Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Mai 2015 - M 16 S7 15.50485
Tenor
I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Abänderungsverfahrens gemäß § 80 Abs. 7 VwGO. Die Kostenentscheidung im
Gründe
I.
II.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung des Antragstellers nur gemeinsam mit seiner Mutter erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sichergestellt hat, dass beide nach ihrer Ankunft in Italien eine auch dem Alter des Antragstellers angemessene, gemeinsame und gesicherte Unterkunft erhalten.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 2/3, die Antragsgegnerin 1/3.
Gründe
I.
Die am ... 1982 geborene Mutter des Antragstellers ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Am
Am ... 2014 wurde der Antragsteller im Bundesgebiet geboren. Mit Schreiben vom
Mit Bescheiden vom ... September 2014, zugestellt am
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trugen sie im Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 S 14.50551) mit Schriftsatz vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 14.50550 und die Gerichtsakten in den Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 K 14.50550 und M 16 S 14.50551) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat teilweise Erfolg, soweit die Anordnung einer Auflage für die grundsätzlich als zulässig anzusehende Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids zum Schutz des Antragstellers erforderlich war.
Mit der am
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerin aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 als gering anzusehen sind. Jedoch sind durch die Antragsgegnerin bei der Vollstreckung die im Tenor beschriebenen Maßgaben zu beachten, um eine mögliche Verletzung der Rechte des Antragstellers aus Art. 4 EU-GR-Charta und Art. 3 EMRK auszuschließen.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.
Im Fall der Mutter des Antragstellers ist nach Aktenlage jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ihr in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, so dass vorliegend die Anwendung der Dublin-III-Verordnung nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu z. B. VG Berlin, B. v. 14.10.2014 - 23 L 489.14 A - juris Rn. 9 ff.). Eine Zuständigkeit Italiens kann wohl jedenfalls aus Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf die Mutter) i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf den Antragsteller) abgeleitet werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es folgt hierzu der in der Rechtsprechung ganz vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in Italien zur Zeit systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. aus jüngster Zeit BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; VG Ansbach, U. v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Köln, U. v. 27.5.2014 - 2 K 2273/13.A - juris; VG München, Gerichtsbescheid
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern jüngst entschieden, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorläge, wenn diese nach Italien zurückgeführt würde, ohne dass zuvor von Seiten der zuständigen italienischen Behörden individuelle Zusicherungen über eine altersangemessene Inobhutnahme der Kinder und Wahrung der Familieneinheit eingeholt worden wären (vgl. EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz Nr. 29217/12
Wie die Bevollmächtigten des Antragstellers im Verfahren der Mutter zu Recht geltend gemacht haben, liegt eine derartige Zusicherung hier noch nicht vor. Als nicht ausreichend ist diesbezüglich der lediglich allgemeine Vortrag des Bundesamts anzusehen, dass es für besonders schutzbedürftige Personen besondere Garantien nach den nationalen Rechtsvorschriften in Italien gebe, darunter ein „reserviertes Kontingent im Aufnahmesystem des SPRAR“. Ebenfalls nicht ausreichend wäre es, die italienischen Behörden von der konkret geplanten Rückführung lediglich zu informieren. Vielmehr ist es entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts als erforderlich anzusehen, dass bereits im Vorfeld der Abschiebung eine konkrete und individuelle Zusage von Seiten der italienischen Behörden über eine gemeinsame, altersangemessene und gesicherte Unterbringung eingeholt wird.
Da es sich bei der notwendig einzuholenden Zusicherung um eine Modalität der Abschiebung als solcher handelt, führt das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Zusicherung zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung, jedoch zur Notwendigkeit der im Tenor verfügten Auflage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4). Auflagen sind auch bei ablehnenden Entscheidungen zulässig (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 90).
Da mit der Auflage einem wesentlichen Einwand von Seiten des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids Rechnung getragen wurde, erscheint es angemessen, die Gerichtskosten in dem im Tenor ausgesprochenen Verhältnis zu teilen, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
...
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (-...-) vom ...09.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung des Antragstellers nur gemeinsam mit seiner Mutter erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sichergestellt hat, dass beide nach ihrer Ankunft in Italien eine auch dem Alter des Antragstellers angemessene, gemeinsame und gesicherte Unterkunft erhalten.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 2/3, die Antragsgegnerin 1/3.
Gründe
I.
