffolgenden Gegenüberstellung mit der Leiterin der Schul-Cafeteria räumte der Kläger ein, die beiden Eis ohne Bezahlung genommen zu haben.
Über diesen Vorfall wurden die Eltern des Klägers mit Schreiben vom ... April 2013 von der Schulleiterin informiert. Es sei beabsichtigt, den Disziplinarausschuss einzuberufen. Das Schreiben enthielt einen Hinweis auf die Möglichkeit zur Äußerung des Klägers und seiner Eltern selbst gemäß Art. 86 Abs. 9 BayEUG, auf die Möglichkeit, die Hinzuziehung einer Lehrkraft des Vertrauens zu beantragen, sowie auf das Recht, die Mitwirkung des Elternbeirats zu beantragen.
Mit weiterem Schreiben vom ... April 2013, im Anschluss an ein am selben Tag stattgefundenes Gespräch zwischen den Eltern des Klägers und der Schulleiterin, teilte diese den Eltern des Klägers mit, vor dem Hintergrund dieser Unterredung erachte sie es als angeraten, dass sich der Kläger vor dem Disziplinarausschuss verantworten solle, dieser werde für den ... April 2013 einberufen. Dem Kläger und den Eltern des Klägers werde Gelegenheit gegeben, sich in dieser Sitzung persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern. Auf die Möglichkeit, die Hinzuziehung einer Lehrkraft des Vertrauens zu beantragen, wurde erneut hingewiesen.
In der Sitzung des Disziplinarausschusses vom ... April 2013 wurde der Kläger selbst in Anwesenheit seiner Eltern angehört. Laut der über die Sitzung angefertigten Niederschrift vom ... April 2013 entschuldigte sich der Kläger für sein Verhalten auch bei der Schulleiterin; das einwandfreie Verhalten des Klägers während des Aufenthalts im Skilager wird ausdrücklich erwähnt. Weiter heißt es in der Niederschrift, die Eltern sähen den Grund für das Verhalten des Klägers in dem alterstypischen Wunsch, sich vor anderen zu beweisen.
Der Disziplinarausschuss beschloss einstimmig die Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung sowie die Ableistung von Sozialstunden (8 mal jeweils 90 Minuten).
Mit Bescheid vom ... April 2013 verhängte die Schule gegenüber dem Kläger die Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Disziplinarausschuss habe diese Entscheidung nach eingehender Beratung und Würdigung aller bekannten Umstände getroffen. Zudem solle der Kläger an fünf - im Einzelnen bezeichneten - Nachmittagen jeweils 90 Minuten Sozialdienst leisten.
Mit E-Mail an die Schulleiterin vom ... Mai 2013 äußerte sich die Mutter des Klägers zum Verlauf der Sitzung des Disziplinarausschusses. Bei dem Gespräch der Schulleiterin mit den Eltern des Klägers habe man sich darauf geeinigt, dass der Kläger Sozialstunden auferlegt bekommen solle; um einen höheren Nachhall der pädagogischen Konsequenz zu erreichen, hätte dies bei einer Sitzung vom Disziplinarausschuss beschlossen werden sollen. Der Hinweis eines Lehrers in der Sitzung auf eine Verurteilung eines Erwachsenen wegen des Diebstahls von einer Dose Cola zu 1,5 Jahren Haft ohne Bewährung sei völlig verfehlt gewesen. Ihr Sohn brauche nun neurologisch-psychologische ärztliche Hilfe. Sie weise sowohl die Vorgehensweise des Ausschusses, als auch das Ergebnis der Sitzung in jeder Form zurück. Die Verhältnismäßigkeit sei in keinster Weise gewährleistet, weder die Aufgaben der Schule noch die Rechte anderer seien durch die Tat ihres Sohnes gefährdet worden.
