Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid vom ... August 2014 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines der Beigeladenen erteilten Bescheides vom ... August 2014 zum Neubau einer Gewerbeimmobilie mit Wohnnutzung auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ...

Der Kläger ist Eigentümer der direkt benachbarten Grundstücke FlNr. ... und ... Gemarkung ..., die mit Wohnhäusern bebaut sind und nur über das ...gässchen (FlNr. ...) erschlossen sind.

Unter dem 02. Mai 2014 beantragte die Beigeladene den Neubau einer Gewerbeimmobilie mit Wohnnutzung im Dachgeschoss zur Vermietung an die Bundesagentur für Arbeit. Unter dem 06. Mai 2014 wurde ein Brandschutznachweis vorgelegt. Es wurde eine Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Bayerische Bauordnung - BayBO - (Fensterelemente G30 in äußerer Brandwand) beantragt. Das geplante Gebäude grenze südseitig an eine Gasse. Der Mindestabstand von 5 m zu den gegenüberliegenden Gebäuden könne nicht über die gesamte Gebäudelänge eingehalten werden. Die südliche Außenwand müsse in den Bereichen, die den 5-Meter-Abstand unterschreiten, als äußere Brandwand hochfeuerhemmend ausgebildet werden. In den betroffenen Abschnitten der südlichen Außenwand seien im Erd- und Obergeschoss Fenster geplant, die zur Belichtung und Belüftung der dahinter liegenden Räume erforderlich seien. Der Abstand zur gegenüberliegenden Bebauung betrage an der schmälsten Stelle 3,05 m. Die Fassaden der gegenüberliegenden Häuser seien ebenfalls im Erd- und Obergeschoss mit Fenstern versehen, die augenscheinlich nicht über eine definierte Feuerwiderstandsdauer verfügten. Die Gasse sei für keines der anliegenden Häuser ein zwingender Bestandteil des Flucht- und Rettungsweges, d. h., sie müsse im Brandfall nicht durchlaufen werden. Es werde als ausreichend betrachtet, die Fenster im Brandwandverlauf in Qualität G30 auszuführen. Es müsse sichergestellt sein, dass die Fenster im Brandfall geschlossen seien, d. h., sie müssten entweder mit einem Selbstschließer mit Motor plus Rauchwarnmelderauslösung gekoppelt sein oder fest verglast ausgeführt werden. Es wurde eine weitere Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO (Gauben in Brandwand) beantragt. Auf der Südseite seien zwei Gauben geplant, die sich innerhalb des 5-Meter-Bereiches befänden. Der Abstand zwischen Gaubenfenster und Fenster des gegenüberliegenden Gebäudes betrage ca. 4,30 m. Die Gauben lägen ca. 2,40 m höher als die Nachbarfenster. Die Gauben würden verblecht ausgeführt, so dass ein Brandüberschlag als hinreichend unwahrscheinlich betrachtet werde. Es sei vertretbar, die Gauben mit Fenstern ohne besondere brandschutztechnische Eigenschaften auszuführen.

