Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 17. Feb. 2015 - 6a L 239/15.A
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage (6a K 5250/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17. Novem-ber 2014 wird unter Abänderung des Beschlusses vom 17. Dezember 2014 (6a L 1837/14.A) angeordnet.Die Kosten des (gerichtsgebührenfreien) Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag,
3den Beschluss der Kammer vom 17. Dezember 2014 (6a L 1837/14.A) abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 6a K 5250/14.A gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. November 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen,
4ist zulässig und begründet.
5Das Gericht kann Beschlüsse über Eilanträge nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) jederzeit ändern oder aufheben und ist dazu auf Antrag eines Beteiligten auch verpflichtet, wenn veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorliegen (§ 80 Abs. 7 VwGO). Aus den neu vorgetragenen Umständen muss sich zumindest die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung ergeben.
6Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rdnr. 196.
7Dies ist vorliegend der Fall. Geänderte Umstände sind gegeben, weil inzwischen wohl die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 abgelaufen ist.
8Bei summarischer Prüfung bestehen zum jetzigen Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil einiges dafür spricht, dass die Antragsgegnerin wegen Ablaufs der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 für das Asylverfahren der Antragsteller zuständig geworden ist. Zwar haben verschiedene Gerichte mit beachtlichen Gründen entschieden, dass während der Anhängigkeit eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen einen auf der Grundlage der §§ 27a, 34a AsylVfG erlassenen Bescheid die Überstellungsfrist gehemmt oder gar unterbrochen ist.
9Für eine Hemmung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris; für Unterbrechung etwa VG Karlsruhe, Beschluss vom 30. November 2014 - A 5 K 2026/14 -, juris, mit weiteren Nachweisen.
10Unter Zugrundelegung dieser Auffassungen wäre die Überstellungsfrist zum jetzigen Zeitpunkt – mit Blick auf das im November/Dezember 2014 durchgeführte, mit einem ablehnenden Beschluss abgeschlossene Eilverfahren 6a L 1837/14.A – noch nicht abgelaufen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat indes entgegen den vorgenannten Rechtsprechungsansätzen entschieden, dass die Überstellungsfrist bereits mit der Annahmeentscheidung des Zielstaats zu laufen beginnt und dass ein gerichtliches Eilverfahren, wenn dieses nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führt, auf den Lauf der Frist keinen Einfluss hat, weil mit dem Begriff „Rechtsbehelf“ in Art. 19 Abs. 3 der früheren Dublin II-Verordnung allein der Rechtsbehelf in der Hauptsache gemeint sei.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 1347/14.A -, juris, und wohl auch Beschluss vom 28. Januar 2015 - 11 A 2550/14.A -.
12Dass diese zur Dublin II-Verordnung ergangene Rechtsprechung für die Dublin III-Verordnung nicht gilt, ist kaum anzunehmen. Denn die Überstellungsfrist ist in der Dublin III-Verordnung nicht wesentlich anders geregelt als in der Vorgängerfassung. Zudem hat der Senat zur Begründung seines Beschlusses vom 8. September 2014 bereits auf die neue Dublin III-Verordnung Bezug genommen (Seite 4 des Beschlussabdrucks). Die Kammer legt diese Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts – vorbehaltlich einer näheren Überprüfung im Hauptsacheverfahren – zugrunde und geht davon aus, dass die Überstellungsfrist vorliegend am 5. Februar 2015, sechs Monate nach der Zustimmung der niederländischen Behörde, abgelaufen ist. Die Niederlande sind damit nicht mehr der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat; der Bescheid vom 17. November 2014 ist rechtswidrig geworden.
13Bei summarischer Prüfung geht die Kammer auch davon aus, dass die Antragsteller sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist berufen können, insoweit also subjektive Rechte der Antragsteller verletzt sind. Ob die in Art. 29 Abs. 2 S. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 getroffene Regelung des Zuständigkeitsübergangs für sich genommen subjektive Rechte des betroffenen Asylbewerbers begründet, ist in der Rechtsprechung umstritten.
