Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. Dez. 2018 - M 2 S 18.2234

bei uns veröffentlicht am06.12.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 (Geschäftszeichen ...) wird wiederhergestellt, soweit sie die Verpflichtung des Antragstellers betreffen, den H. im Bereich der Grundstücke FlNrn. …, … und … der Gemarkung … soweit zurückzubauen, dass zum vorbeiführenden öffentlichen Feld- und Waldweg ein sog. Vorgewende in einer Tiefe von 6,00 m eingehalten ist.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffern 4 und 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 wird wiederhergestellt.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffern 8, 9, 10 und 11 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller 2/6 und die Antragsgegnerin 4/6 zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen straßenrechtlichen Untersagungsbescheid.

Der Antragsteller betreibt eine Landwirtschaft, die insbesondere Hopfenanbau zum Gegenstand hat. Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. …, …, … und … der Gemarkung …, auf denen er jeweils einen Hopfengarten errichtet hat. Weiterhin hat der Antragsteller die Grundstücke FlNrn. … und … der Gemarkung … gepachtet, auf denen sich ein Hopfengarten befindet, den er bewirtschaftet.

An die Grundstücke FlNrn. …, … und … der Gemarkung … grenzt der im Bestandsverzeichnis der Gemeinde … eingetragene nicht ausgebaute öffentliche Feld- und Waldweg „… Feldweg II“, Grundstück FlNr. … der Gemarkung …, an. Das Wegegrundstück steht im Eigentum der Gemeinde … An die Grundstücke FlNrn. …, … und … der Gemarkung … grenzt die im Bestandsverzeichnis der Gemeinde … eingetragene Gemeindeverbindungsstraße “ …“, Grundstücke FlNrn. …, …, … und … der Gemarkung …, an.

Mit Bescheid vom 16. März 2018 verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller, die teilweise Überbauung des öffentlichen Feld- und Waldwegs „… Feldweg II“ zu beseitigen und den auf den Grundstücken FlNrn. …, … und … der Gemarkung … errichteten Hopfengarten soweit zurückzubauen, dass zum vorbeiführenden öffentlichen Feld- und Waldweg ein sog. Vorgewende in einer Tiefe von 6,00 m eingehalten ist (Ziffer 1 und 2). In Ziffer 4 und 5 verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller, die auf den Grundstücken FlNrn. …, … und … der Gemarkung … errichtete Zaunanlage sowie die eingebauten Ankeranlagen soweit zu versetzen, dass ein Mindestabstand von 1,00 m Gemeindeverbindungsstraße “ …“ eingehalten ist. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Ziffer 7). In Ziffer 8 und 9 wurde für den Fall, dass der Antragsteller den Verpflichtungen aus Ziffer 1 und 2 nicht nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 1.000 €, für den Fall, dass er den Verpflichtungen aus Ziffer 4 und 5 nicht nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 500 € angedroht. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Anordnungen der Beseitigung von Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dienten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. April 2018 Klage (M 2 K 18.1706). Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 ließ er weiterhin beantragen,

Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Gemeinde … vom 16. März 2018 wird hinsichtlich Ziffer 1, 2, 4 und 5 wiederhergestellt, hinsichtlich Ziffer 8, 9, 10 und 11 angeordnet.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass es schon an einer ausreichenden Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO fehle. Der öffentliche Feld- und Waldweg FlNr. … sei für eine Befahrung grundsätzlich nicht geeignet. Der Weg sei in Natura bereits seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr vorhanden, sodass jedenfalls Verjährung und Verwirkung etwaiger Ansprüche eingetreten seien. Mittlerweile sei auch die Einziehung bei der Antragsgegnerin beantragt worden. Eine Beeinträchtigt der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sei weder am öffentlichen Feld und Waldweg, noch an der Gemeindeverbindungsstraße erkennbar.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 18. Mai 2018, den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2018 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf den Sachvortrag des Antragstellers, die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides und die Niederschrift des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2018 in diesem Verfahren und im Verfahren M 2 K 18.1706 Bezug genommen.

II.

I.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig.

Wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer 7 des streitgegenständlichen Bescheids hat die Klage des Antragstellers keine aufschiebende Wirkung. Gleiches gilt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung. In solchen Fällen kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen bzw. anordnen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch überwiegend begründet.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 hat Erfolg, soweit die Verpflichtung des Antragstellers angeordnet wird, den Hopfengarten im Bereich der Grundstücke FlNrn. …, … und … der Gemarkung … soweit zurückzubauen, dass zum vorbeiführenden öffentlichen Feld- und Waldweg ein sog. Vorgewende in einer Tiefe von 6,00 m eingehalten ist. Soweit in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 die Verpflichtung des Antragstellers angeordnet wird, die Überbauung des öffentlichen Feld- und Waldwegs zu beseitigen, ist der Antrag dagegen unbegründet. Weiterhin hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffern 4 und 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 Erfolg.

Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Entscheidung hat das Gericht eine eigene, originäre Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage zu treffen. Das Gericht hat insoweit eine Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides gegeneinander abzuwägen sind. Hierbei kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine besondere Bedeutung zu, soweit diese im Rahmen der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage beurteilt werden können.

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist formal nicht zu beanstanden. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt hier insoweit den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, als die Antragsgegnerin festgestellt hat, dass ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht, dass die durch den Überbau des Hopfengartens auf dem öffentlichen Feld- und Waldweg bzw. die durch die errichteten Zaun- und Ankeranlagen unmittelbar am Fahrbahnrand bzw. zum Teil auf der Gemeindeverbindungsstraße verursachten Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beseitigt werden. Im Bereich des Sicherheitsrechts ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren. An den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, wenn der Sofortvollzug zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs ist zwar knapp, nach den dargestellten Maßstäben jedoch noch ausreichend. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die von der Behörde gegebene Begründung dem entscheidenden Gericht auch als richtig und überzeugend erscheint, sondern allein darauf, ob die vorgenannten Kriterien einer einzelfallbezogenen Begründung in formeller Hinsicht erfüllt worden sind. Die inhaltliche Richtigkeit der Begründung ist erst später im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen (SächsOVG, B.v. 7.1.2014 - F 7 B 363/13; OVG NRW, B.v. 22.1.2001 - 19 B 1757/00, NJW 2001, 3427).

2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung, sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass die Anordnungen in Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018 die Überbauung des öffentlichen Feld- und Waldwegs „… * … Feldweg II“ zu beseitigen, rechtmäßig sind und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Bei dem streitgegenständlichen Weg handelt es sich um einen nicht ausgebauten öffentlichen Feld- und Waldweg im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 53 Nr. 1, Art. 54 Abs. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG). Der Weg wurde mit Eintragungsverfügung vom 14. Juli 1988 in das Bestandsverzeichnis für öffentliche Feld- und Waldwege der Gemeinde … aufgenommen und verläuft auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … Hinweise darauf, dass dieses Bestandsverzeichnis nicht wirksam sein könnte, liegen nicht vor.

Der Verbotstatbestand des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG ist erfüllt. Danach dürfen unter anderem Anpflanzungen aller Art und ähnliche mit dem Grundstück nicht festverbundene Gegenstände nicht angelegt werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Die Anordnung ihrer Beseitigung ist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) grundsätzlich zulässig. Sofern man die Eingriffsbefugnis unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG herleitet, ändert dies am Ergebnis nichts (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2009 - 8 ZB 09.469 - juris Rn. 8, grundlegend zum Ganzen: B.v. 15.12.2004 - 8 B 04.1524 - juris Rn. 21 ff.; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand Januar 2018, Art. 29 Rn. 28).

Das Gerüst des H. des Antragstellers erstreckt sich über den im Eigentum der Antragsgegnerin (Art. 14 GG, § 903 BGB) stehenden öffentlichen Feld- und Waldweg (Grundstück FlNr. … der Gemarkung …) und beeinträchtigt dessen bestimmungsgemäße Nutzung.

Die seitens des Antragstellers eingewandte Einrede der Verjährung kommt bei einer hoheitlichen Anordnung auf der Grundlage des Art. 29 BayStrWG nicht in Betracht. Das Gleiche gilt für die geltend gemachte Verwirkung.

Auch der vom Antragsteller geltende gemachte Antrag auf Einziehung führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Der Antrag wurde von der Antragsgegnerin abgelehnt. Ein Rechtsanspruch auf Einziehung kommt nicht in Betracht, da Art. 8 BayStrWG ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht und nicht dem Schutz von Einzelinteressen Dritter dient (Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand Januar 2018, Art. 8 Rn. 55-57).

3. Nach der vorzunehmenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass die Anordnungen in Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018, den H. im Bereich der Grundstücke FlNrn. …, … und … der Gemarkung … soweit zurückzubauen, dass zum vorbeiführenden öffentlichen Feld- und Waldweg ein sog. Vorgewende in einer Tiefe von 6,00 m eingehalten ist, rechtswidrig sind und den Antragsteller in seinen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die in Ziffern 1 und 2 des streitbefangenen Bescheids angeordnete Rückbauverfügung ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4, Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG dürfen unter anderem Anpflanzungen aller Art und Zäune nicht angelegt werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Jedoch bedarf dies der einschränkenden Auslegung im Lichte der Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 103 Bayerische Verfassung (BV), sofern fremdes Grundstückseigentum betroffen ist.

Mit der Regelung, dass unter anderem Anpflanzungen aller Art und Zäune nicht errichtet werden dürfen, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können, enthält Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG eine Beschränkung der Nutzung des privaten Grundstückseigentums. Bei derartigen bodenrechtlichen Sachverhalten steht der Gesetzgeber angesichts des Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu regeln (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 2, 158 BV), vor einer schwierigen Aufgabe. Einerseits gewährleisten Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 BV das Privateigentum, wie es sich in seinem rechtlichen Gehalt vor allem in der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis und in der Privatnützigkeit verwirklicht. Andererseits muss der Gesetzgeber in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung Rechnung tragen (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG, Art. 103 Abs. 2, 158 BV). Dazu muss er die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten ohne einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung in einen gerechten Ausgleich bringen. Hierbei hat er seine Bindung an die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Beschränkungen. Um vor den Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 103, 158 BV Bestand zu haben, müssen (Nutzungs-)Beschränkungen des Eigentums deshalb vom geregelten Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. In jedem Fall erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitsgebots der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV.