Nach Erteilung des Einvernehmens wurde mit Genehmigungsbescheid des Beklagten (Landratsamt ...) vom ... August 2014 der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung für den Neubau einer Gewerbeimmobilie mit Wohnnutzung im Dachgeschoss erteilt. Von Art. 28 Abs. 2 Ziff. 1 BayBO wurde eine Abweichung hinsichtlich der Unterschreitung des Mindestabstandes von 5 m zu den gegenüberliegenden Gebäuden der FlNrn. ... und ... zugelassen, wenn Brandschutzfenster mit einer Feuerwiderstandskraft G30 eingebaut würden. Von Art. 28 Absatz 2 Ziff. 1 BayBO wurde weiterhin eine Abweichung hinsichtlich der Errichtung von zwei Gauben, die sich innerhalb des 5-Meter-Bereiches zu den Nachbargebäuden befinden, erteilt, wenn diese als Brandschutzfenster mit einer Feuerwiderstandskraft G30 eingebaut würden. Begründet wurde die Abweichung vom Brandschutz damit, dass die notwendige Atypik für die Erteilung der Abweichungen durch die Situierungen der Gebäude in der Altstadt vorgegeben sei. Gerade im eng umbauten historischen Altstadtbereich könnten aufgrund der vorgegebenen bzw. bereits bestehenden Gebäude die Anforderungen hinsichtlich des passiven Brandschutzes nur mit hohem Aufwand erreicht werden. Die Normziele könnten in der Regel nur mit angemessenen Kompensationsmaßnahmen erreicht werden, so auch hier. Die genannten Abweichungen seien unter Würdigung der Schutzzwecke der Vorschriften, von denen abgewichen werde, mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Die Abweichungen hinsichtlich des Brandschutzes hätten erteilt werden können, da die genannten Kompensationsmaßnahmen, die im Brandschutzkonzept vom 06. Mai 2014 dargelegt seien, in der Bauausführung erbracht werden müssten. Die Seiten 27 und 29 des Brandschutzkonzeptes seien Bestandteil des Bescheides. Die beantragte Abweichung Nr. 1 werde erteilt, wenn im Brandwandverlauf (hochfeuerhemmend), wo die 5 m zum Nachbargebäude unterschritten würden, die Fenster, wie in den Grundrissen dargestellt, mit bauaufsichtlich zugelassenen Brandschutzdrehfenstern in der Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut würden. Die beantragte Abweichung Nr. 2 werde erteilt, wenn die Fenster der beiden Gauben mit den bauaufsichtlich zugelassenen Brandschutzfenstern in der Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut würden. Zur Abstandsflächensituation wurde begründet, das Grundstück FlNr. ... liege innerhalb des historischen Altstadtkerns und sei dem Bauquartier zwischen (...straße, ...straße bzw. ..., ...straße und ...straße) zuzuordnen. Die ...straße mit dem sog. ...gässchen bilde die Grenze zum südlich angrenzenden rechtsverbindlichen Bebauungsplan „...-Mitte“. Dieser Bebauungsplan sei für die Beurteilung der vorhandenen Bebauung nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) mitprägend. Das geplante Gebäude solle nach Abbruch von zwei vorhandenen Gebäuden bis auf einen kleinen Teilbereich im südwestlichen Bereich unmittelbar an der südlichen Grundstücksgrenze errichtet werden. Es handle sich um eine zweigeschossige Bebauung, wobei der mittlere Teil dreigeschossig, um 4 m zurückgesetzt, ausgeführt werde. Die vorhandene Bebauung im o.g. Bauquartier weise wiederkehrend auch an den seitlichen Grundstücksgrenzen zwei- bis teilweise dreigeschossige Hauptgebäude auf, die ohne Abstandsflächen errichtet worden seien. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Dieser Vorrang des Städtebaurechtes gelte nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen, sondern auch für eine tatsächlich vorhandene Bauweise im nicht überplanten Innenbereich. Die Errichtung des geplanten Gebäudes an der südlichen Grundstücksgrenze sei nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ohne Abstandsflächen bauplanungsrechtlich zulässig, weil es sich an dem vorgesehenen Standort nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Das für die Entscheidung ausgewählte Bauquartier entspreche dem Bereich, auf dem sich das geplante Bauvorhaben auswirken werde und von dem aus die vorhandene Bebauung des Grundstückes präge. Der südlich an das Bauvorhaben angrenzende Nachbar habe sein östlich vorhandenes Wohnhaus unmittelbar an der nördlichen Grundstücksgrenze errichtet. Dieses Grundstück liege innerhalb des rechtsgültigen Bebauungsplanes „...-Mitte“, der für dieses Grundstück auf der Nord-, Süd- und Ostseite zwingend eine Grenzbebauung (Baulinie) festsetze. Gleiches gelte für das auf den beiden genannten Grundstücken im Westen vorhandene Hauptgebäude, ...straße 22. Das Vorhaben verletze auch nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben habe auf das südliche Nachbaranwesen keine unzumutbaren Auswirkungen. Durch die geplante Traufhöhe von 7,10 m sowie das angrenzende ...gässchen sei eine ausreichende Belichtung und Belüftung für das Nachbaranwesen gewährleistet. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich das Bauvorhaben im dicht besiedelten innerstädtischen Bereich befinde.

Im genehmigten Grundrissplan, Erdgeschoss mit Außenanlagen, ist gegenüber der klägerischen Garage eingezeichnet „keine Brandwandanforderung, Gebäudeabstand größer 5 m.“