Die am ... 1982 geborene Mutter des Antragstellers ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Am
Am ... 2014 wurde der Antragsteller im Bundesgebiet geboren. Mit Schreiben vom
Mit Bescheiden vom ... September 2014, zugestellt am
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trugen sie im Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 S 14.50551) mit Schriftsatz vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 14.50550 und die Gerichtsakten in den Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 K 14.50550 und M 16 S 14.50551) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat teilweise Erfolg, soweit die Anordnung einer Auflage für die grundsätzlich als zulässig anzusehende Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids zum Schutz des Antragstellers erforderlich war.
Mit der am
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerin aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 als gering anzusehen sind. Jedoch sind durch die Antragsgegnerin bei der Vollstreckung die im Tenor beschriebenen Maßgaben zu beachten, um eine mögliche Verletzung der Rechte des Antragstellers aus Art. 4 EU-GR-Charta und Art. 3 EMRK auszuschließen.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.
Im Fall der Mutter des Antragstellers ist nach Aktenlage jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ihr in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, so dass vorliegend die Anwendung der Dublin-III-Verordnung nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu z. B. VG Berlin, B. v. 14.10.2014 - 23 L 489.14 A - juris Rn. 9 ff.). Eine Zuständigkeit Italiens kann wohl jedenfalls aus Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf die Mutter) i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf den Antragsteller) abgeleitet werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es folgt hierzu der in der Rechtsprechung ganz vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in Italien zur Zeit systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. aus jüngster Zeit BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; VG Ansbach, U. v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Köln, U. v. 27.5.2014 - 2 K 2273/13.A - juris; VG München, Gerichtsbescheid
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern jüngst entschieden, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorläge, wenn diese nach Italien zurückgeführt würde, ohne dass zuvor von Seiten der zuständigen italienischen Behörden individuelle Zusicherungen über eine altersangemessene Inobhutnahme der Kinder und Wahrung der Familieneinheit eingeholt worden wären (vgl. EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz Nr. 29217/12
Wie die Bevollmächtigten des Antragstellers im Verfahren der Mutter zu Recht geltend gemacht haben, liegt eine derartige Zusicherung hier noch nicht vor. Als nicht ausreichend ist diesbezüglich der lediglich allgemeine Vortrag des Bundesamts anzusehen, dass es für besonders schutzbedürftige Personen besondere Garantien nach den nationalen Rechtsvorschriften in Italien gebe, darunter ein „reserviertes Kontingent im Aufnahmesystem des SPRAR“. Ebenfalls nicht ausreichend wäre es, die italienischen Behörden von der konkret geplanten Rückführung lediglich zu informieren. Vielmehr ist es entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts als erforderlich anzusehen, dass bereits im Vorfeld der Abschiebung eine konkrete und individuelle Zusage von Seiten der italienischen Behörden über eine gemeinsame, altersangemessene und gesicherte Unterbringung eingeholt wird.
Da es sich bei der notwendig einzuholenden Zusicherung um eine Modalität der Abschiebung als solcher handelt, führt das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Zusicherung zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung, jedoch zur Notwendigkeit der im Tenor verfügten Auflage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4). Auflagen sind auch bei ablehnenden Entscheidungen zulässig (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 90).
Da mit der Auflage einem wesentlichen Einwand von Seiten des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids Rechnung getragen wurde, erscheint es angemessen, die Gerichtskosten in dem im Tenor ausgesprochenen Verhältnis zu teilen, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
...
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (-...-) vom ...09.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen.
Gründe
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die am ... 1982 geborene Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Mit Bescheid vom ... September 2014, zugestellt am
Am
Die Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (-...-) vom ....09.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wurde zunächst mit Beschluss des Gerichts
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss der Kammer vom
Die Beteiligten verzichteten jeweils auf mündliche Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten in den Verfahren M 16 S 14.50551 und M 16 S7 15.50484 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ... September 2014 ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, auf den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylVfG abzustellen ist, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Aufgrund des zwischenzeitlichen Ablaufs der sog. Überstellungsfrist und des hierdurch bedingten Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik Deutschland ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig (geworden).
In der hier vorliegenden Konstellation, in der anzunehmen ist, dass die Beklagte wegen des Ablaufs der maßgeblichen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung nach Italien nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung des Antrags als unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG i. V. m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Klägerin kann die Durchführung des Asylverfahrens durch die Beklagte beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot verletzt wird. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Beklagte ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO (bzw. Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und - wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert - doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben (vgl. VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 32).
Vorliegend ist davon auszugehen, dass spätestens mit der Zustellung des unanfechtbaren Beschlusses im Verfahren M 16 S 14.50551 am
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags nicht mehr auf § 27a i. V. m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden. Folglich kommt auch eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a Satz 1 AsylVfG nicht mehr in Betracht, so dass der Bescheid insgesamt rechtswidrig ist.
