Verwaltungsgericht Minden Beschluss, 28. Jan. 2014 - 10 Nc 35/13
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die vier Antragsteller/Antragstellerinnen nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2013/2014 vorläufig zum Studium der Psychologie/Bachelor im 1. Fachsemester zuzulassen.
2. Die Kosten der vier Verfahren trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Antragsteller erstreben einen Studienplatz der aus dem Tenor zu 1. ersichtlichen Art. Soweit sie im Rahmen des von ihnen eingeleiteten gerichtlichen Eilverfahrens sinngemäß formuliert haben, der Antragsgegnerin möge aufgegeben werden, sie an einem vom Gericht anzuordnenden Vergabeverfahren zu beteiligen und vorläufig zuzulassen, falls auf sie ein entsprechender Rangplatz entfällt, ist dieses Begehren unter Berücksichtigung ihrer Interessenlage auszulegen (§ 88 VwGO): Auch in diesem Fall geht es ihnen in erster Linie direkt um einen Studienplatz, nicht nur um die Teilnahme an einem Vergabeverfahren, wenn die Zahl der "verschwiegenen" Plätze ‑ die Existenz solcher unterstellt - diejenige der Antragsteller, die beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht haben, übersteigt.
3Letzteres ist hier der Fall:
4a) In der Berechnung der Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin für das Studienjahr 2013/2014 für die Lehreinheit Psychologie heißt es sinngemäß u.a.:
5Junior-Professor, Deputat … 4, Stellen insgesamt 4, …16 (Lehrveranstaltungsstunden).
6In § 3 der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVV -) vom 24. Juni 2009 ist in § 3 der Umfang der Lehrverpflichtung bestimmt. Für Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren beträgt er 4 Lehrveranstaltungsstunden in der ersten Anstellungsphase und 5 Lehrveranstaltungsstunden in der zweiten Anstellungsphase (Abs. 1 Nr. 4). Im Hinblick darauf hat die Kammer mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 die Antragsgegnerin gebeten, dazu Stellung zu nehmen, in welcher Anstellungsphase sich die vier Juniorprofessoren jeweils befinden und von wann bis wann die betreffende Anstellungsphase dauert. Darauf hat die Antragsgegnerin unter dem 23. Januar 2014 geantwortet, auf den vier Stellen für Juniorprofessoren werde keine Person geführt, die sich in der zweiten Anstellungsphase eines Juniorprofessors befinde.
7Gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (Halbsatz 1); die Beteiligten sind dabei heranzuziehen (Halbsatz 2).
8Die Antragsgegnerin weigert sich, die Frage zu beantworten, von wann bis wann die jeweilige Anstellungsphase dauert. Triftige Gründe, die ein solches Verhalten rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kammer ist keinesfalls gehalten, der Antragsgegnerin zu "glauben", wenn die keinen Anlass sieht, geforderte Angaben zu machen.
9Danach wird jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes davon ausgegangen, dass in diesem Zusammenhang (4 x 1 =) 4 zusätzliche Lehrveranstaltungsstunden zu berücksichtigen sind
10- zur Reaktion auf ein Blockadeverhalten der Hochschule vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 1, Der Kapazitätsprozess (2011), § 280 ff. -.
11b) In dem Kapazitätsbericht findet sich außerdem die Angabe
12A 15 - 13, Studienrat im Hochschuldienst, Deputat … 13, Stellen insgesamt 1, … 13 (Lehrveranstaltungsstunden).
13Nach § 3 Abs. 1 Nr. 16 LVV haben Studienrätinnen und Studienräte, Oberstudienrätinnen und Oberstudienräte, Studiendirektorinnen und Studiendirektoren - im Hochschuldienst - sowie sonstige Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Universitäten gemäß § 42 Abs. 1 Hochschulgesetz je nach Umfang der weiteren Dienstaufgaben 13 - 17 Lehrveranstaltungsstunden. Mit Blick darauf ist die Antragsgegnerin um Folgendes gebeten worden: Mitteilung des Namens des Studienrats im Hochschuldienst und präzise Begründung - u.a. mit Blick auf die weiteren Dienstaufgaben der betreffenden Person -, weshalb (bei einem sich aus der LVV ergebenden Rahmen von 13 - 17 (nur)) ein Deputat von 13 Stunden angesetzt worden ist. Darauf hat die Antragsgegnerin unter dem 23. Januar 2014 geantwortet:
14"Die Universität Bielefeld hat das Lehrdeputat eines Studienrats im Hochschuldienst mit 13 LVS festgelegt. Sie ist dabei der Vorgabe des Ministeriums in dem entsprechenden Formular gefolgt. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Stelle derzeit nicht planmäßig besetzt ist; auf der Stelle wird zur Zeit ein Akademischer Rat mit ständigen Lehraufgaben und einer Lehrverpflichtung von 9 LVS geführt. Auch hier wird keine Notwendigkeit gesehen, den Namen des jeweiligen Stelleninhabers zu benennen (vgl. Beschluss des VGH München vom 02.08.2013 - 7 CE 12.10150, siehe NVwZ-RR 23/2013 S. 965, 966)."
15Eine tragfähige Begründung dafür, dass - auf der Grundlage des sog. Stellenprinzips und der Regellehrverpflichtung - in diesem Zusammenhang nur 13 Lehrveranstaltungsstunden zu veranschlagen sind, vermag die Kammer dem nicht zu entnehmen. Berücksichtigt werden danach - kapazitätsfreundlich - zusätzlich weitere 4 Stunden.
16Das führt - von der vorgelegten Kapazitätsberechnung ausgegangen - auf S. 6 oben zu dem Rechenvorgang 426,46 : 1,84 = 231,77 (statt bisher 223,08) Studienplätze.
17Danach kommt es auf andere Details der Kapazitätsberechnung nicht mehr an. Denn bei der Kammer sind (nur) insgesamt 5 Eilverfahren (die vier vorliegenden sowie ein weiteres, in dem es um den Master-Abschluss geht) anhängig.
18Die Kostenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Sie entspricht der ständigen Spruchpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des beschließenden Gerichts in Verfahren der vorliegenden Art.
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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.