Dieser verfassungsrechtliche Hintergrund verlangt es, die Anwendbarkeit der Nutzungsbeschränkung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG und die mit ihr gepaarte Eingriffsmöglichkeit nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG bzw. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG streng an die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu binden. Damit ist in jedem konkreten Einzelfall die Prüfung erforderlich, ob die Nutzungsbeschränkung überhaupt und wenn ja, in vollem Umfang notwendig ist, um Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs abzuwehren. Nicht vereinbar mit der verfassungsrechtlichen Stellung des Grundstückseigentümers wäre es deshalb, eine abstrakte Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als Tatbestandsvoraussetzung ausreichen zu lassen; denn dann würde auf der Grundlage einer nur generell-abstrakten Betrachtung denkbarer Verhaltensweisen oder Zustände ein Schadenseintritt als wahrscheinlich angesehen werden können. Der Interessenkonflikt zwischen Eigentümerbefugnissen und Schutzzweck des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayStrWG wird vielmehr nur dann gerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich ausgeglichen, wenn im konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens eine Verletzung der Schutzgüter der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs von Gewicht zu erwarten ist und durch die Regelung abgewehrt werden soll. Notwendig ist also das Vorliegen einer so genannten konkreten Gefahr (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 aaO Rn. 22 ff.; VG München, U.v. 6.12.2016 - M 2 K 16.4386 - juris Rn. 23 ff.; VG München, U.v. 3.8.2017 - M 2 K 16.3853).

Die Anwendung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bedeutet konkret, dass die Nutzungsbeschränkung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG und die mit ihr verbundene Möglichkeit, die Beseitigung anzuordnen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG bzw. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG), nicht pauschal und ohne Abstufung auf allen Straßen und Wegen gleichermaßen Anwendung finden können. Der Schwerpunkt ihres Anwendungsbereichs befindet sich vielmehr dort, wo auf Grund der Verkehrsbelastung einer Straße (z.B. erhebliche durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) oder auf Grund ihrer besonderer Beschaffenheit (z.B. unübersichtlicher oder kurvenreicher Straßenverlauf) konkrete Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs drohen, wenn Sichtfelder nicht freigehalten werden oder die Übersichtlichkeit der Straße in sonstiger Weise durch Anlagen im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG beeinträchtigt wird.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinzukommen muss ferner, dass die konkrete Gefahr nicht hinreichend durch andere, insbesondere einfachere oder einer bestimmten Verkehrssituation angemessene Mittel wie z.B. den Einsatz geeigneter verkehrslenkender Maßnahmen (insbesondere Verkehrszeichen) abgewehrt werden kann.

Vorstehendes zu Grunde gelegt, erweisen sich die Rückbauverfügungen in Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 16. März 2018 voraussichtlich als rechtswidrig. Die Voraussetzungen hierfür sind von der Antragsgegnerin unzureichend ermittelt, begründet und bewertet worden. Zum einen hat die Antragsgegnerin das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im streitbefangenen Bescheid nicht ausreichend ermittelt und begründet. Sie hat zur Begründung auf die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen Richtlinien für den passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS) verwiesen, ohne darzulegen, aus welchen Gründen die für Bundesfernstraßen entwickelte Richtlinien in dem konkreten Einzelfall auf den nicht ausgebauten öffentlichen Feld- und Waldweg analog anwendbar sein sollen. Nach Aktenlage wurden keine tatsächlichen Ermittlungen der Verkehrsbelastung des öffentlichen Feld- und Waldwegs durchgeführt. Auch beim Augenschein am 27. September 2018 ergaben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte für eine hohe Verkehrsbelastung auf dem öffentlichen Feld- und Waldweg.

Die Sachverhaltsermittlung- und -bewertung der Antragsgegnerin hinsichtlich der angeordneten Freihaltung eines sog. Vorgewendes in der Tiefe von 6,00 m zum öffentlichen Feld- und Waldweg erweisen sich als in erheblichem Umfang defizitär. Die entsprechenden Ausführungen im Bescheid können das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht in ausreichender Weise begründen.

Zum anderen hat die Antragsgegnerin ihrer Beurteilung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend zu Grunde gelegt. Insbesondere hat sie es unterlassen, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen, ob die von ihr angenommene konkrete Gefahr nicht auch in ausreichender Weise durch andere angemessene Mittel abgewehrt werden kann. Es ergibt sich sonach ein i.S.d. Art. 40 BayVwVfG erhebliches Ermessensdefizit.

4. Die in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids enthaltenen Verfügungen zur Beseitigung der Überbauung des öffentlichen Feld- und Waldweges und zum Rückbau des H. auf den angrenzenden Grundstücken bis zu einer Tiefe von 6,00 m sind teilbar, da die Anordnung zur Beseitigung der Überbauung des Grundstücks FlNr. … nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit der Anordnung des Rückbaus zur Einhaltung eines sog. Vorgewendes in einer Tiefe von 6,00 m auf den angrenzenden Grundstücken steht (vgl. zur Teilbarkeit BayVGH, B.v. 26.5.2010 - 22 CS 09.3250, Rn. 20 juris).

5. Nach summarischer Überprüfung sprechen sind die Anordnungen in Ziffern 4 und 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. März 2018, die Zaunanlage sowie die A. des H. auf den Grundstücken FlNr. …, … und … der Gemarkung … soweit zurückzusetzen, dass ein Mindestabstand von 1,00 m zur Fahrbahnkante der Gemeindeverbindungsstraße „…“ eingehalten wird, voraussichtlich rechtswidrig und verletzen den Antragsteller in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die in Ziffern 4 und 5 des streitbefangenen Bescheids angeordnete Rückbauverfügung ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) i.V.m. Art. 66 Nr. 4, Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG. Bezüglich der Voraussetzungen wird auf die Ausführungen unter 3. verwiesen.

Die Voraussetzungen hierfür sind von der Antragsgegnerin unzureichend ermittelt, begründet und bewertet worden. Die Antragsgegnerin hat das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im streitbefangenen Bescheid nicht ausreichend ermittelt und begründet. Die Begründung ist pauschal und lässt keine Auseinandersetzung mit dem konkreten Einzelfall erkennen. Die Antragsgegnerin verweist wiederum auf die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen Richtlinien für den passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS), ohne darzulegen, aus welchen Gründen die für Bundesfernstraßen entwickelte Richtlinien in dem konkreten Einzelfall auf die Gemeindeverbindungsstraße analog anwendbar sein sollen. Nach Aktenlage wurden keine tatsächlichen Ermittlungen der Verkehrsbelastung der Gemeindeverbindungsstraße durchgeführt. Auch beim Augenschein am 27. September 2018 ergaben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte für eine hohe Verkehrsbelastung auf der Gemeindeverbindungsstraße.

Die Sachverhaltsermittlung- und -bewertung der Antragsgegnerin hinsichtlich der angeordneten Freihaltung eines Mindestabstands von 1,00 zu der Gemeindeverbindungsstraße erweisen sich als in erheblichem Umfang defizitär. Die entsprechenden Ausführungen im Bescheid können das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht in ausreichender Weise begründen.

Des Weiteren hat die Antragsgegnerin ihrer Beurteilung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend zu Grunde gelegt. Insbesondere hat sie es unterlassen, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen, ob die von ihr angenommene konkrete Gefahr nicht auch in ausreichender Weise durch andere angemessene Mittel abgewehrt werden kann. Es liegt ein i.S.d. Art. 40 BayVwVfG erhebliches Ermessensdefizit vor.

6. Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 8, 9, 10 und 11 des angegriffenen Bescheides sind gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Diesbezüglich ist die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Die Anordnungen des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin sind nach der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage teilweise (Ziffern 1 und 2) bzw. vollumfänglich (Ziffern 4 und 5) rechtswidrig und verletzen den Antragsteller aller Voraussicht nach in seinen subjektiven Rechten (vgl. obenstehende Ausführungen). Dies erstreckt sich auch auf die Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 8, 9, 10 und 11 des Bescheids.

Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 8 und 9 des Bescheids kann eine Teilbarkeit des Verwaltungsakts nicht bejaht werden. Nachdem die Zwangsgeldandrohung einheitlich jeweils für die Beseitigung des Überbaus und den Rückbau zur Einhaltung eines Vorgewendes erfolgt ist und insbesondere die Festsetzung der Höhe des Zwangsgelds gemäß Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG im Ermessen der Behörde liegt, kann das Gericht den Betrag nicht auf die verschiedenen Anordnungen aufteilen.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 43.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 5. September 2016 in der Fassung vom 6. Dezember 2016 wird in den Nrn. 2 und 3 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger ¾, die Beklagte ¼ zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung der Beklagten, die auf dem Grundstück der Klagepartei an der Grenze zu einer Ortsstraße befindliche Thujenhecke zurückzuschneiden, soweit sie über die Grenze des Grundstücks der Klagepartei hinaus in den Gehweg hineinragt.

Das Grundstück der Klägerseite ist mit einem Holzlattenzaun von der …straße abgegrenzt, die im Bereich des klägerischen Grundstücks nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten über einen (inklusive Randstein) 2,50 m breiten, gepflasterten Gehweg verfügt. Beginnend ab der Oberkante des Zauns, für welche die Beteiligten unterschiedlich eine Höhe zwischen 1,30 und 1,50 m angeben, ragt eine Thujenhecke in den Gehweg hinein. Während die Klägerseite einen Überstand von mindestens 45 cm einräumt, bemisst die Beklagte den Überstand mit 60 - 70 cm.