Selbst wenn noch eine theoretische Überstellungsmöglichkeit nach Italien gegeben sein sollte, wäre davon auszugehen, dass eine solche jedenfalls nicht in absehbarer Zeit realisiert werden könnte. In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover wurde von Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015 mitgeteilt, dass die Republik Italien abweichend von den Anforderungen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts zumindest gegenwärtig überhaupt keine individuellen Zusicherungen mehr abgebe (vgl. VG Hannover, B. v. 21.5.2015 - 7 B 1962/15 - juris Rn. 25). Auch hierzu hat sich das Bundesamt auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts nicht geäußert.
Selbst wenn also in diesem Fall ein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte wegen Ablaufs der maßgeblichen Überstellungsfrist noch nicht erfolgt sein sollte, lägen die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vor, da nicht feststeht, dass die Abschiebung (unter Beachtung der zur Vermeidung drohender gravierender Rechtsverletzungen der Klägerin und ihrem Kind erforderlichen Schutzmaßnahmen) in absehbarer Zeit überhaupt noch durchgeführt werden könnte.
Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt. Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn.11 f. m. w. N.).
Es liegen belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer in Italien vor. In einem solchen Fall hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls jedenfalls bei Neugeborenen und Kleinstkindern in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für die in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn.15 f.).
Sofern - wie nach dem derzeitigen Erkenntnisstand anzunehmen ist - in absehbarer Zeit mangels der fehlenden Möglichkeit, entsprechende Garantieerklärungen einzuholen, rechtlich keine Überstellung möglich ist, kann die auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnung keinen Bestand mehr haben. In diesem Fall wäre auch in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens von einer Ermessensreduzierung auf Null für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO auszugehen, da die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nicht ersichtlich ist.
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass der Asylantragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf hat, dass sein Asylantrag zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft wird, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung des Antrags als unzulässig auch seine Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat (vgl. VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 42). Mit der objektiven Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids ist somit auch eine subjektive Rechtsverletzung der Klägerin im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verbunden, so dass der Bescheid insgesamt aufzuheben war (ebenso vgl. z. B. aus jüngerer Zeit VG Düsseldorf, U. v. 5.5.2015 - 22 K 2179/15.A - juris Rn. 31 ff; VG Würzburg, Gerichtsbescheid
Soweit die Klägerin weiterhin beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, war hierüber nicht ausdrücklich zu entscheiden, da davon auszugehen ist, dass die Beklagte dem von sich aus nachkommen wird bzw. eine Zuständigkeit der Beklagten mit einer entsprechenden Verpflichtung zur Prüfung des Asylantrags unmittelbar aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO bzw. aus Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO folgt.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung der Antragstellerin nur gemeinsam mit ihrem Kind erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sichergestellt hat, dass beide nach ihrer Ankunft in I. eine auch dem Alter des Kinds angemessene, gemeinsame und gesicherte Unterkunft erhalten.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 2/3, die Antragsgegnerin 1/3.
Gründe
I.
Die am ... 1982 geborene Antragstellerin ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Am
Mit Bescheid vom ... September 2014, zugestellt am
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trugen sie mit Schriftsatz vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 14.50550 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat teilweise Erfolg, soweit die Anordnung einer Auflage für die grundsätzlich als zulässig anzusehende Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids zum Schutz der Antragstellerin als alleinerziehender Mutter erforderlich war.
Mit der am
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerin aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 als gering anzusehen sind. Jedoch sind durch die Antragsgegnerin bei der Vollstreckung die im Tenor beschriebenen Maßgaben zu beachten, um eine mögliche Verletzung der Rechte der Antragstellerin aus Art. 4 EU-GR-Charta und Art. 3 EMRK auszuschließen.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.
