vorgehend
Verwaltungsgericht München, 9 K 14.3343, 25.03.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Vollstreckungsantrag wird abgelehnt.

II.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Gründe

I.

Die Antragsteller waren Kläger im Verfahren M 9 K 14.3343. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts … vom 25. März 2015 wurde die Antragsgegnerin und damalige Beklagte verpflichtet, den Antrag der Antragsteller und damaligen Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten vom … April 2014 gegen die beigeladenen Bauherren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Das Urteil ist seit dem … Oktober 2015 rechtskräftig. Dem Urteil zugrunde lag die Notwendigkeit eines Rückbaus des Bauvorhabens der Beigeladenen.

Mit Schreiben vom … Februar 2016 teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten der Antragsteller mit, dass der Abschluss des Verfahrens wegen des noch notwendigen Baugenehmigungsverfahrens noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werde.

Mit Schriftsatz vom … Juli 2016 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsteller Vollstreckung gemäß § 172 VwGO:

Der Schuldnerin (hier: Antragsgegnerin) zur Entscheidung über den Antrag der Gläubiger (hier: Antragsteller) auf bauaufsichtliches Einschreiten vom ... April 2014 gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl. Nr. … gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts … vom ... März 2015 - M 9 K 14.3343 - eine Frist von zwei Wochen zu setzen und für den Fall, dass die Bescheidung nicht innerhalb der Frist erfolgt sein wird, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 Euro anzudrohen.

Trotz Mahnung und Fristsetzung sei über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten seit achteinhalb Monaten nicht entschieden worden. Es sei falsch, dass zunächst ein Baugenehmigungsverfahren bzw. eine genehmigungsfähige Planung abzuwarten sei, da das Urteil unmittelbar zu einer Entscheidung über bauaufsichtliches Einschreiten verpflichte.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 8. August 2016:

Ablehnung des Vollstreckungsantrags.

Dem Urteil vom … März 2015 läge die Rechtsauffassung des Gerichts zugrunde, das nur eine teilweise Beseitigung des Wohnhauses ermessensgerecht sein könne, in dem zur Einhaltung von H ½ ein Rücksprung und damit verbunden eine Art Dachterrasse geschaffen werde. Die Anhörung der beigeladenen Bauherren sei mit Schreiben vom … September 2015 zur Teilbeseitigung erfolgt. Ein Lösungsvorschlag sei beigefügt worden. Aufgrund von Verhandlungen zwischen den Beigeladenen und den Antragstellern sei eine Fristverlängerung bis … Februar 2016 gewährt worden. Am … Juni 2016 sei ein Bauantrag zum Teilrückbau des bestehenden Einfamilienwohnhauses eingereicht worden. Um Frist zur Prüfung des Bauantrags bis Ende September werde gebeten.

Die Antragsteller haben den Bauantrag der Beigeladenen nicht unterschrieben.

Mit Schreiben vom ... August 2016 wurde der Antragsgegnerin als Schuldnerin eine Frist bis ... Oktober 2016 zur Verbescheidung gesetzt.

Mit Schreiben des Gerichts vom ... August 2016 erklärten die Bevollmächtigten der Antragsteller, dass keine verfahrensbeendende Erklärung abgegeben werde und es unzumutbar sei, noch zwei Monate auf die Verbescheidung zu warten. Personalmängel und Krankheitsfälle seien ebenso wie Urlaub und Überlastung kein zureichender Grund.

Mit Schreiben vom ... Oktober 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass den Beigeladenen mit Datum vom ... Oktober 2016 die bauaufsichtliche Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zum Rückbau erteilt worden sei. Die Antragsteller wurden erneut um Stellungnahme zur Erledigung des Vollstreckungsantrags gebeten.

Mit Schreiben vom … November 2016 teilte die Bevollmächtigte der beigeladenen Bauherren mit, dass sich die Parteien noch in Vergleichsverhandlungen befänden. Mit weiterem Schreiben vom ... November 2016 ergänzte die Bevollmächtigte, dass aus Sicht der Beigeladenen der Vollstreckungsantrag erledigt sei und einer Erledigungserklärung zugestimmt werde.

Die Bevollmächtigten der Antragsteller teilten mit Schreiben vom ... November 2016 mit, dass eine Erledigung nicht eingetreten sei und der Vollstreckungsantrag aufrechterhalten bleibe, da bauaufsichtliches Einschreiten geschuldet werde und zwingend ein Teilrückbau erforderlich sei. Da eine Teilbeseitigungsanordnung nicht erlassen worden sei, könne keine Legalisierung durch eine Baugenehmigung zum Teilrückbau erfolgen. Vergleichsverhandlungen habe es nie gegeben. Vielmehr habe es nur eine Korrespondenz über eine eventuelle gütliche Einigung ohne Erfolg gegeben.

Auf Anfrage des Gerichts übersandte die Antragsgegnerin einen Bescheid vom ... Dezember 2016, wonach die beigeladenen Bauherren verpflichtet werden, die Baugenehmigung vom ... Oktober 2016 innerhalb von sechs Monaten nach Unanfechtbarkeit umzusetzen; ein Zwangsgeld von 5.000,00 Euro wurde angedroht. Der Bescheid werde auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützt.

Mit Schreiben vom … Januar 2017 erklärten die Bevollmächtigten der Antragsteller, dass eine verfahrensbeendende Erklärung derzeit nicht abgegeben werde, da die Teilbeseitigungsanordnung weder für sofort vollziehbar erklärt noch eine unverzügliche Zwangsgeldfestsetzung und/oder eine Ersatzvornahme angekündigt worden sei. Geschuldet sei nicht nur der Erlass des Verwaltungsakts, sondern auch dessen Vollzug. Erledigung sei erst eingetreten, wenn die Teilbeseitigungsanordnung vollstreckt worden sei oder die Beigeladenen tatsächlich den Rückbau vorgenommen haben.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten sowie die Akten im Verfahren M 9 K 14.3343 Bezug genommen.

II.

Der Vollstreckungsantrag war abzulehnen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts … vom ... März 2015 verpflichtete unter Ziffer I. die damalige Beklagte und heutige Antragsgegnerin dazu, unter Aufhebung des Bescheids vom … Juli 2014, über den Antrag der Kläger und heutigen Antragsteller vom … April 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl. Nr. … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass nach Art. 76 Satz 1 BayBO eine Teilbeseitigung zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ausreiche. Ein Anspruch der Nachbarn auf Beseitigung des gesamten Wohnhauses sowie auf Nutzungsuntersagung bestehe nicht.

Der Vollstreckungsantrag nach § 172 VwGO war abzulehnen, da Erledigung eingetreten ist. Die Antragsgegnerin wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts … vom … März 2015 - M 9 K 14.3343 - zur Verbescheidung des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten verpflichtet und ist dem nachgekommen. Ungeachtet dessen, ob im Hinblick auf den Zeitablauf eine grundlose Säumigkeit der Behörde vorlag (Eyermann, VwGO, 14. Auflage, § 172 Rn. 15 m. w. N.) hat ein Gericht die Vollstreckung nur durchzuführen, wenn die Verpflichtung nicht bereits erfüllt ist. Da das Urteil nach seinem Tenor keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vollstreckung der zu erlassenen Baubeseitigungsanordnung enthält, trifft die Auffassung der Bevollmächtigten der Antragsteller nicht zu, dass eine Erledigung ihres Vollstreckungsantrags erst nach Vollstreckung der Baubeseitigungsanordnung bzw. nach Rückbau entsprechend der erteilten Baugenehmigung eingetreten ist.

Da die Antragsgegnerin ihrer durch Urteil festgesetzten Verpflichtung nachgekommen ist und die Neubescheidung inhaltlich nach Aktenlage der Rechtsauffassung des Gerichts im Urteil vom … März 2015 entspricht, liegt keine Nichterfüllung vor.

Der Vollstreckungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen; die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Jan. 2017 - M 9 V 16.2999

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Jan. 2017 - M 9 V 16.2999

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Jan. 2017 - M 9 V 16.2999 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 172


Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Jan. 2017 - M 9 V 16.2999 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 31. Jan. 2017 - M 9 V 16.2999 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 25. März 2015 - M 9 K 14.3343

bei uns veröffentlicht am 25.03.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 9 K 14.3343 Im Namen des Volkes Urteil vom 25. März 2015 9. Kammer Sachgebiets-Nr. 920 Hauptpunkte: Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschr

Referenzen

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 9 K 14.3343

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 25. März 2015

9. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten; Ermessensreduzierung auf Null (bejaht); Nachbargebäude mit erdrückender Wirkung; Beseitigungsanordnung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P.-Straße ... a, ...

