Verwaltungsgericht München Urteil, 20. März 2014 - 10 K 13.2232

20.03.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Landratsamts ... vom ... April 2013 wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wurde am ... Februar 1991 in ... geboren. Er erhielt am 14. April 1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, die bis 20. Februar 2007 verlängert wurde. Am 21. März 2007 wurde ihm eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 AufenthG erteilt. Er besuchte die Volksschule und legte die Abschlussprüfung „Fachkraft für Lagerlogistik“ im Jahr 2010 erfolgreich ab. Der Kläger hat zwei Brüder und lebt zusammen mit seinen Eltern in ...

Der Kläger ist im Bundesgebiet wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

1. StA ... vom 1. September 2005, Diebstahl, Ermahnung.

2. StA ... vom 28. September 2005, Beleidigung, Ermahnung.

3. Amtsgericht ... vom 28. März 2006, Diebstahl, richterliche Weisung 30 Stunden Sozialdienst.

4. Amtsgericht ... vom 13. Mai 2009, gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, 4 Wochen Jugendarrest, Geldauflage, richterliche Weisung.

5. Amtsgericht ... vom 10. November 2010, gefährliche Körperverletzung, 8 Monate Jugendstrafe auf Bewährung

6. Amtsgericht ... vom 9. Februar 2011, vorsätzliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit drei tatmehrheitlichen Fällen der vorsätzlichen Körperverletzung, einmal in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung sowie zweier tatmehrheitlicher Fälle des schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und versuchtem schweren Bandendiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung, 3 Jahre Einheitsjugendstrafe unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts ... vom 10. November 2010.

Der letzten Verurteilung lagen Körperverletzungsdelikte vom 1. Januar, 6. Juni, 3. Juli und 25. September 2010 zugrunde, in denen der Kläger z. T. ohne jede Vorwarnung allein oder mit anderen im öffentlichen Raum auf ihm z. T. fremde Personen allein um des Schlagens willen einschlug, sowie das Aufbrechen von Zigaretten- und Süßigkeitenautomaten zugrunde.

Im Rahmen der Anhörung zu den beabsichtigten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen erklärte der Kläger, dass er in Zukunft bemüht sei, ein straffreies Leben zu führen und an Kursen in der JVA teilnehme. Seine sozialen Kontakte seien in Deutschland und er spreche ausschließlich die deutsche Sprache. Kontakte der Familie in die Türkei bestünden nicht mehr. Dort lebten noch die Großeltern des Klägers, zu denen kein Kontakt mehr bestehe. Zudem wurde ein Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass der Vater des Klägers mehr als fünf Jahre einer Beschäftigung nachgegangen ist. Am 22. November 2012 wurde eine Übernahmebestätigung durch die Firma „...“ in ... vorgelegt.

Nach Mitteilung der JVA ... vom 19. Dezember 2012 ist der Kläger disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Er erhalte regelmäßig Besuch von seiner Familie und zeige sich an Behandlungsangeboten zur Aufarbeitung seiner Delinquenz recht interessiert. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 wurde weiter mitgeteilt, dass der Kläger bei Besuch durch die Eltern sich teilweise in türkischer und teilweise in deutscher Sprache unterhalte.

Mit Bescheid des Beklagten vom ... April 2013 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1). Ihm wurde die Abschiebung aus der Haft angedroht (Nr. 2). Für den Fall, dass er vor Abschiebung aus der Haft entlassen wird, wurde ihm eine Ausreisefrist von vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides gesetzt (Nr. 3) und für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 4). Die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung wurden auf vier Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 5).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausweisung stütze sich auf § 53 Nr. 1 i. V. m. § 56 Abs. 1 AufenthG und auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Der Kläger erfülle diesen zwingenden Ausweisungsgrund, da er wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Da der Kläger als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist, im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, genieße er besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG. Er dürfe nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Derartige Gründe lägen in der Regel in den Fällen des § 53 AufenthG vor. Dem Beklagten stehe bei einer Regelausweisung grundsätzlich kein Ermessen zu. Ein Ausnahmefall könne beim Kläger weder hinsichtlich der Umstände der zu seiner Verurteilung führenden Straftaten noch der strafgerichtlichen Verurteilungen an sich erkannt werden. Hierbei sei festzustellen, dass der Kläger fortgesetzt Straftaten begehe und sich auch durch die Weisung über 30 Stunden Sozialdienst, die vier Wochen Dauerarrest, die acht Monate Jugendstrafe und die Belehrungen durch das Landratsamt ... nicht habe beeindrucken lassen. Vielmehr habe er skrupellos weitere schwerwiegende Straftaten verübt. Dabei sei sein Tatbeitrag nicht von untergeordneter Rolle gewesen, was sich bereits aus dem Strafmaß von drei Jahren ergebe. Auch der bisherige Lebenslauf des Klägers weise keinen atypischen Geschehensablauf auf; vielmehr sei der Kläger bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Es handele sich mithin nicht um eine einmalige Kurzschlussreaktion. Auch in den sozialen Strukturen, in denen der Kläger aufgewachsen sei, sei keine Besonderheit gegeben. Es verbleibe somit bei der gesetzlichen Regel.