Im Fall der Antragstellerin ist nach Aktenlage jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ihr in I. internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, so dass die Anwendung der Dublin-III-Verordnung nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu z. B. VG Berlin, B. v. 14.10.2014 - 23 L 489.14 A - juris Rn. 9 ff.). Eine Zuständigkeit I.s kann hier wohl jedenfalls aus Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO abgeleitet werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass Antragsteller in I. grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es folgt hierzu der in der Rechtsprechung ganz vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in I. zur Zeit systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. aus jüngster Zeit BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; VG Ansbach, U. v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Köln, U. v. 27.5.2014 - 2 K 2273/13.A - juris; VG München, Gerichtsbescheid
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern jüngst entschieden, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorläge, wenn diese nach I. zurückgeführt würde, ohne dass zuvor von Seiten der zuständigen italienischen Behörden individuelle Zusicherungen über eine altersangemessene Inobhutnahme der Kinder und Wahrung der Familieneinheit eingeholt worden wären (vgl. EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz Nr. 29217/12
Wie die Bevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht geltend gemacht haben, liegt eine derartige Zusicherung im Fall der Antragstellerin noch nicht vor. Als nicht ausreichend ist diesbezüglich der lediglich allgemeine Vortrag des Bundesamts anzusehen, dass es für besonders schutzbedürftige Personen besondere Garantien nach den nationalen Rechtsvorschriften in I. gebe, darunter ein „reserviertes Kontingent im Aufnahmesystem des SPRAR“. Ebenfalls nicht ausreichend wäre es, die italienischen Behörden von der konkret geplanten Rückführung lediglich zu informieren. Vielmehr ist es entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts als erforderlich anzusehen, dass bereits im Vorfeld der Abschiebung eine konkrete und individuelle Zusage von Seiten der italienischen Behörden über eine gemeinsame, altersangemessene und gesicherte Unterbringung eingeholt wird. Hierüber und über die konkret zugesicherte Unterkunft sind auch die Antragstellerin bzw. ihre Bevollmächtigten vor der Abschiebung zu informieren, damit sichergestellt ist, dass die Antragstellerin weiterhin erreichbar bleibt. Damit würde dem diesbezüglich nachvollziehbaren Einwand der Bevollmächtigten der Antragstellerin Rechnung getragen.
Da es sich bei der notwendig einzuholenden Zusicherung um eine Modalität der Abschiebung als solcher handelt, führt das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Zusicherung zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung, jedoch zur Notwendigkeit der im Tenor verfügten Auflage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4). Auflagen sind auch bei ablehnenden Entscheidungen zulässig (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 90).
Da mit der Auflage einem wesentlichen Einwand von Seiten der Antragstellerin gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids Rechnung getragen wurde, erscheint es angemessen, die Gerichtskosten in dem im Tenor ausgesprochenen Verhältnis zu teilen, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung des Antragstellers nur gemeinsam mit seiner Mutter erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sichergestellt hat, dass beide nach ihrer Ankunft in Italien eine auch dem Alter des Antragstellers angemessene, gemeinsame und gesicherte Unterkunft erhalten.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 2/3, die Antragsgegnerin 1/3.
Gründe
I.
Die am ... 1982 geborene Mutter des Antragstellers ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Am
Am ... 2014 wurde der Antragsteller im Bundesgebiet geboren. Mit Schreiben vom
Mit Bescheiden vom ... September 2014, zugestellt am
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trugen sie im Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 S 14.50551) mit Schriftsatz vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 14.50550 und die Gerichtsakten in den Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 K 14.50550 und M 16 S 14.50551) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat teilweise Erfolg, soweit die Anordnung einer Auflage für die grundsätzlich als zulässig anzusehende Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids zum Schutz des Antragstellers erforderlich war.
Mit der am
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerin aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 als gering anzusehen sind. Jedoch sind durch die Antragsgegnerin bei der Vollstreckung die im Tenor beschriebenen Maßgaben zu beachten, um eine mögliche Verletzung der Rechte des Antragstellers aus Art. 4 EU-GR-Charta und Art. 3 EMRK auszuschließen.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.
Im Fall der Mutter des Antragstellers ist nach Aktenlage jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ihr in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, so dass vorliegend die Anwendung der Dublin-III-Verordnung nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu z. B. VG Berlin, B. v. 14.10.2014 - 23 L 489.14 A - juris Rn. 9 ff.). Eine Zuständigkeit Italiens kann wohl jedenfalls aus Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf die Mutter) i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf den Antragsteller) abgeleitet werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es folgt hierzu der in der Rechtsprechung ganz vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in Italien zur Zeit systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. aus jüngster Zeit BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; VG Ansbach, U. v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Köln, U. v. 27.5.2014 - 2 K 2273/13.A - juris; VG München, Gerichtsbescheid
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern jüngst entschieden, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorläge, wenn diese nach Italien zurückgeführt würde, ohne dass zuvor von Seiten der zuständigen italienischen Behörden individuelle Zusicherungen über eine altersangemessene Inobhutnahme der Kinder und Wahrung der Familieneinheit eingeholt worden wären (vgl. EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz Nr. 29217/12
Wie die Bevollmächtigten des Antragstellers im Verfahren der Mutter zu Recht geltend gemacht haben, liegt eine derartige Zusicherung hier noch nicht vor. Als nicht ausreichend ist diesbezüglich der lediglich allgemeine Vortrag des Bundesamts anzusehen, dass es für besonders schutzbedürftige Personen besondere Garantien nach den nationalen Rechtsvorschriften in Italien gebe, darunter ein „reserviertes Kontingent im Aufnahmesystem des SPRAR“. Ebenfalls nicht ausreichend wäre es, die italienischen Behörden von der konkret geplanten Rückführung lediglich zu informieren. Vielmehr ist es entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts als erforderlich anzusehen, dass bereits im Vorfeld der Abschiebung eine konkrete und individuelle Zusage von Seiten der italienischen Behörden über eine gemeinsame, altersangemessene und gesicherte Unterbringung eingeholt wird.