- Kläger -

zu 1. und 2. bevollmächtigt:

Rechtsanwälte ...

gegen

Stadt Ingolstadt, Bauordnungsamt,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Spitalstr. 3, 85049 Ingolstadt

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P. Str. ...

wegen Bauaufsicht Fl. Nr. .../17 (...)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 9. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2015 am 25. März 2015 folgendes

Urteil:

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom ... Juli 2014 verpflichtet, über den Antrag der Kläger vom ... April 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl. Nr. ... /17 (Gemarkung ... ) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klagepartei und die Beklagte jeweils die Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2014, mit dem diese ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... abgelehnt hat.

Die Kläger sind Eigentümer einer Doppelhaushälfte auf dem Grundstück Fl. Nr. .../134, P. Straße ... a, Gemarkung ... in ... Sie wenden sich gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage der Beigeladenen auf dem südlich zu den Klägern angrenzenden Grundstück Fl. Nr. .../17. Dieses Vorhaben wurde mit Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. ... „A. ...“ vom Dezember 2002, der für das Baugebiet ein reines Wohngebiet festsetzte, bauaufsichtlich genehmigt. Entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans hält das Wohnhaus der Beigeladenen an der nördlichen Grundstücksgrenze zu den Klägern einen Abstand von 3 Metern ein und weist die maximal mögliche Wandhöhe bei zwei Geschossen von 6,60 m auf. Bezugspunkt für alle Höhen ist die mittlere Straßenhinterkante der P. Straße.

Das natürliche Gelände liegt nach dem Plan im Süden 1,18 m und im Norden 1,34 m niedriger als das geplante Gelände. Die beiden Grundstücke sind durch eine Befestigungsmauer getrennt, die 1,30 m hoch ist und als Stützmauer dient. Das Gebäude hat ein Zeltdach; die Höhe beträgt ab der festgesetzten Geländehöhe 8,70 Meter.

Etwa einen Monat nach Beginn der Bauarbeiten (Baubeginnanzeige vom ... Oktober 2010) reichten die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht auf Aufhebung der Baugenehmigung ein (Verfahren M 9 K 10.5794). Wegen der weiter voran schreitenden Bauarbeiten beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 2011 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Verfahren M 9 SN 11.1306). Am 20. Juli 2011 nahm das Gericht in beiden Verfahren einen Augenschein ein und verhandelte zur Sache. Dabei wies es darauf hin, dass der Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft sei und das Bauvorhaben eine verschattende Wirkung habe. Auf die Niederschrift vom 20. Juli 2011 wird Bezug genommen.

Am 22. Juli 2011 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, dass angesichts des Gerichtstermins am 20. Juli 2011, bei dem die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht bestätigt worden sei, keine weiteren Arbeiten an den Außenanlagen und am Äußeren des Gebäudes ausgeführt werden dürften, die zu einer Verfestigung der Situation führen könnten.

Mit Schreiben vom gleichen Tag wies der Bevollmächtigte der Kläger die Beigeladenen auf die vom Gericht geäußerte Rechtsmeinung und darauf hin, dass eine Schaffung baurechtskonformer Zustände nur durch eine deutliche Verringerung der Wandhöhe bzw. durch ein Zurücksetzen der nördlichen Hauswand möglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beigeladenen zur Zustimmung zu Vergleichsverhandlungen und zur Einstellung aller weiteren Bauarbeiten auf.

Nachdem das vom Gericht angeregte Mediationsverfahren nicht zustande kam, hob die erkennende Kammer mit Urteil vom 26. Oktober 2011 auf die Nachbarklage der Kläger den Bescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf. In den Gründen des Urteils wurde ausgeführt, dass der Bebauungsplan wegen eines Abwägungsmangels unwirksam sei und auch eine Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht komme, weil sich das Vorhaben nicht in die Umgebung mit den deutlich tiefer liegenden Geländehöhen einfüge und der unmittelbaren Nachbarschaft gegenüber wegen seiner optisch bedrängenden Wirkung unzumutbar und rücksichtslos sei. Das Bauvorhaben habe eine einriegelnde Wirkung und verstoße durch sein Erscheinungsbild als 10 Meter hohes wandartiges Gebäude und wegen der permanenten und gravierenden Verschattung des tiefer liegenden Grundstücks der Kläger gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Mit Schreiben vom ... Juni 2012, eingegangen bei der Beklagten am ... Juni 2012 zeigten die Beigeladenen die Nutzungsaufnahme des Wohnhauses (Einzugstermin: ... Januar 2012) an.

Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (1 ZB 11.2781) vom 20. März 2014 abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden.

Mit Schreiben vom ... April 2014 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des errichteten Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage eine Beseitigungsanordnung zu erlassen und mit sofortiger Wirkung die Nutzung dieser baulichen Anlagen zu untersagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Ermessen der Beklagten aufgrund der Aufhebung der Baugenehmigung durch das Verwaltungsgericht auf Null reduziert sei. Zugunsten der Beigeladenen bestünde kein Vertrauensschutz. Diese hätten auf eigenes Risiko gebaut und sich seit der Klageerhebung gegen die Baugenehmigung über drei Jahre darauf einstellen können, dass die Baugenehmigung aufgehoben werden könnte. Umgekehrt bestehe zulasten der Kläger durch das Vorhaben eine gravierende Nachbarrechtsverletzung.

Mit Schreiben vom ... Juni 2014 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie gegen die Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht bauaufsichtlich einschreiten werde. Es liege kein Fall einer Ermessenreduzierung auf Null vor. Eine Beseitigungsanordnung sei, egal ob sie das ganze Gebäude oder nur einen Teil davon betreffe, unverhältnismäßig.

Mit Schreiben vom ... Juli 2014 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten aufrechterhalten werde und bat um den Erlass eines Ablehnungsbescheides.

Am ... Juli 2014 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem das bauaufsichtliche Einschreiten gegen das von den Beigeladenen errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage abgelehnt wurde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Ausübung des Ermessens unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das mildeste Mittel zu wählen sei. Eine vollständige oder auch teilweise Beseitigung sei unverhältnismäßig. Da vom Wohnhaus der Beigeladenen nach Osten und Westen theoretisch die bisher fehlenden Abstandsflächen übernommen werden könnten, könnte für die nördliche, zu den Klägern hin einzuhaltende Abstandsfläche das Schmalseitenprivileg mit H/2 angewandt werden. Bei einer Wandhöhe von 6,60 Metern ergäbe sich demnach eine Abstandsfläche H/2 von 3,30 Metern. Um diese einhalten zu können, müsste die Gebäudehöhe wegen des Grenzabstandes von 3 Metern um 0,60 Meter reduziert werden. Allerdings würde sich bei Ausnutzung der maximal zulässigen Dachneigung von 35° die Firsthöhe von derzeit 8,65 Meter auf 9,90 Meter erhöhen. Damit sei auch eine Teilbeseitigung unverhältnismäßig, weil sich die Situation für die Kläger nicht merklich verbessern würde. Auch wenn das Wohnhaus der Kläger durch das Wohnhaus der Beigeladenen verschattet werde, sei dies für die Kläger noch nicht unzumutbar, da ein Lichteinfallswinkel von 45° eingehalten werde. In diesem Fall gehe die Rechtsprechung von zumutbaren Wohnverhältnissen aus. Daher sei keine Ermessenreduzierung auf Null gegeben, zumal innerhalb eines bebauten innerstädtischen Wohngebiets seitens der Betroffenen immer damit gerechnet werden müsse, dass Nachbargrundstücke durch Ausnutzung des gesetzliche vorgegebenen Rahmens bebaut würden und es dadurch zu einer Verschattung von Grundstücken ober Wohnräumen komme. Eine unzumutbare Verschattung zulasten der Kläger werde bestritten.

Auch im Hinblick auf die behauptete Einsichtsmöglichkeit bestehe keine Unzumutbarkeit, zumal der vorgeschriebene Mindestabstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze eingehalten werde. Ein Anspruch auf Beseitigung allein aufgrund der Einsichtsmöglichkeit des Nachbarn bestehe nicht. Auch eine Nutzungsuntersagung sei unverhältnismäßig, da das Wohnhaus der Beigeladenen für diese den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz darstelle.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 1. August 2014 ließen die Kläger Klage erheben und folgende Anträge stellen:

1. Der Bescheid der Beklagten vom ... 7.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Beigeladenen im Wege des bauaufsichtlichen Einschreitens aufzugeben, das von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage zu beseitigen und bis dahin die Nutzung der vorbezeichneten baulichen Anlage zu untersagen.

3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichteten Einfamilienwohnhaus mit Doppelgarage nach pflichtgemäßen Ermessen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bauaufsichtlich einzuschreiten.

Zur Begründung wurde vorgetragen, es bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null bzgl. eines Einschreitens, da andernfalls das die Baugenehmigung aufhebende Urteil vom 26. Oktober 2011 umgangen würde. Der Rechtsschutz der von dem rücksichtslosen Bauvorhaben betroffenen Nachbarn dürfe sich nicht in der Aufhebung der Genehmigung erschöpfen, wenn der baurechts- und nachbarrechtswidrige Zustand dann weiterhin Bestand haben würde. Zugunsten der beigeladenen Nachbarn greife auch kein Vertrauensschutz, da diese gewarnt gewesen seien und auf eigenes Risiko weiter gebaut hätten.