Am 17. September 2014 ließ der Kläger Klage erheben und mit weiterem Schriftsatz vom 12. Februar 2015 beantragen,

den Bescheid vom ... August 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, im Bereich gegenüber des auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung ... befindlichen Garagengebäudes gehe die Baugenehmigung ausweislich des Planbeschriebes „keine Brandwandanforderung, Gebäudeabstand größer als 5 m“ offenbar davon aus, dass in dem durch gestrichelte Linie gekennzeichneten Bereich der südlichen Außenwand keine Ausbildung der Außenwand als Brandwand und damit auch keine Abweichung von Art. 28 BayBO erforderlich sei. Damit könne in diesem Bereich auf der Grundlage der streitgegenständlichen Baugenehmigung eine von den Anforderungen des Art. 28 BayBO abweichende Bauausführung erfolgen, insbesondere hinsichtlich der Qualität der dort vorgesehenen Fenster. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO stelle hinsichtlich des festgelegten Mindestabstandes von 5 m nicht nur auf bestehende Gebäude, sondern gerade auch auf nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige künftige Gebäude ab. Betrachte man die Festsetzung des hier für das Grundstück FlNr. ... maßgeblichen Bebauungsplanes, stelle man fest, dass die im Bereich des vorhandenen Garagengebäudes festgesetzte Baulinie deutlich weiter nördlich als das Garagengebäude und damit näher zur südlichen Außenwand des geplanten Baukörpers verlaufe. Entgegen der streitgegenständlichen Baugenehmigung sei damit eine Brandwand auch in demjenigen Bereich der südlichen Außenwand des geplanten Bauvorhabens erforderlich, die dem derzeitigen Garagengebäude gegenüber liege. Damit verstoße die Baugenehmigung gegen Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO, worauf sich der Kläger als betroffener Nachbar auch berufen könne. Auch die erteilten Abweichungen stellten sich als rechtsfehlerhaft dar. Da die Abweichungen die drittschützende Vorgabe des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO beträfen, könne sich der Kläger auch darauf berufen. Eine notwendige Atypik möge danach hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Vorgaben durchaus vorliegen für Maßnahmen an einem in geringer Entfernung zu Nachbargebäuden situierten Bestandsgebäude, bei dem sich die Herstellung eines den Vorgaben der BayBO entsprechenden Bestandschutzes tatsächlich mitunter als schwierig darstellen könne. Vorliegend handele es sich aber gerade um einen Neubau, bei dem keinerlei Probleme ersichtlich seien, durch eine geeignete Situierung und eine entsprechende bauliche Ausgestaltung des Baukörpers einen adäquaten Brandschutz zu gewährleisten. Es sei nicht ersichtlich, weshalb in Ansehung der Nähe zu den antragstellerseitigen Gebäuden keine Ausgestaltung der südlichen Außenwand des geplanten Baukörpers als Brandwand im Sinne von Art. 28 BayBO verlangt werden könnte. Die Abweichung sei ermessensfehlerhaft erteilt. Die Vorgaben des Art. 28 BayBO dienten dem Schutz des jeweils betroffenen Nachbarn vor Ausbreitung von Feuer und Rauch. Die angeordnete Feuerwiderstandsklasse der Fenster in G30 biete keinerlei Schutz gegen Hitze, so dass in Ansehung der Ausbreitung von Feuer wegen der geringen Gebäudeabstände ein adäquater Schutz für die klägerseitigen Gebäude nicht gewährleistet sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Fluchtwegesituation der klägerischen Gebäude ausschließlich über das ...gässchen erfolge, so dass auch dem Hitzeschutz gesteigerte Bedeutung beizumessen sei. In Ermangelung entsprechender Auflagen sei auch nicht gewährleistet, dass die Fenster im Brandfall geschlossen seien. Der Brandschutznachweis führe aus, dass das ...gässchen im Hinblick auf die Fluchtwegesituation für die klägerseitigen Gebäude keinerlei Bedeutung habe. Dies sei unrichtig. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei nicht anwendbar. Eine Abweichung von den Abstandsflächenvorgaben sei nicht erteilt worden. Eine Abweichung sei auch nicht erteilbar, insoweit sei zu berücksichtigen, dass der hier 33 m lange und mit einer enormen Höhenentwicklung ausgestattete Baukörper für die klägerseitigen Grundstücke eine riegelartige Wirkung entfalte. Der abstandsflächenrechtlich geschützte Belang des Sozialfriedens werde durch die zahlreichen in Richtung des klägerischen Grundstückes gerichteten Fenster sowie die im Dachgeschossbereich vorgesehene Dachterrasse in einer für den Kläger unzumutbaren Weise berührt. Jedenfalls verstoße das streitgegenständliche Vorhaben gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Wegen der eröffneten Einblicksmöglichkeiten auf die klägerseitigen Gebäude sei der Baukörper unzumutbar.

