Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung.
Der Kläger stellte im Mai 2016 einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau von Mietwohnungen auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … Im nördlichen Bereich des Grundstücks befindet sich angrenzend an den nördlich gelegenen …weg eine Bestandsgarage. Im westlichen Bereich grenzen unmittelbar die Grundstücke FlNrn. … und … an. Im östlichen Bereich grenzen unmittelbar die Grundstücke FlNrn. … und … an. Im südlichen Bereich grenzt unmittelbar das Grundstück FlNr. … und an dieses wiederum südlich die …straße an.
Auf dem streitgegenständlichen sowie dem unmittelbar südlich angrenzenden Grundstück FlNr. … befindet sich ein genehmigtes, über die Grundstücksgrenze hinweg verlaufendes Bestandsgebäude. Die genannten Grundstücke liegen im Umgriff des Bebauungsplans „Ortsmitte - Teil …straße“ aus dem Jahr 1998. Dieser setzt als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO fest. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück ist als Maß der baulichen Nutzung eine Bebauung mit drei Vollgeschossen sowie eine höchstzulässige Geschossfläche von 1.330 Quadratmetern festgesetzt. Die textliche Festsetzung unter A.3.b) zur Geschossfläche lautet, soweit vorliegend relevant:
„Höchstzulässige Geschossfläche in Quadratmetern je Bauraum bzw. (bei mehreren Werten) je überbaubarer Fläche eines bestehenden Grundstücks“
In der Planzeichnung ist die durch das Bestandsgebäude verlaufende Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken FlNr. … und FlNr. … mit dem Planzeichen „aufzulassende Grundstücksgrenze“ versehen. Im Bereich des Grundstücks FlNr. … befindet sich keine eigene zeichnerische Festsetzung zur Zahl der Vollgeschosse und zur höchstzulässigen Geschossfläche.
Mit Beschluss des Bauausschusses vom 26. Juli 2016 verweigerte die Beigeladene die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens.
Mit Schreiben vom 29. November 2016, eingegangen bei Gericht am 1. Dezember 2016, erhob der Kläger Klage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.
Mit Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 10. Januar 2017 wurde der Bauantrag abgelehnt. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2017, eingegangen bei Gericht am 2. Februar 2017, bezog der Kläger den Ablehnungsbescheid vom 10. Januar 2017 in seine Klage ein.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts … vom 10.01.2017 zu verpflichten, dem Kläger eine Baugenehmigung gemäß Antrag aus dem Mai 2016 zu erteilen.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, es entspreche seit Jahrzehnten der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Grundstücksbegriff des Baugesetzbuchs sich mit dem grundbuchrechtlichen Begriff decke. Im Bebauungsplan aus dem Jahr 1998 sei die Baugrenze im Vergleich zum früheren Bebauungsplan so weit nach Norden verschoben worden, dass die Realisierung eines Anbaus ermöglicht worden sei. Das Grundstück FlNr. … sei weder mit einer eigenständigen Zahl der Geschosse noch mit einer zulässigen Geschossfläche versehen worden. Ursache dafür sei, dass der Bestand auf diesem Grundstück die Zahl der Geschosse und der zulässigen Geschossfläche weitgehend erschöpft habe, sodass sich der Ausweis einer höheren Geschossfläche erübrigt habe. Die Auffassung des Landratsamts und der Beigeladenen, dass sich die Festsetzung der Geschossflächenzahl und der Zahl der zulässigen Vollgeschosse auf das Grundstück FlNr. … und das Grundstück FlNr. … zusammen beziehe, sei unzutreffend. Schon dem Wortlaut der textlichen Festsetzung zur Geschossfläche unter A.3.b) („bestehendes Grundstück“) sei zu entnehmen, dass sich diese Festsetzungen immer nur allein auf das jeweilige Buchgrundstück bezögen. Auch dem unverbindlichen Hinweis „künftig aufzuhebende Grundstücksgrenze“ im Bebauungsplan könne nichts Gegenteiliges entnommen werden. Ebenso zeige bereits ein Blick auf die vergleichbare Situation der Flurnummern … und …, dass der Satzungsgeber nicht gemeint haben könne, die im vorliegenden Falle streitgegenständlichen Festsetzungen zur Geschossfläche und zur Zahl der Vollgeschosse bezögen sich auf die Flurnummern … und … insgesamt. Denn im Bebauungsplan sei die Grenze zwischen den Flurnummern … und … ebenfalls mit dem Planzeichen „künftig aufzuhebende Grundstücksgrenze“ gekennzeichnet, jedoch enthalte der Plan bei diesen beiden Grundstücken im grundbuchrechtlichen Sinne jeweils einzeln und für jedes Grundstück gesondert eine Festsetzung zur Geschossfläche sowie zur höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse. Die dem Bebauungsplan vom Landratsamt unterstellte Systematik gebe es also nicht. Mit „Grundstück“ sei das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinn gemeint. Aus dem Adjektiv „bestehenden“ ergebe sich, dass auf erst künftig zu bildende Grundstücke („aufzulassende Grundstücksgrenze“) nicht zurückgegriffen werden könne. Der systematische Vergleich der inhaltsähnlichen „Hinweise“ in den Bebauungsplänen von 1970 und 1998 bestätige, dass es dem Satzungsgeber in beiden Fällen entsprechend dem auch dort klar und deutlich ausgedrückten Wortlaut nur um die Konsolidierung der Grundstücksgrenzen und nicht um eine Definition des Grundstücksbegriffs und damit um eine Einwirkung auf die Festsetzung der Geschossfläche gegangen sei. Auch die deutliche Erweiterung der Baugrenze und damit die weitgehende Einbeziehung der FlNr. … in die bebaubare Grundstücksfläche spreche dafür, dass der Satzungsgeber nicht gleichzeitig das Baurecht durch die Halbierung der zulässigen Geschossfläche wieder habe entziehen wollen. Eine Ausnahme vom grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in extremen Ausnahmefällen möglich sei, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die Festsetzung unter A.3.b) zur Geschossfläche sei nichtig, da es an der notwendigen Rechtsgrundlage fehle. Der Rest der Bestimmungen zum Maß der baulichen Nutzung sowie der Rest des Bebauungsplans seien jedoch wirksam. Worauf sich die Geschossfläche beziehen könne, ergebe sich aus der Legaldefinition des § 20 Abs. 2 BauNVO, der auf § 19 Abs. 3 BauNVO verweise. Da diese Bestimmung als Bezugspunkt auf das Baugrundstück verweise, sei eine Bestimmung, die auf den nirgendwo legal definierten und in seiner Bedeutung völlig heterogen verstandenen Begriff „Bauraum“ verweise, zweifellos nichtig. Auch die aus Gründen der Rechtssicherheit abschließend aufgezählten Ausnahmen in § 16 Abs. 5 BauNVO lägen hier nicht vor. Das Landratsamt meine, der Rest der Bestimmung sei wirksam. Dies sei falsch. Von den 27 Bauräumen des Bebauungsplans seien 14 Bauräume mit nur einem einzigen Wert für die zulässige Geschossfläche versehen. Die anderen würden, je nach der Zahl der dort umfassten Baugrundstücke, zwei oder mehr „Werte“ der zulässigen Geschossfläche umfassen. Damit seien über 50% der Festsetzungen nichtig. Lese man die Bestimmung, so enthalte sie nicht zwei selbstständige Alternativen, wie das Landratsamt spekuliere, sondern einen einheitlichen Bezug auf den „Bauraum“, der einmal mit einem und das andere Mal mit zwei oder mehreren Werten versehen sei. Es stünden sich also nicht einmal der „Bauraum“ und das andere Mal das „bestehende Grundstück“ gegenüber, sondern der „Bauraum“ mit einem Wert und der Bauraum mit „mehreren Werten“. Durch das Wörtchen „bzw.