Der strenge Maßstab bzgl. einer Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gelte gerade nicht bei der Aufhebung einer Baugenehmigung anlässlich einer Nachbarklage. Zumindest hinsichtlich des Entschließungsermessens sei eine Pflicht zum Einschreiten gegeben. Dies gelte gerade dann, wenn die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens festgestellt worden sei, da dies die schwerste Form der Nachbarrechtsverletzung darstelle. Aus diesem Grund könne die Beklagte auch keine Verkürzung der Frage auf die Einhaltung der Abstandsflächen vornehmen, da die Rücksichtslosigkeit eines Bauvorhabens auch bei Einhaltung der Abstandsflächen gegeben sein könne.

Eine mögliche finanzielle Belastung der Bauherren stehe dem nicht entgegen, da sich diese nicht auf Vertrauensschutz berufen könnten. Im vorliegenden Fall verdichte sich das Ermessen der Beklagten aufgrund der besonderen Umstände zu einer vollständigen Beseitigung. Dies treffe die Beigeladenen auch nicht unverhältnismäßig, da auf ihrem Grundstück dennoch eine - dann nachbarverträgliche - Wohnbebauung möglich bleibe. Die Kläger hätten auch einen Anspruch auf die Anordnung einer Nutzungsuntersagung, da aufgrund des massiven und höherliegenden Gebäudekörpers eine extreme Einsehbarkeit des Wohnhauses der Kläger bestehe.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. September 2014

Klageabweisung.

Zur Begründung nahm sie dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie den Verfahren M 9 K 10.5795 und M 9 SN 11.1306 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. März 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten vom ... April 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Insoweit ist die Ablehnung auf bauaufsichtliches Einschreiten im Bescheid vom ... Juli 2014 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Soweit die Beseitigung des gesamten Wohnhauses sowie die Nutzungsuntersagung beantragt worden ist, war die Klage dagegen abzuweisen.

1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ist die Anlage also formell (d. h. ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet) und materiell rechtswidrig und können auch nicht durch Genehmigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden, so ist die Bauaufsichtsbehörde befugt, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (Art. 40 BayVwVfG) deren Beseitigung zu verfügen.

a) Das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen ist formell rechtswidrig. Die Baugenehmigung vom ... September 2010 wurde mit bestandskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Oktober 2011 im Verfahren M 9 K 10.5794 aufgehoben. Eine Baugenehmigung existiert damit nicht.

b) Das bereits errichtete Gebäude ist auch materiell rechtswidrig. Insoweit wird auf die Gründe des zwischen den gleichen Beteiligten ergangenen o.a. Urteils Bezug genommen.

c) Auf andere Weise können rechtmäßige Zustände für das bestehende Wohnhaus in seiner jetzigen Gestalt nicht hergestellt werden.

2. Macht ein Dritter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend, durch eine Anlage in seinen Rechten verletzt zu sein, so hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens. Dabei gelten für die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde die allgemeinen Grundsätze (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 76 Rn. 486 ff. m. w. N.; vgl. auch BayVGH, B. v. 8.3.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 11, 14). Als bauaufsichtliche Maßnahmen kommen insoweit der Erlass einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO und/oder einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 BayBO in Betracht. Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer Beseitigungsanordnung ergibt sich nur dann, wenn im Einzelfall das Ermessen auf Null reduziert ist.

Dies ist hier der Fall. Sowohl in Bezug auf das Entschließungsermessen wie auch die Ausübung des Auswahlermessens ist davon auszugehen, dass nur ein teilweiser Rückbau des Wohnhauses der Beigeladenen als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt.

a) Maßgebend für eine Ermessensreduzierung auf Null ist die Schwere der Nachbarrechtsverletzung. Eine solche ist in jedem Fall gegeben, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Für die Entscheidung von Bedeutung müssen sowohl die Intensität als auch Konkretheit der Drittverletzung sein (BayVGH, U. v. 14.10.1999 - 2 B 95.4182 - juris). Es bedarf also einer Abwägung zwischen der Schwere des Verstoßes und den Folgen einer Beseitigung auf Seiten des Bauherrn einerseits und der Schwere der Nachbarrechtsverletzung auf Seiten des Dritten andererseits. Sollte die Nachbarrechtsverletzung in ihrer Intensität deutlich überwiegen, dann hat der Dritte einen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung. In diesem Fall schrumpft das den Bauaufsichtsbehörden zustehende Ermessen dann zugunsten des betroffenen Grundstücksnachbarn zu einer grundsätzlichen Pflicht zum Einschreiten.

In Ausnahmefällen kann sich dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einem Rechtsanspruch verdichten, nämlich dann, wenn nur eine rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt, also wenn das Ermessen auf Null reduziert ist (Geiger in Birkl, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechts, Rn. E 333). Dies ist dann der Fall, wenn jede andere Entscheidung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Ermessen zum Einschreiten vorliegend auf Null reduziert. Die Kläger sehen sich nicht nur einer geringfügigen Nachbarrechtsverletzung ausgesetzt, sondern sind mit einem massiven Gebäudekörper in unmittelbarer Nähe zu ihrem Grundstück, das die eigene Bebauung massiv überragt, konfrontiert. Bei der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme infolge einer bedrängenden und erdrückenden Wirkung des Baukörpers und die davon ausgehende permanente und massive Verschattung handelt es sich um eine massive Form der Nachbarrechtsverletzung.

Auch in der Gesamtschau der Umstände ist es den Klägern nicht zuzumuten, den Status quo dauerhaft hinzunehmen. Dabei ist auch von Belang, dass sich die Kläger frühzeitig um die Wahrung ihrer Rechte gekümmert haben und auch die Beigeladenen - wenngleich in diesem Zeitpunkt der Rohbau schon fast fertig gestellt war, nach der mündlichen Verhandlung in Verfahren M 9 K 10.5794 auf die Risiken einer Fortsetzung der Bautätigkeit hingewiesen haben. Den Beigeladenen ist zwar zugute zu halten, dass sie auf der Grundlage einer Baugenehmigung mit dem Bau begonnen hatten, dies kann aber nicht zulasten der Kläger gehen.

Spätestens mit den Ergebnissen des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2011 hätte sich den Beigeladenen aufdrängen müssen, dass von ihrem Vorhaben eine rücksichtslose Belastung des klägerischen Anwesens ausgeht und die Baugenehmigung möglicherweise keinen Bestand hat. Dennoch wurde das Vorhaben von den Beigeladenen - trotz einer schriftlichen Aufforderung durch die Beklagte vom ... Juli 2011, keine weiteren Arbeiten auszuführen (Bl. ... BA) - von ihnen zügig fertiggestellt.

c) Die Beklagte hat diese Aspekte, insbesondere die bereits gerichtlich festgestellte Schwere der Nachbarrechtsverletzung in ihrer Entscheidung unberücksichtigt gelassen, indem sie vorrangig auf die Frage der ausreichenden Belichtung abgestellt hat und ist insoweit in ihrer Entscheidung einem Ermessensdefizit unterlegen (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO, Art. 76 Satz 1 und 2 BayBO, Art. 40 BayVwVfG).

3. Die von der Beklagten erneut zu treffende Entscheidung über das weitere bauaufsichtliche Vorgehen bleibt jedoch aufgrund des offenen, wenn auch intendierten Auswahlermessens im Rahmen des Art. 76 BayBO nur einem Verbescheidungsausspruch entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zugänglich; von einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine vollständige Beseitigung der baulichen Anlage kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio bauaufsichtlichen Handelns nicht ausgegangen werden.

a) Die Kammer ist in der vorliegenden Konstellation allerdings bei sachgerechter Abwägung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Kläger und der Beigeladenen der Auffassung, dass nur eine teilweise Beseitigung ermessensgerecht sein kann. Die Beklagte hat in ihrer Entscheidung also festzustellen, auf welche Maße das Vorhaben zurückzubauen ist.

