Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 15. Juli 2016 - 23 L 1277/16
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der am 12. Mai 2016 erhobenen Klage gegen die Tierseuchenverfügung des Antragsgegners vom 22. September 2015, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2016, wird hinsichtlich der Ziffern 1, 2 und 3 wiederhergestellt, im Übrigen angeordnet.
Die aufschiebende Wirkung des am 31. März 2016 erhobenen Widerspruchs gegen die Zwangsgeldfestsetzung des Antragsgegners vom 11. März 2016 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird auf 96.625,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 12. April 2016 gestellte Antrag hat Erfolg; er ist zulässig und begründet.
31.
4Der Antrag zu 1 ist zulässig und begründet.
5Der Antrag zu 1 ist zulässig, insbesondere hat der Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches liegt grundsätzlich vor, wenn ein Antragsteller ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt und ein einfacherer Weg als die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht zur Verfügung steht. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt daher unter anderem bei Vorliegen besonderer Umstände, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen,
6BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44/87 -, in: juris (Rn. 9).
7Derartige Umstände können etwa vorliegen, wenn die konkrete Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht dazu geeignet ist, die Situation des Antragstellers zu verbessern. Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Antragsteller im Hinblick auf Ziffer 1 des Bescheides vom 22. September 2015 nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis; ein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits besteht. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass sich die mit dem Bescheid gesetzte Rechtsfolge, die Entfernung der BHV1-Reagenten, unmittelbar aus einer Rechtsnorm ergäbe, sodass dem Bescheid nur deklaratorische Bedeutung zukäme und seine Anfechtung keinen Vorteil brächte. Die Verpflichtung zur Entfernung von Reagenten ergibt sich unmittelbar weder aus § 2 Abs. 2a der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO Bund) noch aus § 6 Abs. 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO NRW), sondern bedarf des Erlasses eines Verwaltungsaktes im Einzelfall.
8Die Verpflichtung ergibt sich nicht unmittelbar aus § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO Bund. Danach hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Zwar enthält die Vorschrift damit die herbeizuführende Rechtsfolge „hat […] Reagenten […] zu entfernen“ bereits, anders als selbstvollziehende (bzw. „self-executing“) Normen wie etwa § 50 Aufenthaltsgesetz macht sie die Verpflichtung jedoch ausdrücklich von einer Konkretisierung durch die zuständige Behörde abhängig. Die Entfernungspflicht auf Grundlage des § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO Bund tritt demnach erst nach entsprechender Konkretisierung durch die zuständige Behörde im Einzelfall ein. Dies gilt unabhängig davon, ob die Formulierung „nach näherer Anweisung“ in der Vorschrift als inhaltliche oder zeitliche Komponente verstanden wird, denn in beiden Fällen stellt das Vorliegen eines konkretisierenden Verwaltungsaktes eine tatbestandliche Voraussetzung der Entfernungspflicht dar. Mit erfolgreicher Anfechtung der behördlichen Anordnung im Einzelfall entfiele die Pflicht zum Entfernen von Reagenten.
