Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 19. Aug. 2014 - 10 L 1476/14
Gericht
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag der Antragstellerin,
3dem Antragsgegner aufzugeben, den Prüfungstermin für die unterrichtspraktische Prüfung und das Kolloquium vom 25.08.2014 auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben,
4hat keinen Erfolg.
5Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht hat.
6Das Begehren der Antragstellerin ist darauf gerichtet, den Antragsgegner zu verpflichten, den auf den 25.08.2014 festgesetzten Prüfungstermin für die von der Antragstellerin wegen Krankheit versäumte Wiederholungsprüfung der zweiten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II und für das Lehramt für die Sekundarstufe I auf einen späteren Termin zu verlegen.
7Die Antragstellerin hat für diese Verschiebung keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Festlegung des Prüfungstermins auf den 25.08.2014 ist nicht verfahrensfehlerhaft erfolgt, sie verstößt insbesondere nicht gegen den im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (entsprechend § 242 BGB) in Verbindung mit dem Gebot der Chancengleichheit.
8Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 07.10.1988 - 7 C 8.88 -, BVerwGE 80, 282-289, juris, und Beschluss vom 03.01.1994 - 6 B 57.93 -, juris; Niehues, in: Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 213 ff.
9Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Nach § 30 Abs. 5 Abs. 3 OVP 2011 teilt das Prüfungsamt dem Prüfling den Prüfungstermin mindestens vier Wochen vorher mit. Ob diese Frist auch im Fall eines Rücktritts von der Prüfung gilt - § 36 OVP 2011 enthält hierzu keine Regelung- kann dahinstehen, da der Prüfungstermin der Antragstellerin vom Prüfungsamt mit Mail vom 16.07.2014 und damit ca. 6 Wochen vor dem Termin am 25.08.2014 bekanntgegeben worden ist.
10Ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit liegt nicht vor.
11Nach dem in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht darf dem Prüfling nicht in gleichheitswidriger Weise die Möglichkeit genommen werden, seine tatsächliche, von erheblichen Beeinträchtigungen und Verfahrensmängeln unbeeinflusste Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Es müssen daher so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten.
12Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 06.12.1988 – 1 BvL 5/85 und 1 BvL 6/85 - , juris.
13Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers. Bei Fehlen einer normativen Bestimmung muss die Lücke durch die Prüfungsbehörde und, wenn diese das Ziel einer nachträglichen Herstellung der Chancengleichheit verfehlt, durch das vom Prüfling angerufene Gericht geschlossen werden
14Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19.12.2001 - 6 C 14.01 -, juris.
15Es verstößt nicht gegen das Gebot der Chancengleichheit, dass der Prüfungstermin unmittelbar nach Ende der Schulferien und zu Beginn des neuen Schuljahres angesetzt wurde.
16Das Landesprüfungsamt hat die Prüfungstermine und Prüfungszeiträume für den Vorbereitungsdienst auf den Zeitraum vom 20.08.2014 bis zum 02.10.2014 festgesetzt. Von diesem Prüfungszeitraum sind laut Angaben des Antragsgegners ca. 4.500 Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter, die ihren Vorbereitungsdienst zum 01.05.2013 oder die berufsbegleitende Ausbildung zum 1.11.2012 begonnen haben, betroffen. Somit ist die Antragstellerin ebenso wie andere Prüflinge von dem Umstand betroffen, nur wenige Tage nach Beginn des neuen Schuljahres und damit auch in Unkenntnis einer konkreten Lerngruppe geprüft zu werden. Dabei kann dahinstehen, wie viele Prüflinge im Zeitraum vom 20.08.2014 bis zum 25.08.2014 geprüft werden.
