I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die drohende Überstellung nach Ungarn im Rahmen des sogenannten Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste eigenen Angaben zufolge am .... Oktober 2014 über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland ein. Bei seiner Anhörung am 27. November 2014 gab er an, in Ungarn im September 2014 Asylantrag gestellt zu haben.
Am … Dezember 2014 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an Ungarn, welches mit Schreiben vom … Januar 2015 die Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO bejahte.
Mit Bescheid vom … März 2015 lehnte das Bundesamt für ... (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Mit Schriftsatz vom … März 2015, beim Verwaltungsgericht München am selben Tag eingegangen, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage und beantragte gleichzeitig gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsbegründung stellte insbesondere auf die am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen ungarischen Gesetzesänderungen ab, die weit gefasste Haftgründe vorsähen. Im Übrigen lebe der Bruder des Antragstellers als international anerkannter Schutzbedürftiger in Deutschland. Eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Art. 9 Dublin-III-VO ergebe sich auch daraus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Die danach vorzunehmende Abwägung des sich aus § 75 Abs. 1 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin hat sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt.
Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Für die Prüfung des am ... Dezember 2014 (erneut) in Deutschland gestellten Asylantrags ist gemäß Art. 18 Abs. 1 b VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und Rates vom 26. Juni 2013 -Dublin-III-VOUngarn zuständig, da der Antragsteller dort im September 2014 einen Asylantrag gestellt hat. Ungarn hat mit Schreiben vom … Januar 2015 dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben.
Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet trotz der Zuständigkeit Ungarns den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
Von Verfassungs wegen kommt eine Prüfungspflicht der Antragsgegnerin nur in Betracht, soweit ein von vornherein außerhalb der Reichweite des Konzepts der normativen Vergewisserung liegender Sachverhalt gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93) ist dies - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die, für die Qualifizierung des Drittstaates als sicher, maßgeblichen Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalles sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen.
Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21. Dezember 2011 C-411/10 und C-493/10) ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtscharta) dahin auszulegen, dass es den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat im Sinne der Dublin-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.
Derartige Verhältnisse sieht das Gericht zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für Ungarn als nicht gegeben. Aufgrund des vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn liegen für das Gericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller im Fall seiner Überstellung in diesen Mitgliedsstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, ausgehend von systemischen Mängeln des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden.
Zwar ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen, dass die Aufnahme-, die Lebens- und die Unterbringungsbedingungen aufgrund der hohen Zahl der Asylsuchenden in Ungarn teilweise unzureichend sind. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßig Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert (vgl. Bericht d. Ungarischen Helsinki-Komitees v. 1. Juli 2013, Bericht des UNHCR, Ungarn als Asylland vom April 2012, update Dezember 2012). Diese Mängel des ungarischen Asylverfahrens wurden jedoch mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen zum Januar 2013 erheblich entschärft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom .... Juni 2013 (… gegen Österreich - 2283/12) nach Auswertung umfangreicher Stellungnahmen des UNHCR und anderer Stellen festgestellt, dass der Beschwerdeführer gerade im Hinblick auf die mögliche Inhaftierung nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliegen würde, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu sein, die Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletze.
Auch der EuGH sieht in der Entscheidung Abdullahi (U.v. 10.12.2013 - C 394/12) keine Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens in Ungarn.
Der EGMR kommt in der Entscheidung vom 3. Juli 2014 (71932/12 – … gegen Österreich, abrufbar bei RIS) unter Berücksichtigung aktueller Berichte der Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zum Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Ungarn für Asylbewerber auch unter Berücksichtigung des zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen ungarischen Asylgesetzes einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen. Auch das Österreichische Bundesverwaltungsgericht verneint unter ausführlicher Würdigung aktueller Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der Einzelheiten des am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen ungarischen Asylgesetzes eine Verletzung von Art. 4 Grundrechtscharta bzw. von Art. 3 EMRK bei einer Rückführung nach Ungarn (B.v. 4.12.2014 - W 192 2014566-1 - abrufbar bei RIS).