Da der Kläger aus Art. 7 ARB 1/80 erworben habe, seien bei der Prüfung der Ausweisung auch Ermessenserwägungen vorzunehmen. Ausweisungszweck sei die Spezialprävention, da beim Kläger von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei. Der Kläger habe mit dem seiner Verurteilung vom 25. Januar 2011 zugrundeliegenden Straftaten nicht nur erhebliche charakterliche Mängel belegt, sondern nach den Feststellungen des Amtsgerichts ... bereits schädliche Neigungen gezeigt. Zwar führe sich der Kläger in der JVA ohne Beanstandung, dies sei jedoch nicht ungewöhnlich, sondern geschehe regelmäßig, gerade auch vor dem Hintergrund evtl. Vollzugslockerungen und drohender ausländerrechtlicher Maßnahmen. Aufgrund der vorliegenden schädlichen Neigungen bestehe die hohe Gefahr, dass er erneut und in gleicher Art und Weise straffällig werden könnte. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich auch daraus, dass die Verfehlungen des Klägers nicht nur einmalig gewesen seien. Er sei vielmehr bereits seit 2002 immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten. Belehrungen und Maßnahmen durch das Jugendgericht hätten keinerlei Wirkung gezeigt. Aufgrund der Gesamtpersönlichkeit des Klägers gehe der Beklagte davon aus, dass von ihm auch künftig schwere Straftaten zu befürchten seien. Aufgrund der einschlägigen Straftaten im Bereich der Gewaltdelikte liege eine konkrete Wiederholungsgefahr in diesem Bereich vor. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Opfern teilweise ohne jegliches Zutun derer körperlichen Schaden zugefügt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Begehung weiterer Straftaten zur Befriedigung niederer Bedürfnisse unter Beteiligung von Zufallsopfern wahrscheinlich. Im Hinblick auf die Schwere der zu erwartenden Rechtsgutsverletzung sei deshalb eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen zulässig, um weitere Straftaten, die die Grundinteressen der Gesellschaft berühren, zu verhindern. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Intensität seiner Straftaten eine kriminelle Energie von einem Ausmaß zeige, die im Rahmen der ordnungsrechtlichen Zukunftsprognose eine konkrete Wiederholungsgefahr begründe. Die Ausweisung sei auch geeignet und erforderlich, da nur auf diese Weise weitere schwere Straftaten effektiv verhindert werden könnten. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen schutzwürdigen Belange des Klägers würden gem. § 55 Abs. 3 AufenthG und die durch Grundrechte sowie durch höherrangiges Recht geschützten Interessen wie folgt berücksichtigt: Der Kläger sei zwar im Bundesgebiet geboren und habe nach seinen Angaben keinen Kontakt zu Verwandten in seinem Heimatland. Ihm sei eine Rückkehr in die Türkei dennoch zumutbar. Der Kläger habe sich trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht in einem so hohen Maße integriert, dass eine Beendigung seines Aufenthalts unzumutbar wäre. Zu einer gelungenen Integration gehöre insbesondere auch die Einfügung in die hiesige Rechtsordnung. Der Kläger habe hiergegen jedoch wiederholt und in erheblichem Maße verstoßen. Der Kläger sei auch nicht derart stark in Deutschland verwurzelt, dass ihn außer der Staatsangehörigkeit nichts mehr mit seinem Heimatland verbinde. Dass der Kläger der türkischen Sprache so gut wie nicht mächtig sei, sei durch die Mitteilung der JVA, wonach er sich bei Besuchen auch in türkischer Sprache unterhalte, widerlegt. Auch sei davon auszugehen, dass sich der Kläger nach einigen Anfangsschwierigkeiten in die Lebensverhältnisse in seinem Heimatland einfügen werde. Ihm dürften die sozialen und kulturellen Verhältnisse nicht völlig fremd sein. Er werde deshalb nicht in ein für ihn völlig fremdes Land zurückkehren. Es sei ihm aufgrund seines Alters und seiner Ausbildung zumutbar, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht, in der Türkei einen Neustart zu begründen. Zeiten seines rechtmäßigen Aufenthalts seien als nachrangig gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zu werten. Es werde gesehen, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und damit als sog. faktischer Inländer zu behandeln sei. Dieser Aspekt könne jedoch unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung von Gewaltstraftaten zu keiner anderen Beurteilung führen. Art. 6 GG begründe nicht zwangsläufig ein Recht auf Aufenthalt. Der Eingriff sei aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Verwandten entfalte keine derartige Schutzwirkung, die eine Ausweisung unzumutbar erscheinen ließe. Der Kläger sei nicht mehr in erheblichem Maße auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Nachteile, die über eine räumliche Trennung hinausgingen, seien nicht zu befürchten. Es sei nicht ungewöhnlich, wenn Eltern und volljährige Kinder bzw. Geschwister getrennt in verschiedenen Ländern lebten. Seiner Familie müsse es im Hinblick auf die Schwere der Straftaten und der Wiederholungsgefahr zugemutet werden, entweder eine räumliche Trennung in Kauf zu nehmen bzw. eine gemeinsame Ausreise in Erwägung zu ziehen oder die Bindung in anderweitiger Form aufrechtzuerhalten. Die einschneidenden Konsequenzen würden nicht verkannt, seien jedoch zumutbar. Im Rahmen der Güterabwägung müsse das Interesse an der Weiterführung der familiären Gemeinschaft in Deutschland zurücktreten. Die öffentliche Zielsetzung rechtfertige auch den Eingriff in das Privat- und Familienleben unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, so dass die Entscheidung auch mit Art. 8 EMRK in Einklang stehe. Besonders schützenswerte wirtschaftliche Bindungen seien nicht vorhanden. Die in Aussicht gestellte Anstellung könne noch keine Schutzwirkung entfalten. Die Frist zur Ausreise sei angemessen, da der Kläger keine alleinige Wohnung unterhalte, deren Auflösung erforderlich wäre. Die Befristung von vier Jahren sei angemessen, da erst nach dieser Zeit davon ausgegangen werden könne, dass eine Wiederholungsgefahr in diesem Maße durch den Abstand auch von dem bisherigen Freundeskreis nicht mehr bestehe.