Mit Schriftsatz vom 13. April 2015 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Bebauung bis an die öffentlichen Verkehrsflächen hin sei im Altstadtbereich von ... stadtbildprägend. Darin sei die für die Erteilung der Abweichungen erforderliche Atypik zu erkennen. Der behauptete Ermessensfehler hinsichtlich des Brandschutzkonzeptes bestehe nicht, da der Hitzeschutz nicht erforderlich sei, um funktionierende Rettungswege zu erhalten. Die funktionierenden zweiten Rettungswege hinaus zur ...straße und ...straße würden nicht beeinträchtigt. Die Baugenehmigung lasse sich bezüglich der Abstandsflächen auch auf Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO stützen, welcher zulasse, dass sich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung ergeben könnten. Im Altstadtbereich der Stadt ... werde fast kein Gebäude zu finden sein, das die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO einhalte.

Mit weiterem Schriftsatz vom 20. Oktober 2015 legte der Bevollmächtigte des Klägers eine Stellungnahme eines geprüften Sachverständigen und Fachplaners für vorbeugenden Brandschutz zum Brandschutznachweis der Beigeladenen vor. Die Abweichungen widersprächen Art. 28 Abs. 8 BayBO, wonach Öffnungen in Brandwänden unzulässig seien. Erleichterungen seien nur bei inneren Brandwänden vorgesehen und die auch nur im begrenzten Umfang. Das neue geplante grenzständige Gebäude liege incl. Dachanteil näher als 5 m zum bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäude der Nachbarbebauung und sei daher mit einer Gebäudeabschlusswand im Sinne von Art. 28 Abs. 3 BayBO auszuführen. Darüber hinaus dürften brennbare Teile des Daches nicht hinweggeführt werden. Dies gelte auch für das Dachtragwerk in diesem Bereich. Dachöffnungen in diesem Dachbereich (Dachgauben) seien nicht zulässig, da die abknickende Gebäudeabschlusswand öffnungslos sein müsse. Die Gebäudeabschlusswand sei auch schon deshalb uneingeschränkt erforderlich, da die ersten Rettungswege der nachbarlichen Bebauung sowie der zweite Rettungsweg des neuen Gebäudes über die ...gasse führten. Zudem stellten die Abweichungen nicht klar, ob es sich um geforderte Festverglasung oder öffenbare Dreh-Kipp-Fenster handele. Ebenso fehle ein Hinweis, dass diese Fenster im Brandfall selbstschließend sein müssten. Darüber hinaus widerspräche die geforderte Feuerwiderstandsklasse G30 den Anforderungen von Art. 28 Abs. 3 BayBO.

Das Gericht erhob am 22. Oktober 2015 Beweis über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem Vorhabensgrundstück sowie in dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

In der anschließenden mündlichen Verhandlung stellte der Bevollmächtigte des Klägers den Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 12. Februar 2015.

Der Beklagtenvertreter beantragte Klageabweisung.

Die Beigeladene stellte keinen Antrag.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger wird durch den vom Beklagten gegenüber der Beigeladenen erteilten Bescheid vom ... August 2014 in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Erforderlich für den Erfolg der Klage ist nicht nur, dass der Bescheid vom ... August 2014 rechtswidrig ist, sondern dass darüber hinaus der Kläger durch die Rechtswidrigkeit auch in seinen, d. h. in nachbarschützenden Rechten verletzt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 113, Rn. 26).

Ein Verstoß gegen Vorschriften des Brandschutzes zulasten des Klägers liegt hier vor.

Die Vorschriften des Brandschutzes sind nach Art. 12 BayBO zu beachten. Eine Verletzung dieses Gebotes würde den Kläger aber nur insoweit in seinen Rechten verletzen, als etwaige Brandgefahren die in seinem Eigentum stehenden namentlich dem Baugrundstück benachbarte Grundstücke betreffen. Öffentlich-rechtliche Vorschriften über den Brandschutz sind damit nur insoweit nachbarschützend als sie darauf abzielen, das Übergreifen von Bränden auf Nachbargrundstücke oder deren sonstige brandbedingte Beeinträchtigung zu verhindern (VG Augsburg, U. v. 03.07.2013, Az.: Au 4 K 13.193).

Hier wurde im Bescheid vom ... August 2014 von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO eine Abweichung nach Art. 63 BayBO hinsichtlich der Unterschreitung des Mindestabstandes von 5 m zu gegenüberliegenden Gebäuden der FlNr. ... und ..., Gemarkung ..., zugelassen, wenn Brandschutzfenster der Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut werden. Zudem wurde eine Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO zugelassen hinsichtlich der Errichtung von zwei Gauben, die sich innerhalb des 5-Meter-Bereiches zu den Nachbargebäuden befinden, wenn in diese Brandschutzfenster der Feuerwiderstandsklasse G30 eingebaut werden.