Nach vorangegangenen Aufforderungen und einem Ortstermin wurde die Klagepartei mit Bescheid der Beklagten vom 5. September 2016 aufgefordert, spätestens zum 17. Oktober 2016 die auf dem Grundstück …straße 13 an der südlichen Grundstücksgrenze zur …straße hin befindliche Hecke so zurückzuschneiden, „dass die Freihaltung des sich aus der in der Anlage beigefügten Planzeichnung ergebenden Lichtraumprofils (Durchschnittshöhe min. 2,50 m, Durchgangsbreite auf dem Gehweg min. 2,30 m) gewährleistet ist“ (Ziffer 1.). In Ziffer 2. des Bescheids wurde für den Fall der nicht fristgerechten Ausführung der unter Ziffer 1. getroffenen Anordnung die Durchführung dieser Anordnung im Wege der Ersatzvornahme angedroht, die Kosten hierfür wurden in Ziffer 3. des Bescheids auf voraussichtlich 300,00 € geschätzt. Die sofortige Vollziehung der Aufforderung nach Ziffer 1. wurde angeordnet (Ziffer 4.). Mit Ziffer 5. des Bescheids wurden Kosten in Höhe von 15,00 € erhoben. Zur Begründung des Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Anordnung beruhe auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG i.V.m. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG. Die …straße sei eine gewidmete öffentliche Straße mit Begegnungsverkehr und beidseitigen Gehwegen, die eine Breite von 2,30 m hätten. Bei einer Ortsbesichtigung am 2. Februar 2016 sei festgestellt worden, dass die Hecke ca. 60 cm in den Lichtraum des öffentlichen Gehwegs hineinrage. Zur Vermeidung von Beeinträchtigungen und Schädigungen der Verkehrsteilnehmer sei das Lichtraumprofil des öffentlichen Gehwegs, wie in der beigefügten Planzeichnung beschrieben, dauerhaft freizuhalten. Die bisherigen Aufforderungen der Gemeinde seien ergebnislos geblieben. Die Aufforderung zum Rückschnitt sei auch verhältnismäßig, da dieser auf die Freihaltung des erforderlichen Lichtraumprofils begrenzt werde und nicht in die Substanz der Hecke eingreife. Im Rahmen des der Gemeinde zustehenden Ermessens überwiege die Durchsetzung des Gemeingebrauchs das private Interesse der Eigentümer am ungeschmälerten Erhalt der Heckenbepflanzung.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klagepartei am 27. September 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,

  • den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2016 aufzuheben.

Zur Begründung wurde (in einem Schriftsatz vom 19. September 2016 im Eilverfahren M 2 S. 16.4306) im Wesentlichen ausgeführt: Die formelhaften Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Begründung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen. Soweit eine Begründung genannt werde, nämlich die vermeintliche Gefahr im Winter abbrechender Zweige oder Äste, sei sie angesichts der Thujenhecke sachlich unzutreffend. Auch die Behauptung, es könne nicht mehr länger zugewartet werden, sei nicht nachvollziehbar. Die Hecke bestehe im vorhandenen Ausmaß seit mehreren Jahrzehnten, sie werde im Frühjahr und im Herbst jeden Jahres fachmännisch zurückgeschnitten. Die Gemeinde habe den Überwuchs auch 30 Jahre lang nicht beanstandet. Im Übrigen sei die Anordnung auch rechtswidrig. Die Tatbestandsvoraussetzung der Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs aus Art. 29 Abs. 2 BayStrWG liege nicht vor. Bei einem Überwuchs der Hecke von 0,45 m und einer Gehwegbreite von 2,50 m verbleibe mit 2,05 m eine ausreichende Breite für einen ungehinderten Begegnungsverkehr. Auch die Ermessensausübung der Beklagten sei im Hinblick auf den langjährigen Bestand der Hecke und die geringe Nutzung des Gehwegs in einer reinen Anwohner Straße zu beanstanden. Schließlich sei die Anordnung unverhältnismäßig, da der geforderte Rückschnitt in die Substanz der Hecke eingreife und zu einer Vernichtung der Hecke führe.

Die Beklagte beantragte,

  • die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde (in einem Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 im Eilverfahren M 2 S. 16.4306) im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die in den Fußweg hineinragende Hecke beeinträchtige den Fußgängerverkehr durch die hineinragenden Zweige und zwinge Fußgänger jedenfalls im Begegnungsverkehr dazu, auf die Straße auszuweichen. Hierin liege eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Thujenhecke der Klagepartei rage seit März 2016 unverändert in den Straßenraum hinein. Im Rahmen der regelmäßig von Mitarbeitern der Gemeinde durchgeführten Kontrollen habe sich gezeigt, dass die Hecke jedenfalls straßenseitig nur an den Spitzen gekürzt werde. Die Beklagte veröffentliche jährlich seit über 20 Jahren im gemeindeeigenen Mitteilungsblatt den Hinweis an alle Grundstückseigentümer, den Rückschnitt von überhängenden lebenden Zäunen auf den Straßengrund regelmäßig vorzunehmen. Lediglich in wenigen Fällen im Gemeindegebiet sei die zwangsweise Durchsetzung der Verpflichtung erforderlich.

Die Klägerseite nahm mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 (im Eilverfahren M 2 S. 16.4306) ergänzend Stellung. Jederzeit könne die Gartenbaufirma benannt werden, welche die Hecke zweimal pro Jahr zurückschneide. Zutreffend sei, dass in den letzten beiden Jahren Versuche zur einvernehmlichen Lösung der Angelegenheit unternommen worden seien. Die Klagepartei habe angeboten, durch regelmäßige Rückschnitte sicherzustellen, dass die Hecke „nicht mehr als 40 cm in den Gehweg hineinragt“. Auch sei ein 5-jähriger Beobachtungszeitraum für den Rückschnitt unter Erhalt von Bestand und Begrünung der Hecke vorgeschlagen worden. Die Beklagte sei aber nicht von ihrem Standpunkt abgerückt. Hingewiesen werde noch darauf, dass der Überwuchs erst in einer Höhe von 1,50 m beginne, so dass für Kinder, Rollstuhlfahrer und Kinderwagen die Gesamtbreite des Gehwegs zur Verfügung stehe.

Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2016 nahm die Beklagte ergänzend Stellung: Bei einer nochmaligen Vermessung sei vor dem Anwesen der Klagepartei eine Gehwegbreite von 2,50 m festgestellt worden, soweit die Beklagte bislang von einer Breite von 2,30 m ausgegangen sei, beruhe dies darauf, dass der Randstein nicht berücksichtigt worden sei. Die Hecke rage beginnend ab einer Höhe von 1,30 m in das Lichtraumprofil des Gehwegs hinein. Der Überstand der Hecke betrage 70 cm. Zutreffend sei, dass die Hecke regelmäßig zugeschnitten werde, allerdings finde lediglich ein sog. „Spitzenschnitt“ statt, d.h. die Hecke werde lediglich geringfügig verschnitten, um das Grün der Hecke zu erhalten. Da bei dieser Heckenart der Holzansatz mit steigendem Alter der Hecke ständig zunehme, führe dies im Ergebnis dazu, dass die Hecke trotz Verschnitt immer weiter in den Gehweg hineinwachse. Das bisherige Einigungsangebot der Klägerseite wäre darauf hinausgelaufen, den status quo im Ergebnis beizubehalten. Dies widerspreche der eindeutigen Beschlusslage des Bau-, Verkehrs- und Grundstücksausschusses der Beklagten, der mit Beschluss vom 23. Juli 2015 festgelegt habe, dass das Lichtraumprofil im öffentlichen Straßenraum freizuhalten sei und der der Verwaltung aufgegeben habe, die Beseitigung von Ästen und Zweigen, die in den Lichtraum hineinragen, konsequent zu verfolgen. Auf Grund dieser Beschlusslage fordere die Beklagte den Rückschnitt der Hecke bis zur Grundstücksgrenze.

In der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2016 wiederholten und vertieften die Beteiligten ihre schriftsätzlichen Ausführungen. Der Bevollmächtigte der Beklagten änderte den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. September 2016 in Ziffer 1. dahingehend ab, dass die Aufforderung zum Rückschnitt der Hecke bis spätestens zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids zu erfüllen ist. Ein Eilverfahren der Klägerseite in gleicher Sache (M 2 S. 16.4306) wurde mit Beschluss vom 6. Dezember 2016 eingestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (des Klagesowie des Eilverfahrens M 2 S. 16.4306) und die in diesen Verfahren vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Die Anordnung der Beklagten in Ziffer 1. des Bescheids vom 5. September 2016 in der Fassung der Erklärung vom 6. Dezember 2016 ist rechtlich nicht zu beanstanden (nachfolgend I.). Rechtswidrig ist hingegen die Androhung der Zwangsvollstreckung in den Ziffern 2. und 3. dieses Bescheids (nachfolgend II.). Ziffer 4. des Bescheids (Anordnung des Sofortvollzugs) ist nur Gegenstand des Eilverfahrens, die Kostenentscheidung in Ziffer 5. des Bescheids begegnet keinen Bedenken.

I. Die Beklagte darf die Klagepartei verpflichten, die auf deren Grundstück stehende Thujenhecke soweit zurückzuschneiden, dass keine Äste und Zweige dieser Hecke über die Grundstücksgrenze in das Lichtraumprofil des angrenzenden Gehwegs hineinragen.

1. Als Rechtsgrundlage für die Anordnung kann die Beklagte sich auf Art. 29 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG stützen (nachfolgend a); zu dieser Rechtsgrundlage vgl. Wiget in Zeitler, Bayer. Straßen- und Wegegesetz, Stand Oktober 2015, Art. 29 Rn. 28). Ihr stünde im Übrigen alternativ auch eine weitere Rechtsgrundlage zur Verfügung (nachfolgend b)).

a) Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG dürfen u.a. Anpflanzungen aller Art nicht angelegt werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Vom Begriff des „Anlegens“ wird dabei auch das „Wachsenlassen“ von Anpflanzungen erfasst (vgl. Wiget in Zeitler, a.a.O., Art. 29 Rn. 26; BayObLG, B.v. 4.4.1995 - 3 ObOWi 30/95 - BayVBl 1995, 541). Art. 66 Nr. 4 BayStrWG enthält eine Bußgeldvorschrift für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG. Deshalb vermittelt Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG (wonach die Sicherheitsbehörden für den Einzelfall Anordnungen treffen können, um Zustände zu beseitigen, die durch Taten verursacht wurden, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen) den Gemeinden (vgl. Art. 6 LStVG) die Befugnis für die erforderlichen Anordnungen zur Beseitigung verbotswidriger Behinderungen (vgl. Wiget in Zeitler, a.a.O., Art. 29 Rn. 28).

b) Angemerkt sei noch, dass die streitige Sachverhaltskonstellation einer von einem Privatgrundstück in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Anpflanzung auch eine Sondernutzung i.S.v. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG darstellt (vgl. OVG NRW, B.v. 21.7.2009 - 11 A 701/70 - juris Rn. 20; Edhofer/Willmitzer, Bayer. Straßen- und Wegegesetz, 13. Aufl. 2010, Art. 29 Erl. 2.2, 2.5). Im Bereich der straßenrechtlichen Sondernutzung ist allgemein anerkannt, dass eine „Bagatellgrenze“ hinsichtlich der Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs nicht besteht und dass - von Extremfällen abgesehen - bereits ein geringfügiges Hineinragen in den Straßenraum auch ohne konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs die Erlaubnispflicht auslöst (vgl. im Einzelnen: Wiget in Zeitler, a.a.O., Art. 18 Rn. 15). Damit würde auch Art. 18a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG (wonach die Gemeinde als Straßenbaubehörde die erforderlichen Anordnungen erlassen kann, wenn eine Straße ohne die nach Art. 18 BayStrWG erforderliche Erlaubnis benutzt wird) eine Anordnung mit dem streitgegenständlichen Inhalt ermöglichen (hinsichtlich eines ebenso möglichen privatrechtlichen Vorgehens vgl. im Übrigen: BayVGH, U.v. 15.12.2004 - 8 B 04.1524 - juris Rn. 40; Edhofer/Willmitzer, a.a.O., Art. 29 Erl. 1, 4; Wiget in Zeitler, a.a.O., Art. 29 Rn. 2, 44).