Als Richtgröße zur Verringerung der vom Wohnhaus der Beigeladenen ausgehenden erdrückenden Wirkung hält die Kammer nach den Eindrücken des Augenscheins hier die Einhaltung von H/2 ab der natürlichen Geländeoberkante an der Nordseite des Anwesens der Beigeladenen zum Klägergrundstück hin für sachgerecht. Bezugspunkt ist dabei die Geländeroberfläche des Nachbargrundstücks und nicht des Baugrundstücks, da dieses gerade infolge der massiven Auffüllungen zur abriegelnden Wirkung des auf ihm errichteten Baukörpers beigetragen hat. Dies entspricht auch dem Grundsatz, dass bei der Frage der Abstandsflächen generell von der natürlichen Geländeoberfläche auszugehen ist (Dirnberger, Das Abstandsflächenrecht in Bayern, 3. Auflage 2015, Rn. 140). Aufschüttungen und Abgrabungen verändern - auch wenn sie rechtmäßig im Zuge des Bauvorhabens vorgenommen werden - die natürliche Geländeoberfläche nicht. Die Wandhöhe könnte nach etwa drei Metern wieder auf eine Höhe von 1 H ansteigen. Bei einem solchen Rücksprung ließe sich eine Art Dachterrasse schaffen. Dadurch wäre zugunsten der Kläger die massive Erscheinung des Anwesens der Beigeladenen mit seiner massiven Wandhöhe, die wie bereits im Urteil vom 26. Oktober 2011 ausgeführt, durch die Dachform noch verstärkt wird, soweit abgemildert werden, dass eine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Kläger nicht mehr anzunehmen wäre. Umgekehrt ist für die Beigeladenen eine unter den gegebenen Umständen noch größtmögliche Nutzung ihres Hauses möglich.

Denkbar ist, diesen Rücksprung erst ab der auf Höhe des Klägergrundstücks gelegenen Gebäudehälfte beginnen zu lassen, da die westliche Gebäudeseite weiter vom Klägergrundstück entfernt liegt und von dieser demzufolge keine so massive Wirkung ausgeht.

b) Soweit die Kläger unter Ziffer 2 ihrer Klage die Anordnung der vollständigen Beseitigung bzw. Nutzungsuntersagung beantragt haben, können sie damit nicht durchdringen und war die Klage abzuweisen. Zum einen kann mittels des beschriebenen Vorgehens ein Zustand erreicht werden, bei dem für die Kläger durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück keine rücksichtslose Belastung mehr ausgeht, zum anderen ist bei der Frage der Nutzungsuntersagung zu berücksichtigen, dass eine Untersagung der Nutzung für die Beigeladenen, die ihr Wohnhaus künftig weiter, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Form, nutzen könnten und umgekehrt die Kläger eine Nutzung des Nachbarhauses weiter hinzunehmen haben, nicht sachgerecht wäre.

4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO im Hilfsantrag stattzugeben. Die hälftige Kostenteilung entspricht vorliegend dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen, da seitens der Kläger insbesondere zu berücksichtigen ist, dass sie mit ihrem Antrag auf vollständige Beseitigung und sofortiger Nutzungsuntersagung nicht durchdringen konnten und damit in einem wesentlichen Punkt unterlegen sind.

Die Kostenentscheidung für die Beigeladenen ergibt sich aus § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entsprach es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen haben.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 9 K 14.3343

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 25. März 2015

9. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten; Ermessensreduzierung auf Null (bejaht); Nachbargebäude mit erdrückender Wirkung; Beseitigungsanordnung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P.-Straße ... a, ...

- Kläger -

zu 1. und 2. bevollmächtigt:

Rechtsanwälte ...

gegen

Stadt Ingolstadt, Bauordnungsamt,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Spitalstr. 3, 85049 Ingolstadt

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P. Str. ...

wegen Bauaufsicht Fl. Nr. .../17 (...)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 9. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2015 am 25. März 2015 folgendes

Urteil:

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom ... Juli 2014 verpflichtet, über den Antrag der Kläger vom ... April 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl. Nr. ... /17 (Gemarkung ... ) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klagepartei und die Beklagte jeweils die Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2014, mit dem diese ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... abgelehnt hat.

Die Kläger sind Eigentümer einer Doppelhaushälfte auf dem Grundstück Fl. Nr. .../134, P. Straße ... a, Gemarkung ... in ... Sie wenden sich gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage der Beigeladenen auf dem südlich zu den Klägern angrenzenden Grundstück Fl. Nr. .../17. Dieses Vorhaben wurde mit Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. ... „A. ...“ vom Dezember 2002, der für das Baugebiet ein reines Wohngebiet festsetzte, bauaufsichtlich genehmigt. Entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans hält das Wohnhaus der Beigeladenen an der nördlichen Grundstücksgrenze zu den Klägern einen Abstand von 3 Metern ein und weist die maximal mögliche Wandhöhe bei zwei Geschossen von 6,60 m auf. Bezugspunkt für alle Höhen ist die mittlere Straßenhinterkante der P. Straße.

Das natürliche Gelände liegt nach dem Plan im Süden 1,18 m und im Norden 1,34 m niedriger als das geplante Gelände. Die beiden Grundstücke sind durch eine Befestigungsmauer getrennt, die 1,30 m hoch ist und als Stützmauer dient. Das Gebäude hat ein Zeltdach; die Höhe beträgt ab der festgesetzten Geländehöhe 8,70 Meter.

Etwa einen Monat nach Beginn der Bauarbeiten (Baubeginnanzeige vom ... Oktober 2010) reichten die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht auf Aufhebung der Baugenehmigung ein (Verfahren M 9 K 10.5794). Wegen der weiter voran schreitenden Bauarbeiten beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 2011 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Verfahren M 9 SN 11.1306). Am 20. Juli 2011 nahm das Gericht in beiden Verfahren einen Augenschein ein und verhandelte zur Sache. Dabei wies es darauf hin, dass der Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft sei und das Bauvorhaben eine verschattende Wirkung habe. Auf die Niederschrift vom 20. Juli 2011 wird Bezug genommen.

Am 22. Juli 2011 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, dass angesichts des Gerichtstermins am 20. Juli 2011, bei dem die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht bestätigt worden sei, keine weiteren Arbeiten an den Außenanlagen und am Äußeren des Gebäudes ausgeführt werden dürften, die zu einer Verfestigung der Situation führen könnten.

Mit Schreiben vom gleichen Tag wies der Bevollmächtigte der Kläger die Beigeladenen auf die vom Gericht geäußerte Rechtsmeinung und darauf hin, dass eine Schaffung baurechtskonformer Zustände nur durch eine deutliche Verringerung der Wandhöhe bzw. durch ein Zurücksetzen der nördlichen Hauswand möglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beigeladenen zur Zustimmung zu Vergleichsverhandlungen und zur Einstellung aller weiteren Bauarbeiten auf.

Nachdem das vom Gericht angeregte Mediationsverfahren nicht zustande kam, hob die erkennende Kammer mit Urteil vom 26. Oktober 2011 auf die Nachbarklage der Kläger den Bescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf. In den Gründen des Urteils wurde ausgeführt, dass der Bebauungsplan wegen eines Abwägungsmangels unwirksam sei und auch eine Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht komme, weil sich das Vorhaben nicht in die Umgebung mit den deutlich tiefer liegenden Geländehöhen einfüge und der unmittelbaren Nachbarschaft gegenüber wegen seiner optisch bedrängenden Wirkung unzumutbar und rücksichtslos sei. Das Bauvorhaben habe eine einriegelnde Wirkung und verstoße durch sein Erscheinungsbild als 10 Meter hohes wandartiges Gebäude und wegen der permanenten und gravierenden Verschattung des tiefer liegenden Grundstücks der Kläger gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Mit Schreiben vom ... Juni 2012, eingegangen bei der Beklagten am ... Juni 2012 zeigten die Beigeladenen die Nutzungsaufnahme des Wohnhauses (Einzugstermin: ... Januar 2012) an.

Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (1 ZB 11.2781) vom 20. März 2014 abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden.

Mit Schreiben vom ... April 2014 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des errichteten Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage eine Beseitigungsanordnung zu erlassen und mit sofortiger Wirkung die Nutzung dieser baulichen Anlagen zu untersagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Ermessen der Beklagten aufgrund der Aufhebung der Baugenehmigung durch das Verwaltungsgericht auf Null reduziert sei. Zugunsten der Beigeladenen bestünde kein Vertrauensschutz. Diese hätten auf eigenes Risiko gebaut und sich seit der Klageerhebung gegen die Baugenehmigung über drei Jahre darauf einstellen können, dass die Baugenehmigung aufgehoben werden könnte. Umgekehrt bestehe zulasten der Kläger durch das Vorhaben eine gravierende Nachbarrechtsverletzung.

Mit Schreiben vom ... Juni 2014 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie gegen die Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht bauaufsichtlich einschreiten werde. Es liege kein Fall einer Ermessenreduzierung auf Null vor. Eine Beseitigungsanordnung sei, egal ob sie das ganze Gebäude oder nur einen Teil davon betreffe, unverhältnismäßig.

Mit Schreiben vom ... Juli 2014 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten aufrechterhalten werde und bat um den Erlass eines Ablehnungsbescheides.