Das vorgelegte privatärztliche Attest des Neurologen Dr. ... vom ... Mai 2013 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom ... Mai 2013 stellt eine posttraumatische Belastungsstörung, psychovegetative Dysregulation, sowie eine depressive Reaktion fest. Beim Kläger sei es zu einer maßgeblichen Traumatisierung gekommen, die bislang zu einer tiefgreifenden Destabilisierung geführt habe. Der Kläger sei nicht mit der Intention eines Diebstahls in diese Situation hineingeraten, er habe, veranlasst durch die Bemerkung des „Schulkameraden“, man könne das Eis auch anders besorgen, aus dem unmittelbaren Augenblick heraus, in völliger Unbedachtheit, das Eis in einem spontanen Akt entwendet. Als weiteres wesentliches Kriterium stellten sich die kaskadenhaften Traumatisierungen dar, die über den Jungen hereingebrochen seien. Es sei ihm zunächst versprochen worden, es würde nichts in die Öffentlichkeit getragen, er sei dann aber im großen Kreis des Kollegiums als beständiger Lügner hingestellt, als Verbrecher klassifiziert, mit Schulverweis bedroht und bei den auferlegten Putzarbeiten gedemütigt worden. Zusammenfassend sei bei dem Jungen ein anhaltend schwerer Schaden entstanden.
Diese Äußerung der Mutter des Klägers wurde von der Schule als Widerspruch gegen die Ordnungsmaßnahme vom ... April 2013 gewertet. Die Lehrerkonferenz befasste sich in ihrer Sitzung vom ... Juni 2013 mit dem Widerspruch. Ausweislich der Niederschrift wurde jeder der in der E-Mail vom ... Mai 2013 erhobenen Einwände behandelt.
Zum Einwand der Eltern, der Kläger sei „bei den auferlegten Putzarbeiten gedemütigt worden“, wurde festgestellt, die Eltern hätten sich ausdrücklich mit einem Sozialdienst einverstanden erklärt, der völlig im Rahmen des Üblichen (z. B. Putzen von Tischen und Trennwänden) abgelaufen sei und den der Kläger bereitwillig ausgeführt habe.
Die Lehrerkonferenz beschloss mit 2 Gegenstimmen, dem Widerspruch nicht stattzugeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... Juli 2013 wies die Schule den Widerspruch der Eltern zurück. Zur Begründung wurde auf die einzelnen von der Mutter erhobenen Einwände eingegangen und im Wesentlichen ausgeführt, das Vorgehen des Disziplinarausschusses sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei die Ordnungsmaßnahme nicht unverhältnismäßig. Der Kläger habe im Alter von 13 Jahren bereits ein Bewusstsein über grundlegende Verbote wie Diebstahl und Lügen. Die Schule habe die Pflicht, bei derartigen Normverstößen Grenzen und Konsequenzen aufzuzeigen, um die Schüler vor einer negativen Entwicklung zu bewahren. Diesem Zweck habe auch das Beispiel der Verurteilung eines Erwachsenen wegen Diebstahls gedient.
Das Verhalten des Klägers im Anschluss an die Sitzung des Disziplinarausschusses, das er in der Schule gezeigt habe, stünde im Widerspruch zu den im vorgelegten ärztlichen Attest angeführten seelischen Folgen des Disziplinarverfahrens. So habe der Kläger auch nach der Sitzung jeden Tag die Schule besucht und sich sogar zusammen mit zwei Mitschülern derart rüde gegenüber einem Schüler der 6. Klasse verhalten, dass jeder der Beteiligten einen Verweis erhalten habe.
Am ... August 2013 erhoben die Eltern des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Sie beantragten zuletzt,
den Bescheid der Schule vom ... April 2013 in Form des Widerspruchsbescheids vom ... Juli 2013 aufzuheben.
Zur Begründung wurde ergänzend zum bisherigen Vorbringen vorgetragen, dass es sich bei dem Diebstahl von zwei Eis nicht um ein schweres Fehlverhalten i. S. d. Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BayEUG handele und die pädagogische Einwirkung auf den Kläger auch mit milderen Mitteln der Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 7 BayEUG durchzusetzen sei. Der Kläger habe unstreitig am ... April 2013 zwei Eis entwendet, er sei von einem Klassenkameraden dazu angestiftet worden. Die Schulleiterin habe Vertraulichkeit zugesichert, jedoch trotzdem den Disziplinarausschuss einberufen. Der Disziplinarausschuss sei ein schweres, stark einwirkendes pädagogisches Mittel. Durch die Bemerkung der Lehrkraft zur Haftstrafe für den Diebstahl von einer Cola-Dose sei das Maß des angemessenen, pädagogisch vertretbaren Einwirkens auf den Schüler deutlich überschritten worden; der ...-jährige Kläger sei noch nicht strafmündig gewesen und noch nicht einmal Jugendlicher, § 1 Abs. 2 JGG. Die Unangemessenheit der Maßnahme ergebe sich v.a. aus den Folgen, die der Kläger erlitten habe.