2. Die Anordnung der Beklagten ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist sie inhaltlich hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).

Zwar ging die Beklagte bei der Erstellung der Anordnung von einer Breite des Gehwegs von 2,30 m aus (weil sie die Breite des Randsteins nicht berücksichtigte). Die Klagepartei wird deshalb dazu verpflichtet, dass durch den Rückschnitt auf dem Gehweg eine Durchgangsbreite von „min. 2,30 m“ gewährleistet ist. Im gerichtlichen Verfahren ging die Beklagte jedoch - wie die Klagepartei - von einer Gehwegbreite von 2,50 m aus und fordert auch einen Rückschnitt bis an die Grundstücksgrenze zwischen Anliegergrundstück und Gehweg. Dies ist rechtlich unbedenklich, denn die Beklagte hat die streitgegenständliche Anordnung vorrangig vor konkreten Maßangaben vor allem durch den Verweis auf eine dem Bescheid beigefügte Darstellung des von Bewuchs freizuhaltenden Lichtraumprofils konkretisiert. Aus dieser Darstellung ergibt sich das Ziel der Anordnung, nämlich ein Rückschnitt bis an die Grundstücksgrenze über die gesamte Breite des Gehwegs hinweg, zweifelsfrei. Vor diesem Hintergrund und angesichts der konkret gewählten Formulierung der Anordnung („min. 2,30 m“) besteht auch kein rechtlich relevanter Widerspruch zwischen der (textlichen) Anordnung und dieser Darstellung.

3. Der Verbotstatbestand des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG ist erfüllt. Danach dürfen u.a. Anpflanzungen aller Art nicht angelegt (vgl. hierzu bereits oben 1. a)) werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Die Anordnung ihrer Beseitigung ist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG grundsätzlich zulässig.

a) Mit der Regelung, dass unter anderem Anpflanzungen aller Art und Zäune nicht errichtet werden dürfen, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können, enthält Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG eine Beschränkung der Nutzung des privaten Grundstückseigentums. Bei derartigen bodenrechtlichen Sachverhalten steht der Gesetzgeber angesichts des Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu regeln (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 2, 158 BV), vor einer schwierigen Aufgabe. Einerseits gewährleisten Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 BV das Privateigentum, wie es sich in seinem rechtlichen Gehalt vor allem in der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis und in der Privatnützigkeit verwirklicht. Andererseits muss der Gesetzgeber in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung Rechnung tragen (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG, Art. 103 Abs. 2, 158 BV). Dazu muss er die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten ohne einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung in einen gerechten Ausgleich bringen. Hierbei hat er seine Bindung an die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Beschränkungen. Um vor den Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 103, 158 BV Bestand zu haben, müssen (Nutzungs-)Beschränkungen des Eigentums deshalb vom geregelten Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. In jedem Fall erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitsgebots der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV (BayVGH, U.v. 15.12.2004 - 8 B 04.1524 - juris Rn. 23 m.w.N.).

Diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen entspricht die Systematik der gesetzlichen Regelungen in Art. 29 Abs. 2, Abs. 4 BayStrWG, die nach der eigentumsrechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit von Anpflanzungen und Gegenständen, welche die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können, differenziert. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG verbotswidrige Anpflanzungen und Gegenstände wie z.B. Hecken, die - wie hier - in den öffentlichen Straßenraum hineinwachsen, erlangen - jedenfalls in der Regel - keinen Eigentumsschutz. Zwar kann auch dieses Verbot durchaus zu fühlbaren Vermögensnachteilen führen. Das als Auswirkung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums unmittelbar wirksame Verbot führt jedoch dazu, dass ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit keine entschädigungsfähige Rechtsposition mehr entstehen kann (vgl. Wiget in Zeitler, a.a.O., Rn. 39 m.w.N.). Denn für den Eigentümer des z.B. in den Straßenraum hineinragenden Bewuchses stellt sich das Verbot als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. Art. 103 Abs. 2 BV dar, die seine Rechtsposition und damit den Inhalt seiner Eigentümerbefugnisse schmälert (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 - 8 B 04.1524 - juris Rn. 40). Der Gesetzgeber sieht deshalb im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG auch keine Ausgleichspflicht vor, anders als im Falle des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG, in dem die Duldung der Beseitigung bereits vorhandener, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigender Anpflanzungen und Gegenstände durch den Straßenbaulastträger verlangt werden kann. Im letzteren Fall lässt der Gesetzgeber nämlich auch Einwirkungen auf bestandsgeschützte Nutzungen zu, die dem Eigentümer ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer abverlangen können (vgl. Wiget in Zeitler, a.a.O., Rn. 39). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, weil von der streitgegenständlichen Beseitigungsanordnung nur i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG verbotswidrig in den öffentlichen Straßenraum ragender Bewuchs betroffen ist und nicht etwa auch bestandsgeschützte Teile der Hecke auf dem Grundstück der Klagepartei.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist allerdings auch im Rahmen des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG in jedem konkreten Einzelfall die Prüfung erforderlich, ob die Nutzungsbeschränkung überhaupt und wenn ja, in vollem Umfang notwendig ist, um Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs abzuwehren. Nicht vereinbar mit der verfassungsrechtlichen Stellung des Grundstückseigentümers wäre es deshalb, eine abstrakte Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als Tatbestandsvoraussetzung ausreichen zu lassen; denn dann würde auf der Grundlage einer nur generell-abstrakten Betrachtung denkbarer Verhaltensweisen oder Zustände ein Schadenseintritt als wahrscheinlich angesehen werden können. Der Interessenkonflikt zwischen Eigentümerbefugnissen und Schutzzweck des Art. 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayStrWG wird vielmehr nur dann gerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich ausgeglichen, wenn im konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens eine Verletzung der Schutzgüter der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs von Gewicht zu erwarten ist und durch die Regelung abgewehrt werden soll, d.h. notwendig ist das Vorliegen einer so genannten konkreten Gefahr (BayVGH, U.v. 15.12.2004 - 8 B 04.1524 - juris Rn. 24).

b) Gemessen hieran ist im vorliegenden Einzelfall festzustellen: Selbst wenn man nur von einem Überwuchs der Thujenhecke in dem von der Klagepartei einräumten Ausmaß (ca. 45 cm) ausgeht, liegt bereits eine hinreichende und die streitgegenständliche Anordnung rechtfertigende Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vor.

Die Zweige und Äste der Thujenhecke der Klagepartei ragen entlang der Front des Grundstücks zum Gehweg jedenfalls mehr als 40 cm in den Gehweg hinein (die Klagepartei räumt einen Überwuchs von mindestens 45 cm ein und hat nach eigener Darstellung einen Rückschnitt auf einen Überwuchs von 40 cm angeboten, die Beklagte geht von einem Überwuchs von 60 - 70 cm aus). Nach - inzwischen - unstreitiger Auffassung der Beteiligten weist der Gehweg vor dem Grundstück der Klagepartei eine Breite von 2,50 m auf. Es verbleibt damit günstigstenfalls eine nutzbare Gehwegbreite von 2,10 m (dass der Überwuchs erst ab der Oberkante des Gartenzauns in einer Höhe von 1,30 bis 1,50 m beginnt, spielt keine Rolle, da für einen durchschnittlichen Nutzer des Gehwegs der Luftraum unterhalb dieses Überwuchses keinen praktisch nutzbaren Bewegungsraum darstellt). Schon diese günstigstenfalls nutzbare Breite von 2,10 m lässt nach Überzeugung des Gerichts nicht ansatzweise eine hinreichend sichere und unbeeinträchtigte Nutzung des Gehwegs durch die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Rollstuhlfahrer, Fußgänger mit Kinderwagen, spielende oder auf dem Gehweg Rad fahrende Kleinkinder, etc.) vor dem Anwesen der Klagepartei zu. Bestätigt wird dies durch entsprechende technische Regelwerke wie die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06): Danach ergibt sich als Mindestanforderung für den Verkehrsraum eines Gehwegs eine Breite von 2,50 m (RASt 06, Seite 81, Bild 70). Dementsprechend wird auch für die „typische Entwurfssituation einer Wohn Straße“, die der vorliegenden örtlichen Situation entsprechen dürfte, eine Mindest-Gehwegbreite von 2,50 m empfohlen (RASt 06, Seite 39, Bild 26). Deshalb greift auch die Behauptung der Klägerseite, bei der …straße handle es sich um eine gering genutzte reine Anwohner Straße, nicht durch; auch für Straßen mit einer reinen Funktion zur Erschließung von Wohngebieten und einer geringen Stärke des motorisierten Verkehrs leitet sich nach diesem technischen Regelwerk aus dem typischen Raumbedarf der Gehwegnutzer eine Mindest-Gehwegbreite von 2,50 m ab. Die durch das Unterschreiten dieses Raumbedarfs verursachte Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf dem an sich baulich ausreichend dimensionierten und durch die Widmung vollständig dem Gemeingebrauch zur Verfügung stehenden Gehweg gebietet das Einschreiten der Beklagten.

