Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 12. Mai 2015 - 8 A 18/14
Tatbestand
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Der Kläger war zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen dienstrechtlichen Vorkommnisse Polizeivollzugsbeamter im Rang eines Polizeihauptmeisters im Land Sachsen-Anhalt und wurde bei der Beklagten verwendet. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung befindet sich der Kläger im vorzeitigen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen.
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Mit der hier streitbefangenen Verfügung vom 07.05.2014 wurde das gegen den Kläger geführte Disziplinarverfahren nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) eingestellt und gleichzeitig eine Missbilligung ausgesprochen. Zur Begründung führt der Bescheid aus, dass die Prüfung der fünf dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegten Lebenssachverhalte keine Dienstpflichtverletzungen darstellten. Der Kläger habe kein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen. Das Disziplinarverfahren sei deshalb nach § 32 Abs. 1 Satz 1 DG LSA einzustellen. Unabhängig von der disziplinarrechtlichen Entscheidung werde das Verhalten des Klägers missbilligt. Die Missbilligung stehe in einem angemessenen Verhältnis zu den bekannt gewordenen Gesamtfeststellungen. Mit der allgemeinen beamtenrechtlichen Missbilligung werde das objektiv pflichtwidrige Verhalten des Klägers gerügt, ohne dass auch ein Schuldvorwurf erhoben und damit die Begehung eines Dienstvergehens vorgeworfen werde. Es folgt in dem Bescheid eine erneute Darstellung der fünf Lebenssachverhalte, welche damit schließt, dass das Verhalten des Klägers noch nicht das Gewicht eines Dienstvergehens habe und damit unterhalb der disziplinarrechtlichen Erheblichkeitsschwelle liege. Das Verhalten lasse aber im Ganzen eine Versachlichung und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Streitstoff vermissen. Mit dem mahnenden Charakter der Missbilligung solle der Kläger vor drohenden einschneidenden Maßnahmen, wie etwa disziplinarrechtlichen Schritten, nachhaltig bewahrt werden. Die beamtenrechtliche Entscheidung beruhe auf dem allgemeinen Beamtenrecht, insbesondere auf der Geschäfts-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn. Daher dürfe sich dieser aus gegebenem Anlass über das dienstliche Verhalten eines ihm nachgeordneten Beamten kritisch äußern und diesen auf die bestehenden Dienstpflichten hinweisen. Von dieser Reaktionsmöglichkeit nicht disziplinarer Art habe die Behörde mit Beendigung dieses Disziplinarverfahrens ausdrücklich Gebrauch gemacht. Es werde darauf hingewiesen, dass diese missbilligende Äußerung Bestandteil der Personalakte werde (§§ 89 Abs. 1 LBG LSA, § 6 Satz 2 DG LSA).
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Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.201 als unbegründet zurück und wies erneut darauf hin, dass an der Missbilligung als mildere Form der Verhaltenssteuerung unabhängig von der disziplinaren Entscheidung festgehalten werde. Nach wie vor bestehe bei dem Kläger die Gefahr, durch die Rockerszene und deren Propaganda instrumentalisiert zu werden, welches dem Kläger vor Augen zu führen sei.
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Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Missbilligung und den damit verbundenen Eintrag in die Personalakte. Der Bescheid beinhalte einen als Missbilligung getarnten Verweis. Zudem sei nicht ersichtlich, welches konkrete Verhalten des Klägers eigentlich missbilligt werde.
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Der Kläger beantragt,
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die Disziplinarverfügung der Beklagten in Gestalt der Missbilligung vom 07.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2014 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und verteidigt die ausgesprochene Missbilligung aufgrund der ihr zustehenden Kompetenz. Von einer noch weniger belastenden Maßnahme, etwa einer Zurückweisung, Ermahnung oder Rüge, könnte insbesondere auch angesichts des Umstandes, dass das Verhalten des Klägers mittels Bildpräsentation im sozialen Netzwerk bekannt geworden sei und Negativschlagzeilen für den Ruf der Institution Polizei drohten, nicht abgesehen werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Die in dem streitbefangenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vorgenommene Einstellung des Disziplinarverfahrens unter Ausspruch einer Missbilligung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn er hat einen Anspruch auf Einstellung des Disziplinarverfahrens ohne derartige makelbelastete Feststellungen unter Eintragung in die Personalakte (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Auch soweit sich der Kläger nunmehr im vorzeitigen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen befindet, steht ihm weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Aufhebung der Missbilligung samt Eintragung in der Personalakte zu. Denn insoweit ist bereits nicht auszuschließen, dass der Kläger aufgrund seines noch relativen jungen Lebensalters (Geburtsjahrgang 1973) reaktiviert werden könnte.