14Für Drittschutz z.B. VG Aachen, Urteil vom 18. November 2014 - 9 K 161/14.A -, juris, VG Münster, Urteil vom 19. November 2014 - 1 K 1136/14.A -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 – 22 K 2262/14.A ‑; VG Karlsruhe, Beschluss vom 30. November 2014 - A 5 K 2026/14 -, juris VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 - A 1 K 500/14 -, juris; gegen Drittschutz z.B. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 A 66/14 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Dezember 2014 - 13 K 653/14.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 23. Januar 2015 - Au 5 K 14.50077 -, juris.
15Dabei verweist die einen Drittschutz verneinende Auffassung vor allem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Dies erscheint der Kammer bei summarischer Betrachtung nicht zwingend. Denn zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass sich ein Asylbewerber nicht auf Zuständigkeitsmängel, sondern nur noch auf „systemische Mängel" berufen kann, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Übernahme zugestimmt und damit seine Zuständigkeit bestätigt oder begründet hat.
16Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 „Abdullahi“ -, juris.
17Damit ist aber nicht gesagt, dass der Asylbewerber auch dann auf die Geltendmachung systemischer Mängel beschränkt ist, wenn die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates nachträglich kraft Gesetzes erloschen ist.
18Das beschließende Gericht neigt – vorbehaltlich einer näheren Überprüfung im Hauptsacheverfahren – zu der Auffassung, dass mit dem Zuständigkeitsübergang jedenfalls dann eine subjektive Rechtsverletzung einhergeht, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Asylbegehren eines Antragstellers vorläufig gar nicht geprüft wird, weil der inzwischen zuständige Staat (vorliegend: Deutschland) das Begehren als unzulässig abgelehnt hat und der Abschiebungszielstaat (vorliegend: Niederlande) wegen Art. 29 Abs. 2 S. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 nicht mehr zuständig ist.
19Vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 30. Januar 2015 - 2a K 3534/14.A -.
20Denn dies liefe nicht nur dem Ziel der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, eine zügige Klärung der Zuständigkeit für einen im Bereich der „Dublinstaaten“ gestellten Asylantrag und eine zügige Überführung des Asylbewerbers in den zuständigen Staat herbeizuführen, zuwider, sondern es würde auch den sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht zweifellos bestehenden – subjektivrechtlichen – Anspruch, dass das Asylbegehren zumindest in einem der Staaten (innerhalb angemessener Frist) geprüft wird, verletzen.
21Dies zugrunde gelegt, können die Antragsteller sich vorliegend wohl auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides berufen. Auf die in der Eingangsverfügung des Gerichts vom 9. Februar 2015 aufgeworfene Frage, ob das Bundesamt belegen könne, dass die Niederlande trotz Ablaufs der Überstellungsfrist weiterhin bereit seien, die Antragsteller wiederaufzunehmen und das Asylverfahren durchzuführen, hat die Behörde nicht reagiert. Weitere Aufklärungsmaßnahmen des Gerichts sind angesichts des unmittelbar bevorstehenden Abschiebungstermins nicht möglich.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
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Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens,für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (6a K 5250/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
5Die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. November 2014 hat gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich bei summarischer Betrachtung heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, hat das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen.
6Dies ist hier der Fall. Der Bescheid vom 17. November 2014, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragsteller in die Niederlande angeordnet hat, wird sich im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
7Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
8Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 das Königreich der Niederlande der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in den Niederlanden den ersten Asylantrag gestellt haben und aus den Niederlanden in das Bundesgebiet eingereist sind, ist gem. Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat das Königreich der Niederlande mit Schreiben an das Bundesamt vom 5. August 2014 auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
9Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 S. 2 und 3 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in den Niederlanden in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
10Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
11Für entsprechende Mängel in Bezug auf das Königreich der Niederlande sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine hinreichenden Anhaltspunkte.
12Ebenso in jüngerer Zeit VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. November 2014 - 6a K 3256/14.A -, juris, und Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 9a L 1508/14.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014 - Au 7 S 14.50263 -, juris.