Am ... Juli 2014 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem das bauaufsichtliche Einschreiten gegen das von den Beigeladenen errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage abgelehnt wurde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Ausübung des Ermessens unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das mildeste Mittel zu wählen sei. Eine vollständige oder auch teilweise Beseitigung sei unverhältnismäßig. Da vom Wohnhaus der Beigeladenen nach Osten und Westen theoretisch die bisher fehlenden Abstandsflächen übernommen werden könnten, könnte für die nördliche, zu den Klägern hin einzuhaltende Abstandsfläche das Schmalseitenprivileg mit H/2 angewandt werden. Bei einer Wandhöhe von 6,60 Metern ergäbe sich demnach eine Abstandsfläche H/2 von 3,30 Metern. Um diese einhalten zu können, müsste die Gebäudehöhe wegen des Grenzabstandes von 3 Metern um 0,60 Meter reduziert werden. Allerdings würde sich bei Ausnutzung der maximal zulässigen Dachneigung von 35° die Firsthöhe von derzeit 8,65 Meter auf 9,90 Meter erhöhen. Damit sei auch eine Teilbeseitigung unverhältnismäßig, weil sich die Situation für die Kläger nicht merklich verbessern würde. Auch wenn das Wohnhaus der Kläger durch das Wohnhaus der Beigeladenen verschattet werde, sei dies für die Kläger noch nicht unzumutbar, da ein Lichteinfallswinkel von 45° eingehalten werde. In diesem Fall gehe die Rechtsprechung von zumutbaren Wohnverhältnissen aus. Daher sei keine Ermessenreduzierung auf Null gegeben, zumal innerhalb eines bebauten innerstädtischen Wohngebiets seitens der Betroffenen immer damit gerechnet werden müsse, dass Nachbargrundstücke durch Ausnutzung des gesetzliche vorgegebenen Rahmens bebaut würden und es dadurch zu einer Verschattung von Grundstücken ober Wohnräumen komme. Eine unzumutbare Verschattung zulasten der Kläger werde bestritten.

Auch im Hinblick auf die behauptete Einsichtsmöglichkeit bestehe keine Unzumutbarkeit, zumal der vorgeschriebene Mindestabstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze eingehalten werde. Ein Anspruch auf Beseitigung allein aufgrund der Einsichtsmöglichkeit des Nachbarn bestehe nicht. Auch eine Nutzungsuntersagung sei unverhältnismäßig, da das Wohnhaus der Beigeladenen für diese den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz darstelle.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 1. August 2014 ließen die Kläger Klage erheben und folgende Anträge stellen:

1. Der Bescheid der Beklagten vom ... 7.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Beigeladenen im Wege des bauaufsichtlichen Einschreitens aufzugeben, das von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage zu beseitigen und bis dahin die Nutzung der vorbezeichneten baulichen Anlage zu untersagen.

3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichteten Einfamilienwohnhaus mit Doppelgarage nach pflichtgemäßen Ermessen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bauaufsichtlich einzuschreiten.

Zur Begründung wurde vorgetragen, es bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null bzgl. eines Einschreitens, da andernfalls das die Baugenehmigung aufhebende Urteil vom 26. Oktober 2011 umgangen würde. Der Rechtsschutz der von dem rücksichtslosen Bauvorhaben betroffenen Nachbarn dürfe sich nicht in der Aufhebung der Genehmigung erschöpfen, wenn der baurechts- und nachbarrechtswidrige Zustand dann weiterhin Bestand haben würde. Zugunsten der beigeladenen Nachbarn greife auch kein Vertrauensschutz, da diese gewarnt gewesen seien und auf eigenes Risiko weiter gebaut hätten.

Der strenge Maßstab bzgl. einer Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gelte gerade nicht bei der Aufhebung einer Baugenehmigung anlässlich einer Nachbarklage. Zumindest hinsichtlich des Entschließungsermessens sei eine Pflicht zum Einschreiten gegeben. Dies gelte gerade dann, wenn die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens festgestellt worden sei, da dies die schwerste Form der Nachbarrechtsverletzung darstelle. Aus diesem Grund könne die Beklagte auch keine Verkürzung der Frage auf die Einhaltung der Abstandsflächen vornehmen, da die Rücksichtslosigkeit eines Bauvorhabens auch bei Einhaltung der Abstandsflächen gegeben sein könne.

Eine mögliche finanzielle Belastung der Bauherren stehe dem nicht entgegen, da sich diese nicht auf Vertrauensschutz berufen könnten. Im vorliegenden Fall verdichte sich das Ermessen der Beklagten aufgrund der besonderen Umstände zu einer vollständigen Beseitigung. Dies treffe die Beigeladenen auch nicht unverhältnismäßig, da auf ihrem Grundstück dennoch eine - dann nachbarverträgliche - Wohnbebauung möglich bleibe. Die Kläger hätten auch einen Anspruch auf die Anordnung einer Nutzungsuntersagung, da aufgrund des massiven und höherliegenden Gebäudekörpers eine extreme Einsehbarkeit des Wohnhauses der Kläger bestehe.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. September 2014

Klageabweisung.

Zur Begründung nahm sie dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie den Verfahren M 9 K 10.5795 und M 9 SN 11.1306 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. März 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten vom ... April 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Insoweit ist die Ablehnung auf bauaufsichtliches Einschreiten im Bescheid vom ... Juli 2014 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Soweit die Beseitigung des gesamten Wohnhauses sowie die Nutzungsuntersagung beantragt worden ist, war die Klage dagegen abzuweisen.

1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ist die Anlage also formell (d. h. ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet) und materiell rechtswidrig und können auch nicht durch Genehmigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden, so ist die Bauaufsichtsbehörde befugt, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (Art. 40 BayVwVfG) deren Beseitigung zu verfügen.

a) Das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen ist formell rechtswidrig. Die Baugenehmigung vom ... September 2010 wurde mit bestandskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Oktober 2011 im Verfahren M 9 K 10.5794 aufgehoben. Eine Baugenehmigung existiert damit nicht.

b) Das bereits errichtete Gebäude ist auch materiell rechtswidrig. Insoweit wird auf die Gründe des zwischen den gleichen Beteiligten ergangenen o.a. Urteils Bezug genommen.

c) Auf andere Weise können rechtmäßige Zustände für das bestehende Wohnhaus in seiner jetzigen Gestalt nicht hergestellt werden.

2. Macht ein Dritter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend, durch eine Anlage in seinen Rechten verletzt zu sein, so hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens. Dabei gelten für die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde die allgemeinen Grundsätze (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 76 Rn. 486 ff. m. w. N.; vgl. auch BayVGH, B. v. 8.3.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 11, 14). Als bauaufsichtliche Maßnahmen kommen insoweit der Erlass einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO und/oder einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 BayBO in Betracht. Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer Beseitigungsanordnung ergibt sich nur dann, wenn im Einzelfall das Ermessen auf Null reduziert ist.

Dies ist hier der Fall. Sowohl in Bezug auf das Entschließungsermessen wie auch die Ausübung des Auswahlermessens ist davon auszugehen, dass nur ein teilweiser Rückbau des Wohnhauses der Beigeladenen als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt.

a) Maßgebend für eine Ermessensreduzierung auf Null ist die Schwere der Nachbarrechtsverletzung. Eine solche ist in jedem Fall gegeben, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Für die Entscheidung von Bedeutung müssen sowohl die Intensität als auch Konkretheit der Drittverletzung sein (BayVGH, U. v. 14.10.1999 - 2 B 95.4182 - juris). Es bedarf also einer Abwägung zwischen der Schwere des Verstoßes und den Folgen einer Beseitigung auf Seiten des Bauherrn einerseits und der Schwere der Nachbarrechtsverletzung auf Seiten des Dritten andererseits. Sollte die Nachbarrechtsverletzung in ihrer Intensität deutlich überwiegen, dann hat der Dritte einen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung. In diesem Fall schrumpft das den Bauaufsichtsbehörden zustehende Ermessen dann zugunsten des betroffenen Grundstücksnachbarn zu einer grundsätzlichen Pflicht zum Einschreiten.

In Ausnahmefällen kann sich dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einem Rechtsanspruch verdichten, nämlich dann, wenn nur eine rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt, also wenn das Ermessen auf Null reduziert ist (Geiger in Birkl, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechts, Rn. E 333). Dies ist dann der Fall, wenn jede andere Entscheidung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Ermessen zum Einschreiten vorliegend auf Null reduziert. Die Kläger sehen sich nicht nur einer geringfügigen Nachbarrechtsverletzung ausgesetzt, sondern sind mit einem massiven Gebäudekörper in unmittelbarer Nähe zu ihrem Grundstück, das die eigene Bebauung massiv überragt, konfrontiert. Bei der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme infolge einer bedrängenden und erdrückenden Wirkung des Baukörpers und die davon ausgehende permanente und massive Verschattung handelt es sich um eine massive Form der Nachbarrechtsverletzung.

Auch in der Gesamtschau der Umstände ist es den Klägern nicht zuzumuten, den Status quo dauerhaft hinzunehmen. Dabei ist auch von Belang, dass sich die Kläger frühzeitig um die Wahrung ihrer Rechte gekümmert haben und auch die Beigeladenen - wenngleich in diesem Zeitpunkt der Rohbau schon fast fertig gestellt war, nach der mündlichen Verhandlung in Verfahren M 9 K 10.5794 auf die Risiken einer Fortsetzung der Bautätigkeit hingewiesen haben. Den Beigeladenen ist zwar zugute zu halten, dass sie auf der Grundlage einer Baugenehmigung mit dem Bau begonnen hatten, dies kann aber nicht zulasten der Kläger gehen.