Diese Einschätzung, der sich das Gericht anschließt, wird auch nicht durch neuere Erkenntnisse widerlegt. Im Bericht des UNHCR vom 30. September 2014 an das VG Düsseldorf wird insbesondere nicht dargelegt, dass die ungarischen Behörden (wieder) exzessiv von der Möglichkeit der Inhaftierung von Asylsuchenden Gebrauch machen. Vielmehr spricht die dort für das erste Halbjahr des Kalenderjahres 2014 genannte Zahl der Inhaftierungen (Inhaftierung von 25% aller Asylsuchenden und 40% der männlichen Asylbewerber) in etwa den vom EGMR im Urteil vom 3. Juli 2014 zugrunde gelegten Inhaftierungszahlen (26% aller Asylbewerber und 42% der männlichen Asylbewerber). Dies wird im Übrigen auch durch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom … November 2014 an das VG München bestätigt.
In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu beachten, dass auch die Richtlinie 2013/33 (EU) - EU-Aufnahmerichtlinie - die Möglichkeit zur Inhaftierung von Asylantragstellern grundsätzlich vorsieht (Erwägungsgründe 15 – 20 sowie Art. 8 – 11) und in ihrer Entsprechung auch nach den ungarischen Regelungen die Inhaftierung nicht die Folge der Stellung eines Asylantrags ist, sondern der Umstände, die das individuelle Verhalten des Antragstellers vor und bei der Antragstellung kennzeichnen.
Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen für Dublin-Rückkehrer nach Ungarn systematisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung darstellen. Dies ergibt sich nicht aus der Auskunft von Pro Asyl vom 31. Oktober 2014 an das VG Düsseldorf und der Auskunft des UNHCR vom 30. September 2014 an das VG Düsseldorf.
Denn auch in diesen Erkenntnissen wird ausgeführt, dass die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und hygienischen Bedürfnisse) in Ungarn auch während der Haft in einer noch zumutbaren Weise erfüllt werden. So können sich die Asylbewerber in den Haftanstalten frei bewegen, erhalten dort regelmäßig Mahlzeiten und es gibt keine Überbelegung der Haftanstalten; auch die ärztliche Grundversorgung ist dort jedenfalls sichergestellt (so auch Auswärtiges Amt vom 19.11.2014). Dass die hygienischen Einrichtungen in Teilbereichen defizitär sein mögen und die Art der Ernährung wenig befriedigend sein mag, wie dies im Übrigen auch bei einem nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt nicht allein die Annahme, dass die Haftbedingungen generell nicht menschenwürdig sind.
Dementsprechend hat der UNHCR, dessen Aussagen bei der Prüfung der Frage, ob das Asylsystem eines Mitgliedsstaats den Anforderungen gerecht wird, eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. EuGH U.v. 30.5.2013 – C-528/11) auch angesichts der von ihm selbst aufgezeigten Unzulänglichkeiten nach wie vor den Mitgliedstaaten nicht empfohlen, von einer Rückführung von Asylbewerbern bzw. Dublin-Rückkehrern nach Ungarn abzusehen.
Auch der Pressebericht des Ungarischen Helsinki-Komitees vom 4. März 2015, der angesichts der gestiegenen Zahl von Asylbewerbern in Ungarn seit September 2014 von Plänen der Regierung zur Verschärfung des Asylverfahrens berichtet, vermag keinen tatsächlichen Anhaltspunkte für eine veränderte Situation zu begründen.
Auf das Urteil des VG Düsseldorf vom 31. März 2015, Az. 13 L 229/15.A sowie vom 20. März 2015, Az. 13 K 501/14.A (beide juris) wird ergänzend Bezug genommen.
Nach der mit dem streitgegenständlichen Bescheid geklärten Zuständigkeit Ungarns für die Behandlung des Asylantrags, kann die Antragsgegnerin die Überstellung nach Art. 7 VO (EG) Nr. 1560/2003 v. 2.9.2003 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 v. 30.1.2014 - DVO Dublin-III - durchführen. Dabei hat sie auch das bisherige Verhalten des Antragstellers, dieser ist nach der Stellung des Asylantrags in Ungarn untergetaucht, zu berücksichtigen.
Eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 9 der Dublin-III-VO. Als Familienangehöriger in diesem Sinne gelten ausweislich der gesetzlichen Definition in Art. 2 Buchst. g nicht die Geschwister eines Antragstellers.
Der Antrag ist somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.