13Eingehende und aktuelle Informationen über das niederländische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der von der Organisation „Hungarian Helsinki Comitee“ und dem Europäischen Flüchtlingsrat erstellte „National Country Report: The Netherlands“ (Stand: März 2014), abrufbar in der Datenbank „aida“ (www.asylumineurope.org). Dort wird hinsichtlich der von den Antragstellern konkret angesprochenen medizinischen Versorgung von Asylbewerbern ausgeführt (S. 48 f.), dass ein Anspruch auf eine Basis-Gesundheitsversorgung ebenso sichergestellt ist wie die Behandlung im medizinischen Notfall. Die von der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angedeutete These, dass eine wirksame Behandlung von Hepatitis C in den Niederlanden gar nicht möglich sei, trifft so nicht zu. Den etwa in der Datenbank des niederländischen „National Institute for Public Health and the Environment“ abrufbaren Publikationen zum Stichwort Hepatitis C lässt sich entnehmen, dass jedenfalls die Standardtherapie mit Ribavirin und Peg-Interferon auch in den Niederlanden regelmäßig angewendet wird (vgl. z.B.: „Real-life costs of hepatitis C treatment“ aus The Netherlands journal of medicine 2012, 70(3):145-53). Ob in den Niederlanden auch die von den Antragstellern angesprochene Therapie mit dem kürzlich zugelassenen neuen Medikament „Sofosbuvir“ verfügbar ist, ist unerheblich. Denn auch wenn in den Niederlanden ausschließlich die (hoch entwickelte) Standardtherapie erhältlich wäre, würde dies keine „systemischen Mängel“ des niederländischen Asylsystems begründen. Dass er gerade auf das genannte neue Medikament angewiesen ist, hat der Antragsteller zu 1. im Übrigen auch nicht behauptet. Ob die etwaige Notwendigkeit einer Behandlung der Abschiebung nach Georgien entgegensteht, ist von den für das Asylverfahren der Antragsteller zuständigen niederländischen Behörden zu entscheiden.
14In Bezug auf seine psychische Erkrankung hat der Antragsteller selbst angegeben, dass eine psychotherapeutische Behandlung in den Niederlanden erfolgt sei.
15Für eine Reiseunfähigkeit der Antragsteller sind ernsthafte Anhaltspunkte nicht erkennbar.
16Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens,für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (6a K 5250/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
5Die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. November 2014 hat gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich bei summarischer Betrachtung heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, hat das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen.
6Dies ist hier der Fall. Der Bescheid vom 17. November 2014, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragsteller in die Niederlande angeordnet hat, wird sich im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
7Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
8Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 das Königreich der Niederlande der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in den Niederlanden den ersten Asylantrag gestellt haben und aus den Niederlanden in das Bundesgebiet eingereist sind, ist gem. Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat das Königreich der Niederlande mit Schreiben an das Bundesamt vom 5. August 2014 auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
9Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 S. 2 und 3 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in den Niederlanden in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
10Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
11Für entsprechende Mängel in Bezug auf das Königreich der Niederlande sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine hinreichenden Anhaltspunkte.
12Ebenso in jüngerer Zeit VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. November 2014 - 6a K 3256/14.A -, juris, und Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 9a L 1508/14.A -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014 - Au 7 S 14.50263 -, juris.