Begründet wurde die Abweichung damit, dass wegen der Situierung der Gebäude in der Altstadt die Brandschutzanforderungen nur mit hohem Aufwand erreicht werden könnten. Die Normziele könnten in der Regel nur mit angemessenen Kompensationsmaßnahmen erreicht werden. Die Abweichungen könnten wegen der im Brandschutzkonzept genannten Kompensationsmaßnahmen erteilt werden. Dies sei dann der Fall, wenn Fenster mit G30 eingebaut würden.

Unabhängig davon, dass entgegen den Ausführungen des Brandschutzkonzepts auf S. 27 keine selbstschließenden Fenster bzw. Festverglasung gefordert wurde, stützt sich der Bescheid auf die falsche Rechtsgrundlage.

Der vom Beklagten angewandte Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO regelt lediglich, wann Brandwände erforderlich sind.

Hier sind - wie der Vertreter des Klägers zu Recht vorträgt - nicht nur in dem Bereich, wo tatsächlich auf dem klägerischen Grundstück Gebäude mit einem geringeren Abstand als 5 m zum Vorhaben stehen, Brandwände erforderlich. Vielmehr gilt dies auch für den Teil des klägerischen Grundstückes, wo der Kläger aufgrund der Baulinie des Bebauungsplanes „...-Mitte“ an die Grundstücksgrenze bauen dürfte oder müsste, da Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 letzter Halbsatz BayBO auch Brandwände in dem Bereich vorschreibt, in dem das Vorhaben keinen Abstand von 5 m zu nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden einhält.

Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO hingegen wurde vom Beklagten übersehen, danach sind Öffnungen in Brandwänden unzulässig. Lediglich für innere Brandwände sind nach Art. 28 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 9 BayBO Ausnahmen vorgesehen.

Art. 28 BayBO ist drittschützend, weil durch Brandwände die Brandausbreitung auf andere Gebäude verhindert wird und damit auch die Nachbarn geschützt werden sollen (vgl. Simon/Busse, Kommentar zur BayBO, Art. 28, Rn. 21 und Rd. 57).

Der Beklagte hätte sich daher innerhalb seiner Ermessensentscheidung damit auseinander setzen müssen, weswegen er eine Abweichung von Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO erteilen kann. Dies ist nicht erfolgt.

Zudem dürfte eine Abweichung, die lediglich Fenster der Feuerwiderstandsklasse G30 vorschreibt, keinesfalls zulässig sein, da schon Verglasungen der Feuerwiderstandsklasse G90 in Brandwänden nicht ausreichend sein dürften, weil ein sog. „Durchzünden“ des Brandes nicht ausgeschlossen werden kann (so auch: Simon/Busse, Kommentar zur BayBO, Art. 28, Rn. 127 und 144).

Auch die genehmigte Abweichung von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO hinsichtlich der Dachgauben stützt sich auf die falsche Rechtsgrundlage.

Anzuwenden wäre hier vielmehr Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayBO, wonach Dachgauben von Brandwänden mindestens 1,25 m entfernt sein müssten, was hier - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingestanden hat - nicht der Fall sein dürfte.

Nach Art. 30 Abs. 5 Satz 1 BayBO dient diese Regelung auch dem Nachbarschutz, nämlich dazu, dass Feuer nicht auf Nachbargrundstücke übertragen werden kann.

Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat der Beklagte auch nicht berücksichtigt, dass die klägerischen Hauseingänge nur über das ...gässchen erschlossen werden, die Fensteröffnungen des klägerischen Anwesens wohl keinen speziellen Brandschutz aufweisen und die westliche Giebelseite des Gebäudes, ...straße 23 a, eine Holzverkleidung aufweist.

Die erteilten Abweichungen verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Es kommt hier nur die Gesamtaufhebung der Baugenehmigung in Betracht, da der Kläger nicht nur durch einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Vorhabens verletzt wird (so auch VG München, B. v. 05.07.2007, Az.: M 1 SN 07.2163).

Ergänzend wird angemerkt, dass das Gericht Zweifel hat, ob die im Obergeschoss vorgesehenen Dachgauben und die Dachterrasse zulässig sind, da sie im Obergeschoss erstmalig dauerhaft Einblicksmöglichkeiten in den Gartenbereich und die Fenster des Klägers ermöglichen (vgl. VGH, U. v. 03.12.2014, Az.: 1 B 14.819).