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Dabei ist unerheblich, ob es sich bei der Missbilligung um eine beamtenrechtliche oder disziplinarrechtliche Entscheidung handelt (vgl. § 6 Satz 2 DG LSA). Entscheidend ist, dass der Kläger als Beamter durch die im Bescheid ausgesprochene Missbilligung beschwert ist und diese zudem Gegenstand der Personalakte wird (vgl. § 16 Abs. 5 DG LSA; zum Ganzen: VG Magdeburg, Urteil vom 08.07.2014, 8 A 4/14 MD; VG Magdeburg, Urteil vom 17.01.2013, 8 A 14/12 MD mit Verweis auf OVG in Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.1994, 2 A 10721/94; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.10.2008, 1 K 202/07; VG Braunschweig, Beschluss vom 15.09.2012, 7 A 132/10; alle juris sowie Gansen: Disziplinarrecht des Bundes und der Länder; 26. Auflage, § 6 Rz. 10).
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Entscheidend ist vorliegend zunächst, dass die Beklagte in dem streitbefangenen Bescheid vom 07.05.2014 im Ergebnis der Prüfung der disziplinarrechtlichen Vorwürfe zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger gerade kein Dienstvergehen bezüglich der fünf Lebenssachverhalte vorgehalten werden kann. Der Bescheid endet jeweils nach Prüfung des Lebenssachverhaltes eindeutig mit dem Ergebnis, dass „ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten nicht vor[liegt]“, eine „Verletzung von Dienstpflichten nicht gegeben ist“, „relevante Pflichtverletzungen nicht festzustellen“ sind, „von einer Verletzung von Dienstpflichten nicht ausgegangen“ werden kann sowie „ein beamtenrechtlich relevantes Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG u. a.) nicht vor[liege]“. Dementsprechend wurde zu Recht das Disziplinarverfahren nach § 32 Abs. 1 Satz Nr. 1 DG LSA eingestellt. Soweit die Beklagte sodann die dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegten fünf Lebenssachverhalte - zudem in derselben Verfügung - unter „beamtenrechtlichen Aspekten“ erneut prüft, um sodann im Ergebnis die streitbefangene Missbilligung auszusprechen, verkennt sie die rechtliche Tragweite der hier relevanten Missbilligung. Dabei geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass nach allgemeiner Auffassung (vgl. Urban/Wittkowski, BDG, 2011, § 6 Rdz. 7 m.w.N.) die sich aus dem allgemeinen Beamtenrecht ergebene Geschäftsleitungs-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn die Rechtsgrundlage für derartige Missbilligungen darstellt. Diese berechtigt den Dienstvorgesetzten im Rahmen der Dienstaufsicht dazu, kritisch-missbilligend gegen unterstellte Beamte einzuschreiten. Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, das spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken dient. Es handelt sich um ein außerdisziplinarrechtliches pädagogisches Mittel, das Dienstvorgesetzte besitzen, um auf ein dienstlich beanstandendes, nicht notwendig schon ein Dienstvergehen darstellendes Verhalten angemessen reagieren zu können (vgl.: Urban-Wittkowski, BDG, a.a.O.; Weiss, GKÖD, Disziplinarrecht, M § 6 Rdz. 31 m.w.Nachw.; vgl. auch: VG Wiesbaden, Urteil vom 03.04.2014, 28 K 943/12.WID; VG Aachen, Urteil vom 02.03.2015, 1 K 2369/13; jeweils juris).