13Eingehende und aktuelle Informationen über das niederländische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der von der Organisation „Hungarian Helsinki Comitee“ und dem Europäischen Flüchtlingsrat erstellte „National Country Report: The Netherlands“ (Stand: März 2014), abrufbar in der Datenbank „aida“ (www.asylumineurope.org). Dort wird hinsichtlich der von den Antragstellern konkret angesprochenen medizinischen Versorgung von Asylbewerbern ausgeführt (S. 48 f.), dass ein Anspruch auf eine Basis-Gesundheitsversorgung ebenso sichergestellt ist wie die Behandlung im medizinischen Notfall. Die von der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angedeutete These, dass eine wirksame Behandlung von Hepatitis C in den Niederlanden gar nicht möglich sei, trifft so nicht zu. Den etwa in der Datenbank des niederländischen „National Institute for Public Health and the Environment“ abrufbaren Publikationen zum Stichwort Hepatitis C lässt sich entnehmen, dass jedenfalls die Standardtherapie mit Ribavirin und Peg-Interferon auch in den Niederlanden regelmäßig angewendet wird (vgl. z.B.: „Real-life costs of hepatitis C treatment“ aus The Netherlands journal of medicine 2012, 70(3):145-53). Ob in den Niederlanden auch die von den Antragstellern angesprochene Therapie mit dem kürzlich zugelassenen neuen Medikament „Sofosbuvir“ verfügbar ist, ist unerheblich. Denn auch wenn in den Niederlanden ausschließlich die (hoch entwickelte) Standardtherapie erhältlich wäre, würde dies keine „systemischen Mängel“ des niederländischen Asylsystems begründen. Dass er gerade auf das genannte neue Medikament angewiesen ist, hat der Antragsteller zu 1. im Übrigen auch nicht behauptet. Ob die etwaige Notwendigkeit einer Behandlung der Abschiebung nach Georgien entgegensteht, ist von den für das Asylverfahren der Antragsteller zuständigen niederländischen Behörden zu entscheiden.
14In Bezug auf seine psychische Erkrankung hat der Antragsteller selbst angegeben, dass eine psychotherapeutische Behandlung in den Niederlanden erfolgt sei.
15Für eine Reiseunfähigkeit der Antragsteller sind ernsthafte Anhaltspunkte nicht erkennbar.
16Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 14.02.2014 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der nach eigenen Angaben am 0.0.1997 geborene Kläger ist nach ebenfalls eigenen Angaben guineischer Staatsangehöriger. Er reiste am 21. Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. Mai 2013 einen Asylantrag.
3Die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen der Hansestadt C. vermerkte am 22. Mai 2013, dass nach Inaugenscheinnahme erhebliche Zweifel an der vorgetragenen Altersangabe bestünden. Nach Erscheinungsbild und Auftreten sei davon auszugehen, dass der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und volljährig sei. Das Geburtsdatum des Klägers wurde daraufhin fiktiv auf den 00.00.1994 festgelegt.
4Nach einem Abgleich der Fingerabdrücke des Klägers in der Eurodac-Datei stellte die Beklagte unter dem 28. Oktober 2013 ein Übernahmeersuchen an Belgien auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Unter dem 6. November 2013 erklärte sich Belgien aufgrund Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO zur Übernahme bereit. Der Kläger sei dort unter dem Namen U. T. C1. , geb. am 0.0.1990, bekannt.
5Mit Bescheid vom 15. Januar 2014 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) fest, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig sei und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6Der Kläger hat am 3. Februar 2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend macht, dass er minderjährig sei. Außerdem beruft er sich auf eine unangemessen lange Verfahrensdauer. Es seien nahezu sechs Monate vergangen.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
8den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2014 aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
12Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
13Entscheidungsgründe:
14Der nach dem Beschluss vom 23. Dezember 2014 zuständige Einzelrichter entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 18. und 22. Dezember 2014 hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 15. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Belgiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
17Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin II-VO. Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist.
18Vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A, juris Rn. 13 = NRWE.
19Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Das an das Königreich Belgien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen der Beklagten vom 28. Oktober 2013 wurde unter dem 6. November 2013 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO akzeptiert. Der Kläger hat sich mithin zuvor in Belgien aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt.
