Verwaltungsgericht Minden Beschluss, 30. Dez. 2014 - 10 L 860/14.A
Gericht
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 10 K 2655/14.A gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Antragsgegnerin.
1
G r ü n d e :
2Der zulässige, insbesondere innerhalb der einwöchigen Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 10 K 2655/14.A gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen,
4ist begründet. Die im Verfahren nach § 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zugunsten der Antragsteller aus.
51. Für die vorzunehmende Interessenabwägung gelten die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO anwendbaren allgemeinen Grundsätze. Dementsprechend ist das Interesse der Antragsteller an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung gegen das öffentliche Interesse an deren alsbaldiger Vollziehung abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage maßgeblich zu berücksichtigen.
6Dagegen setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage anders als in Fällen der Unbeachtlichkeit oder der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags (§ 36 Abs. 1 und 4 Satz 1 AsylVfG) nicht voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Im Gegensatz zu § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG enthält § 34a Abs. 2 AsylVfG keine entsprechende Einschränkung. Ein Antrag, § 34a Abs. 2 AsylVfG entsprechend zu fassen, fand im Gesetzgebungsverfahren keine Mehrheit.
7Vgl. VG Trier, Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR -, juris Rn. 5 ff. mit ausführlicher Darstellung des Ablaufs des Gesetzgebungsverfahrens; VG Darmstadt, Beschluss vom 9. Mai 2014 - 4 L 491/14.DA.A -, juris Rn. 2.
82. Zum Zeitpunkt des Erlasses der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) ist offen, ob die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsteller, die ausweislich der von Ihnen vorgelegten Unterlagen, von deren Echtheit auch die Antragsgegnerin ausgeht, in Italien bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden, im Falle ihrer Überstellung nach Italien dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) bzw. des inhaltsgleichen Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ausgesetzt sein werden.
9a) Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union sicherer Drittstaat i.S.d. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese Norm bestimmt, dass sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 (GG) berufen kann, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist. Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO) bzw. deren Vorgänger, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, S. 1, sog. Dublin II-VO), jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG, dürften der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylVfG nicht entgegenstehen. Diese Verordnungen dürften auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, nachdem ihnen - wie hier - in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz i.S.d. Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, 9; sog. Qualifikationsrichtlinie) zuerkannt worden ist, keine Anwendung finden.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 -, InfAuslR 2014, 400 (juris Rn. 26); Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a Rn. 34.
11Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG liegt das sog. Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten kraft Entscheidung der Verfassung als sicher.
12Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u.a. -, BVerfGE 94, 49 (juris Rn. 181).
13Abweichend vom Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem inhaltsgleichen Prinzip des gegenseitigen Vertrauens
14- zu Letzterem vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi)-, NVwZ 2014, 208 (jurisRn. 52 f., 60) -
15ist Ausländern Schutz zu gewähren, wenn ihrer Überstellung in den sicheren Drittstaat Hindernisse entgegen stehen, die durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts von Verfassung oder Gesetz wegen berücksichtigt werden können und die damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. Dies gilt u.a. auch dann, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass der Drittstaat den Ausländer selbst politisch verfolgt bzw. ihn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK aussetzt.
16Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u.a. -, BVerfGE 94, 49 (juris Rn. 189).
17Asylbewerber, die in der Regel vollständig auf staatliche Hilfe angewiesen sind, sind einer solchen Behandlung ausgesetzt, wenn sie sich in einer mit der menschlichen Würde unvereinbaren Situation ernsthafter Entbehrungen und Not behördlicher Gleichgültigkeit gegenüber sehen.
18Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarak-hel/Schweiz) -, HUDOC Rn. 98; s.a. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12 (juris Rn. 24); United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19. Febru-ar 2014 - EM (Eritrea) and others v the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 -, Rn. 62.