9Die Pflicht zur Abschaffung der Reagenten ergibt sich auch nicht unmittelbar aus § 6 Abs. 1 Satz 3 BHV1-VO NRW. Danach sind zwar nach dem 31. Dezember 2015 Reagenten unverzüglich zu entfernen. Die Vorschrift ist jedoch unwirksam, weil sie mit höherrangigem Recht nicht im Einklang steht. Dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW kam die erforderliche Normsetzungskompetenz nicht zu. Die Landesverordnung beruht auf § 38 Abs. 9 Halbsatz 1 Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) in Verbindung mit § 6 Abs. 1 TierGesG. Nach § 38 Abs. 9 Halbsatz 1 TierGesG können die Landesregierungen - oder die nach Landesrecht bestimmten Behörden -Rechtsverordnungen unter anderem nach § 6 Abs. 1 und 2 TierGesG erlassen, soweit das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht. Diese Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, das nach § 24 Abs. 1 Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen NRW (Zuständigkeitsverordnung-Tiergesundheit NRW) zuständig ist, liegen nicht vor, weil das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereits abschließend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht hat. Ungeachtet der Frage, ob sich dies auf alle Vorschriften der Landesverordnung auswirkt, gilt dies jedenfalls für die Regelung des § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW im Verhältnis zu § 2 Abs. 2a BHV1-VO Bund. Die letztgenannte Vorschrift hat die Entscheidung - Abschaffung aller BHV1-Reagenten - bereits getroffen und die nähere Ausgestaltung explizit den zuständigen Behörden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 TierGesG - in Nordrhein-Westfalen nach § 1 Zuständigkeitsverordnung-Tiergesundheit NRW der jeweiligen Kreisordnungsbehörde - übertragen. Die in § 2 Abs. 2a BHV1-VO Bund getroffene Regelung ist sowohl hinsichtlich des betroffenen Tatbestandes (Vorliegen von BHV1-Reagenten) als auch hinsichtlich der Rechtsfolge (Entfernung nach Anweisung) abschließend. Hat das Bundesministerium demnach von seiner Regelungsbefugnis in abschließender Weise Gebrauch gemacht, könnte nach § 38 Abs. 10 Satz 1 TierGesG die Landesregierung nur bei Gefahr im Verzug durch Rechtsverordnungen (unter anderem) im Rahmen der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 TierGesG Vorschriften erlassen, die über die nach diesen Bestimmungen vom Bundesministerium erlassenen Vorschriften hinausgehen. Die Vorschrift findet ihre Zweckbestimmung allerdings nur in der möglichen Ergänzung der vom Bundesministerium erlassenen Rechtsvorschriften, soweit die darin enthaltenen Maßregeln im speziellen Tierseuchenfall nicht ausreichend sind,
10Bätza/Jentsch, Tierseuchenrecht in Deutschland und Europa, Band 1, Stand Februar 2016, § 38 TierGesG, Seite 328.
11Hiervon kann bei § 2 Abs. 2a BHV1-VO Bund jedoch schon deswegen nicht die Rede sein, weil die anzuordnende Maßnahme, die Entfernung von BHV1-Reagenten, in der Bundes- und Landesverordnung identisch ist und die BHV1-VO Bund durch die Auslagerung auf eine behördliche Anweisung im Einzelfall ein Instrumentarium bereithält, mit dem auch im einzelnen Tierseuchenfall adäquat reagiert werden kann.
12Der Antrag zu 1 ist auch begründet.
13Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die Behörde ‑ wie hier der Antragsgegner zu Ziffern 1 und 2 - die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs (hier: der Klage vom 12. Mai 2016) wiederherstellen, wenn sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist oder das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einzig möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann.
14Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erweist sich als formell fehlerhaft und der Bescheid vom 22. September 2015 ist rechtswidrig, so dass an seiner sofortigen Vollziehung kein besonderes öffentliches Interesse bestehen kann.
15Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell fehlerhaft. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 6 des Bescheides vom 22. September 2015 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen. Dieses Begründungserfordernis soll insbesondere die Behörde dazu anhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung mit Blick auf den grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsbehelf eintretenden Suspensiveffekt bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs sorgfältig zu prüfen. Die Behörde genügt den Anforderungen grundsätzlich schon dadurch, dass sie die nach ihrem Rechtsstandpunkt maßgeblichen Gründe für das Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses einzelfallbezogen und hinreichend nachvollziehbar benennt,
16OVG NRW, Beschluss vom 11. August 2003 - 19 B 898/03 -, in: juris (Rn. 2).