20Es kann auch keine vorrangige (Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO) Zuständigkeit der Beklagten auf der Grundlage der Minderjährigkeit des Klägers angenommen werden. Gemäß Art. 6 UAbs. 2 Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, in dem ein Minderjähriger seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig, wenn kein Familienangehöriger anwesend ist. Das Gericht geht jedoch nicht von der Minderjährigkeit des Klägers aus, sodass diese Vorschrift keine Anwendung findet. Die Angabe des Klägers gegenüber dem Bundesamt, er sei am 1. Januar 1997 geboren, ist nicht glaubhaft. Sie ist zunächst nicht durch Personaldokumente belegt. Die fehlende Glaubhaftigkeit folgt auch aus der anderslautenden Einschätzung der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen der Hansestadt C. vom 22. Mai 2013, welche diese aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Klägers und der Beurteilung sowohl seines Aussehens als auch seines Verhaltens getroffen hat. Der Senatorin kommt insoweit auch die nötige Sachkunde zu. Die fehlende Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers lässt sich auch darauf stützen, dass er offenbar in Belgien sowohl hinsichtlich seines Namens als auch hinsichtlich seines Geburtsdatums andere Angaben gemacht hat als bei seiner Antragstellung beim Bundesamt. Denn in Belgien ist er als am 0.0.1990 registriert gewesen. Die Übereinstimmung des Tages (0.0.) mit den Angaben beim Bundesamt spricht mit höchster Wahrscheinlichkeit dafür, dass das von den belgischen Behörden genannte Geburtsdatum auf den Angaben des Klägers beruht. Die variierende Angabe der Vornamen des Klägers spricht schließlich gegen seine Glaubwürdigkeit und unterstreicht die ohnehin durch das Gericht gewonnene Überzeugung, dass die Angabe eines auf Minderjährigkeit hinauslaufenden Geburtsdatums allein interessengeleitet erfolgt ist.
21Der Überstellung nach Belgien steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 27. Mai 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 28. Oktober 2013 fünf Monate vergangen sind. Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachten, jedoch nicht näher erläuterten „nahezu 6 Monate“ sind für das Gericht nicht nachvollziehbar. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt.
22Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris Rn. 40; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris Rn. 8.
23Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
24EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
25Ob diese Vorgabe auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten ist, kann im Ergebnis offenbleiben.
26Vgl. bejahend die bisherige Rechtsprechung der Kammer, etwa Beschluss vom 24. Februar 2014 ‑ 13 L 2685/13.A, juris; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris Rn. 10. A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris Rn. 8.
27Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäischen Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
28Vgl. i. E. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, S. 8 des Urteilsabdrucks, n. v.
29Hier sind seit der Asylantragstellung am 27. Mai 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 28. Oktober 2013 erst fünf Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
30Die Beklagte ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Klägers nach Belgien gehindert und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist.
31EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
32Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Beklagten.
33Vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 – C-4/11 –, juris Rn. 57 f.
34Die Beklagte ist auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zugunsten des Klägers –gehindert, diesen nach Belgien zu überstellen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
35EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
36der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta implizieren.
37EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
38Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCH bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
39EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
40Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Abs. 2 UAbs 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
41Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt.
42Vgl. etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris, Rn. 36 ff.
43Der Kläger selbst macht auch keine anderslautenden Umstände geltend.
44Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO ist Belgien damit verpflichtet, den Kläger spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist hier zwar abgelaufen. Der Kläger kann sich aber nicht auf den Ablauf dieser Frist berufen. Allein ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin II-VO verletzt für sich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, sofern damit keine Grundrechtsverletzung einhergeht. Insoweit geht das Gericht auf der Grundlage der sog. Abdullahi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs,
45Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris; vgl. nachfolgend auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 7,
46davon aus, dass sich der Kläger nicht auf die Versäumung der Überstellungsfrist berufen kann.
47Vgl. Urteil der Kammer vom 12. September 2014 – 13 K 8286/13.A –, n.v.
48Ob eine Vorschrift dem Schutz subjektiver Interessen dient, folgt maßgeblich aus dem Inhalt und Regelungszweck der anzuwendenden Norm. Nach seinem Wortlaut regelt Artikel20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO allein einen Verfahrensablauf zwischen zwei Hoheitssubjekten ohne Bezug zu nehmen auf den Asylbewerber selbst. Die dort konstituierte mitgliedstaatliche Obliegenheit steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der DublinII-VO, der letztlich in der Verwirklichung des in Artikel 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehenen gemeinsamen europäischen Asylsystems besteht, vgl. auch Artikel 78 Absatz 2 lit e) AEUV. Grundgedanke der DublinII-VO ist ausweislich den der Verordnung vorangestellten Erwägungen (3 und 16), eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu entwerfen. Eine solche Formel sollte nach den Erwägungen auf objektiven und gerechten Kriterien basieren, die insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten.
49EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. April 2013, – C-4/11 –, juris, Rn. 57 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A –, juris, Rn. 37.
50Die Fristbestimmungen der Dublin II-VO dienen dementsprechend einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedsstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber dem Kläger (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedsstaat zu gewähren. Der EuGH hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedsstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber einer Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann.
51EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, – C-394/12 –, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 – 10 B 16.14 –, juris, Rn. 12; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 ‑ W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 18 m.w.N.
52Obschon der Abdullahi-Entscheidung keine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu entnehmen ist,
53vgl. hierzu auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 – 13 K 1117/14.A – Seite 9 und 10 des Urteilsabdrucks m.w.N., zur Veröffentlichung bei juris und www.nrwe.de vorgesehen,
54gelten die vorstehenden Erwägungen auch für die hier relevante Überstellungsfrist im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens. Die Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Klägers, sondern wie die sonstigen Fristbestimmungen allein den objektiven Zwecken einer sachgerechten Verteilung der mit Durchführung der Asylverfahren verbundenen Lasten in Abstimmung mit dem um (Wieder-)Aufnahme ersuchten Mitgliedstaat. Die Dublin II-VO enthält auch insoweit vor allem Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander. Etwas anderes mag – anders als hier – gelten, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit wäre oder wenn es sonst zur unverhältnismäßigen weiteren Verzögerungen käme (s.u.). Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Verordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss.
55Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; Rn. 25; Offen gelassen vom OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑ 14 A 1943/11.A –, juris, Rn. 24; VG Trier, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 5 L 1271/14.TR –, juris, Rn. 6 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris, Rn. 19; VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, juris, Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 33 L 90.14 A –, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 – RN 9 K 11.30445 –, juris, Rn. 18; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 234.
56Dieses Ergebnis wird zudem durch folgende Überlegung bestätigt: Dem Asylbewerber bleibt es in jedem Fall unbenommen, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Insoweit regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe 1) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (DVO Dublin II-VO), dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
57Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
58Hat es der Asylbewerber aber selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu einer von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen. Insoweit ist es ihm auch nicht unzumutbar, sich zunächst in den anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
59OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 14 B 1011/11.A –, juris, Rn. 16.
60Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht auch kein Abschiebungshindernis. Gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 a. E. AsylVfG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG voraus, dass sie auch durchgeführt werden kann. Es sind weder zielstaatsbezogene, noch in der Person des Klägers bestehende, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
62Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Der Bescheid des C. G. N. V. G1. vom 24. Juli 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet
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Tatbestand:
2Der am °. T. °°°° geborene Kläger ist Q1. Staatsangehöriger. Er verließ sein Heimatland im Frühjahr 2007. Nach mehrjährigem Aufenthalt in H. reiste er nach Italien weiter, wo er nach den Eintragungen in der Eurodac-Datenbank am 18. März 2013 die Anerkennung als Asylberechtigter beantragte. Anfang Januar 2014 reiste er ins Bundesgebiet ein, wo er am 20. Januar 2014 einen Asylantrag stellte. Am 18. Februar 2014 richteten die deutschen Behörden ein Übernahmeersuchen an Italien. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
3Mit Bescheid vom 24. Juli 2014 lehnte das C1. G2. N. V1. G1. (C1. ) den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Zur Begründung führte das C1. aus, der Asylantrag sei unzulässig, weil Italien aufgrund des dort zuvor gestellten Asylantrags für die Behandlung des Asylbegehrens zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.
4Am 7. August 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, Italien sei für sein Asylverfahren nicht zuständig, weil er dort keinen Asylantrag gestellt habe. Zudem habe das C1. Gründe für einen Selbsteintritt nicht hinreichend geprüft.
