Verwaltungsgericht München Beschluss, 02. März 2017 - M 7 M 17.508

02.03.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.

Am 8. März 2016 erhob der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, in eigener Sache Klage (M 7 K 16.1144) mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, die über ihn in der Vorgangsverwaltung der bayerischen Polizei (IGVP) zu einem Vorfall am … Januar 2014 gespeicherten Daten zu löschen.

Der Antragsgegner teilte zunächst mit Schreiben vom 10. Juni 2016 mit, dass er zwischenzeitlich sichergestellt habe, dass der streitgegenständliche Vorgang nicht mehr sichtbar bzw. abrufbar sei, und außer für Zwecke des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur umfassenden Aufklärung der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ nicht mehr verwendet werden könne. Nach Ablauf dieses Löschmoratoriums werde der Vorgang endgültig aus der Vorgangsverwaltung gelöscht bzw. vernichtet. Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 erklärte der Antragsteller, dass die Abgabe einer Erledigungserklärung nicht in Betracht komme, weil die polizeilichen Angaben weder bewiesen noch einem Beweis zugänglich seien, und verfolgte sein Löschungsbegehren weiter. Mit Schreiben vom 6. Juli 2016 teilte der Antragsgegner mit, dass sich zwischenzeitlich eine technische Möglichkeit ergeben habe, den streitgegenständlichen Vorgang physikalisch löschen zu lassen. Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 teilte der Antragsgegner auf Bitte des Gerichts mit, dass das Bayerische Landeskriminalamt den Datensatz am 5. Juli 2016 gelöscht habe.

Daraufhin erklärte der Antragsteller das Verfahren am 1. August 2016 für erledigt. Nach Zustimmung und Kostenübernahme durch den Antragsgegner stellte das Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 16. August 2016 ein und erlegte dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auf.

Am 23. August 2016 beantragte der Antragsteller, die Kosten, darunter eine 1,3-fache Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m Nr. 3100 VV in Höhe von 393,90 EUR und eine 1,0-fache Erledigungsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 1003, 1002 VV in Höhe von 303,00 EUR, festzusetzen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2016 lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Festsetzung der Erledigungsgebühr ab, da eine besondere, auf die Erledigung ohne Urteil gerichtete Tätigkeit, die in einer Verhandlung mit der Verwaltungsbehörde oder auch in einem Einwirken auf den Auftraggeber bestehen könne, weder aus der Akte noch dem Kostenfestsetzungsantrag erkennbar sei.

Gegen den am 5. September 2016 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss beantragte der Antragsteller am 7. September 2016 die Entscheidung des Gerichts. Die Erledigungsgebühr sei angefallen. Er habe mit Schreiben vom 27. Juni 2016 die Bitte um Abgabe einer Erledigungserklärung zurückgewiesen und den Bayerischen Datenschutzbeauftragten, eine Verwaltungsbehörde, um Stellungnahme zu dem angeblichen Löschmoratorium gebeten, deren Hintergründe dieser erst auf seine nochmalige Anfrage hin erläutert habe. Weiter habe er mitgeteilt, dass das ministerielle Löschmoratorium vom 23. November 2015 einer Löschung nicht entgegenstehe.

Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom 9. Februar 2017 dem Gericht zur Entscheidung vor.

Der Antragsteller wies mit Schreiben vom 28. Februar 2017 nochmals auf die Einholung der Stellungnahme des Bayerischen Datenschutzbeauftragten und eine weitere Auskunft aus der polizeilichen Vorgangsverwaltung hin. Der Antragsgegner äußerte sich nicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.

I.

Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2016 entscheidet der Berichterstatter, da hierüber in der Besetzung des Gerichts zu entscheiden ist, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B. v. 19. Januar 2007 - 24 C 06.2426 - juris Rn 18). Die Kostenentscheidung im vorbereitenden Verfahren vom 16. August 2016 hat gem. § 87a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 3 VwGO der Berichterstatter getroffen.