Die zuständige Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe teilte mit Schreiben vom 26. April 2013 mit, dass die Eltern des Klägers fest in Deutschland integriert seien. Da es zu Konflikten bzgl. der Kindererziehung gekommen sei, sei der Kläger bereits nach acht Monaten von den Großeltern nach Deutschland zurückgeholt worden. Danach habe es über zehn Jahre keinen Kontakt zu den Großeltern gegeben. Eine Bindung zwischen Großeltern und Enkel sei nicht vorhanden. Die Türkei sei für Familie lediglich ein Urlaubsland, sie fühlten sich dort als Fremde. Alle sozialen Kontakte seien in .... Die Trennung von seinem Bruder wäre für ihn sehr belastend. Im Zeitraum der Straftaten sei die familiäre Situation pubertätsbedingt belastet gewesen. Der Kläger habe seine Eltern als zu streng empfunden und habe nach einem Rauswurf seinen Stolz nicht überwinden können und sich als trotziger Rebell gegeben. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm alles egal gewesen. Mit ausschlaggebend für sein Verhalten seien zudem alkoholbedingte Enthemmung und gruppendynamische Prozesse gewesen, denen er sich nicht habe entziehen können. Dies sei als alterstypisch zu bewerten. Bei einem Besuch in der JVA habe sich der Kläger deutlich nachdenklich und gereift gezeigt. Frühere Tendenzen der Verantwortungsverschiebung seien einer Reflexion eigener Anteile gewichen. Er setze sich mit seinen Taten auseinander und sei dankbar für die elterliche Unterstützung. Die Ausgangslage sei positiv zu bewerten, da der Kläger sowohl familiär als auch berufsbedingt gute Voraussetzungen habe und die persönliche Entwicklung positiv sei, so dass die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholungsgefahr äußerst gering sei. Eine Ausweisung mit dem Verlust familiärer Kontakte wäre für den Kläger fatal.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. Mai 2013, bei Gericht eingegangen per Fax am selben Tag, hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom ... April 2013 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen sei. Der Vater des Klägers sei 1975 als Kind eingereist und beabsichtige nicht, im Rentenalter in die Türkei zurückzukehren. Er habe in den letzten 10 Jahren die Türkei nur zweimal urlaubsweise besucht. Strafrechtliche Probleme habe der Vater des Klägers nie gehabt, ebenso wenig seine Mutter, die seit 1988 in ... lebe. Der Vater des Klägers habe seit 1980 ohne Unterbrechung gearbeitet. Auch die Mutter des Klägers sei seit Jahren berufstätig. 1993 hätten die Eltern den Kläger kurzfristig zu seinen Großeltern in die Türkei gebracht, da die Mutter habe arbeiten wollen, aber keine Betreuung gefunden habe. Der Kläger sei nur acht Monate bei den Großeltern geblieben. Türkisch habe der Kläger in dieser Zeit nicht gelernt. Mit seinen Eltern spreche er überwiegend deutsch. Lediglich umgangssprachliche, einfache türkische Redewendungen seien ihm geläufig. Soziale Kontakte in die Türkei habe der Kläger nicht, da das Verhältnis seiner Eltern zu seinen Großeltern nach seinem Aufenthalt dort deutlich abgekühlt sei. Der Vater des Klägers sei vor kurzem zu seinen Eltern geflogen, um sich von seiner Mutter zu verabschieden, mit deren Ableben jederzeit zu rechnen sei. Auch der Großvater sei gesundheitlich angeschlagen und auf die regelmäßige Einnahme von Medikamenten angewiesen. Der Kläger habe keinerlei Bezug zur Türkei, mit der ihn nur der Pass verbinde. An der Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse könne kein vernünftiger Zweifel bestehen. Die Führung des Klägers in der JVA sei beanstandungsfrei. Er habe sich um ein Antigewalttraining, ein soziales Kompetenztraining und die Gruppenveranstaltung „Zirkelzeichen“ beworben. Die durchgeführten Urinkontrollen seien ausnahmslos negativ gewesen. Der Kläger sei Erstverbüßer und habe seine Strafe freiwillig angetreten. Es dürfe einem Inhaftierten nicht von vorneherein Wille und Fähigkeit abgesprochen werden, aus seinem früheren Fehlverhalten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Insbesondere sei dem Kläger nicht vorwerfbar, dass er bislang noch keine Möglichkeit gehabt habe, dies unter Beweis zu stellen. Nach Einschätzung der Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe ..., die die negative Entwicklung des Klägers über die Jahre verfolgt habe, sei der Kläger deutlich nachgereift und motiviert, künftig straffrei zu leben. Nach seiner Haftentlassung dürfte es dem Kläger nicht schwer fallen, eine Arbeit zu finden. Zudem bestehe die Möglichkeit einer Anstellung in der Firma seines Onkels. Die Ursachen der Straffälligkeit des Klägers lägen in fehlgeleitetem jugendlichem Aufbegehren gegen die Regeln des Elternhauses. Der Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass es grundlegende charakterliche Defizite seien, die den Kläger zu seinen Straftaten veranlasst hätten. Die Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe habe die Straftaten zutreffend eingeordnet: Gruppendynamische Prozesse, denen