19Das Gleiche muss für Personen gelten, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt oder denen nationaler Abschiebungsschutz gewährt wurde, weil sich diese Personen in Bezug auf ihre tatsächliche soziale Lage im Aufnahmestaat in vielen Aspekten in einer vergleichbaren Situation wie Asylbewerber befinden. Insbesondere verfügen sie in der Regel weder über ausreichende Kenntnisse der Landessprache noch verfügen sie in der Regel im Aufnahmestaat über Familienangehörige oder Bekannte. Insbesondere diese beiden Aspekte schränken diese Personen darin ein, ihren Lebensunterhalt unabhängig von staatlicher Hilfe zu bestreiten.
20Vgl. VG Minden, Beschluss vom 15. März 2013 - 10 L 123/13.A -, Abdruck S. 4.
21Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob staatliche Stellen es durch ihr vorsätzliches Handeln oder Unterlassen betroffenen Personen praktisch verwehren, von ihren gesetzlich verankerten Rechten auf eine Unterkunft und annehmbare materielle Bedingungen Gebrauch zu machen.
22Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarak-hel/Schweiz) -, HUDOC Rn. 96.
23Sind Kinder betroffen, ist entscheidend auf ihre besondere Verletzlichkeit abzustellen, der der Vorrang gegenüber dem Gesichtspunkt ihres Status als illegaler Einwanderer einzuräumen ist.
24Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarak-hel/Schweiz) -, HUDOC Rn. 99.
25Im Rahmen der Prognose, ob Ausländer im Falle ihrer Überstellung in einen anderen Staat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein werden, ist nicht allein auf die Rechtslage in diesem Staat abzustellen; maßgeblich ist vielmehr deren Umsetzung in die Praxis.
26Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S./ Belgien und Griechenland) -, NVwZ 2011, 413 und HUDOC Rn. 359; Hailbronner, Ausländerrecht, Band 3, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rn. 21.
27Die Frage, ob eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK vorliegt, dürfte im hier zu entscheidenden Fall schon deshalb unabhängig davon zu prüfen sein, ob im Aufnahmestaat systemische Mängel der Aufnahmebedingungen bestehen, weil Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 604/2013 wie die gesamte Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und deren Vorgänger, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003, auf Personen, denen - wie hier - bereits die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, wie bereits dargelegt keine Anwendung finden dürfte.
28b) Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Unterlagen kann nicht zuverlässig ausgeschlossen werden, dass die Antragsteller im Falle ihrer Rückkehr nach Italien auf längere Zeit Obdachlosigkeit und existenzbedrohender materieller Armut ausgesetzt sein werden. Bezüglich Italiens gilt, dass sich die Situation für anerkannte Schutzberechtigte in der Regel schwieriger als für Personen darstellt, die sich dort noch im Asylverfahren befinden.
29Vgl. borderline-europe e.V., Gutachten Dezember 2012, S. 52.
30Dies beruht darauf, dass anerkannte Schutzberechtigte im Gegensatz zu Asylbewerbern weitgehend von staatlichen Leistungen ausgeschlossen sind. Zwar erhalten anerkannte Schutzberechtigte eine Aufenthaltserlaubnis, mit der sie dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige genießen, insbesondere freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung. Dementsprechend sind anerkannte Schutzberechtigte selbst für eine Unterkunft und die Bestreitung ihres Lebensunterhalts verantwortlich. Ein Anspruch auf weitere Sozialleistungen besteht grundsätzlich nicht.
31Vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 21. Januar 2013, Punkt 7, sowie vom 24. Mai 2013, Antwort zu Frage 12; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013; S. 47; bordermonitoring.eu, Vai Via - zur Situation der Flüchtlinge in Italien: Ergebnisse einer einjährigen Recherche, S. 21 f.