Das dem Verweis vom ... Oktober 2012 zugrunde liegende Verhalten sei nicht ein Bloßstellen der Mitschülerin gewesen, vielmehr habe der Kläger ein Profil erstellt und Freundschaftsanfragen versandt, ohne sie vorher zu fragen. Es sei fraglich, ob ein ...-jähriger Junge die Problematik des Einrichtens eines Accounts im Internet für eine andere Person schon absehen könne. Abschreiben in der Schule sei nicht geeignet, die Erfüllung der Aufgaben der Schule als gefährdet anzusehen, es handle sich um ein Verhalten, das generationenübergreifend sei und nicht als schwerwiegend bewertet werden könne, wenn es nicht dauerhaft sei. Zum Verweis wegen Konsumierens von Alkohol werde bestritten, dass der Kläger von dem alkoholischen Getränk, das er in Händen gehalten habe, getrunken habe, er habe die Flasche nur gehalten, während sein Freund ein Kostüm angezogen habe. Selbst wenn der Kläger tatsächlich Alkohol getrunken habe, stelle das Probieren von Alkohol ebenso wie das heimliche Rauchen von Zigaretten ein Verhalten dar, das generationenübergreifend zu beobachten sei.
Auch das Einstecken der zwei Eis sei unter die Rubrik „Schülerstreiche“ einzuordnen, es sei abwegig, diesen Vorgang als „eine schwere Straftat“ einzustufen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls in der Pubertät befand, für diese Phase sei ein Verhalten wie kleinere Diebstähle oder Lügen eine normale Phase der Sozialisation. Keiner der Vorfälle für sich allein, noch in ihrer Gesamtheit sei dazu geeignet gewesen, die Erfüllung der Aufgaben der Schule zu gefährden. Ein Verweis oder verschärfter Verweis wären wesentlich adäquatere Mittel gewesen, den Schüler zu maßregeln
Mit Schreiben vom ... Februar 2014 hat der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Schule sei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen; es stehe fest, dass der Kläger die zwei Eis-Packungen aus der Eis-Truhe der Schul-Cafeteria entwendet habe. Somit sei bereits die Verwirklichung der Aufgabe der Schule gefährdet gewesen, nämlich das Eigentum anderer zu schützen und den Schüler zum Leben im Einklang mit der Rechtsordnung zu erziehen. Dem Kläger habe deshalb vor Augen geführt werden müssen, dass dieses Verhalten nicht geduldet werden könne. Die erlassene Ordnungsmaßnahme sei auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere bestehe keine Bindung an die Reihenfolge der Ordnungsmaßnahmen in Art. 86 Abs. 2 BayEUG, außerdem habe der Kläger im besagten Schuljahr bereits dreimal mit Ordnungsmaßnahmen bedacht werden müssen. Die Mitglieder hätten ausweislich des Sitzungsprotokolls das Für und Wider und die Wahl der Ordnungsmaßnahme sorgfältig erwogen, dabei seien auch Umstände zugunsten des Klägers berücksichtigt worden. Sachfremde Erwägungen seien nicht in die Entscheidung eingeflossen.
In der mündlichen Verhandlung am
Seitens der Schule wurde hierzu erklärt, dass die Schulleiterin in mehreren mit dem Kläger geführten Gesprächen den Eindruck gewonnen habe, dass dieser unter der seinerzeitigen familiären Situation sehr gelitten habe, diesbezüglich habe sie ihm Vertraulichkeit zugesichert und dies auch respektiert. Im Gespräch mit den Eltern vom ... April 2013 habe sie sich das für die Anordnung von Sozialstunden erforderliche Einverständnis der Eltern vorab geben lassen. Der Disziplinarausschuss sei jedoch das für die Entscheidung, wie beim dritten schweren Fehlverhalten eines Schülers reagiert werden solle, allein zuständige Gremium. Grund für die Bitte an die Eltern, während der Befragung ihres Sohnes den Raum zu verlassen, sei gewesen, dass die Schulleiterin den Eindruck gewonnen habe, dass dieser etwas zu sagen habe, dies aber in Anwesenheit der Eltern nicht sagen wolle.
Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung im Übrigen wird auf die Niederschrift hierüber, wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die von der Schule vorgelegten Aktenvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 VwGO) zulässig.
Die streitgegenständliche Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung von der Schule hat sich nicht mit Eintritt des Klägers in die nächsthöhere Jahrgangsstufe erledigt. Die Ordnungsmaßnahme ist zum Schuljahreswechsel weder aufgehoben, noch aus dem Schülerbogen entfernt worden, sie würde lediglich - wie seitens der Schule mitgeteilt wurde - im Fall eines erneuten Fehlverhaltens nicht mehr zulasten des Klägers in eine etwa zu treffende Auswahlentscheidung einbezogen. Hieraus ergibt sich jedoch keine Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts, der von Anfang an keinen vollstreckbaren Inhalt hatte, sondern sich im Ausspruch der darin enthaltenen formellen Missbilligung des Verhaltens des Klägers erschöpft hat.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Ordnungsmaßnahme ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen - BayEUG - i. d. F. der Bek. vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414) und ist sowohl formell, als auch materiell fehlerfrei ergangen.
Es handelt sich bei dieser Auswahlentscheidung der Lehrerkonferenz bzw. des Disziplinarausschusses (Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG) um eine pädagogische Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist. Bei ihrer Entscheidung haben die Gerichte zu prüfen, ob die Schule die Verfahrensvorschriften eingehalten hat, ob sie ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und ob die pädagogische Bewertung der Schule angemessen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Für die Richtigkeit der Auswahl einer Ordnungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maße die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt würde, wie sie in Art. 131 BV, Art. 1, 2 BayEUG niedergelegt ist.
Die streitgegenständliche Ordnungsmaßnahme ist formell rechtmäßig ergangen.
Sie wurde vom Disziplinarausschuss der Schule getroffen, der gemäß Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG insoweit die Aufgaben der nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BayEUG zuständigen Lehrerkonferenz wahrnahm.
Die Teilnahme von insgesamt neun Lehrkräften an der Sitzung entspricht der Vorschrift des Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern vom 23. Januar 2007 (GVBl S. 68) - Gymnasialschulordnung/GSO. Nach Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG wird bei Schulen mit mehr als 25 mit mindestens der Hälfte der Unterrichtspflichtzeit beschäftigten Lehrkräften für die Dauer eines Schuljahres ein Disziplinarausschuss gebildet, dem gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 GSO die Schulleiterin oder der Schulleiter als Vorsitzende/r, deren ständige Vertretung sowie sieben weitere Mitglieder angehören, die von der Lehrerkonferenz gewählt werden. Der Disziplinarausschuss wird somit unabhängig von dem einzelnen Vorfall, über den er befinden soll, für die gesamte Dauer eines Schuljahres gebildet; es ist daher unerheblich, ob die Mitglieder des Disziplinarausschusses den betroffenen Schüler persönlich, insbesondere aus eigenem Unterricht in der Klasse, kennen. Dies wird in der Regel gerade nicht der Fall sein. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom ... April 2013 waren neben der Schulleiterin auch deren Vertretung sowie sieben weitere Lehrkräfte zugegen.
Die Eltern des Klägers haben die Aufforderung der Schulleiterin moniert, die Sitzung - vorübergehend - zu verlassen, damit ihr Sohn allein angehört werden könnte. Diese Aufforderung macht das streitgegenständliche Disziplinarverfahren jedoch nicht verfahrensfehlerhaft. Zum einen hat die Schulleiterin nicht darauf bestanden, dass die Eltern den Raum verlassen sollten, so dass der Kläger seine gesamten Aussagen im Beisein seiner Eltern gemacht hat. Zum anderen war diese Aufforderung der Schulleiterin zulässig gewesen, da nach der gesetzlichen Regelung die Personensorgeberechtigten keinen Anspruch darauf haben, bei einer Anhörung oder Befragung ihres Kindes anwesend zu sein. So reicht etwa vor Erlass eines Verweises oder eines verschärften Verweises die Anhörung des Schülers allein aus, ohne dass eine Anhörung der Eltern gesetzlich vorgesehen wäre.