17Diesen Grundsätzen genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 22. September 2015 nicht. Der Antragsgegner hat die Anordnung damit begründet, dass zum Schutz der Allgemeinheit eine aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nicht hingenommen werden könne. Die persönlichen Interessen des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung müssten hinter dem öffentlichen Interesse an einer unverzüglichen BHV1-Bekämpfung zurück stehen. Der darin allein enthaltende Hinweis auf die Notwendigkeit der unverzüglichen BHV1‑Bekämpfung stellt keine einzelfallbezogene Abwägung des Aussetzungsinteresses des Antragstellers mit einem besonderen Vollziehungsinteresse dar. Allein der Verweis auf das Vorliegen einer Tierseuche oder die grundsätzliche Notwendigkeit ihrer Bekämpfung genügt zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht. Wie sich aus § 37 TierGesG ergibt, kommt Rechtsbehelfen auch im Tierseuchenrecht im Grundsatz eine aufschiebende Wirkung zu. Allein in den in § 37 TierGesG genannten Fällen, denen jeweils eine besondere Eilbedürftigkeit innewohnt - wie etwa der Tötung infizierter Tiere nach Nr. 5 oder der Reinigung, Desinfektion oder Entwesung nach Nr. 7 -, kommt Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung zu. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass einem Rechtsbehelf im Tiergesundheitsrecht grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt, so dass die hiervon abweichende Anordnung im Einzelfall nicht allein mit dem Vorliegen einer Tierseuche oder mit dem - nicht näher dargelegten - Erfordernis ihrer unverzüglichen Bekämpfung begründet werden kann,
18vgl. in parallel gelagerten Fällen mit einzelfallbezogener Begründung der behördlichen Anordnung: VG Aachen, Beschluss vom 22. Februar 2016 - 7 L 72/16 -, in: juris (Rn.7); VG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2016 - 5 L 88/16 -, in: juris (Rn. 10).
19Nach einer an den Erfolgsaussichten orientierten Abwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 22. September 2015, denn dieser erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Die Anordnung zu Ziffer 1 im Bescheid vom 22. September 2015, mit der der Antragsteller verpflichtet worden ist, die von ihm gehaltenen BHV1-Reagenten abzuschaffen, findet ihre Grundlage in § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO Bund. Danach hat - wie bereits dargelegt - der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen zwar vor - der Antragsteller ist Halter von BHV1-Reagenten im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BHV1-VO Bund und eine nähere Anordnung der zuständigen Behörde liegt vor -,
20vgl. zur Prüfung im Einzelnen VG Aachen, Beschluss vom 22. Februar 2016 - 7 L 72/16 -, in: juris; VG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2016 - 5 L 88/16 -, in: juris,
21die im Ermessen der Behörde stehende Anordnung erweist sich bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung allerdings als ermessenfehlerhaft. Zwar sieht § 2 Abs. 2a BHV1-VO Bund nicht explizit ein behördliches Ermessen vor, ein solches ergibt sich jedoch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Abschaffungspflicht aus dem Tatbestandsmerkmal der „näheren behördlichen Anordnung“. Da § 2 Abs. 2a BHV1-VO Bund selbst keine hinreichend bestimmte Frist für die Entfernung enthält,
22vgl. zur Unbestimmtheit der Frist „unverzüglich“ OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 1991 ‑ 4 B 3581/90 -, in: juris (Rn. 14); OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 - 13 A1314/06 (nicht veröffentlicht),
23hat die zuständige Behörde über die Setzung und Bemessung einer entsprechenden Frist zu entscheiden. Überdies ergibt sich ein entsprechendes Ermessen aus § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO Bund, wonach die zuständige Behörde Ausnahmen zulassen kann, wenn alle Rinder geimpft sind. Kann die Behörde damit durchaus von der in § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO Bund zu treffenden Anordnung Ausnahmen vorsehen, so folgt hieraus ein ‑ wenn wohl auch eingeschränktes - Ermessen für die Maßnahme insgesamt,
24vgl. VG Aachen, Beschluss vom 22. Februar 2016 - 7 L 72/16 -, in: juris (Rn.20); im Ergebnis offenlassend VG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2016 - 5 L 88/16 -, in: juris (Rn. 25).
25Steht die Maßnahme damit grundsätzlich im Ermessen der Behörde, prüft das Gericht gemäß § 114 VwGO nur, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nicht in der dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ist von dem Ermessen insbesondere dann Gebrauch gemacht, wenn die handelnde Behörde nicht alle Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die dem Zweck der Ermächtigung entsprechend hätten berücksichtigt werden müssen oder wenn die Behörde zwar alle wesentlichen sachgemäßen Belange herangezogen hat, diese aber offensichtlich falsch gewichtet hat (sog. Ermessendefizit),
26vgl. Decker, in: BeckOK VwGO, Stand 1. April 2016, § 114 Rn. 21; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 114 VwGO Rn. 47.
27Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Anwendung des Ermessens hier als offensichtlich fehlerhaft. Der Antragsgegner ist ausweislich der Begründung der Tierseuchenverfügung vom 22. September 2015 von tatsächlich nicht bestehenden rechtlichen Vorgaben ausgegangen und hat diesen damit ein Gewicht im Abwägungsprozess eingeräumt, das ihnen nicht zukommt.