32Ein der deutschen Rechtslage vergleichbares System der Sozialhilfe gibt es in Italien nicht. Für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen sind grundsätzlich die Regionen zuständig, in bestimmten Regionen wie z.B. der Emilia Romagna oder der Toskana, die Kommunen. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf. Sozialhilfe kann Personen gewährt werden, die nicht über Mindesteinkünfte zur Bestreitung grundlegender Bedürfnisse verfügen. Die Ausgaben für die Sicherung des Lebensunterhalts machen oft nur einen kleinen Teil der Gesamtsumme aus; stärker ins Gewicht fallen spezifische Sach- und Geldleistungen oder Familienleistungen, die je nach Einkommen und Kinderzahl gestaffelt sind.
33Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Information Italien, Januar 2012, S. 24 f.
34Allerdings sind entsprechende Leistungen in jüngster Zeit wie z.B. in Mailand gekürzt worden; Rom soll Berichten zufolge gar keine Sozialleistungen mehr gewähren.
35Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013; S. 48.
36Zudem stehen Sozialhilfeleistungen nur denjenigen zu, die ihren Wohnsitz in der betreffenden Gemeinde haben. Berichten zufolge verweigern viele Gemeinden die Neuregistrierung von Personen, die hilfebedürftig sind, in ihrer Gemeinde. Dadurch bleiben sie hinsichtlich des Bezugs von Sozialhilfeleistungen an ihren ursprünglichen Wohnort gebunden.
37Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3 ff.
38Im Gegensatz zu Asylbewerbern haben anerkannte Schutzberechtigte keinen Zugang mehr zu Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber (sog. CARAS) oder zu aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds finanzierten Unterkünften (sog. FER-Projekte). Ihnen stehen nur Unterkünfte aus dem Zweitaufnahmesystem (sog. SPRAR-System) offen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sie eine SPRAR-Unterkunft bereits einmal vorzeitig verlassen haben. Hinzu kommt, dass die Kapazität des SPRAR-Systems nicht ausreichend ist und nur für eine geringe Anzahl berechtigter Personen eine - zudem in der Regel auf sechs Monate beschränkte - Unterkunft bietet.
39Vgl. borderline-europe e.V., Gutachten Dezember 2012, S. 52; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013; S. 21 ff.
40Die unzureichende Kapazität des italienischen Aufnahmesystems führt dazu, dass zahlreiche Ausländer, und zwar sowohl Asylbewerber als auch anerkannte Schutz-berechtigte, obdachlos sind oder unter unzumutbaren Bedingungen in besetzten Gebäuden oder slumartigen Siedlungen leben. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein weit verbreitetes Schicksal. Auch Frauen, alleinerziehende Mütter, Familien und psyschisch Kranke sind von diesem Risiko betroffen.
41bordermonitoring.eu, Vai Via - zur Situation der Flüchtlinge in Italien: Ergebnisse einer einjährigen Recherche, S. 21 f.; Der Spiegel; Mogadischu in Apulien, Nr 25 vom 17. Juni 2013, S. 34; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013; S. 35 f. und 40 bis 42; Frankfurter Rundschau, Die Vergessenen, 9. Oktober 2013.
42Angesichts der aufgrund der Wirtschaftskrise relativ hohen Arbeitslosigkeit in Italien schätzte borderline-europe e.V. es schon im Dezember 2012 als fast unmöglich ein, als Flüchtling mit wenigen Sprachkenntnissen finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
43Vgl. Gutachten, S. 52.
44Laut einer Studie von Juni 2012 sollen damals etwa 45 % der anerkannten Schutzberechtigten arbeitslos gewesen sein.
45Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 43.
46Daran dürfte sich angesichts der gegenüber 2012 nochmals gestiegenen Arbeitslosigkeit (Gesamtquote im August 2014 12,2 % bei einer Quote von 40,2 % für die Gruppe der unter 25-Jährigen)
47- vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jugendarbeitslo sigkeit-in-italien-erreicht-im-august-rekordstand-a-925511.html (abgerufen am 30. Dezember 2014) -
48nichts geändert haben. Im Falle der Antragsteller zu 1. und 2. kommt hinzu, dass diese zwei zehn- bzw. zwölfjährige Kinder, die Antragstellerin zu 3. und 4., zu versorgen haben. Da nach den vorstehenden Ausführungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass den Antragstellern in Italien staatliche Leistungen zur Verfügung stehen, ist nicht ersichtlich wie es ihnen im Falle ihrer Überstellung nach Italien gelingen sollte, die notwendigen finanziellen Mittel für eine Unterkunft und die Bestreitung ihres Lebensunterhalts aufzubringen, zumal sich die Lage sowohl auf dem Wohnungs- als auch auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der auch in Italien steigenden Anzahl von Asylanträgen weiter verschärfen dürfte.