Auf die Strafmündigkeit eines Schülers kommt es bei der disziplinarischen Würdigung nicht an, da es im Rahmen der von der Schule auszusprechenden Ordnungsmaßnahmen des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 BayEUG gerade nicht um die Sanktionierung eines schuldhaften Fehlverhaltens geht, sondern es sich um Erziehungsmaßnahmen handelt. Das Gesetz unterscheidet bei den Ordnungsmaßnahmen nicht nach bestimmten Jahrgangsstufen, in denen diese erst verhängt werden dürften; alle Ordnungsmaßnahmen können, bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen im Einzelfall, gegenüber Schülern aller Jahrgangsstufen, sogar bereits in der Grundschule, verhängt werden.
Sonstige formelle Fehler wurden weder von der Klägerseite geltend gemacht, noch sind sie ersichtlich. Das für den Erlass der Androhung der Entlassung vorgeschriebene Verfahren wurde eingehalten; die Eltern und der Schüler wurden auf die ihnen zustehenden Rechte vollständig hingewiesen.
Die getroffene Ordnungsmaßnahme ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden.
Ihrem Erlass stand nicht etwa eine von der Schulleiterin gegebene Zusicherung, keine Ordnungsmaßnahme aus dem Katalog des Art. 86 Abs. 2 Satz 1 BayEUG zu verhängen, entgegen. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - BayVwVfG - bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Diese ist hier unstreitig nicht eingehalten und auch nicht nachgeholt worden.
Die Schule hat mit der förmlichen disziplinarischen Behandlung des Falles, insbesondere seiner Behandlung im Disziplinarausschuss, auch nicht gegen eine gegenüber dem Schüler selbst gegebene Zusage, auf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu verzichten, verstoßen. Eine solche Zusage hat der Kläger selbst unstreitig nie erhalten, eingewandt wurde lediglich der Inhalt des Gesprächs, das zwischen der Schulleiterin und den Eltern des Klägers geführt worden war. Es bestand dann aber auch keine Notwendigkeit für eine etwaige Einbeziehung dieses Umstandes (der Nichteinhaltung einer von der Schule abgegebenen Zusage) in die Abwägungsentscheidung; eine solche Einbeziehung ist nur erforderlich, wenn die Schule mit der Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegen eine dem Schüler gegebene Zusicherung verstößt und der darin enthaltene Widerspruch gegenüber dem Schüler, von dem gerade die Einhaltung der vorgegebenen Regeln gefordert wird, pädagogisch „aufzulösen“ ist (vgl. VG München, U. v. 11.10.2011 - M 3 K 10.3990). Da derartige Umstände im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben waren, kommt es auf den genauen Inhalt des Gesprächs zwischen der Schulleiterin und den Eltern des Klägers nicht an, so dass eine weitere Aufklärung hierzu nicht erforderlich war.
Die Schule ist bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der der streitgegenständlichen Ordnungsmaßnahme zugrunde liegende Vorfall wird von der Klägerseite nicht in Abrede gestellt.
Die Schule durfte den Umstand, dass der streitgegenständlichen Ordnungsmaßnahme im selben Schuljahr bereits drei weitere Ordnungsmaßnahmen vorausgegangen waren, in ihre Auswahlentscheidung einbeziehen. Einer solchen Einbeziehung liegt im Rahmen der spezialpräventiven Bewertung des Vorfalls die zulässige Überlegung zugrunde, ein Schüler, der durch vorangegangene mildere Ordnungsmaßnahmen nicht zu einer Verhaltensänderung veranlasst werden konnte, werde sich durch eine vergleichbar milde Ordnungsmaßnahme bei dem nun zu beurteilenden, erneuten Fehlverhalten ebenfalls nicht beeindrucken lassen. Für die Zulässigkeit dieser Ermessensüberlegung reicht das Vorhandensein der in Bezug genommenen, vorangegangenen, milderen Ordnungsmaßnahmen aus. Diese vorangegangenen Ordnungsmaßnahmen sind gerade nicht Prüfungsgegenstand des durch das nachfolgende Fehlverhalten ausgelösten Disziplinarausschussverfahrens; die Schule ist daher nicht verpflichtet, bei der Ermessensausübung zur Auswahl der geeigneten Ordnungsmaßnahme Einwänden gegen vorangegangene Ordnungsmaßnahmen nachzugehen. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit oder Verhältnismäßigkeit vorangegangener Ordnungsmaßnahmen können mit einem unmittelbar gegen die vorangegangene Ordnungsmaßnahme eingelegten Rechtsbehelf gewürdigt werden. Im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens ist daher festzustellen, dass die Schule zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem streitgegenständlichen Vorfall bereits andere Ordnungsmaßnahmen vorangegangen waren.