“ werde zum Ausdruck gebracht, dass nur ein Unterfall des einheitlichen Tatbestandsmerkmals „Bauraum“ gemeint sei. Die Festsetzungen zur Geschossfläche seien insgesamt nichtig. Im Übrigen sei der Bebauungsplan, auch was die sonstigen Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung betreffe, wirksam. Alle sonstigen Zulässigkeitskriterien seien eingehalten. Auch wenn die Festsetzung zur Geschossfläche wirksam sei, sei diese eingehalten, da der geplante Anbau eine deutliche niedrigere Geschossfläche aufweise. Die Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken FlNr. … und … seien eingehalten. Beide betroffenen Grundstücksnachbarn hätten dem Vorhaben zugestimmt. Der „Verband Wohnen“ habe dem Kläger schon die Zustimmung gemäß Art. 6 Abs. 2 BayBO zur Abstandsflächenübernahme übermittelt. Auch seien die Abstandsflächen gegenüber den Bestandsgaragen auf dem …weg eingehalten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trat der Klage mit Schriftsatz vom 8. Mai 2017 entgegen und brachte im Wesentlichen vor, die Auffassung des Klägers, dass für das Grundstück FlNr. … keine Geschossfläche und keine Zahl der Vollgeschosse festgesetzt sei, werde nicht geteilt. Dies sei nicht die Absicht der Beigeladenen gewesen. Hinsichtlich der Grundstücke FlNr. … und … werde keine Vergleichbarkeit gesehen. Der Kläger übersehe, dass neben der Planzeichnung für die Aufhebung der Grundstücksgrenze noch ein Planzeichen für eine neue Grundstücksgrenze vorhanden sei. Aufgrund dessen sei die Aufnahme der Anzahl der Vollgeschosse und der Geschossfläche auf beiden angedachten Grundstücken logisch und nachvollziehbar. Die Gemeinde habe hier, im Gegensatz zur Grundstückssituation des Klägers, bei der sie von einem einzigen Grundstück ausgegangen sei, in städtebaulicher Hinsicht zwei Grundstücke gesehen. Dies bestätige nur noch mehr die Auffassung des Landratsamts, dass hier nicht pauschal von den Buchgrundstücken ausgegangen werden könne, sondern die Gemeinde aus nachvollziehbaren städtebaulichen Gründen Differenzierungen vorgenommen habe, um eben besondere Grundstückssituationen angemessen zu regeln. Die Geschossflächenfestsetzung beziehe sich insgesamt auf die von der Beigeladenen als Einheit angesehenen Grundstücke FlNr. … und … Aufgrund des geplanten Anbaus entstehe sowohl tatsächlich als auch rechtlich eine andere Situation hinsichtlich des Bestandsgebäudes, sodass die Abstandsflächenfrage neu aufgeworfen werde. Deshalb sei in den Eingabeplänen die Darstellung der Abstandsflächen für das Bestandsgebäude ebenfalls notwendig, u.a. um auch die Anwendung des 16 m-Privilegs prüfen zu können. Bereits jetzt sei erkennbar, dass im Bereich des zweigeschossigen Anbaus auf dem Grundstück FlNr. … wegen der genehmigten Wandhöhe von ca. 6,30 m weder die vollen noch die halben Wandhöhen als Abstandsfläche eingehalten werden könnten, da hier der Abstand zur Grundstücksgrenze des Grundstücks FlNr. … nur 3 m betrage. Eine Abweichung von den Abstandsflächen sei zum damaligen Zeitpunkt nicht erteilt worden. Auch im streitgegenständlichen Verfahren sei kein Antrag auf Abweichung gestellt worden. Zwar seien die Abstandsflächen hinsichtlich des Neubaus isoliert betrachtet auf der Ostseite wohl eingehalten. Dennoch sei auch auf dieser Seite das bestehende Gebäude und der Neubau aufgrund von Art. 6 Abs. 6 Satz 3 BayBO abstandsflächenrechtlich wie ein Gebäude zu behandeln. Da das Bestandsgebäude bereits über 16 m lang sei, müsse hier, zumindest für den Bereich des Bestands über 16 m Länge, die volle Wandhöhe eingehalten werden. Aufgrund der Bestandsgenehmigung aus dem Jahr 1965 werde von einer Wandhöhe von 10 m an der Ostseite ausgegangen. Der Abstand des Bestandsgebäudes vom Grundstück FlNr. … und … betrage nur 6 m. Die volle Wandhöhe könne deshalb als notwendige Abstandsfläche nicht eingehalten werden. Im Übrigen könne auch hier, durch die fehlende Darstellung der Abstandsflächen, für das Bestandsgebäude eine genauere Betrachtung nicht erfolgen.