4. Die Ermessensausübung der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid ist durch das Gericht nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).

Soweit die Klagepartei auf die langjährige, vermeintlich unbeanstandete Existenz der Thujenhecke hinweist, vermag dies keine Zweifel am ermessensfehlerfreien Vorgehen der Beklagten zu begründen. Der Vertreter der Beklagten legte dar, dass in der Vergangenheit im gemeindlichen Mitteilungsblatt regelmäßig auf den erforderlichen Rückschnitt von Hecken hingewiesen worden sei. Dies musste letztlich nicht weiter überprüft werden, denn entscheidend ist, dass durch eine Beschlussfassung vom 23. Juli 2015 im Bau-, Verkehrs- und Grundstücksausschuss der Beklagten aus Gründen der Gleichbehandlung aller Grundstückseigentümer ein konsequentes gemeindeweites Vorgehen zur notfalls zwangsweisen Durchsetzung des Rückschnitts von Hecken auf die Grundstücksgrenzen festgelegt und die Verwaltung mit der entsprechenden Umsetzung beauftragt wurde. Dass diese Umsetzung gemeindeweit erfolgte und weiter erfolgen wird, wurde vom Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert. Es ist deshalb nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte mit ihrem Vorgehen die durch Art. 40 BayVwVfG gezogenen Grenzen überschreiten würde.

5. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung hat das Gericht nicht. Der geforderte Rückschnitt der Thujenhecke der Klägerseite bis auf die Grundstücksgrenze ist geeignet und erforderlich, eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf dem Gehweg vor dem Anwesen der Klagepartei zu verhindern und den Gehweg in seiner vollen und für die Verkehrsteilnehmer erforderlichen Breite wieder zur Verfügung zu stellen. Der gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung erhobene Einwand der Klagepartei, durch einen Rückschnitt der Thujenhecke bis auf die Grundstücksgrenze werde die Hecke insgesamt in ihrer Existenz gefährdet und es sei davon auszugehen, dass mit hohem finanziellen Aufwand eine Ersatzpflanzung erforderlich werde, verhilft der Klage nicht zum Erfolg:

Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass der geforderte Rückschnitt der Thujenhecke tatsächlich deren Existenz insgesamt gefährden könnte. Nach dem Eindruck des Gerichts aus der Erörterung der Angelegenheit in der mündlichen Verhandlung dürfte auf der Klägerseite wohl eher die - durchaus realistische - Befürchtung vorherrschen, der geforderte Rückschnitt führe dazu, dass die Thujenhecke auf Grund ihrer natürlichen Beschaffenheit mindestens auf Jahre hinaus zur Straßenseite hin ein unansehnlich kahles Erscheinungsbild zeigen werde. Dafür, dass die Hecke insgesamt, also auch soweit sie sich auf dem klägerischen Grundstück befindet, auf Grund des geforderten Rückschnitts bis zur Grundstücksgrenze nicht mehr überlebensfähig wäre, sind dagegen keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Die bloße optische Beeinträchtigung reicht nicht aus, einen Eigentumseingriff von Gewicht zu begründen. Insoweit kommt - wie oben (I. 3. a)) bereits dargelegt - zum Tragen, dass der in den öffentlichen Straßenraum hineinragende verbotswidrige Bewuchs - jedenfalls im Regelfall - keinen Eigentumsschutz erlangen kann. So liegt der Fall auch hier, zumal die Rechtswidrigkeit des Überwuchses - allein schon auf Grund der öffentlichen Hinweise der Beklagten - für den Kläger offensichtlich sein musste. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Beseitigungsanordnung unangemessen wäre. Auch ist keine praktikable Möglichkeit ersichtlich, die von der Klagepartei befürchteten Auswirkungen auf die Thujenhecke bei Sicherstellung des Ziels einer Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs spürbar abzumildern, etwa durch einen sukzessiven, zeitlich gestaffelten Rückschnitt: Wie in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert wurde, eröffnet das natürliche Wuchsverhalten einer Thujenhecke bei dem vorhandenen massiven Überhang keinen Raum dafür, in einem noch angemessenen Zeitraum einen Rückschnitt bis auf die Grundstücksgrenze unter gleichzeitigem Erhalt von frischen Trieben der Hecke zu erreichen.

II.

Die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 2. des Bescheids vom 5. September 2016 und dementsprechend auch die Kostenschätzung in Ziffer 3. des Bescheids sind rechtswidrig und verletzen die Klagepartei in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 32 Satz 2 BayVwZVG ist die Ersatzvornahme nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Diese Einschränkung ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für das Zwangsmittel der Ersatzvornahme und entspricht der nach bayerischem Vollstreckungsrecht vorgesehenen Rangfolge der Zwangsmittel (vgl. Art. 29 Abs. 2 BayVwZVG), die bei vertretbaren Handlungen - wie hier - grundsätzlich vom Vorrang des Zwangsgeldes gegenüber der Ersatzvornahme ausgeht, weil ersteres als das mildere Zwangsmittel angesehen wird. Art. 32 Satz 2 BayVwZVG schränkt somit die Anwendung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme ein (BayVGH, B.v. 14.9.2006 - 15 ZB 06.2079 - juris Rn. 5 m.w.N.).

Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich oder von der Beklagten schlüssig vorgetragen, dass im Fall der Klagepartei ein - erstmals - angedrohtes Zwangsgeld von vornherein ungeeignet gewesen wäre, die Klagepartei zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten. Dass durch eine Ersatzvornahme der rechtlich gebotene Zustand auf direkterem Weg hergestellt werden kann als durch die nur mittelbar wirksame Androhung und Beitreibung eines Zwangsgelds, ändert nichts an dessen rechtlichem Vorrang als Regelzwangsmittel (BayVGH, B.v. 7.11.2002 - 22 CS 02.2335 - juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Klage war deshalb zum überwiegenden Teil mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2016, Az. …, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von der Beklagten gegen ihn erlassenen straßenrechtlichen Anordnung zur Freihaltung eines Sichtfeldes an der Einmündung einer Ortsstraße der Beklagten in die Ortsdurchfahrt der Staatsstraße …

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Auf diesem Grundstück hat der Kläger an der Einmündung der Ortsstraße „Am …“ in die Staatsstraße … u.a. Pfosten für einen Zaun zur Einfriedung seines Grundstücks errichtet.

Nach entsprechender Anhörung verpflichtete die Beklagte den Kläger mit streitbefangenem Bescheid vom 29. Juli 2016, zugestellt am 30. Juli 2016, die Bauarbeiten zur Fertigstellung der Einfriedung auf dem Grundstück FlNr. … sofort einzustellen, soweit die Einfriedung innerhalb des Sichtfeldes der Ausfahrt der Ortsstraße „Am …“ in die Staatsstraße zwischen 0,80 m und 2,50 m Höhe errichtet wird (Nr. 1.1), und des Weiteren dazu, die bereits vorhandenem Pfosten für die geplante Einfriedung innerhalb des Sichtfeldes bis spätestens einen Monat nach Unanfechtbarkeit zurückzubauen, sodass das Sichtfeld entsprechend freigehalten wird (Nr. 1.2). Gleichzeitig ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Baueinstellungsverfügung gemäß Nr. 1.1 (Nr. 2) an und drohte für den Fall, dass die Verpflichtung nach Nr. 1.1 und 1.2 nicht fristgerecht erfüllt werden jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR an. Zudem verpflichtete sie den Kläger, die Kosten des Verfahrens in Höhe von 100 EUR zu tragen (Nr. 5 und 6). Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, ein Einschreiten sei im öffentlichen Interesse notwendig. Bei der Ausfahrt handle es sich um einen sehr unübersichtlichen und gefährlichen Knotenpunkt, da die Staatsstraße im Bereich des Ortseingangs einen leichten Knick mache und zahlreiche Fahrzeuge im Ortseingangsbereich schneller als die erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h führen. Um die Geschwindigkeit am Ortseingang einzuschränken, sei bereits im Monat Juli 2016 eine Geschwindigkeitsanzeigetafel aufgestellt worden. Bei der Berechnung des freizuhaltenden Sichtfeldes seien die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt 06 herangezogen worden. Die Schenkellänge des Sichtfeldes sei danach bei einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 60 km/h mit 85 m anzunehmen gewesen. Die Staatsstraße sei im Bereich der Ortsdurchfahrt gerade in den Sommermonaten sehr stark frequentiert (über 10.000 Fahrzeuge täglich), und weise einen hohen Anteil an Schwerverkehr auf. Des Weiteren werde die Ortsstraße „Am …“ von vielen Jugendlichen und Kindern als Übergangsstelle mit dem Fahrrad genutzt. Bereits in der Vergangenheit habe man einen Unfallschwerpunkt durch die Versetzung einer Kapelle im Sichtdreieck bei der gegenüberliegenden Ausfahrt an der …-straße entschärft und dort zusätzlich auch eine Fußgängerampel errichtet. Die Freihaltung des Sichtfeldes erscheine daher zur Vermeidung von Gefahren für Leben und Gesundheit sowie für Sachschäden dringend geboten.

Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 23. August 2016, bei Gericht eingegangen am 25. August 2016, Klage erheben. Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2016 aufzuheben.

Die Klägerbevollmächtigten haben die Klage mit Schriftsatz vom 30. November 2016 im Einzelnen begründet.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 16. September 2016 ließ die Beklagte durch ihre Bevollmächtigten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2017 haben die Bevollmächtigten der Beklagten auf die Klage erwidert. Sie vertiefen und erweitern hierzu die Begründung des streitbefangenen Bescheids und führen insbesondere aus, für die streitbefangenen Anordnungen liege mit Art. 29 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) eine tragfähige Rechtsgrundlage vor. Die Beklagte sei für den Erlass der Anordnung als Straßenbaubehörde auch zuständig gewesen. Auch sei eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs am streitgegenständlichen Knotenpunkt gegeben. Auch die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. Juli 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Mit Schreiben vom 31. Juli und 2. August 2017 haben die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten (vgl. Schreiben vom 31.7. und 2.8.2017) konnte der nach § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuständige Berichterstatter als Einzelrichter (vgl. Beschluss der Kammer vom 28.7.2017) ohne mündliche Verhandlung in der Sache entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er ist daher aufzuheben.