Spätestens mit den Ergebnissen des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2011 hätte sich den Beigeladenen aufdrängen müssen, dass von ihrem Vorhaben eine rücksichtslose Belastung des klägerischen Anwesens ausgeht und die Baugenehmigung möglicherweise keinen Bestand hat. Dennoch wurde das Vorhaben von den Beigeladenen - trotz einer schriftlichen Aufforderung durch die Beklagte vom ... Juli 2011, keine weiteren Arbeiten auszuführen (Bl. ... BA) - von ihnen zügig fertiggestellt.

c) Die Beklagte hat diese Aspekte, insbesondere die bereits gerichtlich festgestellte Schwere der Nachbarrechtsverletzung in ihrer Entscheidung unberücksichtigt gelassen, indem sie vorrangig auf die Frage der ausreichenden Belichtung abgestellt hat und ist insoweit in ihrer Entscheidung einem Ermessensdefizit unterlegen (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO, Art. 76 Satz 1 und 2 BayBO, Art. 40 BayVwVfG).

3. Die von der Beklagten erneut zu treffende Entscheidung über das weitere bauaufsichtliche Vorgehen bleibt jedoch aufgrund des offenen, wenn auch intendierten Auswahlermessens im Rahmen des Art. 76 BayBO nur einem Verbescheidungsausspruch entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zugänglich; von einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine vollständige Beseitigung der baulichen Anlage kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio bauaufsichtlichen Handelns nicht ausgegangen werden.

a) Die Kammer ist in der vorliegenden Konstellation allerdings bei sachgerechter Abwägung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Kläger und der Beigeladenen der Auffassung, dass nur eine teilweise Beseitigung ermessensgerecht sein kann. Die Beklagte hat in ihrer Entscheidung also festzustellen, auf welche Maße das Vorhaben zurückzubauen ist.

Als Richtgröße zur Verringerung der vom Wohnhaus der Beigeladenen ausgehenden erdrückenden Wirkung hält die Kammer nach den Eindrücken des Augenscheins hier die Einhaltung von H/2 ab der natürlichen Geländeoberkante an der Nordseite des Anwesens der Beigeladenen zum Klägergrundstück hin für sachgerecht. Bezugspunkt ist dabei die Geländeroberfläche des Nachbargrundstücks und nicht des Baugrundstücks, da dieses gerade infolge der massiven Auffüllungen zur abriegelnden Wirkung des auf ihm errichteten Baukörpers beigetragen hat. Dies entspricht auch dem Grundsatz, dass bei der Frage der Abstandsflächen generell von der natürlichen Geländeoberfläche auszugehen ist (Dirnberger, Das Abstandsflächenrecht in Bayern, 3. Auflage 2015, Rn. 140). Aufschüttungen und Abgrabungen verändern - auch wenn sie rechtmäßig im Zuge des Bauvorhabens vorgenommen werden - die natürliche Geländeoberfläche nicht. Die Wandhöhe könnte nach etwa drei Metern wieder auf eine Höhe von 1 H ansteigen. Bei einem solchen Rücksprung ließe sich eine Art Dachterrasse schaffen. Dadurch wäre zugunsten der Kläger die massive Erscheinung des Anwesens der Beigeladenen mit seiner massiven Wandhöhe, die wie bereits im Urteil vom 26. Oktober 2011 ausgeführt, durch die Dachform noch verstärkt wird, soweit abgemildert werden, dass eine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Kläger nicht mehr anzunehmen wäre. Umgekehrt ist für die Beigeladenen eine unter den gegebenen Umständen noch größtmögliche Nutzung ihres Hauses möglich.

Denkbar ist, diesen Rücksprung erst ab der auf Höhe des Klägergrundstücks gelegenen Gebäudehälfte beginnen zu lassen, da die westliche Gebäudeseite weiter vom Klägergrundstück entfernt liegt und von dieser demzufolge keine so massive Wirkung ausgeht.

b) Soweit die Kläger unter Ziffer 2 ihrer Klage die Anordnung der vollständigen Beseitigung bzw. Nutzungsuntersagung beantragt haben, können sie damit nicht durchdringen und war die Klage abzuweisen. Zum einen kann mittels des beschriebenen Vorgehens ein Zustand erreicht werden, bei dem für die Kläger durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück keine rücksichtslose Belastung mehr ausgeht, zum anderen ist bei der Frage der Nutzungsuntersagung zu berücksichtigen, dass eine Untersagung der Nutzung für die Beigeladenen, die ihr Wohnhaus künftig weiter, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Form, nutzen könnten und umgekehrt die Kläger eine Nutzung des Nachbarhauses weiter hinzunehmen haben, nicht sachgerecht wäre.

4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO im Hilfsantrag stattzugeben. Die hälftige Kostenteilung entspricht vorliegend dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen, da seitens der Kläger insbesondere zu berücksichtigen ist, dass sie mit ihrem Antrag auf vollständige Beseitigung und sofortiger Nutzungsuntersagung nicht durchdringen konnten und damit in einem wesentlichen Punkt unterlegen sind.

Die Kostenentscheidung für die Beigeladenen ergibt sich aus § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entsprach es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen haben.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 9 K 14.3343

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 25. März 2015

9. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten; Ermessensreduzierung auf Null (bejaht); Nachbargebäude mit erdrückender Wirkung; Beseitigungsanordnung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P.-Straße ... a, ...

- Kläger -

zu 1. und 2. bevollmächtigt:

Rechtsanwälte ...

gegen

Stadt Ingolstadt, Bauordnungsamt,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Spitalstr. 3, 85049 Ingolstadt

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1. und 2. wohnhaft: P. Str. ...

wegen Bauaufsicht Fl. Nr. .../17 (...)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 9. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2015 am 25. März 2015 folgendes

Urteil:

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom ... Juli 2014 verpflichtet, über den Antrag der Kläger vom ... April 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl. Nr. ... /17 (Gemarkung ... ) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klagepartei und die Beklagte jeweils die Hälfte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2014, mit dem diese ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... abgelehnt hat.

Die Kläger sind Eigentümer einer Doppelhaushälfte auf dem Grundstück Fl. Nr. .../134, P. Straße ... a, Gemarkung ... in ... Sie wenden sich gegen das Einfamilienhaus mit Doppelgarage der Beigeladenen auf dem südlich zu den Klägern angrenzenden Grundstück Fl. Nr. .../17. Dieses Vorhaben wurde mit Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. ... „A. ...“ vom Dezember 2002, der für das Baugebiet ein reines Wohngebiet festsetzte, bauaufsichtlich genehmigt. Entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans hält das Wohnhaus der Beigeladenen an der nördlichen Grundstücksgrenze zu den Klägern einen Abstand von 3 Metern ein und weist die maximal mögliche Wandhöhe bei zwei Geschossen von 6,60 m auf. Bezugspunkt für alle Höhen ist die mittlere Straßenhinterkante der P. Straße.

Das natürliche Gelände liegt nach dem Plan im Süden 1,18 m und im Norden 1,34 m niedriger als das geplante Gelände. Die beiden Grundstücke sind durch eine Befestigungsmauer getrennt, die 1,30 m hoch ist und als Stützmauer dient. Das Gebäude hat ein Zeltdach; die Höhe beträgt ab der festgesetzten Geländehöhe 8,70 Meter.

Etwa einen Monat nach Beginn der Bauarbeiten (Baubeginnanzeige vom ... Oktober 2010) reichten die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht auf Aufhebung der Baugenehmigung ein (Verfahren M 9 K 10.5794). Wegen der weiter voran schreitenden Bauarbeiten beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 2011 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Verfahren M 9 SN 11.1306). Am 20. Juli 2011 nahm das Gericht in beiden Verfahren einen Augenschein ein und verhandelte zur Sache. Dabei wies es darauf hin, dass der Bebauungsplan abwägungsfehlerhaft sei und das Bauvorhaben eine verschattende Wirkung habe. Auf die Niederschrift vom 20. Juli 2011 wird Bezug genommen.

Am 22. Juli 2011 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, dass angesichts des Gerichtstermins am 20. Juli 2011, bei dem die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht bestätigt worden sei, keine weiteren Arbeiten an den Außenanlagen und am Äußeren des Gebäudes ausgeführt werden dürften, die zu einer Verfestigung der Situation führen könnten.

Mit Schreiben vom gleichen Tag wies der Bevollmächtigte der Kläger die Beigeladenen auf die vom Gericht geäußerte Rechtsmeinung und darauf hin, dass eine Schaffung baurechtskonformer Zustände nur durch eine deutliche Verringerung der Wandhöhe bzw. durch ein Zurücksetzen der nördlichen Hauswand möglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beigeladenen zur Zustimmung zu Vergleichsverhandlungen und zur Einstellung aller weiteren Bauarbeiten auf.