er sich damals nicht habe entziehen können, sowie alkoholbedingte Enthemmung hätten maßgeblich zu seinem Verhalten beigetragen. Er habe seinen Stolz nicht überwinden können, die familiäre Situation sei pubertätsbedingt belastet gewesen. Der elterlichen Kontrolle habe er sich weitgehend entzogen. Heute sehe er hingegen ein, dass er im Unrecht gewesen sei und hinterfrage sein eigenes Verhalten. Einen Großteil seiner Taten habe der Kläger lediglich verübt, um den Gleichaltrigen zu imponieren bzw. diese nicht im Stich zu lassen. Die Inhaftierung habe hier den Schlussstrich gezogen. Im Unterschied zu jugendrichterlichen Ahndungen könne man die Strafhaft nicht ignorieren. Dies erzwinge eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Standpunkt und sorge für eine Loslösung aus einem problematischen Umfeld. Eine Rückkehr zu seinem früheren Freundeskreis strebe der Kläger nicht mehr an. Er schäme sich heute für seine Taten. Nach der sozialpädagogischen Einschätzung sei die Ausgangslage positiv zu bewerten, da der Kläger sowohl familiär als auch berufsbedingt gute Voraussetzungen habe, und die persönliche Entwicklung positiv sei, so dass die Wiederholungsgefahr äußerst gering sei. Der Kläger sei nicht zwingend auszuweisen, da er besonderen Ausweisungsschutz genieße. Beim Tatbestand der Regelausweisung bleibe es jedoch ebenso wenig, da der Kläger faktischer Inländer sei. Daher sei die Regelausweisung zur Ermessensausweisung herabgestuft. Im Rahmen der Ermessensausweisung seien die schutzwürdigen persönlichen Bindungen zu berücksichtigen. Die Folgen der Ausweisung hierauf würden vom Beklagten grob verkannt. Der Kläger sei trotz seiner Volljährigkeit auf den ihm durch die Familie vermittelten Halt angewiesen. Das habe er in der Haft begriffen. Er sei noch kein auf eigenen Beinen stehender, vom Elternhaus losgelöster Erwachsener. Anderenfalls hätte es keine pubertätstypischen Spannungen mit seinen Eltern gegeben, die ihn dazu veranlasst hätten, sich an falsche Vorbilder zu hängen und in der Folge straffällig zu werden. Darin liege aber gerade die Chance der Weiterentwicklung. Der Jugendstrafvollzug diene der Nachreifung und der Erziehung. Diesem Erziehungsauftrag müsse insoweit Rechnung getragen werden, dass dem Kläger nicht die Möglichkeit genommen werden dürfe, nach Haftentlassung zu beweisen, dass er aus der Haft die richtigen Konsequenzen gezogen habe. In der Türkei wüsste der Kläger nicht wohin. Er habe weder Unterkunft noch Arbeitsplatz. Letzteres scheitere bereits am Vorstellungsgespräch, für das sein Türkisch nicht ausreiche. Der Beklagte schweige sich darüber aus, wie der Neustart unter völlig fremden Verhältnissen gelingen solle. Wer sich in Deutschland nicht an die geltenden Gesetze halte, solle in Deutschland dafür bestraft werden. Die Straftaten des Klägers hätten mit dem Land, aus dem die Eltern des Klägers stammen, nichts zu tun. Die Familie des Klägers genieße den Schutz des Art. 6 GG. Ein erzwungenes Auseinanderreißen der familiären Bindungen sei eine nicht hinnehmbare Konsequenz der Ausweisung. Die Ausweisung treffe nicht allein den Kläger, sondern die gesamte Familie. Da das deutsche Aufenthaltsrecht nach Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise zum Zweck der erneuten Begründung eines dauerhaften Aufenthalts nicht vorsehe, werde die zeitlich befristete Ausweisung zur Aufenthaltsbeendigung für immer. Die Straftaten des Klägers wögen aber nicht so schwer, dass er für immer aus der bundesdeutschen Gesellschaft entfernt werden müsste. Der Kläger habe überdies einen Anspruch nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 müsse eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die Straftaten des Klägers wögen schwer, seien aber Vergangenheit. Der Kläger sei durch den Strafvollzug hinreichend geläutert. Vom Kläger gehe keine gegenwärtige Gefahr aus, die seine Ausweisung zum heutigen Zeitpunkt rechtfertigen könne. Bezüglich der Höhe der Strafe sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine Einheitsjugendstrafe handele, in die die Strafen aus bereits abgeurteilten Straftaten miteinbezogen worden seien. Nicht jede Tat sei für sich allein genommen drei Jahre Haft wert gewesen, was prognostisch bedeutsam sei. Überdies verletze der Bescheid den Kläger in seinen Rechten aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, da seine Ausweisung unverhältnismäßig sei. Dem Kläger stehe ein vielfacher, kumulativ zusammenwirkender Ausweisungsschutz zu. Bei der Ermessensabwägung gehe der Beklagte teilweise von falschen Voraussetzungen aus - der Kläger würde nicht in ein fremdes Land zurückkehren, er würde besser türkisch sprechen als er angebe, er könne bei seiner Großmutter leben - und ziehe daraus die falschen Schlüsse. Ferner werde eine Wiederholungsgefahr nach Haftentlassung bejaht, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gebe. Überdies werde dem Kläger kein Rückkehrrecht zugebilligt, was gegen Art. 7 i. V. m. Art. 8 EMRK verstoße.

