Verwaltungsgericht Minden Urteil, 11. Feb. 2015 - 3 K 2397/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.
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Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks C.--------weg 16 in I. . Die bebaute und befestigte Fläche des Grundstücks ermittelte die Beklagte im August 2014 nach einem Ortstermin mit 432,80 m². Niederschlagswasser vom Grundstück des Klägers wird in einen an der Rückseite des Grundstücks verlaufenden Graben eingeleitet. Diesen Graben hat der Vater des Klägers nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung verrohrt. Auch die oberhalb und unterhalb des Grundstücks des Klägers gelegenen Teile des Wasserlaufs sind an der N.----straße beginnend überwiegend verrohrt.
3Die Beklagte hat sich unter dem 26.09.2012 vom Kreis I1. als unterer Wasserbehörde bestätigen lassen, dass es sich bei dem beschriebenen Abschnitt des Grabens bis zum T.------weg , wo er in die gemeindliche Kanalisation mündet, nicht (mehr) um ein Gewässer handelt. Unter dem 11.04.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, bei dem Graben handele es sich nunmehr um einen Bestandteil der gemeindlichen Kanalisation. Einleitungen in den Graben seien deshalb gebührenpflichtig. Die Pflicht des Klägers zur Unterhaltung der Verrohrung entfalle dagegen.
4Mit Bescheid vom 15.09.2014 zog die Beklagte den Kläger zu einer Regenwassergebühr für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2014 in Höhe von 0,90 € pro m² für 450 m² heran, insgesamt 202,50 €.
5Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 06.10.2014 Klage erhoben. Er meint, der Graben sei trotz seiner Verrohrung weiterhin ein Gewässer und deshalb keine öffentliche Einrichtung im Sinne von § 4 Abs. 2 KAG NRW. Die in der Beitrags- und Gebührensatzung der Beklagten genannten Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflicht lägen nicht vor.
6Der Kläger beantragt,
7den Gebührenbescheid der Beklagten vom 15.09.2014 aufzuheben.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie trägt vor, der in Rede stehende Graben besitze keine Gewässereigenschaft mehr. Er sei dementsprechend mit dem Abschnitt in das Kanalkataster aufgenommen worden, für den der Kreis I1. die Gewässereigenschaft verneint habe. Ab Juli 2014 habe er nicht nur den Kläger zu Niederschlagswassergebühren herangezogen, sondern auch die weiteren Anlieger des C1.--------weges , die ihr Niederschlagswasser in den Wasserlauf einleiteten.
11Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet.
14Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
15Rechtsgrundlage der angefochtenen Gebührenfestsetzung sind die §§ 7 ff. der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde I. vom 22.12.1989 in der ab dem 01.01.2014 geltenden Fassung (BGS). Bedenken dagegen, dass es sich bei diesen Regelungen um formell und materiell gültiges Ortsrecht handelt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
16Gemäß § 7 Abs. 1 BGS erhebt die Beklagte für die Inanspruchnahme der Abwasseranlage im Sinne des § 4 Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 KAG Benutzungsgebühren (Abwassergebühren). Für das Niederschlagswasser bemisst sich die Gebühr nach § 8 Abs. 1 b BGS nach der bebauten (bzw. überbauten) und/oder befestigten Grundstücksfläche, von der Niederschlagswasser leitungsgebunden oder nicht leitungsgebunden abflusswirksam in die Abwasseranlage gelangen kann. Die Benutzungsgebühr beträgt für das Einleiten von Niederschlagswasser nach § 8 Abs. 10 b BGS grundsätzlich 0,90 € pro m².
17Soweit diese Regelungen den Gebührentatbestand beschreiben, ist nach der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass dieser vorliegt. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem an der Rückseite des Grundstücks verlaufenden Graben um einen Teil der kommunalen Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten. Der Graben ist nämlich nach Würdigung aller Umstände zum entwässerungsrechtlichen Zweck, der Niederschlagswasserbeseitigung, technisch geeignet und als Bestandteil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gewidmet.
18Vgl. zu diesen Voraussetzungen OVG NRW, Beschluss vom 06.07.2012- 9 A 980/11 - NWVBl. 2013, 35 und Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 2398/03 , juris; vgl. auch Queitsch in Hamacher u.a., Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Februar 2014, § 6 Gliederungsnummer 2.6.4, Rdnrn. 143 ff. m.w.N.