Da es sich bei der notwendig einzuholenden Zusicherung um eine Modalität der Abschiebung als solcher handelt, führt das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Zusicherung zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung, jedoch zur Notwendigkeit der im Tenor verfügten Auflage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4). Auflagen sind auch bei ablehnenden Entscheidungen zulässig (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 90).
Da mit der Auflage einem wesentlichen Einwand von Seiten des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids Rechnung getragen wurde, erscheint es angemessen, die Gerichtskosten in dem im Tenor ausgesprochenen Verhältnis zu teilen, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
...
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung der Antragstellerin nur gemeinsam mit ihrem Kind erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sichergestellt hat, dass beide nach ihrer Ankunft in I. eine auch dem Alter des Kinds angemessene, gemeinsame und gesicherte Unterkunft erhalten.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 2/3, die Antragsgegnerin 1/3.
Gründe
I.
Die am ... 1982 geborene Antragstellerin ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Am
Mit Bescheid vom ... September 2014, zugestellt am
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trugen sie mit Schriftsatz vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 14.50550 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat teilweise Erfolg, soweit die Anordnung einer Auflage für die grundsätzlich als zulässig anzusehende Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids zum Schutz der Antragstellerin als alleinerziehender Mutter erforderlich war.
Mit der am
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerin aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 als gering anzusehen sind. Jedoch sind durch die Antragsgegnerin bei der Vollstreckung die im Tenor beschriebenen Maßgaben zu beachten, um eine mögliche Verletzung der Rechte der Antragstellerin aus Art. 4 EU-GR-Charta und Art. 3 EMRK auszuschließen.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.
Im Fall der Antragstellerin ist nach Aktenlage jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ihr in I. internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, so dass die Anwendung der Dublin-III-Verordnung nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu z. B. VG Berlin, B. v. 14.10.2014 - 23 L 489.14 A - juris Rn. 9 ff.). Eine Zuständigkeit I.s kann hier wohl jedenfalls aus Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO abgeleitet werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass Antragsteller in I. grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es folgt hierzu der in der Rechtsprechung ganz vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in I. zur Zeit systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. aus jüngster Zeit BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; VG Ansbach, U. v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Köln, U. v. 27.5.2014 - 2 K 2273/13.A - juris; VG München, Gerichtsbescheid
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern jüngst entschieden, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorläge, wenn diese nach I. zurückgeführt würde, ohne dass zuvor von Seiten der zuständigen italienischen Behörden individuelle Zusicherungen über eine altersangemessene Inobhutnahme der Kinder und Wahrung der Familieneinheit eingeholt worden wären (vgl. EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz Nr. 29217/12
Wie die Bevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht geltend gemacht haben, liegt eine derartige Zusicherung im Fall der Antragstellerin noch nicht vor. Als nicht ausreichend ist diesbezüglich der lediglich allgemeine Vortrag des Bundesamts anzusehen, dass es für besonders schutzbedürftige Personen besondere Garantien nach den nationalen Rechtsvorschriften in I. gebe, darunter ein „reserviertes Kontingent im Aufnahmesystem des SPRAR“. Ebenfalls nicht ausreichend wäre es, die italienischen Behörden von der konkret geplanten Rückführung lediglich zu informieren. Vielmehr ist es entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts als erforderlich anzusehen, dass bereits im Vorfeld der Abschiebung eine konkrete und individuelle Zusage von Seiten der italienischen Behörden über eine gemeinsame, altersangemessene und gesicherte Unterbringung eingeholt wird. Hierüber und über die konkret zugesicherte Unterkunft sind auch die Antragstellerin bzw. ihre Bevollmächtigten vor der Abschiebung zu informieren, damit sichergestellt ist, dass die Antragstellerin weiterhin erreichbar bleibt. Damit würde dem diesbezüglich nachvollziehbaren Einwand der Bevollmächtigten der Antragstellerin Rechnung getragen.