Nachdem das vom Gericht angeregte Mediationsverfahren nicht zustande kam, hob die erkennende Kammer mit Urteil vom 26. Oktober 2011 auf die Nachbarklage der Kläger den Bescheid der Beklagten vom ... September 2010 auf. In den Gründen des Urteils wurde ausgeführt, dass der Bebauungsplan wegen eines Abwägungsmangels unwirksam sei und auch eine Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht komme, weil sich das Vorhaben nicht in die Umgebung mit den deutlich tiefer liegenden Geländehöhen einfüge und der unmittelbaren Nachbarschaft gegenüber wegen seiner optisch bedrängenden Wirkung unzumutbar und rücksichtslos sei. Das Bauvorhaben habe eine einriegelnde Wirkung und verstoße durch sein Erscheinungsbild als 10 Meter hohes wandartiges Gebäude und wegen der permanenten und gravierenden Verschattung des tiefer liegenden Grundstücks der Kläger gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.

Mit Schreiben vom ... Juni 2012, eingegangen bei der Beklagten am ... Juni 2012 zeigten die Beigeladenen die Nutzungsaufnahme des Wohnhauses (Einzugstermin: ... Januar 2012) an.

Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (1 ZB 11.2781) vom 20. März 2014 abgelehnt, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden.

Mit Schreiben vom ... April 2014 beantragte der Bevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des errichteten Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage eine Beseitigungsanordnung zu erlassen und mit sofortiger Wirkung die Nutzung dieser baulichen Anlagen zu untersagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Ermessen der Beklagten aufgrund der Aufhebung der Baugenehmigung durch das Verwaltungsgericht auf Null reduziert sei. Zugunsten der Beigeladenen bestünde kein Vertrauensschutz. Diese hätten auf eigenes Risiko gebaut und sich seit der Klageerhebung gegen die Baugenehmigung über drei Jahre darauf einstellen können, dass die Baugenehmigung aufgehoben werden könnte. Umgekehrt bestehe zulasten der Kläger durch das Vorhaben eine gravierende Nachbarrechtsverletzung.

Mit Schreiben vom ... Juni 2014 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie gegen die Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht bauaufsichtlich einschreiten werde. Es liege kein Fall einer Ermessenreduzierung auf Null vor. Eine Beseitigungsanordnung sei, egal ob sie das ganze Gebäude oder nur einen Teil davon betreffe, unverhältnismäßig.

Mit Schreiben vom ... Juli 2014 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten aufrechterhalten werde und bat um den Erlass eines Ablehnungsbescheides.

Am ... Juli 2014 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem das bauaufsichtliche Einschreiten gegen das von den Beigeladenen errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage abgelehnt wurde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Ausübung des Ermessens unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das mildeste Mittel zu wählen sei. Eine vollständige oder auch teilweise Beseitigung sei unverhältnismäßig. Da vom Wohnhaus der Beigeladenen nach Osten und Westen theoretisch die bisher fehlenden Abstandsflächen übernommen werden könnten, könnte für die nördliche, zu den Klägern hin einzuhaltende Abstandsfläche das Schmalseitenprivileg mit H/2 angewandt werden. Bei einer Wandhöhe von 6,60 Metern ergäbe sich demnach eine Abstandsfläche H/2 von 3,30 Metern. Um diese einhalten zu können, müsste die Gebäudehöhe wegen des Grenzabstandes von 3 Metern um 0,60 Meter reduziert werden. Allerdings würde sich bei Ausnutzung der maximal zulässigen Dachneigung von 35° die Firsthöhe von derzeit 8,65 Meter auf 9,90 Meter erhöhen. Damit sei auch eine Teilbeseitigung unverhältnismäßig, weil sich die Situation für die Kläger nicht merklich verbessern würde. Auch wenn das Wohnhaus der Kläger durch das Wohnhaus der Beigeladenen verschattet werde, sei dies für die Kläger noch nicht unzumutbar, da ein Lichteinfallswinkel von 45° eingehalten werde. In diesem Fall gehe die Rechtsprechung von zumutbaren Wohnverhältnissen aus. Daher sei keine Ermessenreduzierung auf Null gegeben, zumal innerhalb eines bebauten innerstädtischen Wohngebiets seitens der Betroffenen immer damit gerechnet werden müsse, dass Nachbargrundstücke durch Ausnutzung des gesetzliche vorgegebenen Rahmens bebaut würden und es dadurch zu einer Verschattung von Grundstücken ober Wohnräumen komme. Eine unzumutbare Verschattung zulasten der Kläger werde bestritten.

Auch im Hinblick auf die behauptete Einsichtsmöglichkeit bestehe keine Unzumutbarkeit, zumal der vorgeschriebene Mindestabstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze eingehalten werde. Ein Anspruch auf Beseitigung allein aufgrund der Einsichtsmöglichkeit des Nachbarn bestehe nicht. Auch eine Nutzungsuntersagung sei unverhältnismäßig, da das Wohnhaus der Beigeladenen für diese den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz darstelle.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 1. August 2014 ließen die Kläger Klage erheben und folgende Anträge stellen:

1. Der Bescheid der Beklagten vom ... 7.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Beigeladenen im Wege des bauaufsichtlichen Einschreitens aufzugeben, das von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichtete Einfamilienhaus mit Doppelgarage zu beseitigen und bis dahin die Nutzung der vorbezeichneten baulichen Anlage zu untersagen.

3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen hinsichtlich des von ihnen auf dem Grundstück Fl. Nr. .../17 der Gemarkung ... errichteten Einfamilienwohnhaus mit Doppelgarage nach pflichtgemäßen Ermessen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bauaufsichtlich einzuschreiten.

Zur Begründung wurde vorgetragen, es bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null bzgl. eines Einschreitens, da andernfalls das die Baugenehmigung aufhebende Urteil vom 26. Oktober 2011 umgangen würde. Der Rechtsschutz der von dem rücksichtslosen Bauvorhaben betroffenen Nachbarn dürfe sich nicht in der Aufhebung der Genehmigung erschöpfen, wenn der baurechts- und nachbarrechtswidrige Zustand dann weiterhin Bestand haben würde. Zugunsten der beigeladenen Nachbarn greife auch kein Vertrauensschutz, da diese gewarnt gewesen seien und auf eigenes Risiko weiter gebaut hätten.

Der strenge Maßstab bzgl. einer Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten gelte gerade nicht bei der Aufhebung einer Baugenehmigung anlässlich einer Nachbarklage. Zumindest hinsichtlich des Entschließungsermessens sei eine Pflicht zum Einschreiten gegeben. Dies gelte gerade dann, wenn die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens festgestellt worden sei, da dies die schwerste Form der Nachbarrechtsverletzung darstelle. Aus diesem Grund könne die Beklagte auch keine Verkürzung der Frage auf die Einhaltung der Abstandsflächen vornehmen, da die Rücksichtslosigkeit eines Bauvorhabens auch bei Einhaltung der Abstandsflächen gegeben sein könne.

Eine mögliche finanzielle Belastung der Bauherren stehe dem nicht entgegen, da sich diese nicht auf Vertrauensschutz berufen könnten. Im vorliegenden Fall verdichte sich das Ermessen der Beklagten aufgrund der besonderen Umstände zu einer vollständigen Beseitigung. Dies treffe die Beigeladenen auch nicht unverhältnismäßig, da auf ihrem Grundstück dennoch eine - dann nachbarverträgliche - Wohnbebauung möglich bleibe. Die Kläger hätten auch einen Anspruch auf die Anordnung einer Nutzungsuntersagung, da aufgrund des massiven und höherliegenden Gebäudekörpers eine extreme Einsehbarkeit des Wohnhauses der Kläger bestehe.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. September 2014

Klageabweisung.

Zur Begründung nahm sie dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie den Verfahren M 9 K 10.5795 und M 9 SN 11.1306 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. März 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten vom ... April 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Insoweit ist die Ablehnung auf bauaufsichtliches Einschreiten im Bescheid vom ... Juli 2014 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Soweit die Beseitigung des gesamten Wohnhauses sowie die Nutzungsuntersagung beantragt worden ist, war die Klage dagegen abzuweisen.

1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ist die Anlage also formell (d. h. ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet) und materiell rechtswidrig und können auch nicht durch Genehmigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden, so ist die Bauaufsichtsbehörde befugt, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (Art. 40 BayVwVfG) deren Beseitigung zu verfügen.

a) Das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen ist formell rechtswidrig. Die Baugenehmigung vom ... September 2010 wurde mit bestandskräftigem Urteil der erkennenden Kammer vom 26. Oktober 2011 im Verfahren M 9 K 10.5794 aufgehoben. Eine Baugenehmigung existiert damit nicht.

b) Das bereits errichtete Gebäude ist auch materiell rechtswidrig. Insoweit wird auf die Gründe des zwischen den gleichen Beteiligten ergangenen o.a. Urteils Bezug genommen.

c) Auf andere Weise können rechtmäßige Zustände für das bestehende Wohnhaus in seiner jetzigen Gestalt nicht hergestellt werden.