Die Grundverfügungen in Nr. 1.1 und 1.2 des streitbefangenen Bescheids fußen zwar der Sache nach auf tragfähigen straßen- und sicherheitsrechtlichen Befugnisnormen, auch wenn die Beklagte diese in ihrem Bescheid nicht bzw. nicht zutreffend anführt (1. und 2). Allerdings gebietet Verfassungsrecht eine einschränkende Auslegung dieser Rechtsgrundlagen (3.), der der Bescheid im Ergebnis nicht genügt (4.). Aufgrund dessen erweisen sich auch die Zwangsgeldandrohungen und die Kostenentscheidung in den Nr. 3 bis 6 des Bescheids als rechtswidrig (5.).

1. Rechtsgrundlage für die in Nr. 1.1 und 1.2 des streitbefangenen Bescheids angeordnete Baueinstellungs- und Rückbauverfügung ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) i.V.m. Art. 66 Nr. 4, Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Bay-StrWG. Sofern man die Eingriffsbefugnis auch unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG herleitet, ändert dies am Ergebnis nichts (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2009 – 8 ZB 09.469 – juris Rn. 8, grundlegend zum Ganzen: B.v. 15.12.2004 – 8 B 04.1524 – juris Rn. 21 ff.; Wiget in Zeitler/Wiget, BayStrWG, Stand Oktober 2015, Art. 29 Rn. 28).

Zentrale straßenrechtliche Vorschrift für die (nach Art. 66 Nr. 4 BayStrWG bußgeldbewehrte) Verpflichtung zur Freihaltung von Sichtfeldern (vgl. zur Terminologie Nr. 6.3.9.3 der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen – RASt 06) ist Art. 29 Abs. 2 BayStrWG. Diese trägt – zumindest dem Grunde – auch die vorliegend streitbefangenen Grundverfügungen in Nr. 1.1 und 1.2 des Bescheids vom 29. Juli 2016 entweder bereits selbständig, jedenfalls aber – wie vorstehend ausgeführt – in Verbindung mit der hier aufgrund der Bußgeldbewehrung nach Art. 66 Nr. 4 BayStrWG einschlägigen Befugnisgeneralklausel des allgemeinen Sicherheitsrechts in Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG.

Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagte rechtsirrig Art. 61 Abs. 1 LStVG als Befugnisnorm herangezogen hat. Diese Norm kann vorliegend deswegen nicht als Anordnungsgrundlage dienen, weil sie nur kreisfreie Gemeinden und Landratsämter, nicht aber kreisangehörige Gemeinden wie die Beklagte, im Ermessenswege zum Erlass von Anordnungen zur Vornahme notwendiger Sicherung- und Ausbesserungsarbeiten, Stilllegungen oder Beseitigungsmaßnahmen ermächtigt. Denn wie vorstehend bereits ausgeführt, ist die entsprechende Rechtsfolge im Ermessenswege auch über Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und Art. 29 Abs. 2 Satz 1, Art. 66 Nr. 4 Bay-StrWG bzw. in unmittelbarer Anwendung des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG zu erreichen.

Kommt ein Gericht – wie hier – zu dem Ergebnis, ein Bescheid sei zu Unrecht auf eine nicht tragfähige Rechtsgrundlage gestützt worden, ist es gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch verpflichtet zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf sonstige Rechtsgrundlagen aufrechterhalten werden kann (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29/87 – juris LS; aktuell U.v. 31.3.2010 – 8 C 12/09 – juris Rn. 16; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 47 Rn. 7a). Bei einer solchen Konstellation bedarf es keiner (richterlichen) Umdeutung, sodass die Aufrechterhaltung des Bescheides auch nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach Art. 47 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) erfüllt sind. So liegt der Fall hier. Der Regelungsgehalt der Nr. 1.1 und 1.2 des angegriffenen Bescheids bleibt unverändert, wenn die dort verfügten Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zutreffender Weise mit Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 29 Abs. 2, Art. 66 Nr. 4 BayStrWG anstelle des von der Behörde rechtsirrig herangezogenen Art. 61 LStVG begründet werden. Der Austausch der Normen lässt den Tenor der beiden streitigen Grundverfügungen, die Verpflichtung zur Baueinstellung und zum Rückbau, inhaltlich unberührt. Er erforderte zudem als solches auch keine anderen oder zusätzlichen Ermessenserwägungen. Hierauf weisen die Beklagtenbevollmächtigten in ihrer Klageerwiderung vom 31. Mai 2017 auch zutreffend hin.

Nicht Gegenstand des Vollzugs des Straßen- und Wegerechts durch die Beklagte sind hingegen etwaige einschlägige Festsetzungen ihres Bebauungsplans „…- …“. Der Vollzug des Baurechts ist nach Art. 53 Abs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) grundsätzlich Aufgabe der Kreisverwaltungsbehörden als Untere Bauaufsichtsbehörden, sodass die bauaufsichtliche Durchsetzung etwaiger einschlägiger Festsetzungen des vorgenannten Bebauungsplans (vgl. insbesondere § 9 Abs. 1 Nr. 11 BaugesetzbuchBauGB) zur Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs i.S.d. Art. 14 Abs. 2 BayBO mithin allein Aufgabe des Landratsamts … als zuständiger Unterer Bauaufsichtbehörde, nicht aber der Beklagten als kreisangehöriger Gemeinde ist, der auch keine entsprechenden Zuständigkeiten (vgl. Art. 53 Abs. 2 BayBO) übertragen worden sind. Im Anwendungsbereich der Bayerischen Bauordnung sind die Bestimmungen des Sicherheitsrechts im Verhältnis zu den Befugnissen der Unteren Bauaufsichtsbehörde (vgl. insbesondere Art. 75 f. BayBO) grundsätzlich subsidiär (vgl. Wiget aaO). Nachdem der streitgegenständliche Bescheid indes maßgeblich auf dem Vollzug des Straßen- und Sicherheitsrechts durch die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Straßenbaubehörde fußt, kann folglich vorliegend die Frage, ob der vorgenannte Bebauungsplan der Beklagten aufgrund eines Ausfertigungsmangels gegebenenfalls unwirksam ist (vgl. VG München, U.v. 17.5.2016 – M 1 K 16.629 – juris Rn. 28), offenbleiben. Die entsprechenden, den Bescheid letztlich nicht tragenden Ausführungen im streitbefangenen Bescheid (dort S. 3 Abs. 1 a.E.) gehen mithin ins Leere, führen aber nicht zu seiner Rechtswidrigkeit.

2. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG dürfen unter anderem Anpflanzungen aller Art und Zäune nicht angelegt werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG ermächtigt sodann die Straßenbaubehörde, also bei Gemeindestraßen nach Art. 46 BayStrWG – wie hier mit Blick auf die Einmündung der Gemeindestraße „Am …“ in die Staatsstraße … der Fall – die zuständige Gemeinde nach Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG, solche Anlagen – wenn sie bereits bestehen – zu beseitigen. Gleiches ergibt sich, wie ausgeführt, auch in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und Art. 66 Nr. 4 BayStrWG. Als Minus zu einer Beseitigungsverfügung kommt bei nicht fertig gestellten störenden Anlagen i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG daneben auch eine Einstellungsverfügung hinsichtlich bereits aufgenommener Arbeiten zur Errichtung in Betracht. Die streitbefangene Einfriedung auf dem Grundstück FlNr. …, die augenscheinlich die Funktion haben soll, das Grundstück zur Ortsdurchfahrt der Staatsstraße … (… Straße) wie auch zur Ortsstraße „Am …“ hin räumlich abzugrenzen und einzuzäunen, und die zu ihrer Errichtung bereits begonnenen Arbeiten des Klägers waren danach grundsätzlich geeigneter Gegenstand einer Baueinstellungs- und Beseitigungsanordnung im Sinne der genannten Vorschriften.

3. Jedoch bedarf dies der einschränkenden Auslegung im Lichte der Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 103 Bayerische Verfassung (BV).

Mit der Regelung, dass unter anderem Anpflanzungen aller Art und Zäune nicht errichtet werden dürfen, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können, enthält Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG eine Beschränkung der Nutzung des privaten Grundstückseigentums. Bei derartigen bodenrechtlichen Sachverhalten steht der Gesetzgeber angesichts des Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu regeln (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 2, 158 BV), vor einer schwierigen Aufgabe. Einerseits gewährleisten Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 BV das Privateigentum, wie es sich in seinem rechtlichen Gehalt vor allem in der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis und in der Privatnützigkeit verwirklicht. Andererseits muss der Gesetzgeber in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung Rechnung tragen (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG, Art. 103 Abs. 2, 158 BV). Dazu muss er die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten ohne einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung in einen gerechten Ausgleich bringen. Hierbei hat er seine Bindung an die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Beschränkungen. Um vor den Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 103, 158 BV Bestand zu haben, müssen (Nutzungs-)Beschränkungen des Eigentums deshalb vom geregelten Sachbereich her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. In jedem Fall erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitsgebots der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV.

Dieser verfassungsrechtliche Hintergrund verlangt es, die Anwendbarkeit der Nutzungsbeschränkung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG und die mit ihr gepaarte Eingriffsmöglichkeit nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG bzw. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG streng an die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu binden. Damit ist in jedem konkreten Einzelfall die Prüfung erforderlich, ob die Nutzungsbeschränkung überhaupt und wenn ja, in vollem Umfang notwendig ist, um Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs abzuwehren. Nicht vereinbar mit der verfassungsrechtlichen Stellung des Grundstückseigentümers wäre es deshalb, eine abstrakte Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als Tatbestandsvoraussetzung ausreichen zu lassen; denn dann würde auf der Grundlage einer nur generell-abstrakten Betrachtung denkbarer Verhaltensweisen oder Zustände ein Schadenseintritt als wahrscheinlich angesehen werden können. Der Interessenkonflikt zwischen Eigentümerbefugnissen und Schutzzweck des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayStrWG wird vielmehr nur dann gerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich ausgeglichen, wenn im konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens eine Verletzung der Schutzgüter der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs von Gewicht zu erwarten ist und durch die Regelung abgewehrt werden soll. Notwendig ist also das Vorliegen einer so genannten konkreten Gefahr (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 aaO Rn. 22 ff.; VG München, U.v. 6.12.2016 – M 2 K 16.4386 – juris Rn. 23 ff.).