Mit Schreiben vom 28. August 2013 hat der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Wiederholungsgefahr u. a. bejaht worden sei, weil der Kläger, der bereits seit 2002 immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, sich weder von Belehrungen des Landratsamts noch von Maßnahmen des Jugendgerichts habe abschrecken lassen. Selbst am Tag nach der Verurteilung des Klägers zu drei Jahren Haft habe der Kläger erneut Straftaten begangen (Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit Beleidigung). Die Anklage wegen dieser Straftaten sei nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt worden. Das Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Insbesondere seien die Folgen der Ausweisung im Hinblick auf Art. 6 GG für den Kläger und seine Familienangehörigen in die Abwägung miteingestellt worden. Dabei sei u. a. einbezogen worden, dass der Kläger ledig, volljährig und kinderlos sei und der Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern nicht durch einen Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht werden müsse.

Nach dem Führungsbericht der JVA ... vom 1. Juli 2013 ist zuständige Werkbeamte in der Schlosserei mit den Arbeitsleistungen des Klägers zufrieden. Einen Schweißerlehrgang habe er mit Erfolg ablegen können. Er bereite keine Schwierigkeiten und habe noch nicht disziplinarisch geahndet werden müssen. Routinekontrollen hinsichtlich Drogenmissbrauchs seien unauffällig gewesen. Der Kläger pflege Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern, die ihn regelmäßig besuchten. In Vollzugslockerungen habe er aufgrund der Ausweisungsverfügung nicht erprobt werden können. Zur Aufarbeitung seiner Delikte besuche er die Gruppe „Zirkelzeichen“. In der Gesamtschau sei man mit der Entwicklung des Klägers sehr zufrieden.