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Liegt bereits ein Dienstvergehen nicht vor, ist der Ausspruch einer schriftlichen Missbilligung darüber hinaus dann rechtswidrig, wenn sich der Dienstherr beim Ausspruch der Missbilligung nicht hinreichend bewusst wird, dass ihm eine Ermessensauswahl hinsichtlich milderer Maßnahmen zusteht. Denn § 6 Satz 2 DG LSA eröffnet dem Dienstherrn ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der konkret vorzunehmenden Missbilligung. Die Bestimmung nennt als missbilligende Äußerung explizit Zurechtweisungen, Ermahnungen oder Rügen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden. Diese Aufzählung ist nach überwiegender Auffassung beispielhaft zu verstehen; so werden als weitere dienstrechtliche Reaktionsmöglichkeiten etwa tadelnde Hinweise, kritische Äußerungen, Belehrungen, Vorhalte, Warnungen, ernsthafte Missfallensbe-kundungen sowie dringliche Ersuchen genannt (vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 18.02.2014, 2 A 3448/12; juris mit Verweis auf Urban/Wittkowski, BDG a.a.O., § 6, Rdz. 7 m.w.N.; Weiss, GKÖD a.a.O. M § 6 Rdz. 29 m.w.N.). Damit bestanden neben der von der Beklagten gewählten schärfsten Form der missbilligenden Äußerung, diverse weitere, sämtlich mildere Reaktionsmöglichkeiten. Der Beklagten oblag es, unter den genannten Maßnahmen diejenige auszuwählen, die geeignet, erforderlich und verhältnismäßig erschien, um auf das festgestellte Verhalten zu reagieren (vgl. auch: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.08.2000, 2 A 12134/99; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.01.2013, 5 LB 227/11, VG Koblenz, Urteil vom 14.10.2008, 6 K 231/08.KO; alle juris). Die qualifizierte Missbilligung mag zwar geeignet sein, Kritik in deutlicher Form zum Ausdruck zu bringen und damit spezial- und generalpräventiv eine Wirkung zu entfalten. Allerdings liegt dies nicht ohne weiteres und ohne notwendige Ausführungen in dem Bescheid selbst auf der Hand. Denn es ergibt sich aus den diesbezüglich allein heranzuziehenden Ausführungen in dem streitbefangenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht, dass die Beklagte die - wegen der Nichtaufnahme in die Personalakte - allesamt milderen Maßnahmen, etwa ein eindringliches und ermahnendes Personalgespräch überhaupt erkannt hat und die diesbezüglichen Alternativen überhaupt zur Prüfung in den Blick genommen hat. Insoweit liegt bereits ein Ermessensausfall vor. Denn ausweislich der Ausführungen in den genannten Bescheiden zieht die Beklagte allein - insoweit zwar rechtmäßig und zutreffend - ihr allgemeines beamtenrechtliches Leitungs- und Weisungsrecht heran, übersieht dann aber die nähere rechtliche Ausgestaltung dieses allgemeinen beamtenrechtlichen behördlichen Mittels. Dies wird auch deutlich aufgrund der Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Denn dort sieht die Beklagte die „Missbilligung als mildere Form der Verhaltssteuerung“ an. Darüber hinaus geht der Widerspruchsbescheid nunmehr davon aus, dass „mehrere dienstliche Verletzungen ersichtlich“ seien, „die immerhin gewichtig und nur knapp unterhalb der disziplinarrechtlichen Erheblichkeitsschwelle“ liegen würden. Wie bereits ausgeführt, geht die Disziplinarverfügung selbst davon aus, dass gerade keine Dienstpflichtverletzungen vorliegen (so jedenfalls ausdrücklich zu Nr. 2, 3, 4 und Nr. 5).
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Dabei kann auch nicht argumentiert werden, dass sich der Kläger aufgrund seines damaligen Krankenstandes nicht im Dienst befunden habe. Denn auch dies schließt es nicht aus, dass die Beklagte sich zuvor überhaupt Gewissheit über die ihr zustehenden Sanktionsmöglichkeiten verschafft um dann zu versuchen, diese dem Beamten gegenüber kundzutun. So ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger trotz Krankenstandes nicht in der Lage gewesen wär, der Aufforderung seines Dienstherrn zu einem Personalgespräch Folge zu leisten. Im Gegenteil hat die Beklagte diese Möglichkeit der Gesprächsführung von vornherein ausgeschlossen.