Da es sich bei der notwendig einzuholenden Zusicherung um eine Modalität der Abschiebung als solcher handelt, führt das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Zusicherung zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung, jedoch zur Notwendigkeit der im Tenor verfügten Auflage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4). Auflagen sind auch bei ablehnenden Entscheidungen zulässig (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 90).
Da mit der Auflage einem wesentlichen Einwand von Seiten der Antragstellerin gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids Rechnung getragen wurde, erscheint es angemessen, die Gerichtskosten in dem im Tenor ausgesprochenen Verhältnis zu teilen, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 30. März 2011 - 5 K 3036/10 - teilweise geändert. Auf die Erinnerung des Antragsgegners wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23. April 2010 nur insoweit geändert, als er den Betrag der vom Antragsgegner an die Beigeladene zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Abänderungsverfahrens auf mehr als 402,82 Euro festsetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung des Antragsgegners zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Beigeladenen zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt drei Viertel und die Beigeladene trägt ein Viertel der Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens.
Gründe
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Tenor
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
1
Gründe:
2Für die Entscheidung über die Erinnerung, mit der der Antragsteller den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Juli 2014 nach § 164 VwGO angreift, ist die Einzelrichterin zuständig, da das Gericht in der Besetzung entscheidet, in der die Kostengrundentscheidung in der Hauptsache getroffen wurde,
3vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 165 Rn 3 m.w.N.
4Die gemäß § 165 Satz 2 i.V.m. § 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Juli 2014 hat in der Sache keinen Erfolg.
5Die zuständige Urkundsbeamtin hat eine Festsetzung der vom Bevollmächtigten des Antragstellers mit Kostenantrag vom 25. März 2014 geltend gemachten Gebühren für das Verfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Juli 2014 zu Recht abgelehnt.
6Die Einzelrichterin hat mit unanfechtbarem Beschluss vom 24. März 2014 im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 80 Absatz 7 VwGO ihren ablehnenden Beschluss nach § 80 Absatz 5 VwGO vom 7. Januar 2014 im Verfahren 13 L 2168/14.A geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Oktober 2013 angeordnet. Hintergrund war der zwischenzeitliche Ablauf der Überstellungsfrist nach Artikel 19 Absatz 3 Dublin II-VO und damit eine nachträglich eingetretene Änderung der Sachlage. Im ursprünglichen Beschluss vom 7. Januar 2014 war der Antrag des Antragstellers abgelehnt worden und wurden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Nach der Kostenentscheidung im Abänderungsbeschluss vom 24. März 2014 trägt dagegen die Antragsgegnerin die Kosten des Abänderungsverfahrens.
7Nach § 16 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren auf deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar. Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Absatz 2 RVG nur einmal gefordert werden. Daher kann ein bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Absatz 5 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO nicht erneut eine Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV-RVG) beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Ziffer 7002 VV-RVG verlangen. Seine Gebühren entstehen bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht - nochmals – erstattungsfähig,
8vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 23. Juli 2003, - 7 KSt 6/03, 7 VR 1/7 VR 1/02 -, juris, Rn 3 (noch zu § 40 BRAGO); Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Beschluss vom 8. November 2011 – 8 S 1247/11- , juris, Rn 16 m.w.N.; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – 35 KE 32.12 u.a.-, juris, Rn 5 f. m.w.N.; Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 6 L 776/13.A -, juris, Rn 2.
9Anders liegt es lediglich, wenn der Prozessbevollmächtigte – anders als vorliegend – im Ausgangsverfahren noch nicht tätig war. In diesem Fall entstehen seine Gebühren für den jeweiligen Rechtszug erst im Abänderungsverfahren.
10Hintergrund der Regelung des § 16 Nr. 5 RVG ist, dass der Rechtsanwalt, der bereits im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung tätig war, in einem Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne Weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann, mithin der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts bereits im früheren Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten ist,
11vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2003 – 7 KSt 6/03, 7 VR 1/7 VR 1/02-, juris, Rn 3; VGH BW, Beschluss vom 8. November 2011 – 8 S 1247/11-, juris.
12Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem vorliegend gestellten Kostenfestsetzungsantrag zwar nicht um einen unzulässigen Antrag auf „erneute“ Festsetzung von Gebühren i.S.v. § 15 Absatz 2 RVG für dieselbe Angelegenheit. Denn aufgrund der zu Lasten des Antragstellers ausgegangenen Kostengrundentscheidung im Ausgangsverfahren nach § 80 Absatz 5 VwGO schied dort ein Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der bereits im Ausgangsverfahren angefallenen Verfahrensgebühr seines Prozessbevollmächtigten nebst Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gegen die Antragsgegnerin aus. Der erst im vorliegenden Abänderungsverfahren gestellte Kostenfestsetzungsantrag ist daher auf die erstmalige Festsetzung der für das Ausgangs- und Abänderungsverfahren einheitlichen einfachen Verfahrensgebühr nach Ziffer 3001 VV-RVG sowie der Pauschale nach Ziffer 7002 VV-RVG gegen die Antragsgegnerin gerichtet.
13Der Erinnerung bleibt aber deshalb der Erfolg versagt, weil die geltend gemachten Gebühren bereits im Ausgangsverfahren angefallen sind und damit weiterhin der im Beschluss vom 7. Januar 2014 zu Lasten des Antragstellers getroffenen Kostengrundentscheidung für das Ausgangsverfahren unterliegen. Die erst im vorliegenden Abänderungsverfahren zugunsten des Antragstellers erfolgte Kostengrundentscheidung bezieht sich – entgegen der Auffassung des Antragstellers - nur auf das Abänderungsverfahren selbst und regelt damit die Kostenerstattungspflicht nur für die im Abänderungsverfahren neu angefallenen Kosten, z.B. Kosten einer erst dort durchgeführten Beweisaufnahme. Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren ersetzt dagegen nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, trifft also nicht etwa eine für den vorliegenden Rechtszug insgesamt neue einheitliche Kostenentscheidung. Denn das Abänderungsverfahren nach § 80 Absatz 7 VwGO stellt keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 80 Absatz 5 VwGO dar, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Absatz 5 VwGO selbständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Absatz 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ist. Entsprechend kam vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erst aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der Sachlage in Betracht. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erfolgt. Vor diesem Hintergrund bleibt ‑ entgegen der Auffassung des Antragstellers ‑ die Kostengrundentscheidung im Ausgangsverfahren mit Beschluss vom 7. Januar 2014 durch den Beschluss vom 24. März 2014 unberührt,
14vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 – 2 VR 1.08 -, juris, Rn 5; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Juni 2009 – 6 C 07.565-, juris, Rn 3 und vom 5. Oktober 2007 – 26 CS 07.1422, 26 CS 026 CS 07.1423 -, juris, Rn 34; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 80 Rn 199; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, § 80 Rn 549 f.; Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 80 Rn 186.
15Entsprechend kommt eine Einbeziehung der bereits im Ausgangsverfahren angefallenen, dort aber mangels entsprechender Kostengrundentscheidung nicht zu Lasten der Antragsgegnerin festsetzbaren Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in die Kostenfestsetzung aufgrund der Kostengrundentscheidung im Änderungsverfahren nicht in Betracht,
16vgl. Verwaltungsgericht Sigmaringen, Beschluss vom 30. März 2011 – 5 K 3036/10-, juris, Rn 6; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – 35 KE 32.12, 34 L 222.11 A – juris, Rn 7 f.; Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 6 L 776/13.A -, juris; a.A. Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 29. August 2008 – Au 4 S 01.30125 -, juris, Rn 2; Verwaltungsgericht Halle, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 3 B 128/10-, juris, Rn 5, Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 29. April 2014 – A 7 K 226/14, juris, die aber ohne Begründung letztlich den Verfahrensbezug der jeweiligen Kostengrundentscheidung des Ausgangs- und Abänderungsverfahrens auflösen.
17Anders würde es sich nur mit erstmals im Abänderungsverfahren entstandenen Kosten verhalten, die dann allein auf der Grundlage der in diesem Verfahren getroffenen Kostengrundentscheidung zu erstatten wären. Solche hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vorliegend aber gerade nicht geltend gemacht.
18Soweit damit ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen erst im Änderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, wenn er im Ausgangsverfahren noch nicht anwaltlich vertreten war, begegnet dies auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem §§ 161 Absatz 1, 162 VwGO zugrunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen, sowie im pauschalierenden – und insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklichen – Ansatz der §§ 15 Absatz 2, 16 RVG, die die Verfahren nach § 80 Absatz 5 und § 80 Absatz 7 VwGO als gebührenrechtlich einheitliche Angelegenheit betrachten,
19vgl. bereits Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – 35 KE 32.12, 34 L 222.11 A, a.a.O.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Abschiebung des Antragstellers nur gemeinsam mit seiner Mutter erfolgen darf und erst, sobald die Antragsgegnerin in Abstimmung mit der zuständigen italienischen Behörde sichergestellt hat, dass beide nach ihrer Ankunft in Italien eine auch dem Alter des Antragstellers angemessene, gemeinsame und gesicherte Unterkunft erhalten.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 2/3, die Antragsgegnerin 1/3.