Der Kläger wurde am 12. Juli 2013 aus der Haft entlassen. Der Bewährungshelfer des Klägers teilte mit Schreiben vom 24. Februar 2014 mit, dass der Kläger sehr zuverlässig Kontakt zur Bewährungshilfe halte und sich äußerst gewissenhaft an sämtliche vereinbarten Termine und Absprachen halte. Er wohne wieder in der elterlichen Wohnung und habe nach der Haftentlassung für einige Wochen im Lager eines Briefzentrums gearbeitet. Diese Beschäftigung habe er aufgrund der Eintragungen im Führungszeugnis nicht fortführen können. Weitere Jobangebote habe er aufgrund terminlicher Kollisionen mit seinem Anti-Aggressions-Training nicht wahrnehmen können. Seine berufliche Entwicklung gestalte sich mangels Führerscheins relativ problematisch. Der Kläger sei daher in den letzten Monaten unverschuldet arbeitslos gewesen, obwohl er sich sehr intensiv und nachhaltig um eine Erwerbstätigkeit bemüht habe. Eine adäquate Tagesstruktur habe aufgrund einer Maßnahme der Agentur für Arbeit stets gewährleistet werden können. Seit 13. Februar 2014 habe er über eine Zeitarbeitsfirma eine Anstellung bei ... und hoffe, diese auf Dauer ausüben zu können. Bezüglich des Anti-Aggressions-Trainings habe der Kläger seit einigen Monaten wöchentliche Termine im ...-zentrum für Männer. Drei unangekündigte Urinkontrollen hätten die Angaben des Klägers, ein alkoholabstinentes Leben zu führen bestätigt. Neue Straf- bzw. Ermittlungsverfahren sowie aktuelle Probleme in der Lebensführung seien nicht bekannt geworden, so dass sich der Kläger aus Sicht der Bewährungshilfe auf einem sehr guten Weg hin zu einem dauerhaft straffreien Leben befinde. Der Kläger lasse sich sehr intensiv und nachhaltig auf den Prozess der Resozialisierung ein, so dass dieser schon weit fortgeschritten sei. Aus heutiger Sicht sei die Rückfallwahrscheinlichkeit als relativ gering einzuschätzen. Die Sozial- und Legalprognose sei als günstig zu betrachten. Eine Ausweisung in die Türkei würde auch aufgrund deutscher Sozialisierung die bisher verlaufene Resozialisierungsarbeit konterkarieren.