Die Anwendung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bedeutet konkret, dass die Nutzungsbeschränkung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG und die mit ihr verbundene Möglichkeit, die Beseitigung anzuordnen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG bzw. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG), nicht pauschal und ohne Abstufung auf allen Straßen und Wegen gleichermaßen Anwendung finden können. Der Schwerpunkt ihres Anwendungsbereichs befindet sich vielmehr dort, wo auf Grund der Verkehrsbelastung einer Straße (z.B. erhebliche durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) oder auf Grund ihrer besonderer Beschaffenheit (z.B. unübersichtlicher oder kurvenreicher Straßenverlauf) konkrete Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs drohen, wenn Sichtfelder nicht freigehalten werden oder die Übersichtlichkeit der Straße in sonstiger Weise durch Anlagen im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG beeinträchtigt wird. Das wird vor allem auf freier Strecke, d.h. außerhalb der Ortsdurchfahrten (Art. 4 Abs. 1 BayStrWG), innerorts auf Hauptdurchgangsstraßen und allgemein an Unfallschwerpunkten der Fall sein.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinzukommen muss ferner, dass die konkrete Gefahr nicht hinreichend durch andere, insbesondere einfachere oder einer bestimmten Verkehrssituation angemessene Mittel wie das Aufstellen von Verkehrsspiegeln, den Einsatz geeigneter verkehrslenkender Maßnahmen (insbesondere Verkehrszeichen) und – je nach den örtlichen Gegebenheiten – unter Umständen auch durch den Einsatz von Ampeln oder die Einrichtung von Kreisverkehrsplätzen abgewehrt werden kann. Von Bedeutung sein kann auch, ob das Grundstück mit seiner Einzäunung unmittelbar an die Fahrbahn heranreicht (wie im Fall BayObLG, B.v. 4.4.1995 = BayVBl 1995, 541) oder ob noch – wie hier – ein Gehsteig zwischengeschaltet ist (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 aaO Rn. 27 f.)

4. Vorstehendes zu Grunde gelegt, erweisen sich die Einstellung- und Rückbauverfügungen in Nr. 1.1 und 1.2 des Bescheids vom 29. Juli 2016 als rechtswidrig. Die Voraussetzungen hierfür sind von der Beklagten unzureichend ermittelt, begründet und bewertet worden.

Zum einen hat die Beklagte das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs an der Einmündung der Gemeindestraße „Am …" in die Ortsdurchfahrt der Staatsstraße … im streitbefangenen Bescheid nicht ausreichend ermittelt und begründet (4.1). Zum anderen hat sie ihrer Beurteilung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend zu Grunde gelegt (4.2). Es ergibt sich sonach ein i.S.d. Art. 40 BayVwVfG erhebliches Ermessensdefizit, dem auch durch die weiteren, vertieften Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagtenbevollmächtigten vom 31. Mai 2017 nicht in ausreichender Weise – im Sinne einer Ergänzung gemäß § 114 Satz 2 VwGO – Rechnung getragen wurde (4.3).

4.1 Die tatsächlichen Ermittlungen und technischen Bewertungen der Beklagten hinsichtlich der Freihaltung des Sichtfeldes erweisen sich als defizitär. Die entsprechenden Ausführungen im Bescheid können sonach das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht in ausreichender Weise begründen.

Zunächst noch zutreffend erfasst die Beklagte die Verkehrsbelastung der Staatsstraße … innerhalb der Ortsdurchfahrt von … und erachtet sie als überdurchschnittlich hoch. Sie geht dabei von einem Verkehr von bis zu 10.000 Fahrzeugen täglich aus. Dies ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend.

Ausweislich der aktuellen Verkehrsmengenkarte 2010 der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (im Folgenden: Oberste Baubehörde) vom 8. März 2010 beträgt der Kfz-Gesamtverkehr/24h in der Ortsdurchfahrt von … (Zählstelle …) 8270, während im Zuständigkeitsbereich des Staatlichen Bauamts … aufgrund der Straßenverkehrszählung 2010 ein entsprechender Mittelwert bei Staatsstraßen von 5025 Kfz/24h festzustellen ist (sämtlich Daten im Internet frei abrufbar unter www.baysis.bayern.de). Damit ist auch zur Überzeugung des Gerichts eine durchaus erheblich überdurchschnittliche tägliche Verkehrsstärke in der Ortsdurchfahrt der Sttaatsstraße … im Bereich der Beklagten zu konstatieren.

Als defizitär erweist sich der Bescheid im Weiteren allerdings sowohl mit Blick auf die Anwendung der Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt 06 als einschlägigem technischem Regelwerk zur Bestimmung des Sichtfeldes als auch bei der Untersuchung der konkreten Unfallgefahr an der Einmündung der Ortsstraße „Am …“ in die Staatsstraße …

4.1.1 Die Beklagte durfte mit der von ihr gegebenen Begründung bei der Bestimmung der Schenkellänge l des Sichtfeldes nicht von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ausgehen.

Nach Art. 10 Abs. 1 BayStrWG haben die Straßenbaubehörden die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Die von der Obersten Baubehörde mit Schreiben vom 11. Februar 2009 in Bayern eingeführten RASt 06 bringen die anerkannten technischen Regeln für die Anlage von Stadtstraßen zum Ausdruck. Ausgehend hiervon wird gegen eine technische Straßenausgestaltung, die sich an den Vorgaben dieser Richtlinien orientiert, regelmäßig nichts zu erinnern sein (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2003 – 9 A 33/02 – juris Rn. 37; VG München aaO Rn. 27).

Die Tabelle 59 zu Nr. 6.3.9.3 der RASt 06 stellt bei der Bestimmung der Schenkellänge maßgeblich auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit Vzul der bevorrechtigten Kraftfahrzeuge, hier also auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb der geschlossenen Ortschaft auf der Staatsstraße … innerhalb der Ortsdurchfahrt ab. Diese bestimmt sich hier unstreitig nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Danach beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften (vgl. dazu Zeichen 310) für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h. Dies deckt sich im Übrigen auch mit auch mit den Maßgaben im o.g. Einführungsschreiben der Obersten Baubehörde vom 11. Februar 2009, mit dem die RASt 06 als technisches Regelwerk in Bayern zur Anwendung empfohlen wurden. Danach ist für die Ortsdurchfahrten u.a. von Staatsstraßen grundsätzlich darauf zu achten, dass in der Regel eine Befahrbarkeit mit der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h sicherzustellen ist. Wenn die Beklagte hingegen – entgegen dem Vorstehenden – bei der Bestimmung des Sichtfeldes von einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 60 km/h ausgeht und hierzu angibt, zahlreiche Fahrzeuge im Ortseingangsbereich – und damit auch an der streitbefangenen Einmündung – würden die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h regelmäßig noch überschreiten, führt sie damit keinen Sachverhalt an, der eine entsprechende Abweichung von der Regelbetrachtung anhand der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in Nr. 6.3.9.3 der RASt 06 rechtfertigen könnte. Die Beklagte teilt zur Begründung lediglich mit, sie habe im Monat Juli 2016 eine Geschwindigkeitsanzeigetafel am (gemeint ist wohl der nördliche) Ortseingang von … an der Staatsstraße … aufgestellt. Eine Abweichung von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei der Bestimmung des einschlägigen Sichtfeldes nach Tabelle 59 der RASt 06 hätte indes eine detaillierte Angabe zu den am nördlichen Ortseingang von … auf der Staatsstraße … festgestellten Geschwindigkeiten über einen aussagekräftigen Zeitraum hinweg vorausgesetzt. Daran fehlt es sowohl mit Blick auf die – auch aus den vorgelegten Akten im Übrigen nicht ermittelbare – konkrete Zahl entsprechender Geschwindigkeitsverstöße als auch vor dem Hintergrund der lediglich sehr kurzfristigen Einrichtung der Geschwindigkeitsanzeigetafel vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids im Juli 2016. Auch bleibt die Beklagte den Nachweis dafür schuldig, welche Überwachungsmaßnahmen sie, gegebenenfalls unter Einschaltung der zuständigen Polizeiinspektion, im Übrigen unternommen hat, um Geschwindigkeitsüberschreitungen im Bereich der (nördlichen) Ortsdurchfahrt möglichst wirksam zu begegnen.

Des Weiteren erweist es sich als ebenfalls nicht überzeugend, wenn die Beklagte auch aufgrund eines leichten Knicks der Staatsstraße südlich der Ortsstraße „Am …“ von einem (mit 85 m statt 70 m bemessenen und damit „überlangen“) Schenkel des streitigen Sichtfeldes ausgeht. Dies deswegen, weil die Freihaltung des Sichtfeldes hier ausschließlich der Sicherstellung der Sichtverhältnisse in Richtung des unstreitig sehr geraden und übersichtlichen Verlaufs der Staatsstraße nördlich der Ortsstraße „Am …“ zu dienen bestimmt ist, während es auf den weiteren Verlauf nach Süden hin für die streitgegenständliche Entscheidung gerade nicht ankommt. Der geschilderte Straßenverlauf ergibt sich für das Gericht dabei sowohl aus den bei den Akten der Beklagten befindlichen Fotos und dem Lageplan in Anlage zum streitbefangene Bescheid als insbesondere auch aus allgemeinkundigen, im Internet abrufbaren Luftbildern und Karten in deutlicher Weise. Aufgrund dieser Erkenntnismittel bestand für das Gericht auch kein Anlass für eine Inaugenscheinnahme. Das Gericht kann die bestehende Situation bereits anhand zahlreicher von der Beklagten in den Verfahrensakten vorgelegter Licht- und Luftbilder sowie von allgemeinkundigen Lageplänen, Karten und Luftbildaufnahmen, die im Internet frei abrufbar sind, in hinreichender Weise beurteilen. Der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck kann mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erreicht werden.

Die Zugrundelegung einer Schenkellänge l des Sichtfeldes von 85 m ist somit von der Beklagten nicht in ausreichender Weise nach den RASt 06 hergeleitet und begründet worden.

