Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 24. März 2014 - 19 K 2289/13

Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Gesetz zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen auf die Gaststätte der Klägerin keine Anwendung findet, solange und soweit die Klägerin nur Wasserpfeifen (Shishas) anbietet, die ausschließlich tabakfrei mit melassebehandelten Shiazo-Steinen oder getrockneten Früchten genutzt werden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar, die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
1
T a t b e t a n d:
2Die Klägerin betreibt in N. , C.---straße 139, ein Shisa-Café, in dem den Gästen neben Getränken auch die Möglichkeit angeboten wird, Wasserpfeifen( Shishas) zu benutzen. Den Gästen wurden neben einer Auswahl an Shishas auch der benötigte Tabak bzw. Ersatzstoffe zur Verfügung gestellt.
3Aus Anlass der Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes – NiSchG NRW – vom
44. Dezember 2012 mit Wirkung vom 1. Mai 2013 stellte die Klägerin ihr Gaststättenkonzept dahin um, dass sie ab dem 1. Mai 2013 ihren Gästen zur Nutzung der Shishas ausschließlich tabakfreie Ersatzstoffe, nämlich Trockenfrüchte oder Shiazo-Steine, anbietet.
5Unter dem 15. April 2013 teilte die Beklagte der Klägerin auf Anfrage mit, dass die Fortsetzung des Betriebs in der geplanten Form nach den Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes nicht möglich sei. Dies wurde der Klägerin bei einem Gespräch im Ordnungsamt der Beklagten am 29. April 2013 mit dem Hinweis bestätigt, auch bei Verwendung tabakfreier Produkte müsse wegen Verstoßes gegen das Gesetz mit der Verhängung von Bußgeldern gerechnet werden.
6Die Klägerin hat am 5. Mai 2013 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Nutzung von Shishas mit tabakfreien Produkten unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des Nichtraucherschutzgesetzes. Dieses diene lediglich dem Schutz vor Tabakrauch. Eine Gefährlichkeit des Konsums der von ihr angebotenen Ersatzprodukte sei nicht erkennbar und erst recht nicht nachgewiesen. Entsprechend fehle es in der Gesetzesbegründung an einer hieran anknüpfenden Willensbildung des Gesetzgebers.
7Dem mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Beklagten die Anwendung des Nichtraucherschutzgesetzes gegen den Betrieb der Klägerin vorläufig zu untersagen, hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 1.August 2013 – 4 B 608/13 – entsprochen.
8Die Klägerin beantragt,
9festzustellen, dass das Gesetz zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen auf öffentliche Gaststätten und Cafés keine Anwendung findet, wenn in diesen die Wasserpfeifen (Shishas) mit Shiazo-Steinen oder getrockneten Früchten genutzt werden.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie führt aus, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen verkenne, dass der Landesgesetzgeber jede Form des Rauchens in Gaststätten habe unterbinden wollen. Andernfalls sei mit massiven Schwierigkeiten bei der Kontrolle des Rauchverbots zu rechnen. Zudem habe das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2012 zur Frage einer Gefährdung Dritter durch das bei der Benutzung von Shiazo-Steinen und getrockneten Früchten in Shishas entstehende Verdampfungsprodukt eine Pilotstudie in Auftrag gegeben, auch in Nordrhein-Westfalen sei beabsichtigt, eine entsprechende wissenschaftliche Untersuchung über das Landeszentrum Gesundheit in Bochum herbeizuführen. Es werde angeregt, die Ergebnisse dieser Untersuchungen abzuwarten.
13Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Verfahrens 19 L 529/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
15Die zulässige Klage hat mit dem auf die Verhältnisse der Klägerin abstellenden, dem Tenor der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. August 2013 im zugehörigen Eilverfahren folgenden Feststellungsausspruch, der dem Begehren der Klägerin in der Sache entspricht, Erfolg.
16Zur Begründung verweist das Gericht zunächst, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Gründe des den Beteiligten bekannten Beschlusses. Hiervon abzuweichen, gibt das Vorbringen der Beklagten keine Veranlassung.
17Soweit sie ausführt, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts vernachlässige, das im Gesetzgebungsverfahren die Problematik der Sisha –Bars thematisiert worden sei, weil ein diese betreffender Änderungsantrag der Fraktion der Piraten abgelehnt worden sei, rechtfertigt dies nicht die Anwendung des Nichtraucherschutzgesetzes auf tabakfreie Produkte. Der genannte Änderungsantrag hätte zur Folge gehabt, dass in Shisha-Bars weiter Tabakprodukte in Shishas hätten verwendet werden können. Dass dies nicht mit dem Ziel des Gesetzgebers, Nichtraucher in allen Gaststätten vor jeder Form des Rauchs aus Tabak oder Tabakprodukten zu schützen, vereinbar war, ist offenkundig. Das besagt nicht, dass damit auch der Anwendungsbereich des Gesetzes entgegen allen anderen Ausführungen und Begründungen im Gesetzgebungsverfahren ohne verlässliche Gefährdungsabschätzung auf die Nutzung aller anderen etwa in Wasserpfeifen verwendbaren Stoffe ausgedehnt werden sollte. Vielmehr unterliegt keinem Zweifel, dass das Gesetz dem Schutz vor bekannten und dokumentierten Gefahren des Tabakrauchs dient und hierdurch gerechtfertigt wird.
18Die von der Beklagten geltend gemachten Vollzugsprobleme sind von dieser nicht nachvollziehbar belegt worden. Es ist angesichts der nachgewiesenen Funktionsweise der Shishas auch nicht ersichtlich, das eine Kontrolle der in ihnen verwendeten Stoffe vor Ort nicht ohne zumutbaren Aufwand möglich wäre. Allein die Tatsache. dass bei einem völligen Nutzungsverbot die Durchsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes für die Beklagte einfacher und effektiver möglich wäre, rechtfertigt nicht die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes Dabei bleibt klarzustellen, dass Verstöße gegen das Verbot der Verwendung tabakhaltiger Produkte geeignet wären, die Zuverlässigkeit der Klägerin in Frage zu stellen.
19Das Gericht sieht auch keine Veranlassung, die Ergebnisse der in Bayern in Auftrag gegebenen und in Nordrhein-Westfalen geplanten Studien abzuwarten. Gegenstand des Verfahrens ist allein das Gesetz in der vorliegenden Fassung. Dessen Zustandekommen haben Erkenntnisse über Gefährdungen Dritte durch das Verdampfen von Shiazo-Steinen und getrockneten Früchten nicht zugrunde gelegen. Es wäre deshalb, wenn die Ergebnisse der Studien vorliegen, allenfalls Sache des Gesetzgebers, auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob die Anwendung des Gesetzes auf das Verdampfen solcher Stoffe ausgeweitet werden soll.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.