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. dem Streitwertkatalog).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Einbau einer Wohnung in ein Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen FlNr. .../...der Gemarkung G.

Das Landratsamt D.erteilte dem damaligen Eigentümer dieses Grundstücks nach vorhergehender Baueinstellung mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit einer Gebäudelänge von ca. 33 m und einer Gebäudebreite von ca. 11 m. Im Erdgeschoss des Gebäudes umfasst sie ein Lager für Baugerüste und Baumaterial sowie für Garagen; eine gesonderte Festlegung zur Nutzung des Dachgeschosses ist den Plänen nicht zu entnehmen‚ allerdings sind die in der Eingabeplanung enthaltenen und tatsächlich auch eingebauten Dachfenster mit dem Vermerk „keine Dachfenster“ gestrichen. Der Abstand der westlichen Außenwand des Nebengebäudes zur Grenze des Grundstücks der Klägerin auf FlNr. .../... der Gemarkung G. beträgt ca. 0‚5 m. Bereits während der Bauarbeiten und vor Erteilung der Genehmigung war im nördlichen Teil auf einer Tiefe (von Norden her gemessen) von 8‚90 m eine Wohnung eingebaut worden. Ein hierfür eingereichter Bauantrag vom 27. Oktober 1964 wurde nicht verbeschieden; die Bauakte ist mit dem Vermerk „Ablehnung“ versehen.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 genehmigte das Landratsamt D. unter Erteilung einer Abweichung für das Unterschreiten der Abstandsflächen um 2‚50 m zur Grundstückgrenze der Klägerin die Nutzungsänderung für den Einbau einer Wohnung im nördlichen Teil des Dachgeschosses.

Die hiergegen erhobene Klage‚ die u. a. auch auf die mit der Erteilung der Baugenehmigung erstmals geschaffenen Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Klägerin sowie Brandschutzaspekten begründet wurde‚ wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. September 2012 ab. Es liege ein atypischer Fall vor‚ da es sich bei dem Nebengebäude um ein bestandsgeschütztes Gebäude handle; der Einbau von Dachfenstern habe den Bestandsschutz nicht in Frage gestellt‚ da es sich dabei nicht um eine abweichende Bauausführung handle‚ welche die Identität des gesamten Gebäudes in Frage stelle. Brandschutzrechtliche Vorschriften seien im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Im Übrigen werde der Belang des Brandschutzes durch die Nutzungsänderung nicht weitergehend beeinträchtigt als durch die bestehende bestandsgeschützte Nutzung. Zu berücksichtigen sei weiterhin‚ dass das Dachgeschoss bereits seit Jahrzehnten faktisch zu Wohnzwecken genutzt werde. Die Einsichtsmöglichkeiten aus den drei Dachflächenfenstern seien gering und beträfen vorrangig die nördliche Grünfläche des Grundstücks der Klägerin‚ so dass jedenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung vorliege.

Mit der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:

Es liege bereits kein atypischer Fall vor‚ weil das Nebengebäude planabweichend errichtet sowie von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt und damit nicht bestandsgeschützt sei. Es habe sich von Anfang an jedenfalls hinsichtlich seiner Nutzung als ein „aliud“ gegenüber der Baugenehmigung dargestellt. Bei der Nutzung des Dachgeschosses handle sich insgesamt um eine vollständig neue Nutzung‚ da mit der genannten Baugenehmigung nicht einmal eine Lagernutzung genehmigt sei. Brandschutzrechtliche Fragen seien vom Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften mit umfasst‚ so dass sie auch im vereinfachten Verfahren und damit im Rahmen der Abweichungsentscheidung zu den Abstandsflächenvorschriften zu prüfen seien. Nicht hinreichend berücksichtigt habe der Beklagte den von diesen Vorschriften intendierten ausreichenden Sozialabstand zum Grundstück der Klägerin und die damit verbundenen Einblickmöglichkeiten. Durch die Genehmigung der Wohnnutzung würden solche zwar nicht auf das Wohngebäude der Klägerin‚ jedoch auf den ebenfalls schutzbedürftigen‚ wohnakzessorischen Bereich im Garten geschaffen.