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2018 nahm der Kläger erneut zum Verfahren Stellung und wiederholte und vertiefte sein bisheriges Vorbringen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat am 15. November 2018 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten, einschließlich Bauvorlagen und Bebauungsplan der Beigeladenen, Bezug genommen.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 10. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Hierunter fallen gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a) BayBO n.F. die Vereinbarkeit mit den §§ 29 bis 38 BauGB sowie insbesondere gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 b) BayBO n.F. die Vereinbarkeit mit den Regelungen über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO.
Ob das streitgegenständliche Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, kann offen bleiben. Zwar neigt die Kammer deutlich der Auffassung des Landratsamts zu, dass die Beigeladene im einschlägigen Bebauungsplan von 1998 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Festsetzung der höchstzulässigen Geschossfläche sowie der höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse für die Grundstücke FlNr. … und … insgesamt gelten soll, da es sich in den Augen der Beigeladenen hierbei um einen einheitlichen Bauraum handelt. Dies wird wohl durch das Planzeichen „aufzulassende Grundstücksgrenze“ hinreichend deutlich, insbesondere in der Zusammenschau mit den Grundstücken FlNr. … und …, die über je eine eigene Festsetzung zur Geschossflächenzahl und zur Zahl der Vollgeschosse verfügen, bei denen jedoch zusätzlich zum ebenfalls vorhandenen Planzeichen „aufzulassende Grundstücksgrenze“ sich noch das Planzeichen für eine neue Grundstücksgrenze findet. Aus all diesen Umständen dürfte gerade nicht der Schluss zu ziehen sein, dass die Gemeinde für jedes Buchgrundstück eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung habe treffen wollen und dies beim Grundstück FlNr. … lediglich vergessen oder in gleichheitswidriger Art und Weise unterlassen habe. Dass die genannten Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, abweichend vom grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff, im Falle des klägerischen Bestandsgebäudes für mehrere Grundstücke, nämlich die FlNrn. … und … gelten, dürfte jedenfalls wegen des sich auf diesen Grundstücken befindlichen, grundstücksübergreifenden Bestandsgebäudes auch von einem hinreichenden sachlichen Grund getragen sein. Insbesondere wenn man im Vergleichsfall der Grundstücke FlNrn. … und …, die addiert eine ähnliche Größe aufweisen wie die FlNrn. … und … in der Summe, die jeweils getrennt festgesetzte höchstzulässige Geschossfläche addiert, ergibt dies eine höchstzulässige Geschossfläche auf den Grundstücken FlNrn. … und … insgesamt, die nahezu identisch (Abweichung lediglich um 10 Quadratmeter) mit der auf den FlNr. … und … höchstzulässigen Geschossfläche von 1.330 Quadratmetern ist. All dies dürfte dafür sprechen, dass die von der Beigeladenen vorgenommene Differenzierung im Grunde zulässig ist.
Letztlich braucht dies aber nicht entschieden zu werden, da das Vorhaben bereits abstandsflächenrechtlich unzulässig ist. Die Abstandsflächen gehören im vorliegenden Fall zum Prüfprogramm. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 b) BayBO n.F. ist auf das streitgegenständliche Vorhaben anwendbar, da das Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und weiterer Rechtsvorschriften vom 10. Juli 2018 gemäß dessen § 6 am 1. September 2018 in Kraft getreten ist und hinsichtlich der Änderung des Prüfprogramms des Art. 59 BayBO keine Übergangsvorschriften enthält. Allerdings wäre der Abstandsflächenverstoß im vorliegenden Fall selbst dann beachtlich, wenn Art. 59 Satz 1 Nr. 1 b) BayBO a.F. angewandt werden würde. In diesem Fall hätte das Landratsamt nämlich von seiner Befugnis gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. BayBO Gebrauch gemacht, die Erteilung der Genehmigung wegen eines Verstoßes gegen nicht zum Prüfprogramm gehörende öffentlich-rechtliche Vorschriften zu versagen.