Die gem. §§ 165, 151 VwGO statthafte und fristgerecht erhobene Erinnerung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Dem Antragsteller steht die Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) nicht zu. Hiernach entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts aufgrund anwaltlicher Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich - was hier einschlägig ist - eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Eine Mitwirkung bei der Erledigung im Sinn von Nr. 1002 VV RVG setzt eine besondere, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat und die auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist (BayVGH, B. v. 30. Dezember 2016 - 15 C 16.1973 - juris Rn 15 m. zahlreichen w.N.). Der Bevollmächtigte muss die Erledigung dabei nicht überwiegend oder allein herbeigeführt, sondern lediglich einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag dazu geleistet haben (BayVGH, aaO). Dies ist dann der Fall, wenn seine Tätigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre (BayVGH, aaO). Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung in einer besonderen Tätigkeit des Bevollmächtigten liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht (BayVGH, aaO).

Vorliegend ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller, der im Laufe des Klageverfahrens lediglich an seinem Löschungsbegehren festgehalten und seine Klage begründet hat, über die allgemeine Verfahrensförderung hinaus kausal an der unstreitigen Erledigung mitgewirkt hat. Auf die Mitteilung des Antragsgegners vom 10. Juni 2016 hin, hat er erklärt, dass es ihm nicht genüge, wenn der streitgegenständliche Datensatz nicht sichtbar bzw. nicht abrufbar ist, sondern auf dessen Löschung bestanden. Soweit sich der Antragsteller mit dem Vortrag des Antragsgegners auseinandergesetzt hat, geht dies nicht über eine mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Erwiderung auf eine Klageerwiderung hinaus. Der Schriftwechsel mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz, den er um Stellungnahme zu dem Schreiben des Antragsgegners und dem Löschmoratorium ersucht hat, hat nicht zur unstreitigen Erledigung beigetragen. Denn in seinem Schreiben vom 23. Juni 2016 hat der Landesdatenschutzbeauftragte im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren von einer Stellungnahme abgesehen und in seinem Schreiben vom 15. Juli 2016 auf die bereits zehn Tage zuvor erfolgte Datenlöschung durch die Polizei Bezug genommen. Dass der Datenschutzbeauftragte im Sinne des Antragstellers Einfluss genommen, etwa auf die Polizeibehörden mit dem Ziel einer Datenlöschung eingewirkt hätte, ergibt sich weder aus diesen Schreiben noch aus dem Vortrag des Antragstellers oder sonstigen Hinweisen in der Akte.

Ebenso wenig ist ein Zusammenhang zwischen dem weiteren Auskunftsantrag vom 16. Juni 2016, der Negativauskunft zum Bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) sowie der Auskunft aus der Vorgangsverwaltung (IGVP), beide vom 20. Juni 2016, und der Löschung des streitgegenständlichen Datensatzes zu erkennen.

Vielmehr stellt sich die Situation so dar, dass der Antragsgegner von sich aus bereit war, dem mit der Klage verfolgten Begehren vor Ablauf des Löschmoratoriums nachzukommen. Er hat die Löschung bereits am 5. Juli 2016 vorgenommen. Zu dem Schreiben vom 20. Juli 2016, das eine Erledigungserklärung ermöglicht hat, ist es gekommen, weil der Antragsgegner seine erste Mitteilung vom 6. Juli 2016, dass eine technische Möglichkeit zur Bewirkung der Löschung gefunden sei, auf Bitte des Gerichts mit Schreiben vom 20. Juli 2016 dahin präzisiert bzw. ergänzt hat, dass auch der Vollzug bereits erfolgt sei.

Die bloße Abgabe der Erledigungserklärung als prozessbeendende Erklärung begründet keine Tätigkeit, die über die allgemeine Verfahrensförderung eines Prozessbevollmächtigten hinausführt. Zwar führen die übereinstimmenden Prozesserklärungen, die Hauptsache für erledigt zu erklären, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist, zu einer Beendigung des Rechtsstreits. Doch stellt diese Prozesserklärung als solche nicht das erledigende Ereignis dar, an welchem der Bevollmächtigte in besonderer Weise mitgewirkt haben muss, um in den Genuss einer Erledigungsgebühr zu kommen (BayVGH, B. v. 18. Mai 2015 - 2 C 14.2703 - juris Rn 15).

Damit war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 165 Rn 10), eine Streitwertfestsetzung deshalb entbehrlich.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 2 Höhe der Vergütung


(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). (2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 13 Wertgebühren


(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem Gegen- standswert bis ... Eurofür jeden angefangenen Betrag von weiteren ... Euroum ... E

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 151


Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 165


Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.

Referenzen

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

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Betrag von
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um
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2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
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über
500 000

50 000

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Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

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Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.

Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. §§ 147 bis 149 gelten entsprechend.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.