19Ein Anlagenteil ist für die Zwecke der Abwasserbeseitigung technisch geeignet, wenn er die unschädliche Ableitung des Abwassers sicherstellt. Die Anlage muss also das Abwasser vom Grundstück aufnehmen und es aus dessen Bereich so weit ableiten, dass das Abwasser nicht mehr zu erheblichen Beeinträchtigungen auf dem ableitenden Grundstück führen kann. Dabei ist unerheblich, was mit dem Abwasser im weiteren Verlauf der Abwasseranlage geschieht. Entscheidend ist, dass das Abwasser von dem Grundstück abgeleitet wird, auf dem es anfällt.
20Vgl. OVG NRW, Urteile vom 07.09.1987 - 2 A 993/85 -, OVGE 39, 179 (184) und vom 05.09.1986 - 2 A 2955/83 -, Städte- und Gemeinderat 1987, 155; VG Minden, Urteil vom 08.08.2012 - 3 K 1313/11 -;VG Düsseldorf, Urteil vom 27.07.2011 - 5 K 3214/11 -, juris, Rdnr. 18.
21Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nachdem der Kläger dem nicht entgegengetreten ist, hat das Gericht keinen Anlass zu bezweifeln, dass auf seinem Grundstück anfallendes Niederschlagswasser in den Graben geleitet wird und dass der Zweck der Ableitung des Niederschlagswassers vom Grundstück damit erreicht wird. Bei dieser Sachlage ist es gebührenrechtlich unerheblich, ob die in Rede stehende Abwasserleitung wasserrechtlich noch als Gewässer gilt. Jedenfalls nach der sogenannten Zwei-Naturen- oder Zwei-Funktionen-Theorie ist es gerechtfertigt, die Verrohrung auch als Bestandteil der gemeindlichen Abwasseranlage anzusehen. Hierzu wird ausdrücklich auf das Urteil des OVG NRW vom 18.12.2007 - 9 A 2398/03 -, juris, dort Rdnrn. 41 bis 43, und den dazu ergangenen Beschluss des BVerwG vom 28.04.2008 - 7 B 16.08 -, juris hingewiesen.
22Die Widmung des Grabens als kommunale Abwasserbeseitigungsanlage ist zumindest konkludent erfolgt. Der dafür erforderliche erkennbare Widmungswille kann z.B. darin gesehen werden, dass die Anlage von der Kommune unterhalten wird. Weitere Umstände, die als konkludente Widmung aufgefasst werden können, können in der Aufnahme in ein Kataster oder in einen Bestandsplan gesehen werden und auch in der Erhebung von Abwassergebühren für die Benutzung.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 2398/03 -, juris und Beschluss vom 31.08.2010 - 15 A 89/10 -, juris.
24Die Beklagte hat ihren Willen, den verrohrten Graben in ihre Abwasserbeseitigungsanlage einzubeziehen, hier mit dem Schreiben vom 11.04.2014, dem angefochtenen Bescheid, entsprechenden Schreiben und Bescheiden an die Grundstückseigentümer in der Nachbarschaft des Klägers in vergleichbarer Situation und die Aufnahme in das Kanalkataster zum Ausdruck gebracht. Danach ist von der Widmung des Grabens als Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage auszugehen.
25Der vom Kläger schriftsätzlich vertretenen, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angesprochenen Auffassung, die Gebührenpflicht sei nach der Beitrags- und Gebührensatzung der Beklagten nicht entstanden, folgt das Gericht nicht. Die in § 9 Abs. 1 bis 3 BGS getroffenen Bestimmungen über den genauen Beginn der Gebührenpflicht sind in der Zusammenschau mit § 7 Abs. 1 S. 1 BGS – danach erhebt die Gemeinde für die Inanspruchnahme der Abwasseranlage Benutzungsgebühren – so zu verstehen, dass diese Gebühr mit dem Beginn des Folgemonats auf den Zeitpunkt entsteht, in dem sämtliche Voraussetzungen für die Erhebung der Gebühr vorliegen. Das war hier, wie dargelegt wurde, jedenfalls am 30.06.2014 der Fall. Die Erhebung der Gebühr ab dem 01.07.2014 ist deshalb nicht zu beanstanden.
26Einwendungen gegen die Höhe der festgesetzten Gebühr hat der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erhoben.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.
28Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Annotations
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.