Die Schule hat auch alle entscheidungsrelevanten Umstände in die Auswahl der zu treffenden Maßnahme einbezogen. Dies gilt auch für die von der Mutter im Widerspruchsverfahren vorgelegte ärztliche Stellungnahme über die auf die Teilnahme an der Disziplinarausschuss-Sitzung folgenden gesundheitlichen/psychischen Krankheitssymptome des Klägers. Die Lehrerkonferenz hat sich bei der Entscheidung über den Widerspruch ausführlich mit den einzelnen Aussagen dieses Attestes beschäftigt. Es ist jedoch nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Schule bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Klägers im Rahmen der spezialpräventiven Überlegungen nicht von den Angaben in der ärztlichen Stellungnahme ausgeht, bei denen zudem nicht erkennbar ist, ob sie auf Aussagen des Klägers, seiner Mutter oder auf eigenen Feststellungen des Arztes beruhen, sondern von den von Lehrkräften im schulischen Bereich gemachten Beobachtungen eines völlig unveränderten, sogar ungehemmten Verhaltens des Klägers. Im Übrigen hätte die Schule der ärztlicherseits getroffenen abschließenden Empfehlung einer konsequenten Therapie als Begleitung für die - nach dortiger Feststellung - bereits ausgelöste Krise nicht dadurch nachkommen können, dass sie die Ordnungsmaßnahme abgemildert hätte; am Verlauf der - nach ärztlicher Einschätzung - die Traumatisierung auslösenden Disziplinarausschuss-Sitzung selbst konnte die Schule im Nachhinein nichts mehr ändern.
Das Verhalten oder Äußerungen einzelner Mitglieder des Disziplinarausschusses anlässlich der Sitzung sind ebenfalls nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme. Das Gericht überprüft, ob „das Gremium“, hier also der Disziplinarausschuss, fehlerhafte, sachwidrige Überlegungen angestellt hat, es hat hierfür das Sitzungsprotokoll zur Verfügung. Eine einzelne Lehrkraft ist jedoch nicht „das Gremium“. Insoweit wäre lediglich eine aufsichtliche Überprüfung im Hinblick auf eine Dienstpflichtverletzung möglich.
Die Entscheidung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dass es sich bei den entwendeten beiden Magnum-Eis um Gegenstände von geringem Wert gehandelt hat, steht der disziplinarischen Ahndung nicht entgegen. In der Schule stehen naturgemäß kaum wertvolle Sachen zur Verfügung, die sich ein Schüler aneignen könnte, es wird primär um Schulmaterial oder eben um einzelne Süßigkeiten, Lebensmittel oder Getränke gehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Schule einen solchen Vorfall übergehen müsste; sie ist jedenfalls berechtigt, einem Schüler das Unrechtmäßige eines solchen Vorgehens vor Augen zu führen. Angesichts der wiederholten vorangegangenen Ordnungsmaßnahmen durfte die Schule mit der Androhung der Entlassung auch eine schärfere Ordnungsmaßnahme aussprechen. Den vorangegangenen Ordnungsmaßnahmen lag - ausweislich der jeweils zugrunde gelegten Feststellungen - keinesfalls ein zu vernachlässigender, untypischer Regelverstoß zugrunde. Wenn die Schule daher bei einem weiteren Regelverstoß mit der Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung reagiert, um auf den Schüler spürbar einwirken zu können, beinhaltet diese Ordnungsmaßnahme keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR festgesetzt (§ 52 Abs. Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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Annotations
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:
- 1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung, - 2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt, - 5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.
(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung
- 1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis, - 2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung, - 3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle, - 4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder - 5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften einer Person mit Befähigung zum Richteramt gleich:
- 1.
§ 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, - 2.
§ 78 Absatz 2 und § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung, - 3.
§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 4.
§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 5.
§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes, - 6.
§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 7.
§ 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, - 8.
§ 97 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Patentgesetzes, - 9.
§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Markengesetzes.