Die Klägerin beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und den Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem vorhandenen Bestandsgebäude handle es sich entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern um das Betriebsgebäude einer Baufirma. Der Nachbarschutz des Abstandsflächenrechts sei bei bestehenden Gebäuden‚ die die Abstandsflächen nicht einhielten‚ eingeschränkt. Von der beabsichtigten Wohnnutzung sei lediglich der rückwärtige‚ im Norden gelegene Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin betroffen‚ der bereits dem Außenbereich angehören dürfte. Hinzu komme‚ dass die streitgegenständliche Wohnnutzung im Dachgeschoss seit Jahrzehnten ausgeübt werde. Ihre Legalisierung lasse keine nachhaltigen Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin erwarten.

Der Senat hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt‚ auf deren Feststellungen Bezug genommen wird. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet‚ da das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Aus diesem Grund sind das Urteil des Verwaltungsgerichts und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO) im Hinblick auf die nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfreie und damit nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des Nebengebäudes zu Wohnzwecken liegen nicht vor. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen‚ wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar sind. Die erteilte Abweichung ist mit dem Normzweck des Abstandsflächenrechts, das auch den sog. Wohnfrieden schützt, nicht vereinbar. Sie ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt wird‚ die dann im Wege der Abweichung zugelassen werden kann‚ haben Abweichungen von den Regeln des Abstandsflächenrechts zur Folge‚ dass dessen Ziele oft nur unvollkommen verwirklicht werden. Es müssen also Gründe vorliegen‚ durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an den Schutzgütern des Abstandsflächenrechts im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische‚ von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (z. B. BayVGH‚ B.v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris; U.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; OVG Berlin-Brandenburg‚ B.v. 19.12.2012 - OVG 2 S 44.12 - NVwZ-RR 2013‚ 400; OVG Bremen‚ B.v. 8.4.2013 - 1 B 303/12 - NVwZ 2013‚ 1027; kritisch zur Atypik neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt‚ einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben (zusammenfassend z. B. BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858 m. w. N.). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers‚ vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren‚ eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (zusammenfassend BayVGH a. a. O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall eine atypische Grundstückssituation bereits deshalb bejaht werden‚ da ein zu einer Nebennutzung genehmigtes Gebäude mit noch nutzbarer‚ einen wirtschaftlichen Wert darstellender Bausubstanz vorhanden und in dieser Nutzung bestandsgeschützt ist‚ da es zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 6. Dezember 1961 nach der damals geltenden Bayerischen Bauordnung 1901 eine Abstandsfläche nicht einhalten musste und eine Abweichung deshalb nicht erforderlich war. Dabei ist nicht entscheidungserheblich‚ ob es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern - wie der Beklagte meint - um das Betriebsgebäude einer Baufirma handelte. Gleiches gilt für die Tatsache‚ dass der frühere Bauherr im Widerspruch zu den Festsetzungen der Baugenehmigung in das Gebäude Dachfenster eingebaut hat.

2. Eine atypische Fallgestaltung ist zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist der Zweck der jeweiligen Anforderung‚ in diesem Fall des Abstandsflächenrechts‚ zu berücksichtigen. Insofern entspricht es gesicherter Auffassung‚ dass der Zweck des Abstandsflächenrechts darin besteht‚ eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für notwendige Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern (z. B. BayVGH‚ U.v. 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224 - BayVBl 1986‚ 143; U.v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - VGHE n. F. 48‚ 24). Dies kann bereits unmittelbar den gesetzlichen Vorschriften des Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2‚ Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO entnommen werden. Der Senat ist allerdings der Auffassung‚ dass darüber hinaus auch der sog. Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen ist. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft. Zwar besteht nach herrschender Meinung Einigkeit‚ dass -ungeachtet eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall - der Wohnfrieden insbesondere bei Einblickmöglichkeiten in Nachbargrundstücke planungsrechtlich grundsätzlich nicht geschützt ist (BVerwG‚ B.v. 24.4.1989 - 4 B 72.89 - NVwZ 1989‚ 1060; BayVGH‚ B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris); denn das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart‚ des Nutzungsmaßes‚ der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen (BVerwG a. a. O.). Demgegenüber sollen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch dem Interesse dienen‚ unmittelbare Einblicke zu begrenzen (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.7.2010 - 15 CS 10.1151 - juris Rn. 19; U.v. 8.5.2008 - 14 B 06.2813 - juris; eindeutig ablehnend wohl nur VGH BW‚ B.v. 18.3.2014 - 8 S 2628/13 - NVwZ-RR 2014‚ 545‚ allerdings zur Rechtslage in Baden-Württemberg). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen‚ dass die amtliche Begründung zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung im Jahr 1997 (s. LT-Drs. 13/7008 S. 29 f.) als Regelungszweck noch ein „Mindestmaß an Belichtung‚ Belüftung‚ Besonnung und Sozialabstand“ genannt hatte‚ während dieser Begriff in der amtlichen Begründung zur BayBO-Novelle im Jahr 2007 (s. LT-Drs. 15/7161 S. 43, 73) nicht mehr ausdrücklich enthalten ist. Daraus lässt sich nicht zwingend herleiten‚ dass der Wohnfrieden nun nicht mehr gesetzlich geschützt werden soll. Eher in das Gegenteil weisen die Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 Nr. 2 BayBO und des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO. Nach ersterer Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 ausnahmsweise nur dann überdecken‚ wenn es sich um Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof handelt. Aus Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO folgt‚ dass grundsätzlich nur Gebäude ohne Aufenthaltsräume unter den dort bestimmten engen Voraussetzungen in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. Aus den Vorschriften lässt sich demnach der Grundsatz herleiten‚ dass die Abstandsflächenvorschriften auch dem Schutz des Wohnfriedens dienen (vgl. zum - zivilrechtlichen - Schutzzweck des Art. 43 AGBGB der Wahrung des Wohnfriedens auch BayVerfGH‚ E.v. 14.12.2011 - Vf.108-VI-10 - BayVBl 2012‚ 332; kritisch neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65) und dass nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen in aller Regel nicht zulässig sind (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht).