In der mündlichen Verhandlung legte der Kläger einen Arbeitsvertrag mit der ... GmbH vom 12. Februar 2014 vor. Danach werde der Kläger als Kommissionierer eingestellt; es handele sich um das Unternehmen ... Er erklärte, er habe sich nach Haftentlassung vielfach um eine feste Arbeitsstelle bei einem größeren Unternehmen bemüht, um dauerhaft und zukunftsgerichtet einen stabilen Arbeitsplatz zu finden. Eine Festanstellung sei ihm sehr wichtig, um seine Schulden abbauen und in absehbarer Zeit eine eigene Wohnung nehmen zu können. Seit seiner Haftentlassung seien keine strafrechtlichen Vorfälle mehr geschehen. Von seinem früheren Freundeskreis habe er sich sehr distanziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 12).

Der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG Türkei vom 19. September 1980 (ARB 1/80) und ist seit März 2007 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Ausweisung hat ihre Rechtsgrundlage daher in § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Danach kann der Kläger nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, U. v. 8.12.2011 - Ziebell, C-371/08 - NVwZ 2012, 422 ff.).

Dabei obliegt es den nationalen Stellen, in jedem Einzelfall das persönliche Verhalten des Straftäters sowie die gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr, die er für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, zu prüfen und außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Grundrechte des Betroffenen zu wahren. Dabei kann eine auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gestützte Ausweisung nur dann beschlossen werden, wenn das individuelle Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr weiterer schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet (EuGH, U. v. 22.12.2010 - C 303/08 - juris Rn. 60).

Der beschriebene Rechtsrahmen des ARB 1/80 ist gegenüber dem Regelwerk der §§ 53 bis 56 AufenthG, die im vorliegenden Fall eine Regelausweisung gemäß § 53 i. V. m. § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorsehen würden, spezieller (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 5 AufenthG), für den ARB-Berechtigten günstiger und daher maßgeblich.

Der Kläger stellt nach Auffassung des erkennenden Gerichts gegenwärtig keine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland dar.

Zwar ist der Kläger erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 9. Februar 2011 ist der Kläger wegen Körperverletzungsdelikten, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und schweren Bandendiebstahls zu einer Einheitsjugendstrafe in Höhe von 3 Jahren verurteilt worden. Dem lag zugrunde, dass der Kläger z. T. ohne jede Vorwarnung allein oder mit anderen im öffentlichen Raum auf ihm z. T. fremde Personen allein um des Schlagens willen eingeschlagen und mit anderen Zigaretten- und Süßigkeitenautomaten aufgebrochen hat.

Jedoch ist die weitere Entwicklung des Klägers bis zur mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen. Nach den Führungsberichten der Justizvollzugsanstalt ... vom 19. Dezember 2012 und vom 1. Juli 2013 hat sich der Kläger selbst zum Strafantritt gestellt und ist niemals disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Er hat im Gegenteil im Vollzug keine Schwierigkeiten bereitet. Der zuständige Werkbeamte war auch mit seinen Arbeitsleistungen zufrieden. An Behandlungsangeboten zur Aufarbeitung seiner Delinquenz hat sich der Kläger interessiert gezeigt und die Gruppe „Zirkelzeichen“ besucht. Routinekontrollen hinsichtlich Drogenmissbrauchs waren unauffällig. In der Gesamtschau zeigt sich die JVA ... mit der Entwicklung des Klägers sehr zufrieden.

Diese positive Entwicklung des Klägers in der JVA wird auch durch die zuständige Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe unterstrichen, die mit Schreiben vom 26. April 2013 erklärte, dass sich der Kläger bei ihrem Besuch in der JVA deutlich nachdenklich und gereift gezeigt hat. Frühere Tendenzen der Verantwortungsverschiebung seien einer Reflexion eigener Anteile gewichen. Der Kläger setze sich mit seinen Taten auseinander und sei dankbar für die elterliche Unterstützung. Die Ausgangslage sei positiv zu bewerten, da der Kläger sowohl familiär als auch berufsbedingt gute Voraussetzungen habe und die persönliche Entwicklung positiv sei, so dass die Wiederholungsgefahr äußerst gering sei.

