Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. März 2014 - 20 P 13.5889
Gericht
Tenor
Die Zustimmung des Beteiligten zu 1) zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 2) wird ersetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 2) ist seit 1989 beim Antragsteller beschäftigt. Seit 2004 ist sie Teamleiterin und damit Vorgesetzte aller Reinigungskräfte. Ihr obliegt auch die Koordination und sie bereitet die Auswahl der externen Reinigungsfirmen vor.
Die Beteiligte zu 2) wird verdächtigt, die frühere Inhaberin der Reinigungsfirma ... veranlasst zu haben, höhere Stundenzahlen als tatsächlich geleistet wurden, in Rechnung zu stellen. Die entsprechenden Rechnungen hat die Beteiligte zu 2) als „sachlich und rechnerisch richtig“ abgezeichnet. Nach Bezahlung der Rechnung soll ihr von Frau ... die Mehrvergütung in bar ausgezahlt worden sein. Es soll sich um monatliche Beträgt zwischen 500 und 1.000 € gehandelt haben.
Am ... 2013 hat eine Mitarbeiterin des Geschäftsführers Frau ... dazu befragt. Diese hat den Sachverhalt bestätigt. Eine Anhörung der Beteiligten zu 2), die für den ... 2013 angesetzt war, scheiterte, da die Beteiligte zu 2) erkrankte. Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte der Beteiligten zu 2) den Verdacht schriftlich mit. In der persönlichen Anhörung am ... 2013 erklärte die Beteiligte zu 2), sie wolle sich erst nach Beratung mit ihrem Rechtsanwalt äußern. Eine entsprechende Äußerung wurde jedoch nicht abgegeben.
Der Antragsteller hörte mit Schreiben vom ... 2013 den Beteiligten zu 1) zur beabsichtigten fristlosen Kündigung der Beteiligten zu 2) an. Der Beteiligten zu 1) verweigerte seine Zustimmung mit Schreiben vom ... 2013.
Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ging am 23. Dezember 2013 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München - Kammer für Personalvertretungssachen nach Landesrecht - ein. Der Bevollmächtigte macht geltend, es bestehe der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Die Beteiligte zu 2) sei mehrfach angehört worden, habe jedoch keine Erklärung abgegeben. Weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich.
Der Beteiligte zu 1) und der Bevollmächtigte der Beteiligten zu 2) beantragen, den Antrag abzulehnen.
Das Gericht hat die Beteiligten am 18. März 2014 angehört. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Nach Art. 47 Abs. 2 BayPVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Personalrats der Zustimmung des Gremiums. Verweigert der Personalrat - wie hier - seine Zustimmung, so kann das Verwaltungsgericht sie auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies ist im vorliegenden Verfahren der Fall.
Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG Urteil vom 24.5.2012 Az.: 2 AZR 206/11
Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Schließlich muss der Arbeitgeber zur Aufklärung des Sachverhalts dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegennimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitsgeber Rücksicht zu nehmen. Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer dem Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zutage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Hierdurch zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit. Daher kann auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Zwar „steht und fällt“ der Verdacht mit der Aussage von Frau ... Es besteht aber kein Anlass, die Glaubwürdigkeit von Frau ... in Zweifel zu ziehen. Immerhin belastet sie mit ihrer Aussage auch sich selbst. Zudem hatte die Beteiligte zu 2) im Kreisjugendring eine Schlüsselstellung inne. Sie war diejenige, die Rechnungen als „sachlich und rechnerisch richtig“ abzeichnete und durch diese falsche Bestätigung die überhöhten Auszahlungen veranlasste. Sie hatte zudem einen nicht unmaßgeblichen Einfluss auf die Vergabe von Reinigungsarbeiten an externe Firmen. Sie hat die Firmen „getestet“. Ihre Vorschläge hatten Gewicht, auch wenn die endgültige Auftragsvergabe (Vertragsabschluss) nicht in ihre Zuständigkeit fiel. All diese Umstände machen den Verdacht „dringend“ im Sinne der Rechtsprechung.
Die Beteiligte zu 2) hat sich zum Verdacht - trotz mehrfacher Gelegenheiten - nicht geäußert. Sie hat lediglich in der Anhörung am 18. März 2014 dahin eingelassen, die Vorwürfe in Abrede zu stellen.
Nach alledem ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass der vorliegende Verdacht einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Die fristgemäß beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist daher zu ersetzen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich.
Annotations
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.