5Der Kläger beantragt,
6den Bescheid des C. G3. N. V2. G1. vom 24. Juli 2014 aufzuheben.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den angegriffenen Bescheid und führt ergänzend aus, der Bescheid sei auch nach Ablauf der Frist für eine Überstellung nach Italien nicht aufzuheben. Der Bescheid sei in eine Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens umzudeuten.
10Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
11Entscheidungsgründe:
12Der Einzelrichter kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
13Die Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des C. ist nach der gemäß § 77 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
14Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist der Asylantrag nicht mehr nach § 27a AsylVfG unzulässig. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht mehr vor. Zwar spricht alles dafür, dass ursprünglich Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO), für das Asylverfahren des Klägers zuständig war. Die Zuständigkeit Italiens ist jedoch nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III VO entfallen und die Zuständigkeit auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Italien überstellt worden ist, nachdem gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III VO davon auszugehen war, dass die italienischen Behörden die Wiederaufnahme des Klägers akzeptieren, weil sie nicht innerhalb von zwei Wochen auf das Übernahmeersuchen vom 18. Februar 2014 reagiert haben.
15Der Bescheid kann auch nicht in eine rechtmäßige Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) für eine Umdeutung liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Einer Umdeutung des angefochtenen Verwaltungsakts, mit dem die Unzulässigkeit des Asylverfahrens festgestellt wurde, in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG steht entgegen, dass die Ablehnung eines Zweitantrags nicht in der geschehenen Verfahrensweise hätte erfolgen dürfen. Denn der Kläger hätte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG vor der Ablehnung eines Zweitantrags angehört werden müssen, was nicht geschehen ist.
16Der demnach rechtswidrige Verwaltungsakt verletzt den Kläger in seinen Rechten. Allerdings folgt die Verletzung des Klägers in einem subjektiven öffentlichen Recht noch nicht aus dem Ablauf der Überstellungsfrist als solcher. Denn die Zuständigkeits- und Fristvorschriften des Dublinsystems, zu denen die Überstellungsfrist gehört, dienen nicht dem Schutz des betroffenen Ausländers, sondern allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesem Staat.
17Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 ‑ C-394/12 ‑ (Abdullahi); Hess. VGH, Beschluss vom 25. August 2014 ‑ 2 A 975/14.A ‑; Nieders. OVG, Beschluss vom 6. November 2014 ‑ 13 LA 66/14 ‑, jeweils juris.
18Es bedarf jedoch keiner weiteren Darlegung, dass ein Ausländer, der einen Asylantrag stellt, sowohl nach nationalem Recht als auch nach europarechtlichen Vorschriften ein subjektives öffentliches Recht darauf hat, dass sein Asylbegehren in der Sache geprüft wird. In diesem Recht ist der Kläger verletzt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung davon auszugehen ist, dass weder Deutschland noch Italien sein Asylbegehren in der Sache prüfen. Das C1. lehnt dies unter Verweis auf die – nach Ablauf der Überstellungsfrist tatsächlich nicht mehr gegebene – Zuständigkeit Italiens ab. Darauf, dass die italienischen Behörden das Asylbegehren des Klägers prüfen, deutet ebenfalls nichts hin. Italien ist – wie dargelegt – für die Durchführung des Asylverfahrens nicht mehr zuständig. Hinweise darauf, dass die italienischen Behörden trotz ihrer Unzuständigkeit bereit sind, eine Überstellung des Klägers zu akzeptieren und dessen Asylbegehren zu prüfen, liegen nicht vor. Auch die Beklagte hat dies nicht geltend gemacht, obwohl sie im Vorfeld der Entscheidung ausdrücklich gebeten wurde, mitzuteilen, ob ihr Erkenntnisse, dazu vorliegen, dass die italienischen Behörden trotz Ablaufs der Überstellungsfrist bereit sind, den Kläger zur Durchführung des Asylverfahrens aufzunehmen.
19Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.