Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Jan. 2014 - 4 S 14.30017

published on 23.01.2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Jan. 2014 - 4 S 14.30017
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, nach eigenen Angaben ein 1993 geborener afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehöriger aus der Provinz Kundus, wurde am 20. Juli 2013 in P. wegen illegaler Einreise festgenommen.

Aufgrund eines Fingerabdruck-Abgleichs wurde festgestellt, dass er bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte, weshalb die Antragsgegnerin am ... Juli 2013 gemäß den Vorschriften der sog. Dublin-II-Verordnung ein Übernahmeersuchen an Ungarn richtete. Die zuständige ungarische Behörde stimmte mit Schreiben vom ... Juli 2013 der Übernahme aufgrund von Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zu und teilte mit, der Antragsteller habe am 11. Juli 2013 in Ungarn Asyl beantragt, sich aber bald danach entfernt.

Am ... August 2013 stellte der Antragsteller im Bundesgebiet einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom ... Dezember 2013 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Unzulässigkeit des Asylantrags fest und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn an.

Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Der Bescheid wurde am 27. Dezember 2013 mit Postzustellungsurkunde versandt, ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht bei den Akten.

Am 7. Januar 2014 erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom ... Dezember 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren des Antragstellers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden (Az. M 4 K 14.30016).

Gleichzeitig beantragte er,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, in Ungarn bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers über seine Erlebnisse in Ungarn wurde vorgelegt.

Die Akte des Bundesamtes lag dem Gericht vor.

Auf die Gerichts- und Behördenakten wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen, ist zwar zulässig (§ 34a Abs. 2 AsylVfG), jedoch nicht begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B.v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris; VG Göttingen, B.v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris, Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird, denn der streitgegenständliche Bescheid begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.

1. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

2. Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Anzuwenden ist insoweit die Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (sog. Dublin-II-Verordnung), da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 - sog. Dublin-III-Verordnung).

Gemäß Art. 3 Abs. 1 und Art. 13 Dublin-II-Verordnung ist der Staat Ungarn für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig, da dies der erste EU-Mitgliedsstaat ist, in dem er einen Asylantrag gestellt hat. Die ungarischen Behörden haben dies anerkannt und sich gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin-II-Verordnung bereit erklärt, den Antragsteller wieder aufzunehmen.

3. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht, etwa nach Art. 3 Abs. 2 oder Art. 15 Dublin-II-Verordnung, gehalten, trotz der Zuständigkeit Ungarns den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.

a) Die Auslegung der Dublin-II-Verordnung, die „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S. u. a., C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, U.v. 14.11.2013 - Pui, C-4/11 - juris; EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - juris).

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem wurde in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten (ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten) die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-Verordnung erlassen, um die Behandlung der Asylantrage zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Inter-esse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 78, 79; U.v. 10.12.2013, a. a. O., Rn. 52, 53).

Aus diesen Gründen kann nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedsstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedsstaaten zur Beachtung der Dublin-II-Verordnung berühren und deren Pflicht vereiteln, einen Asylbewerber an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 82, 84, 85).

Die Mitgliedstaaten dürfen einen Asylbewerber nur dann nicht an den zuständigen Mitgliedsstaat überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (U.v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 94, 106; U.v. 10.12.2013, a. a. O., Rn. 60, 62; U.v. 14.11.2013. a. a. O., Rn. 30).

b) Das Gericht ist bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine hinreichend „ernsthafte und durch Tatsachen bestätigten Gründe“ dafür gibt, dass der Antragsteller in Ungarn infolge systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.

Die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Antragstellers reicht nicht aus, solche systemischen Mängel des ungarischen Asylsystems zu belegen, da sie nur persönliche Erlebnisse des Antragstellers schildert, die dieser in nur wenigen Tagen seines Aufenthalts dort gemacht haben kann; denn sein Asylantrag in Ungarn datiert vom 11. Juli 2013, und am 20. Juli 2013 befand er sich bereits in Deutschland. Ferner kann man bezweifeln, ob sich aus der Darstellung Anzeichen für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ergeben, etwa wenn sich der Antragsteller darüber beklagt, dass seine beiden Mitbewohner „Alkohol konsumiert“ hätten, womit er nicht einverstanden gewesen sei.

Eine Durchsicht öffentlich zugänglicher Stellungnahmen hinsichtlich des Asylverfahrens und der Situation der Asylbewerber in Ungarn ergab keine hinreichend sichere Grundlage für die Annahme, dass der Antragsteller dort der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein würde.

Zwar war die Situation in Ungarn gerade im Jahr 2012 teilweise heftiger Kritik ausgesetzt.

So beschreibt etwa der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) in dem 28seitigen Positionspapier „Hungary as a country of asylum - Observations on the situation of asylum-seekers and refugees in Hungary“ vom April 2012 die Situation von Asylsuchenden in Ungarn sehr kritisch und wendet sich insbesondere gegen die häufige Inhaftierung von Asylsuchenden ohne Visum (hierzu auch die Erklärung „Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn“ vom 24.4.2012; die Dokumente sind über www.u...de oder www.u...org zugänglich). In dem Positionspapier richtete UNHCR eine Vielzahl von Forderungen („Recommendations“) an die ungarischen Behörden, würdigt aber auch deren Kooperationsbereitschaft und die bereits getroffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation. Vor allem aber enthält es jedoch keine Aufforderung an die anderen EU-Mitgliedsstaaten, von Überstellungen nach Ungarn im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems abzusehen. In Anbetracht der seinerzeit gegenüber Griechenland erfolgten deutlichen Stellungnahmen wäre dieses aber zu erwarten, wenn UNHCR von einer menschenrechtswidrigen Situation ausgehen würde.