Zum einen ist es sehr zweifelhaft, ob die Abstandsflächen gegenüber der im nördlichen Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks gelegenen Bestandsgarage eingehalten sind. Diese ist deutlich länger als 9 m und ist daher nicht abstandsflächenrechtlich privilegiert i.S.d. Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO. In jedem Fall liegt jedoch ein Abstandsflächenverstoß auf der Ostseite des bestehenden Gebäudes und des Vorhabens vor. Bereits die östliche Außenwand des Bestandsgebäudes ist deutlich länger als 16 m. Selbst der Teil der Außenwand des Bestandsgebäudes, der allein auf dem Grundstück FlNr. … liegt, ist bereits knapp 10 m lang. Der im Bestand zu den östlichen Nachbargrundstücken eingehaltene Grenzabstand beträgt bei einer Wandhöhe von ca. 10 m gerade einmal ca. 6 m, ohne dass eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt worden ist. Wird eine bestehende Außenwand mit einer Länge von nicht mehr als 16 m durch den Anbau eines weiteren Gebäudes oder durch die Erweiterung des bestehenden Gebäudes verlängert, so ist, sofern eine neue einheitliche Außenwand entsteht, zu prüfen, ob die gesamte Außenwand den Anforderungen des Abstandsflächenrechts genügt. Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem Gebäude, an das angebaut wird, um Altbestand handelt. Voraussetzung für eine abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung von altem und neuem Wandteil ist jedoch, dass unter Berücksichtigung technischer und funktioneller Gesichtspunkte eine neu gestaltete, einheitliche Außenwand entsteht, die eine Gesamtbetrachtung erfordert. Entscheidend kommt es darauf an, dass sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte Altbestand und Verlängerung bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliche Außenwand darstellen (vgl. Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 131. EL Oktober 2018, Art. 6, Rn. 359 f.). Gemäß Art. 6 Abs. 6 Satz 3 BayBO sind aneinander gebaute Gebäude wie ein Gebäude zu behandeln. Dies gilt vor dem Hintergrund des Normzwecks des Art. 6 Abs. 6 Satz 3 BayBO gerade auch für den Fall, dass aneinander gebaute Gebäude auf verschiedenen Buchgrundstücken stehen, da andernfalls abstandsflächenrechtlich privilegierte Außenwände von mehr als 16 m Länge entstehen könnten (vgl. Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 131. EL Oktober 2018, Art. 6, Rn. 358).
Vorliegend würde, bei gebotener natürlicher Betrachtungsweise (vgl. zur ähnlichen Frage der Gebäudeseite VGH Großer Senat v. 21.4.1986, VGH n. F. 39, 9 = BayVBl. 1986, 397), durch die Realisierung des geplanten Anbaus auch eine einheitliche Außenwand (Bestandsgebäude einschließlich Anbau) entstehen. Entscheidend ist insoweit, dass die Gebäude von der Grundstücksgrenze aus gesehen direkt aneinander anschließen. Ein profilgleicher Anbau ist gerade nicht erforderlich. So kann trotz horizontaler oder vertikaler Rücksprünge die Wirkung einer einheitlichen Gebäudeseite ausgehen (vgl. Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 131. EL Oktober 2018, Art. 6, Rn. 353). So liegt der Fall hier. Von der östlichen Grundstücksgrenze aus gesehen, wird der Eindruck einer einheitlichen Gebäudeseite erweckt. Dass die östliche Außenwand des geplanten Anbaus gegenüber der östlichen Abschlusswand des Bestandsgebäudes um knapp 4 m zurückversetzt ist, ändert nach dem zuvor Gesagten nichts, insbesondere, da im südlichen Bereich der östlichen Abschlusswand des Bestandsgebäudes ebenfalls bereits ein Versatz um ca. 2 m vorhanden ist.