49Im Vergleich zu 2013 als etwa 28.000 Asylanträge zu verzeichnen waren
50- vgl. Asylmagazin 4/2014, S. 103 -,
51sind bis Ende September 2014 in Italien bereits etwas über 43.000 Asylanträge registriert worden.
52Vgl. http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&plugin =1&language=en&pcode=tps00189 (abgerufen am 22. Dezember 2014).
53Dies entspricht allein bis Ende September einem Anstieg von 75 % gegenüber dem gesamten Vorjahr. Damit wird 2014 auch der bisherige Höchststand in der jüngeren Vergangenheit von etwa 37.000 Asylanträgen im Jahr 2011
54- vgl. Associazione per gli Studi Giuridici sull' Immigrazione (ASGI), Parlamento, governo e ue potenzino subito il sistema itialiano per il diritto d'asilo - Raccomandazioni e richieste dell' ASGI, 12. April 2014, S. 2, http://www.asgi.it/wp-content/up loads/public/1_0014 asilo_asgidocumenti.pdf (abgerufen am 22. Dezember 2014) -
55bei weitem überschritten.
56Anhaltspunkte dafür, dass Italien sein Aufnahmesystem der steigenden Anzahl von Asylanträgen angepasst, insbesondere die Zahl der Unterkunftsplätze angemessen erhöht hat, liegen dem Gericht nicht vor. Vielmehr hat UNHCR bereits im April 2014 zusätzliche Aufnahmehilfen angemahnt
57- vgl. UNHCR, Italy rescues 6000 people crossing Mediterranean in four days, 11. April 2014, http://www.unhcr.org/5347 d8fa9.html (abgerufen am 22. Dezember 2014) -
58und im Juni 2014 eine Verteilung der in internationalen Gewässern geretteten und in Italien an Land gegangenen Flüchtlinge angeregt, um das italienische Asylsystem zu entlasten.
59Vgl. Reuters, EU should share out refugees rescued at sea, 13. Juni 2014, http://www.trust.org/item/20140613154221-5bt33 /?source=jtOtherNews1 (abgerufen am 22. Dezember 2014).
60Dementsprechend konstatiert auch das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen belastbarer Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Versorgung nach Italien überstellter Ausländer mit einer tauglichen Unterkunft
61- vgl. Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, AuAS 2014, 244 (juris Rn. 15) -,
62und hält es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der schon für 2013 eine eklatante Diskrepanz zwischen der Anzahl der Asylanträge und der Anzahl der verfügbaren Unterkunftsplätze feststellt, nicht für ausgeschlossen, dass eine erhebliche Anzahl von Asylbewerbern in Italien ohne Unterkunft bleibt oder in überfüllten Einrichtungen ohne Privatsphäre oder sogar in Einrichtungen mit ungesunden Bedingungen oder in Einrichtungen, in denen Gewalt droht, untergebracht wird.
63Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarak-hel/Schweiz) -, HUDOC Rn. 110 und 115.
643. Ist nach den vorstehenden Ausführungen derzeit offen, ob die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechten verletzt, überwiegt angesichts der durch die Abschiebungsanordnung betroffenen Rechte der Antragsteller - insbesondere ihrer Rechte auf körperliche Unversehrtheit sowie auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums - das Interesse der Antragsteller an einem vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet und damit an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung das öffentliche Interesse an deren alsbaldiger Vollziehung durch Überstellung der Antragsteller nach Italien.
65Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.
66Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.