Allerdings veröffentlichte UNHCR im Oktober 2012 eine Aufforderung, keine Asylbewerber gemäß den Dublin-II-Regularien nach Ungarn zu überstellen, wenn diese vor ihrer Ankunft in Ungarn durch Serbien gekommen waren. Diese Aufforderung hat UNHCR aber im Dezember ausdrücklich wieder aufgehoben („amends its previous position“) und die Veränderungen in der ungarischen Asylpraxis ausdrücklich positiv gewürdigt („Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update“, December 2012).

Im Jahr 2013 sind soweit ersichtlich durch UNHCR keine Äußerungen zu Ungarn veröffentlicht worden.

Das Auswärtige Amt hat sich 2013 in zwei umfangreichen Stellungnahmen zur ungarischen Asylgesetzgebung und -praxis geäußert (an das VG Augsburg am 23.5.2013 und an den BayVGH am 9.7.2013). Auch hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern durch systemische Mängel des Asylverfahrens.

Gleiches gilt für den Bericht zweier Berichterstatter einer Arbeitsgruppe des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), „Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon the Conclusion of its Visit to Hungary, 23 September - 2 October 2013“. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich aufgrund ihres Mandats nicht mit dem Asylverfahren speziell, sondern allgemein mit „willkürlicher Haft“ („arbitrary detention“); der Bericht kritisiert demzufolge in erster Linie den exzessiven Gebrauch und Mängel bei der Zugänglichkeit von Rechtsbeiständen bei der Untersuchungshaft in Ungarn sowie die Möglichkeit von Freiheitsentziehungen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz. In Bezug auf die Inhaftierung von Asylbewerbern würdigt der Bericht ausdrücklich die Verbesserungen durch im Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesänderungen; diese würden jedoch in der Praxis noch nicht ausreichend umgesetzt. Der Bericht kritisiert vor allem Mängel in Bezug auf die Information der Inhaftierten über ihre Rechtsbehelfsmöglichkeiten, sowie in Bezug auf die Verfügbarkeit von Dolmetschern und den Zugang zu Rechtsbeiständen. Außerdem handelt es sich bei diesem Bericht lediglich um vorläufige Ergebnisse („preliminary findings“); ein abschließender Bericht soll dem Menschenrechtsrat erst im Lauf des Jahres 2014 vorgelegt werden. Die Ansicht, dass sich aus diesem Bericht ausreichende Belege für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylbewerbern durch systemische Mängel des Asylverfahrens ergeben, teilt das Gericht nicht (vgl. z. B. VG München, B.v. 28.10.2013 - M 21 S 13.31076).

Nach alledem vermag das Gericht für den jetzigen Zeitpunkt keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn, die für den Antragsteller die tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, zu erkennen.

Dieses Ergebnis deckt sich mit der Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hat in seinem Urteil vom 6. Juni 2013 (Mohammed gegen Österreich, Nr. 2283/12, hier zitiert nach der inoffiziellen Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration) festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-Regelungen nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliegen würde, einer den Art. 3 EMRK verletzenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Der Gerichtshof hat hierzu umfangreich Stellungnahmen von UNHCR und anderer Stellen ausgewertet; es ist nicht ersichtlich, dass sich die Tatsachengrundlage seither wesentlich verändert hätte.

Ferner hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die wirtschaftliche Situation eines Asylbewerbers schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, nicht ausreicht, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Art. 3 EMRK kann nicht so ausgelegt werden, dass er die Vertragsstaaten verpflichtet, jeder Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; diese Regelung enthält auch keine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, B.v. 2.4.2013 - 27725/10 - ZAR 2013, 336, Rn. 70, 71; bezogen auf Italien; ebenso EGMR, B.v. 18.6.2013 - 53852/11 - ZAR 2013, 338; hierzu auch BVerwG, B.v. 11.9.2013 - 10 B 17.13 - unter www.b...de).

Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat festgestellt, es sei nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Ungarn systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der nach dort überstellten Asylbewerber erwarten lassen (VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; ebenso zum Beispiel: VG Regensburg, B.v. 17.12.2013 - RN 5 S 13.30749 - juris; VG Augsburg, B.v. 5.12.2013 - Au 7 S 13.30454 - juris; VG Ansbach, B.v. 6.9.2013 - AN 10 S 13.30604; VG Ansbach, B.v. 11.9.2013 - AN 2 S 13.30685, AN 2 E 13.30664; anderer Ansicht zum Beispiel: VG München, B.v. 23.12.2013 - M 23 S 13.31303; B.v. 17.12.2013 - M 21 S 13. 31196; B.v. 28.10.2013 - M 21 S 13.31076; B.v. 6.12.2013 - M 22 S 13. 31235; jeweils mit der Feststellung, dass die Verhältnisse in Ungarn nicht mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen seien).

4. Ungarn gilt außerdem als sicherer Drittstaat im Sinn des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49).

Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Ungarns nicht vor.

Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

4 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 18.09.2013 00:00

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 5 K 1233/13.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage des Antragstellers wird angeordnet. 2. Die Antragsgegneri
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.