4.1.2 Auch hat die Beklagte das Vorliegen einer besonderen Unfallgeneigtheit an der streitbefangenen Einmündung lediglich behauptet, nicht aber mit entsprechenden Zahlen und Erkenntnissen empirisch belegt. Die bloße Behauptung, es handele sich um einen Unfallschwerpunkt, ist indessen gerade nicht ausreichend. Vielmehr hätte es einer Auseinandersetzung auf entsprechender Faktenbasis bedurft, wozu insbesondere eine Auswertung der Unfallsituation entlang der Ortsdurchfahrt der Staatsstraße … im Bereich der Beklagten anhand der detaillierten Erkenntnisse und Analysen der Zentralstelle für Verkehrssicherheit im Straßenbau in Bayern (vgl. www.stmi.bayern.de/vum/verkehrssicherheit/unfallkommissionen/index.php) in Betracht gekommen wäre. Die Zentralstelle für Verkehrssicherheit im Straßenbau analysiert alle polizeilich aufgenommenen Verkehrsunfälle in Bayern und erzeugt daraus digitale Unfallkarten. Eine solche Auswertung ist indes nach Aktenlage von Seiten der Beklagten – ebenso wie eine sonstige Untersuchung anhand von vergleichbarem Quellenmaterial – nicht erfolgt. Damit ergibt sich auch insoweit ein Ermittlungsdefizit.

Endlich ist es auch nicht überzeugend, wenn die Beklagte des Weiteren darauf abstellt, dass die Ortsstraße „Am …“ von vielen Jugendlichen und Kindern mit dem Fahrrad genutzt wird, die dort die Staatsstraße überqueren, um zu den gegenüberliegenden Ortsstraßen zu gelangen. Denn die Beklagte weist bereits zutreffend selbst darauf hin, dass sie die Querungssituation der Staatsstraße … im hier zu betrachtenden engeren Umgriff schon dadurch maßgeblich entschärft hat, dass dort gemeinsam mit dem Staatlichen Bauamt … eine Fußgängerampel errichtet wurde und betrieben wird.

Nach alledem hat die Beklagte nicht alle Erwägungen angestellt, die nach dem gesetzlichen Entscheidungsprogramm und technische Regelwerk erforderlich gewesen sind; sie hat den Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht tatsächlich nicht vollständig erfasst bzw. die einschlägigen Regeln der Technik nicht zutreffend angewandt und ihrer Bewertung zugrunde gelegt. Mithin erweist sich die Sachverhaltsermittlung- und -bewertung und in der Folge auch die Rechtsanwendung und Begründung im streitigen Bescheid als in erheblichem Umfang defizitär.

4.2 Zudem hat es die Beklagte unterlassen, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu untersuchen, ob die von ihr (fälschlich; s.o.) ermittelte konkrete Gefahr nicht auch in ausreichender Weise durch andere angemessene Mittel abgewehrt werden kann. Zutreffend weisen die Klägerbevollmächtigten insoweit darauf hin, dass der auch nach Auffassung des Gerichts unter Auswertung des vorliegenden Fotomaterials in den Akten des Beklagten ausreichend durchblickbare Maschendrahtzaun keine „Wandwirkung“ auslöst und die Verkehrssituation an der streitigen Einmündung durch das Aufstellen eines Verkehrsspiegels auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Bereich der Einmündung der …straße in die Staatsstraße … in angemessener Weise mit dem Ziel der Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs jedenfalls angemessen bewältigt werden kann. Zwar ist der Beklagten durchaus zuzugeben, dass auch ein Maschendrahtzaun grundsätzlich die Sichtbeziehungen beeinträchtigen kann, da er eine „gerasterte“ Sicht auf die kreuzende Straße bedingt. Gleichwohl ist aus den in den Akten befindlichen Fotografien im Rahmen der Baukontrolle vom 5. September 2016 erkennbar, dass der Maschendraht auch an den streitigen Pfosten nach Auffassung des Gerichts die Sicht auf die Staatsstraße nach Norden hin nicht in erheblicher Weise erschweren wird (vgl. Bild 8 und 10 der Kontrolle vom 5.9.2016). Dies gilt auch in Zusammenschau mit den Zaunpfosten der streitigen Reihe selbst, die hier in solchem Abstand zueinander aufgestellt sind, dass sie auch ihrerseits, auch zusammen mit dem dort noch nicht angebrachten Zaungeflecht, keine unzumutbare Sichteinschränkung mit sich bringen. Dies allerdings nur, wenn das Zaungeflecht nur auf der ersten (streitigen) Zaunreihe angebracht wird und gleichzeitig die zweite, vom Kläger (hilfsweise etwas weiter zurückgesetzt) bereits angebrachte Zaunpfostenreihe (einschließlich Zaungeflecht) beseitigt wird (vgl. Bilder 9 und 10 der o.g. Baukontrolle). Die zweite Zaunreihe ist im Übrigen nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsrechtsstreits.

Zu konzedierende leichtere Sichteinschränkungen infolge eines Zauns des Klägers von der Ortsstraße „Am …“ nach Norden auf die Staatsstraße hin können jedenfalls unter Einsatz des vorgenannten Verkehrsspiegels zur Überzeugung des Gerichts in einer die Verkehrssicherheit in ausreichend wahrenden Art und Weise bewältigt werden.

Die Anbringung eines Verkehrsspeigels auf öffentlichem (Straßen-)Grund, nötigenfalls sogar auch unter Heranziehung von Privateigentum im Vollzug von § 5b Abs. 6 Straßenverkehrsgesetz (StVG), stellt mithin eine einfachere und verkehrssichere Maßnahme zur ausreichenden Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs an der Einmündung der Ortsstraße „Am …“ in die Ortsdurchfahrt der Staatsstraße … dar. Die Kosten für die Anschaffung eines Verkehrsspiegels, die sich nach Auswertung entsprechender Angebote im Internet durch das Gericht voraussichtlich noch in Bereich eines dreistelligen Euro-Betrags bewegen, fallen mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nicht in erheblicher Weise ins Gewicht. Gleiches gilt für Aufbau und Unterhalt eines solchen Verkehrsspiegels, der aus ohnehin zweckgebundenen Sachmitteln der Beklagten nach Auffassung des Gerichts von ihr ohne weiteres bewältigt werden kann. Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit des Eingriffs in das Privateigentum des Klägers an seinem Zaun hätte es somit einer entsprechenden Untersuchung der Beklagten bedurft, ob die relativ geringen Aufwendungen für einen Verkehrsspiegel hier ausnahmsweise nicht in Betracht kommen. Auch dies ist nicht erfolgt.

Soweit im Übrigen ein Verkehrsspiegel zu einzelnen Zeiten, insbesondere im Winter, durch Beschlagen, Reif oder Vereisung gegebenenfalls nicht voll funktionsfähig sein sollte, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts um in der Gesamtbetrachtung nur geringfügige Zeiträume, in denen es den Verkehrsteilnehmern auf der Ortsstraße „Am …“ auch zuzumuten ist, sich vorsichtig in die Einmündung hinein zu tasten (vgl. ebenso BayVGH, U.v. 15.12.2004, aaO Rn 32).

Nach dem vorstehend unter 4.1 und 4.2 Ausgeführten ergibt sich ein erhebliches Defizit bei der Sachverhaltsermittlung und -bewertung, das zur Rechtswidrigkeit der sicherheits- bzw. straßenrechtlichen Ermessenentscheidung der Beklagten führt.

4.3 Dieses Ermessensdefizit hat die Beklagte auch durch die ergänzenden und vertieften Erwägungen in der Klageerwiderung vom 31. Mai 2017 nicht gemäß § 114 Satz 2 VwGO kompensiert.

Zwar kommt ein Nachschieben von Ermessenserwägungen grundsätzlich auch hier in Betracht; allerdings hätte dies einerseits genügend bestimmt und andererseits auch unter Ersetzung fehlerhafter Erwägungen im streitgegenständlichen Bescheid erfolgen müssen. An beidem fehlt es hier.

Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der Ergänzung von Ermessenserwägungen ergibt sich aus Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG und gilt als Ausprägung des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) auch für die Änderung eines Verwaltungsakts einschließlich seiner Begründung. Wird die Änderung erst in einem laufenden Verwaltungsprozess erklärt, so muss die Behörde unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden. Andernfalls wäre dem Betroffenen keine sachgemäße Rechtsverteidigung möglich (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46/12 – juris Rn. 34 f.). Das wäre mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren.

Die im Schriftsatz der Beklagtenbevollmächtigten vom 31. Mai 2017 – im Vergleich zum streitbefangene Bescheid erheblich vertieft und präzisiert – angestellten Überlegungen zum Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Rahmen von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG sowie zu den im Bescheid verfügten Rechtsfolgen machen bereits nicht deutlich, dass an den von der Beklagten fehlerhaft zugrunde gelegten tatsächlichen Erkenntnissen zur Gefahrensituation, namentlich an der technischen Bestimmung des Sichtfeldes, nicht mehr festgehalten wird. Dort wird nach wie vor von einer zutreffenden Anwendung der RASt 06 sowie von einer ausreichend tatsächlich ermittelte Gefahrensituation auf der Basis der der Beklagten bereits zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses (unzureichend) vorliegenden Erkenntnisse ausgegangen. Die ergänzenden Erwägungen, insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, prüfen zudem ebenso wie der Bescheid nicht die Möglichkeit der Aufstellung eines Verkehrsspiegels an geeigneter Stelle (auf der gegenüberliegenden Straßenseite).

Damit räumt auch die Klageerwiderung vom 31. Mai 2017 sowohl aus formellen als auch aus inhaltlichen Gründen das vorliegende Ermessensdefizit nicht aus.

5. Nachdem sich die Grundverfügungen in Nr. 1.1 und 1.2 des Bescheids vom 29. Juli 2016 als rechtswidrig erweisen, liegen auch die Voraussetzungen für ihre Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs (Androhung von Zwangsgeld gem. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 33 und Art. 36 VwZVG) in dessen Nr. 3 und 4 nicht vor. Sie waren daher ebenso wie die Kostenentscheidungen in Nr. 5 und 6 des Bescheids (vgl. Art. 16 Abs. 5 Kostengesetz – KG) aufzuheben.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.