3. Eine Abweichung für Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen kann daher nur zugelassen werden, wenn im Einzelfall die vom Abstandsflächenrecht geschützten Zwecke nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden und wenn die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar ist. Daraus folgt‚ dass es bei der Zulassung einer Nutzungsänderung unter (erheblicher) Abweichung von den Abstandsflächen - wie hier - maßgeblich sowohl auf die künftige Art der Nutzung als auch auf den Umfang der Abweichung ankommt. Das Interesse des Bauherrn‚ eine bessere wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes‚ insbesondere eine Wohnnutzung‚ herbeizuführen‚ reicht demgegenüber für die Erteilung einer Abweichung grundsätzlich nicht aus.

Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes:

Auf die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückte Frage‚ dass es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude - entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung - nicht um ein Nebengebäude‚ sondern um das ehemalige Betriebsgebäude einer Baufirma handeln solle‚ kommt es nicht an. Die hier genehmigte Nutzungsänderung betrifft allein eine - erstmalige - Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Nachbargrenze‚ die aus den drei westlichen‚ zum Grundstück der Klägerin hin gerichteten Dachflächenfenstern erstmals dauerhaft Einblickmöglichkeiten jedenfalls in den Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin ermöglicht. In einer solchen Situation kommt dem Normzweck und den Interessen des Nachbarn, Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen zu verhindern, von vornherein eine Priorität gegenüber den Interessen des Bauherrn zu mit der Folge‚ dass im Regelfall eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634). Die Frage‚ ob die dem Wohnhaus der Klägerin nördlich vorgelagerte Grundstücksfläche teilweise oder insgesamt dem Außenbereich zuzurechnen ist und deshalb möglicherweise nicht mit einem Wohngebäude bebaut werden kann‚ ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Auch die Tatsache‚ dass die Wohnnutzung im Dachgeschoss Jahrzehnte ausgeübt worden ist‚ führt zu keinem anderen Ergebnis‚ da eine Legalisierungswirkung durch die formell und materiell rechtswidrige Nutzung nicht eingetreten ist.

4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall brandschutzrechtliche Vorschriften hätten geprüft werden müssen. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften wie denjenigen des Abstandsflächenrechts kann der Nachbar nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Wie bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von einer nachbarschützenden Bebauungsplanfestsetzung (siehe hierzu BVerwG‚ B.v. 8.7.1998 - 4 B 64.98 - BayVBl 1999‚ 26 m. w. N.) ist er auch dann in seinen Rechten verletzt‚ wenn die Abweichung aus einem anderen Grund mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar und damit objektiv rechtswidrig ist (BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung‚ Art. 63 Rn. 29). Allerdings hat der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht. Es sind lediglich die Belange in die Abwägung einzustellen, die durch die die Abweichung auslösende konkrete Maßnahme erstmals oder stärker als bisher beeinträchtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 a. a. O.; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Nach alledem hätte das Landratsamt, auch ohne dass es eines gesonderten Antrags auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bedurfte, hier die Vorschrift des Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayBO prüfen müssen.

Der Beklagte trägt als Unterliegender die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst‚ da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.