Gründe
I.
Die am ... 1982 geborene Mutter des Antragstellers ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am
Am
Am ... 2014 wurde der Antragsteller im Bundesgebiet geboren. Mit Schreiben vom
Mit Bescheiden vom ... September 2014, zugestellt am
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trugen sie im Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 S 14.50551) mit Schriftsatz vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 K 14.50550 und die Gerichtsakten in den Verfahren der Mutter des Antragstellers (M 16 K 14.50550 und M 16 S 14.50551) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat teilweise Erfolg, soweit die Anordnung einer Auflage für die grundsätzlich als zulässig anzusehende Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids zum Schutz des Antragstellers erforderlich war.
Mit der am
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier im Ergebnis zugunsten der Antragsgegnerin aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... September 2014 als gering anzusehen sind. Jedoch sind durch die Antragsgegnerin bei der Vollstreckung die im Tenor beschriebenen Maßgaben zu beachten, um eine mögliche Verletzung der Rechte des Antragstellers aus Art. 4 EU-GR-Charta und Art. 3 EMRK auszuschließen.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Solche Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft im Sinne von § 27a AsylVfG finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), die gemäß ihres Art. 49 Abs. 1 am 30. Juni 2013 in Kraft getreten ist. Gemäß ihres Art. 49 Abs. 2 Satz 1 ist die Dublin-III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.
Im Fall der Mutter des Antragstellers ist nach Aktenlage jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ihr in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, so dass vorliegend die Anwendung der Dublin-III-Verordnung nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu z. B. VG Berlin, B. v. 14.10.2014 - 23 L 489.14 A - juris Rn. 9 ff.). Eine Zuständigkeit Italiens kann wohl jedenfalls aus Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf die Mutter) i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin-III-VO (in Bezug auf den Antragsteller) abgeleitet werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 27.4. 2010 -10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Das Gericht konnte sich in diesem Sinne nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass Antragsteller in Italien grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es folgt hierzu der in der Rechtsprechung ganz vorherrschend vertretenen Auffassung, dass in Italien zur Zeit systemische Mängel im dargestellten Sinne nicht bestehen (vgl. aus jüngster Zeit BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; VG Ansbach, U. v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Köln, U. v. 27.5.2014 - 2 K 2273/13.A - juris; VG München, Gerichtsbescheid
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch im Fall einer Familie mit minderjährigen Kindern jüngst entschieden, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorläge, wenn diese nach Italien zurückgeführt würde, ohne dass zuvor von Seiten der zuständigen italienischen Behörden individuelle Zusicherungen über eine altersangemessene Inobhutnahme der Kinder und Wahrung der Familieneinheit eingeholt worden wären (vgl. EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz Nr. 29217/12
Wie die Bevollmächtigten des Antragstellers im Verfahren der Mutter zu Recht geltend gemacht haben, liegt eine derartige Zusicherung hier noch nicht vor. Als nicht ausreichend ist diesbezüglich der lediglich allgemeine Vortrag des Bundesamts anzusehen, dass es für besonders schutzbedürftige Personen besondere Garantien nach den nationalen Rechtsvorschriften in Italien gebe, darunter ein „reserviertes Kontingent im Aufnahmesystem des SPRAR“. Ebenfalls nicht ausreichend wäre es, die italienischen Behörden von der konkret geplanten Rückführung lediglich zu informieren. Vielmehr ist es entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts als erforderlich anzusehen, dass bereits im Vorfeld der Abschiebung eine konkrete und individuelle Zusage von Seiten der italienischen Behörden über eine gemeinsame, altersangemessene und gesicherte Unterbringung eingeholt wird.
Da es sich bei der notwendig einzuholenden Zusicherung um eine Modalität der Abschiebung als solcher handelt, führt das derzeitige Fehlen einer entsprechenden Zusicherung zwar nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung, jedoch zur Notwendigkeit der im Tenor verfügten Auflage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4). Auflagen sind auch bei ablehnenden Entscheidungen zulässig (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 90).
Da mit der Auflage einem wesentlichen Einwand von Seiten des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids Rechnung getragen wurde, erscheint es angemessen, die Gerichtskosten in dem im Tenor ausgesprochenen Verhältnis zu teilen, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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