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Erst in der Klageerwiderung gegenüber dem Disziplinargericht im Schriftsatz vom 29.01.2015 scheint die Beklagte Ausführungen dahingehend zu machen, dass mildere Maßnahmen nicht angebracht gewesen seien. Insoweit sind die Ausführungen auf Seite 2, 2. Absatz, Zeile 14 jedenfalls so zu verstehen sein. Jedenfalls - und dies ist entscheidend - wären diese Ermessenserwägungen erst im gerichtlichen Verfahren angestellt worden und könnten wegen des Ermessensausfalls in der streitbefangenen Verfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht mehr nachgeschoben werden können (vgl. § 114 Satz 2 VwGO). Nach § 114 Satz 2 VwGO können unvollständige Ermessenserwägungen auch noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn das Ermessen gar nicht ausgeübt oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben werden sollen (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rdz. 50 m.w.Nachw.).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.
Tenor
Die schriftliche Ermahnung vom 27. August 2012 und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, das Schreiben des Bereichsleiters vom 8. August 2012, die schriftliche Ermahnung vom 27. August 2012 samt Empfangsbekenntnis, den Widerspruch der Klägerin vom 4. September 2012 und die Widerspruchsbegründung vom 27. September 2012 sowie das Schreiben vom 8. Oktober 2012 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen eine schriftliche Ermahnung und begehrt die Entfernung dieses Vorgangs aus ihrer Personalakte.
3Die am 00.00.0000 geborene Klägerin wurde im August 2005 zur Stadtinspektorin bei der Stadt Aachen ernannt und planmäßig zum 1. März 2008 zur Beamtin auf Lebenszeit berufen. Zuletzt war sie bei der Stadt Aachen als Leistungssachbearbeiterin AR.GE tätig. Weil bei der Beklagten zum 1. Januar 2011 eine gemeinsame Einrichtung Jobcenter gebildet wurde, wurde die Klägerin am 30. Dezember 2010 auf eigenen Antrag in den Dienstbereich der Beklagten versetzt und für die Dauer von fünf Jahren der gemeinsamen Einrichtung Jobcenter zugewiesen. Mit Wirkung vom 1. Juli 2011 wurde die Klägerin zur Städteregionsoberinspektorin ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 10 BBesG eingewiesen.
4In einem Vermerk vom 8. August 2012 hielt der Bereichsleiter des Jobcenters der Beklagten fest, dass die Klägerin sich grundsätzlich bereit erklärt hätte, in der Woche vom 6. August 2012 bis zum 10. August 2012 wegen eines Personalengpasses in der Geschäftsstelle in B. zu arbeiten. Nachdem die Klägerin am 6. und 7. August 2012 in B. tätig gewesen war, habe sie ihn am Morgen des 8. August 2012 von der Dienststelle in Aachen aus angerufen und mitgeteilt, sie könne nicht nach B. fahren, weil ihr Pkw seit gestern defekt sei. Den Vorschlag, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, habe sie abgelehnt, weil die tägliche Fahrtzeit dann zwei Stunden betrage. Die Klägerin habe sich im Anschluss an das Telefonat krank gemeldet und sei bis Freitag, den 10. August 2012, arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Mit dem Hinweis, die Klägerin habe sich geweigert, einer dienstlichen Anordnung Folge zu leisten, bat der Bereichsleiter die Personalstelle um weitere Veranlassung.
5Mit Schreiben vom 27. August 2012, zugestellt am 30. August 2012, wurde der Klägerin eine Ermahnung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW erteilt. Sie habe sich geweigert, einer dienstlichen Anordnung Folge zu leisten, und damit eine Pflichtverletzung nach § 35 BeamtStG begangen. Von einer Einleitung eines Disziplinarverfahrens werde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen.