17Soweit die Antragstellerin meint, ihr sei durch den Prüfungstermin die Möglichkeit genommen worden, den Unterricht individuell auf eine ihr bekannte Lerngruppe auszurichten, verkennt sie, dass nach § 32 Abs. 3 Satz 1 der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung) vom 10.04.2011 (GV.NRW. 218) – OVP 2011 - das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung im Auftrag des Prüfungsamtes den Zeitpunkt, die Klasse oder den Kurs oder die vergleichbare Organisationseinheit und gegebenenfalls die sonstigen Bedingungen für die Durchführung der Unterrichtspraktischen Prüfung festlegt. Die Antragstellerin hat hiernach also keinen Anspruch darauf, vor einer ihr bekannten Lerngruppe ihre Lehramtsprüfung abzuhalten. Allerdings wird den Prüflingen für die Wahl der Klassen ein Vorschlagsrecht nach § 32 Abs. 3 Satz 1 OVP 2011 eingeräumt, welches auch der Antragstellerin, worauf der Antragsgegner ausdrücklich in seiner Stellungnahme vom 14.08.2014 hingewiesen hat, zusteht. Die Ablegung der Prüfung vor bekannten Schülerinnen und Schülern ist, wie die Antragstellerin selbst einräumt, auch bei neu zusammengesetzten Klassen und Kursen durchaus möglich. Von ihrem Vorschlagsrecht wusste die Antragstellerin und stand diesbezüglich - wie die mit Schriftsatz vom 17.08.2014 eingereichten Mails vom 13.08.2014 (Absender Walter Lorenz), 23.07.2014, 05.08.2014 und 15.08.2014 (Absender Jürgen Schlömer), belegen – in Kontakt mit den Leitern der Lerngruppen und dem Zentrum für schulpraktische Ausbildung.
18Die Auffassung der Antragstellerin, es sei aufgrund der Neuzusammensetzung oder der Veränderungen der Lerngruppen nicht möglich, die nach § 32 Abs. 5 Satz 2 OVP 2011 geforderte Darstellung der zugehörigen längerfristigen Unterrichtszusammenhänge vorzulegen, ist unzutreffend. Die Darstellung längerfristiger Unterrichtszusammenhänge beruht nicht auf der Arbeit mit einer konkreten Lerngruppe. Vom Prüfling wird vielmehr eine Darlegung seiner Unterrichtsplanung für eine Unterrichtsreihe gefordert, wie dies nach § 6 der Allgemeinen Dienstordnung für Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen (ADO) zu seinem Aufgabenbereich gehört. Eine solche Unterrichtsplanung setzt nicht die bisherige Arbeit mit einer bestimmten Schülergruppe voraus. Hierzu hat der Antragsgegner nachvollziehbar ausgeführt:
19„Die längerfristigen Unterrichtszusammenhänge können (und sollten!) bereits vor Beginn der ersten Unterrichtsstunde einer Unterrichtsreihe sowie in Unkenntnis der konkreten Lerngruppe dargelegt werden. Lehrkräfte sehen sich während ihres gesamten Berufslebens mit der Herausforderung konfrontiert, eine Unterrichtsreihe für eine Lerngruppe zu entwerfen, die ihnen nicht bekannt ist. Lehrkräfte planen die Unterrichtsreihe und die Unterrichtsstunden auf der Grundlage der nach dem jeweiligen Lehrplan zu erwartenden Vorkenntnissen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler und passen diese Planung gegebenenfalls im Laufe des Schuljahres den konkret wahrgenommenen Fähigkeiten und Kenntnissen der jeweiligen Lerngruppe sukzessive an. Es ist im Rahmen einer Staatsprüfung daher ohne weiteres möglich und zumutbar, die erste Unterrichtsstunde einer Unterrichtsreihe für eine dem Prüfling unbekannte Lerngruppe zu entwerfen.“
20Da es um die Prüfung der Fähigkeiten der Antragstellerin zur Unterrichtsplanung geht, ist es unerheblich, dass der Prüfungstermin für die Antragstellerin - wie auch für eine Vielzahl anderer Lehramtsanwärter und Lehramtsanwärterinnen - am Beginn eines neuen Schuljahres steht. Bei der Beurteilung der Prüfung wird der Prüfungsausschuss zu berücksichtigen haben, dass das Schuljahr zum Zeitpunkt der Prüfung gerade erst begonnen hat und die Planung der Unterrichtsreihe u. U. in Unkenntnis der konkreten Lerngruppe erfolgte und der Prüfling die Namen der Schülerinnen und Schüler nicht beherrscht.
21Soweit die Antragstellerin vorträgt, Herr X. als Leiter der Lerngruppe IF Q2 habe Themen angegeben, die nicht Bestandteil des Curriculums des Landes NRW für den Grundkurs seien, hat sie diesen Verstoß nicht näher substantiiert. Der Mail von Herrn X. ist für die Kammer jedenfalls zu entnehmen, dass die Themen der Antragstellerin nicht unbekannt waren („Sie könnten also dort einsteigen, wo wir vor den Ferien aufgehört haben.“).
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
23Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin ist es angemessen, den Streitwert auf den festgesetzten Betrag zu bestimmen (§§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG).
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