Nach all dem liegt ein Abstandsflächenverstoß auf der Ostseite bereits allein im Bereich des Bestandsgebäudes vor, da die Abstandsflächen erneut vollumfänglich zu prüfen sind und sie in diesem Bereich ohne erteilte Abweichung nicht eingehalten werden. Das 16 m-Privileg kann, wenn überhaupt, maximal für einen 16 m langen Abschnitt der bestehenden Abschlusswand in Anspruch genommen werden. Bereits der der Grundstücksgrenze am nächsten liegende Teil der Wand ist allerdings schon 25 m lang. Des Weiteren liegt ein Verstoß ebenfalls vor, wenn isoliert nur das Grundstück FlNr. … betrachtet wird. Die Wandlänge allein des Anbaus beträgt 12 m, die Wandlänge des Bestandsgebäudes beträgt auf diesem Grundstück in etwa 10 m. Die Bestandswand in diesem Bereich sowie die Außenwand des geplanten Anbaus sind nach dem zuvor Gesagten als einheitliche Außenwand anzusehen. Allein in diesem Bereich ergäbe sich mithin eine etwa 22 m lange Wand, die jedenfalls im Bereich des Bestands die erforderliche Abstandsflächentiefe von 1 H, mithin 10 m, gegenüber FlNr. … nicht einhalten könnte.
Einen Abweichungsantrag hat der Kläger nicht gestellt. Ebenso wenig ist eine Abstandsflächenübernahme seitens der Eigentümer eines der Nachbargrundstücke in den Akten enthalten. Zudem ist jedenfalls im Bereich des Grundstücks FlNr. … sehr zweifelhaft, ob eine Abstandsflächenübernahme einen Verstoß gegen Abstandsflächenrecht überhaupt beseitigen könnte. Die Möglichkeit der Abstandsflächenübernahme befreit nämlich vom Erfordernis des Art. 6 Abs. 2 BayBO, dass die Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück liegen müssen. Nicht allerdings befreit die Übernahme vom Überdeckungsverbot des Art. 6 Abs. 3 BayBO. Jedenfalls in dem Bereich, in dem bereits das Bestandsgebäude wegen einer Wandlänge von über 16 m als Abstandfläche 1 H einhalten muss, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Überdeckung mit den Abstandsflächen des Bestandsgebäudes auf FlNr. … vorliegt, was bei einer Wandhöhe dieses Gebäudes von mehr als 8,50 m der Fall wäre.
Auch geht der Einwand des Klägers fehl, dem Vorhaben könne das Abstandsflächenrecht nicht entgegengehalten werden, weil eine Verschlechterung der durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange nicht denkbar sei, weil der Anbau für sich allein genommen die Abstandsflächen einhalte und der genehmigte Bestand dem Kläger im Hinblick auf die Schutzzwecke nicht entgegengehalten werden könne. Durch das Vorhaben tritt nämlich eine weitere Verschlechterung zu Lasten der Nachbargrundstücke ein, da die Wand, die die Abstandsflächen schon nicht einhält, gerade nochmals erheblich verlängert wird und dadurch eine noch intensivere und massivere Situation im Hinblick die Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie des Wohnfriedens geschaffen wird. Die Erforderlichkeit der erneuten Prüfung der Abstandsflächen soll nämlich gerade in Fällen, bei denen im Bestand bereits eine Überschreitung vorliegt, beispielsweise weil dies nach früherem Recht der einzuhaltende Abstand war, verhindern, dass eine weitere Verschlechterung der nachbarlichen Situation eintritt.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3. Es entsprach der Billigkeit, der Beigeladenen die Tragung ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, da sie keinen Antrag gestellt und sich somit auch nicht dem Prozessrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.