6Die Klägerin legte unter dem 4. September 2012 Widerspruch ein und beantragte, die Ermahnung aus der Personalakte zu entfernen. Sie bemängelte die fehlenden Anhörung und erläuterte, sie habe sich bereit erklärt, in B. auszuhelfen, weil sie mit ihrem Pkw flexibel gewesen sei. Am 6. und 7. August 2012 sei sie trotz erster Krankheitssymptome in B. tätig gewesen. Nachdem das Auto nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei, habe sie sich am 8. August 2012 trotz starker Kopfschmerzen in die Dienststelle in Aachen begeben, um den Bereichsleiter zu informieren. Angesichts der Fahrtzeit mit dem ÖPNV (ca. 80 Minuten für den Hinweg) und der Tatsache, dass die Geschäftsstelle in B. an dem besagten Mittwoch bereits mittags schließe, habe sie gefragt, ob sich ein derartiger Aufwand noch lohne. Zudem habe sie den Geschäftsleiter auf ihren schlechten Gesundheitszustand verwiesen. Die Nachfrage nach anderen einsatzbereiten Kollegen sei nicht beantwortet worden. Ihre Kopfschmerzen hätten sich während des Gesprächs verschlimmert, so dass sie im Nachgang ihrem Teamleiter mitgeteilt habe, sie würde nunmehr einen Arzt aufsuchen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Rest der Woche habe sie der Personalabteilung eingereicht. Sie habe sich keinesfalls geweigert, einer dienstlichen Anordnung Folge zu leisten, vielmehr habe ihr Gesundheitszustand sie davon abgehalten, nach B. zu fahren.
7Mit Schreiben vom 8. Oktober 2012 hielt die Beklagte fest, dass sie verpflichtet sei, alle Unterlagen, die unter den materiellen Personalaktenbegriff fielen, in diese aufzunehmen. Die Ermahnung vom 27. August 2012 betreffe ein dienstliches Fehlverhalten und sei damit Teil der Personalakte. Die klägerische Gegendarstellung werde man ebenfalls aufnehmen.
8Die Klägerin hat am 29. August 2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie habe am Mittwoch, dem 8. August 2012, eine Mitfahrgelegenheit genutzt, um zu ihrem Arbeitsplatz in Aachen zu kommen. Dort habe sie sich nach einem Dienstwagen erkundigen wollen. Ihr stehe ein Anspruch auf Entfernung des gesamten Vorgangs aus der Personalakte zu. Die Ermahnung sei keine Disziplinarmaßnahme. Ihre Zustimmung zur Entfernung liege vor. Inhaltlich sei die Ermahnung zudem unzutreffend. Sie habe ihren Vorgesetzten darauf hinweisen dürfen, dass die Anordnung nicht zweckmäßig gewesen sei, weil die Geschäftsstelle in B. um 12 Uhr schließe. Mangels Dienstfähigkeit infolge Krankheit könne sie nicht gegen ihre Folgepflicht verstoßen haben. Sie habe keine Anordnung missachtet, sondern sei dienstunfähig erkrankt gewesen. Daher sei die Ermahnung aufzuheben. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung gelte die Jahresfrist, so dass die Klage fristgerecht erhoben worden sei.
9Die Klägerin beantragt sinngemäß,
101. die schriftliche Ermahnung vom 27. August 2012 und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 aufzuheben sowie
112. die Beklagte zu verurteilen, das Schreiben des Bereichsleiters vom 8. August 2012, die schriftliche Ermahnung vom 27. August 2012 samt Empfangsbekenntnis, den Widerspruch vom 4. September 2012 und die Widerspruchsbegründung vom 27. September 2012 sowie das Schreiben vom 8. Oktober 2012 aus ihrer Personalakte zu entfernen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin nicht um Primärrechtsschutz gegen die Ermahnung nachgesucht habe. Der Widerspruch habe sich nur auf die Entfernung aus der Personalakte bezogen. Es fehle an einem auf Aufhebung der Ermahnung gerichteten Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG. Zudem sei die Klage unbegründet. Die Klägerin hätte am 8. August 2012 nicht in die Geschäftsstelle Aachen fahren dürfen, sondern in B. ihre Arbeitsstelle aufsuchen müssen. Sie habe gegen ihre Dienstleistungspflicht aus § 34 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Die Dienstunfähigkeitsbescheinigung ändere hieran nichts. Zum Zeitpunkt der Weisung ihres Vorgesetzten sei die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag noch nicht dienstunfähig gewesen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18Die Klage hat Erfolg.