2. Macht ein Dritter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend, durch eine Anlage in seinen Rechten verletzt zu sein, so hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens. Dabei gelten für die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde die allgemeinen Grundsätze (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 76 Rn. 486 ff. m. w. N.; vgl. auch BayVGH, B. v. 8.3.2007 - 1 ZB 06.898 - juris Rn. 11, 14). Als bauaufsichtliche Maßnahmen kommen insoweit der Erlass einer Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO und/oder einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 BayBO in Betracht. Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer Beseitigungsanordnung ergibt sich nur dann, wenn im Einzelfall das Ermessen auf Null reduziert ist.

Dies ist hier der Fall. Sowohl in Bezug auf das Entschließungsermessen wie auch die Ausübung des Auswahlermessens ist davon auszugehen, dass nur ein teilweiser Rückbau des Wohnhauses der Beigeladenen als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt.

a) Maßgebend für eine Ermessensreduzierung auf Null ist die Schwere der Nachbarrechtsverletzung. Eine solche ist in jedem Fall gegeben, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt. Für die Entscheidung von Bedeutung müssen sowohl die Intensität als auch Konkretheit der Drittverletzung sein (BayVGH, U. v. 14.10.1999 - 2 B 95.4182 - juris). Es bedarf also einer Abwägung zwischen der Schwere des Verstoßes und den Folgen einer Beseitigung auf Seiten des Bauherrn einerseits und der Schwere der Nachbarrechtsverletzung auf Seiten des Dritten andererseits. Sollte die Nachbarrechtsverletzung in ihrer Intensität deutlich überwiegen, dann hat der Dritte einen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung. In diesem Fall schrumpft das den Bauaufsichtsbehörden zustehende Ermessen dann zugunsten des betroffenen Grundstücksnachbarn zu einer grundsätzlichen Pflicht zum Einschreiten.

In Ausnahmefällen kann sich dieser Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu einem Rechtsanspruch verdichten, nämlich dann, wenn nur eine rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt, also wenn das Ermessen auf Null reduziert ist (Geiger in Birkl, Praxishandbuch des Bauplanungs- und Immissionsschutzrechts, Rn. E 333). Dies ist dann der Fall, wenn jede andere Entscheidung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Ermessen zum Einschreiten vorliegend auf Null reduziert. Die Kläger sehen sich nicht nur einer geringfügigen Nachbarrechtsverletzung ausgesetzt, sondern sind mit einem massiven Gebäudekörper in unmittelbarer Nähe zu ihrem Grundstück, das die eigene Bebauung massiv überragt, konfrontiert. Bei der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme infolge einer bedrängenden und erdrückenden Wirkung des Baukörpers und die davon ausgehende permanente und massive Verschattung handelt es sich um eine massive Form der Nachbarrechtsverletzung.

Auch in der Gesamtschau der Umstände ist es den Klägern nicht zuzumuten, den Status quo dauerhaft hinzunehmen. Dabei ist auch von Belang, dass sich die Kläger frühzeitig um die Wahrung ihrer Rechte gekümmert haben und auch die Beigeladenen - wenngleich in diesem Zeitpunkt der Rohbau schon fast fertig gestellt war, nach der mündlichen Verhandlung in Verfahren M 9 K 10.5794 auf die Risiken einer Fortsetzung der Bautätigkeit hingewiesen haben. Den Beigeladenen ist zwar zugute zu halten, dass sie auf der Grundlage einer Baugenehmigung mit dem Bau begonnen hatten, dies kann aber nicht zulasten der Kläger gehen.

Spätestens mit den Ergebnissen des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2011 hätte sich den Beigeladenen aufdrängen müssen, dass von ihrem Vorhaben eine rücksichtslose Belastung des klägerischen Anwesens ausgeht und die Baugenehmigung möglicherweise keinen Bestand hat. Dennoch wurde das Vorhaben von den Beigeladenen - trotz einer schriftlichen Aufforderung durch die Beklagte vom ... Juli 2011, keine weiteren Arbeiten auszuführen (Bl. ... BA) - von ihnen zügig fertiggestellt.

c) Die Beklagte hat diese Aspekte, insbesondere die bereits gerichtlich festgestellte Schwere der Nachbarrechtsverletzung in ihrer Entscheidung unberücksichtigt gelassen, indem sie vorrangig auf die Frage der ausreichenden Belichtung abgestellt hat und ist insoweit in ihrer Entscheidung einem Ermessensdefizit unterlegen (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO, Art. 76 Satz 1 und 2 BayBO, Art. 40 BayVwVfG).

3. Die von der Beklagten erneut zu treffende Entscheidung über das weitere bauaufsichtliche Vorgehen bleibt jedoch aufgrund des offenen, wenn auch intendierten Auswahlermessens im Rahmen des Art. 76 BayBO nur einem Verbescheidungsausspruch entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zugänglich; von einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine vollständige Beseitigung der baulichen Anlage kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio bauaufsichtlichen Handelns nicht ausgegangen werden.

a) Die Kammer ist in der vorliegenden Konstellation allerdings bei sachgerechter Abwägung und Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Kläger und der Beigeladenen der Auffassung, dass nur eine teilweise Beseitigung ermessensgerecht sein kann. Die Beklagte hat in ihrer Entscheidung also festzustellen, auf welche Maße das Vorhaben zurückzubauen ist.

Als Richtgröße zur Verringerung der vom Wohnhaus der Beigeladenen ausgehenden erdrückenden Wirkung hält die Kammer nach den Eindrücken des Augenscheins hier die Einhaltung von H/2 ab der natürlichen Geländeoberkante an der Nordseite des Anwesens der Beigeladenen zum Klägergrundstück hin für sachgerecht. Bezugspunkt ist dabei die Geländeroberfläche des Nachbargrundstücks und nicht des Baugrundstücks, da dieses gerade infolge der massiven Auffüllungen zur abriegelnden Wirkung des auf ihm errichteten Baukörpers beigetragen hat. Dies entspricht auch dem Grundsatz, dass bei der Frage der Abstandsflächen generell von der natürlichen Geländeoberfläche auszugehen ist (Dirnberger, Das Abstandsflächenrecht in Bayern, 3. Auflage 2015, Rn. 140). Aufschüttungen und Abgrabungen verändern - auch wenn sie rechtmäßig im Zuge des Bauvorhabens vorgenommen werden - die natürliche Geländeoberfläche nicht. Die Wandhöhe könnte nach etwa drei Metern wieder auf eine Höhe von 1 H ansteigen. Bei einem solchen Rücksprung ließe sich eine Art Dachterrasse schaffen. Dadurch wäre zugunsten der Kläger die massive Erscheinung des Anwesens der Beigeladenen mit seiner massiven Wandhöhe, die wie bereits im Urteil vom 26. Oktober 2011 ausgeführt, durch die Dachform noch verstärkt wird, soweit abgemildert werden, dass eine erdrückende Wirkung auf das Grundstück der Kläger nicht mehr anzunehmen wäre. Umgekehrt ist für die Beigeladenen eine unter den gegebenen Umständen noch größtmögliche Nutzung ihres Hauses möglich.

Denkbar ist, diesen Rücksprung erst ab der auf Höhe des Klägergrundstücks gelegenen Gebäudehälfte beginnen zu lassen, da die westliche Gebäudeseite weiter vom Klägergrundstück entfernt liegt und von dieser demzufolge keine so massive Wirkung ausgeht.

b) Soweit die Kläger unter Ziffer 2 ihrer Klage die Anordnung der vollständigen Beseitigung bzw. Nutzungsuntersagung beantragt haben, können sie damit nicht durchdringen und war die Klage abzuweisen. Zum einen kann mittels des beschriebenen Vorgehens ein Zustand erreicht werden, bei dem für die Kläger durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück keine rücksichtslose Belastung mehr ausgeht, zum anderen ist bei der Frage der Nutzungsuntersagung zu berücksichtigen, dass eine Untersagung der Nutzung für die Beigeladenen, die ihr Wohnhaus künftig weiter, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Form, nutzen könnten und umgekehrt die Kläger eine Nutzung des Nachbarhauses weiter hinzunehmen haben, nicht sachgerecht wäre.

4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO im Hilfsantrag stattzugeben. Die hälftige Kostenteilung entspricht vorliegend dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen, da seitens der Kläger insbesondere zu berücksichtigen ist, dass sie mit ihrem Antrag auf vollständige Beseitigung und sofortiger Nutzungsuntersagung nicht durchdringen konnten und damit in einem wesentlichen Punkt unterlegen sind.

Die Kostenentscheidung für die Beigeladenen ergibt sich aus § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entsprach es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen haben.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.