Nach seiner Haftentlassung am 12. Juli 2013 hat sich der Kläger mittlerweile seit einem dreiviertel Jahr zudem auch in Freiheit bewährt. Der Kläger ist in dieser Zeit nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Wie sich aus dem Schreiben des Bewährungshelfers des Klägers vom 24. Februar 2014 ergibt, hält der Kläger äußerst gewissenhaft sämtliche vereinbarten Termine und Absprachen ein und ist sehr um eine dauerhafte Erwerbstätigkeit bemüht, die er über eine Zeitarbeitsfirma bei der ... seit Februar 2014 gefunden zu haben scheint. Aus Sicht der Bewährungshilfe lässt sich der Kläger sehr intensiv und nachhaltig auf den Prozess der Resozialisierung ein, so dass dieser schon weit fortgeschritten sei. Hinsichtlich der Aufarbeitung seiner Straftaten nimmt der Kläger an einem Anti-Aggressions-Training im,..-zentrum für Männer teil. Drei unangekündigte Urinkontrollen waren wie bereits in der JVA negativ. Aus Sicht der Bewährungshilfe befindet sich der Kläger auf einem sehr guten Weg hin zu einem dauerhaft straffreien Leben, so dass die Rückfallwahrscheinlichkeit als relativ gering einzuschätzen sei.

In der Gesamtschau der o. g. mit dem Kläger intensiv befassten Stellen lässt sich feststellen, dass der Kläger als junger Heranwachsender durch die Inhaftierung sichtlich beeindruckt und nachgereift ist und sich gewandelt hat. Diesen Eindruck hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Kläger gab sich geläutert. Er erklärte glaubwürdig, sein Leben nun straffrei in Freiheit führen zu wollen und sich von seinem bisherigen „Freundeskreis“ distanziert zu haben. Was seine berufliche Zukunft anbelangt, war dem Kläger anzumerken, dass er sich intensiv um eine Festanstellung bemüht und sein Leben auch finanziell und mit einer eigenen Wohnung selbst in die Hand nehmen möchte. Er konnte darlegen, über eine Zeitarbeitsfirma derzeit bei ... mit der Aussicht auf eine Festanstellung zu arbeiten. Das Gericht konnte aufgrund der Einsicht des Klägers in sein früheres Fehlverhalten, die in der mündlichen Verhandlung ehrlich zu Tage trat, sowie aufgrund seiner Zusammenarbeit mit seinem Bewährungshelfer und der Ausgestaltung seiner beruflichen Zukunft den Eindruck gewinnen, dass der Kläger nunmehr gewillt ist, sein Leben straffrei zu führen und diese Perspektive zudem realistisch ist.

Der Einschätzung des Beklagten, es bestehe hinsichtlich der Straffälligkeit des Klägers Wiederholungsgefahr und der Kläger stelle daher eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu folgen. Wie ausgeführt ist das Gericht der Auffassung, dass der Kläger sich gewandelt und in der Haft ein Nachreifungsprozess stattgefunden hat. Im Fall des Klägers sieht das Gericht die Prognose als positiv an.

Schon aus diesem Grunde ist daher die Ausweisung als rechtswidrig anzusehen.

Die Rechtswidrigkeit der Ausweisung - einschließlich der Befristung des Wiedereinreiseverbots - hat auch die Rechtswidrigkeit der mit ihr verbundenen Abschiebungsandrohung zur Folge. Eine unselbstständige Abschiebungsandrohung, die mit der „Grundverfügung“ verbunden wurde, teilt als Vollstreckungsmaßnahme grundsätzlich auch das rechtliche Schicksal des Grundverwaltungsaktes selbst (vgl. BVerwG, U. v. 19.5.1981 - 1 C 169/79 - juris Rn. 28). Somit war der Bescheid insgesamt aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 20. März 2014 - 10 K 13.2232 zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbei

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 35 Eigenständiges, unbefristetes Aufenthaltsrecht der Kinder


(1) Einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, ist abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im B

Referenzen

(1) Einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, ist abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist,
2.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
3.
sein Lebensunterhalt gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt.

(2) Auf die nach Absatz 1 erforderliche Dauer des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis werden in der Regel nicht die Zeiten angerechnet, in denen der Ausländer außerhalb des Bundesgebiets die Schule besucht hat.

(3) Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach Absatz 1 besteht nicht, wenn

1.
ein auf dem persönlichen Verhalten des Ausländers beruhendes Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der Ausländer in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mindestens sechs oder einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt worden oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist oder
3.
der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch gesichert ist, es sei denn, der Ausländer befindet sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt.
In den Fällen des Satzes 1 kann die Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden. Ist im Falle des Satzes 1 Nr. 2 die Jugend- oder Freiheitsstrafe zur Bewährung oder die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt, wird die Aufenthaltserlaubnis in der Regel bis zum Ablauf der Bewährungszeit verlängert.

(4) Von den in Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 und Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzungen ist abzusehen, wenn sie von dem Ausländer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden können.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.