19Sie ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, § 40 Abs. 1 VwGO. Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Ermahnung ist eine missbilligende Äußerung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW. Nach der Vorschrift sind missbilligende Äußerungen (Zurechtweisungen, Ermahnungen oder Rügen), die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden, keine Disziplinarmaßnahmen. Gegen sie ist deshalb nicht der Rechtsweg zu den Disziplinargerichten gegeben.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. März 1967 - W 8/63 -, OVGE MüLü 23, 118; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 1 K 292/07 -, juris.
21Statthafte Klageart gegen die schriftliche Missbilligung in Form der Ermahnung vom 27. August 2012 und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 ist die Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 VwGO. Beide Maßnahmen sind Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW.
22In den streitgegenständlichen Maßnahmen hat die Beklagte der Klägerin zu Last gelegt, gegen ihre Dienstpflichten verstoßen zu haben, und sie ermahnt. Eine schriftliche Missbilligung, die ausdrücklich oder den Umständen nach den Vorwurf einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung, also eines Dienstvergehens, enthält, erfüllt als qualifizierte Missbilligung oder Missbilligung im engeren Sinn die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG, ist zur Personalakte zu nehmen und kann mit der Anfechtungsklage angegriffen werden.
23Vgl. VG Aachen, Urteil vom 17. Juli 2014 - 1 K 270/14 -, n.v.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22. Januar 2013 - 5 LB 227/11 -, DVBl. 2013, 397; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 1 K 292/07 -, a.a.O.
24Die schriftliche Missbilligung vom 27. August 2012 ist trotz einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung ein Verwaltungsakt. Dem Schreiben lässt sich in keiner Form entnehmen, dass es nur eine vorbereitende Verfügung (im Sinne einer Anhörung) vor dem endgültigen Ausspruch der Ermahnung sein soll. Es wurde vielmehr in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass es als Ermahnung im Sinne des § 6 Abs. 1 LDG NRW gelte. Die schriftliche Missbilligung vom 27. August 2012 wurde auch nicht durch das gleichfalls einen Verwaltungsakt darstellende Schreiben vom 8. Oktober 2012 aufgehoben. Vielmehr hat die Beklagte mit diesem Schreiben an der Ermahnung und deren Aufnahme in die Personalakte der Klägerin festgehalten.
25Schließlich hat die Klägerin mit ihrer als Widerspruchsbegründung bezeichneten Stellungnahme auch deutlich gemacht, dass sie sich inhaltlich gegen die schriftliche Missbilligung wendet, weil sie nach eigener Anschauung keinen Pflichtenverstoß begangen habe, und insoweit die Aufhebung der Ermahnung mitsamt dem Bestätigungsschreiben und die Entfernung des Vorgangs aus der Personalakte begehrt.
26Der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bedurfte es nach § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG und § 104 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW nicht. Die mangels Rechtsbehelfsbelehrung geltende Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO war bei Klageerhebung am 29. August 2013 noch nicht abgelaufen. Die Ermahnung wurde der Klägerin am 30. August 2012 bekannt gemacht.
27Die Klage ist auch begründet.
28Die schriftliche Missbilligung vom 27. August 2012 und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
29Rechtsgrundlage für die der Klägerin gegenüber erfolgte Ermahnung als eine Unterform der in § 6 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW vorgesehenen missbilligenden Äußerungen ist die sich aus dem allgemeinen Beamtenrecht ergebende Geschäftsleitungs-, Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn. Diese berechtigt den Dienstvorgesetzten im Rahmen der Dienstaufsicht dazu, kritisch-missbilligend gegen unterstellte Beamte einzuschreiten. Die Missbilligung ist als gemilderter Tadel eines der Ordnung zuwiderlaufenden Verhaltens zu verstehen, das spezial- oder generalpräventiven Zwecken dient. Es handelt sich um ein außerdisziplinarrechtliches pädagogisches Mittel, das Dienstvorgesetzte besitzen, um auf ein dienstlich zu beanstandendes, nicht notwendig schon ein Dienstvergehen darstellendes Verhalten angemessen reagieren zu können.
30Vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 18. Februar 2014 - 2 A 448/12 -, juris; VG Wiesbaden, Urteil vom 3. April 2014 - 28 K 943/12.WI.D, juris.
31Die schriftliche Missbilligung vom 27. August 2012 und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 sind formell rechtmäßig. Eine schriftliche Missbilligung unterliegt nicht der Mitbestimmung des Personalrates. Einzig in Betracht kommender Mitbestimmungstatbestand ist vorliegend § 74 Abs. 2 LPVG NRW. Danach ist der Personalrat vor Abmahnungen anzuhören. Eine schriftliche Missbilligung ist jedoch keine Abmahnung im Sinne der Vorschrift.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 1991 - CL 53/89 -, NWVBl. 1992, 135; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2011 - 10 K 2776/11 -, juris.
33Soweit die Klägerin vor Erlass der schriftlichen Missbilligung vom 27. August 2012 und des Schreibens vom 8. Oktober 2012 nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört wurde, ist ein entsprechender Mangel nachträglich nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW geheilt worden. Die Klägerin hatte sowohl im Verwaltungsverfahren durch ihre "Widerspruchsbegründung" als auch im Klageverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.
34Die schriftliche Missbilligung vom 27. August 2012 und das Schreiben vom 8. Oktober 2012 sind jedoch materiell rechtswidrig.
35Die Klägerin hat gegen ihre Dienstleistungspflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG nicht verstoßen, weil sie am 8. August 2012 dienstunfähig erkrankt war. Dies ist durch die Dienstunfähigkeitsbescheinigung belegt und wird in der Sache von den Beteiligten auch als unstreitig angesehen. Weil die Dienstunfähigkeitsbescheinigung allein auf Kalendertage abstellt und die Klägerin vom 8. August 2012 bis zum 10. August 2012 für dienstunfähig erklärte, kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, die Klägerin sei am Morgen des 8. August 2012 noch dienstfähig gewesen und hätte der Anordnung Folge leisten müssen, sich nach Alsdorf zu begeben.
36Selbst wenn man aber der Klägerin vorhielte, sie hätte am Morgen des 8. August 2012 in Alsdorf ihren Dienst antreten müssen, um von dort aus im Lauf des Tages einen Arzt aufzusuchen, wäre der Ausspruch einer dienstlichen Missbilligung ermessensfehlerhaft, weil die Möglichkeit einer milderen Maßnahme in die Ermessensauswahl nicht eingestellt wurde.
37Die Auswahl des Mittels der qualifizierten Missbilligung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Dieser hat in die Ermessensauswahl einzustellen, dass ihm anstatt einer qualifizierten Missbilligung noch mehrere andere Maßnahmen der Kritik an dem Verhalten des Beamten zustehen, welche als mildere Mittel nicht in die Personalakte aufzunehmen sind. Die Beklagte hat die Möglichkeit einer milderen Maßnahme im Rahmen ihrer Ermessensausübung nicht in Betracht gezogen. Zwar geht sie in ihren Bescheiden zu Recht davon aus, dass die qualifizierte Missbilligung gegenüber der Einleitung eines Disziplinarverfahrens eine geringere Eingriffsintensität hat. Die Beklagte hat deshalb auch zu Recht davon abgesehen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Sie hat aber ausweislich der Bescheide und des Verwaltungsvorgangs keine Erwägungen dahingehend angestellt, ob ein einfacher Hinweis oder eine Rüge ausreichend gewesen wären.
38Die Klage ist auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2. begründet.
39Der Anspruch der Klägerin auf Entfernung des streitgegenständlichen Vorgangs, der neben der Ermahnung vom 27. August 2012 und dem Schreiben vom 8. Oktober 2012 auch den das Verfahren einleitenden Vermerk des Bereichsleiters vom 8. August 2012 und die Stellungnahmen der Klägerin umfasst, aus ihrer Personalakte folgt aus § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW. Danach sind Unterlagen über Beschwerden, Behauptungen und Bewertungen, auf die die Tilgungsvorschriften des Disziplinarrechts keine Anwendung finden, mit Zustimmung des Beamten unverzüglich aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten, falls sie sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor, da die streitgegenständlichen Bescheide nach dem Vorstehenden rechtswidrig sind und die Klägerin ihre Zustimmung zur Entfernung erteilt hat.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.