28Der Antragsgegner hat die Begründung der Ermessenentscheidung damit eingeleitet, dass eine Impfung gegen die BHV1-Infektion nach § 3 BHV1-VO NRW seit dem 1. Juli 2015 verboten sei und die Behörde (nur) in den dort genannte Fällen Ausnahmen zulassen könne. Der Antragsgegner hat ferner darauf abgestellt, dass Reagenten nach dem 31. Dezember 2015 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BHV1-VO NRW „sowieso“ unverzüglich zu entfernen seien. Von dieser Verpflichtung könne nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW eine Ausnahme zugelassen werden.
29Der Antragsgegner ist damit zum einen davon ausgegangen, dass Reagenten bis zum 31. Dezember 2015 abzuschaffen seien und - zum zweiten - Impfungen grundsätzlich nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 BHV1-VO NRW zulässig seien. Der Antragsgegner hat damit zum Ausdruck gebracht, diese Erwägungen für seine Abwägungsentscheidung als maßgeblich anzusehen. Dies findet in der Ermächtigungsgrundlage allerdings keine Stütze. Nach § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO Bund kann die zuständige Behörde Ausnahmen von § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO Bund genehmigen, soweit alle Rinder des Bestandes entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 BHV1-VO Bund geimpft werden und die geimpften Rinder regelmäßig nach den Empfehlungen des Impfstoffherstellers mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 BHV1-VO Bund nachgeimpft werden. Die Vorschrift knüpft die Erteilung einer im Ermessen der zuständigen Behörde stehenden Ausnahme damit primär an den Impfstatus des betroffenen Rinderbestandes. Durch die Regelung soll der zuständigen Behörde, insbesondere z.B. in Fällen unbilliger Härte, die Möglichkeit eröffnet werden, Ausnahmen vom unverzüglichen Entfernen der Reagenten zu genehmigen; für diesen Fall sind dann aber alle Rinder des Bestandes zu impfen,
30Begründung zur zweiten Verordnung zur Änderung der BHV1-VO, BR-Drs. 94/15 Seite 25.
31Die Impfung von Reagenten ist nach der BHV1-VO Bund nicht zwingend untersagt. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 BHV1-VO NRW verbietet die BHV1-VO Bund in § 2 Abs. 1a allein die Impfung von Rindern gegen die BHV1-Infektion in Regionen, die sich in einem von der EU-Kommission als BHV1-frei anerkannten Gebiet befinden (Anerkennung nach Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG). Die Regelung des § 2 Abs. 1a BHV1-VO Bund geht zurück auf Art. 3 Abs. 1 lit. c der Entscheidung der Kommission vom 15. Juli 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 64/432/EWG des Rates hinsichtlich ergänzender Garantien im innergemeinschaftlichen Handel mit Rindern in Bezug auf die infektiöse bovine Rhinotracheitis und der Genehmigung der von einigen Mitgliedsstaaten vorgelegten Tilgungsprogramme. Das Land Nordrhein-Westfalen ist kein in diesem Sinne durch die EU-Kommission anerkanntes Gebiet; nach der BHV1-VO Bund besteht in Nordrhein-Westfalen folglich kein Impfverbot.
32Im Gegensatz zur BHV1-VO NRW enthält die BHV1-VO Bund auch keine Frist bis zu deren Ablauf BHV1-Reagenten abgeschafft sein müssen. Weder die Frist zur Abschaffung bis zum 31. Dezember 2015, noch das generelle Impfverbot lassen sich auf die BHV1-VO NRW stützen. Der Verweis auf die Regelung der BHV1-VO NRW verbietet sich schon deshalb, weil die Landesverordnung jedenfalls in den hier in Frage stehenden Teilen ihrerseits - wie bereits oben und soeben dargelegt - unwirksam ist. Das Bundesministerium hat von seiner nach § 6 Abs. 1 TierGesG eingeräumten Befugnis bereits Gebrauch gemacht, so dass der Erlass der Landesverordnung auf Grundlage von § 38 Abs. 9 TierGesG nicht mehr möglich war. Entsprechend stellt sich auch die Heranziehung der Vorschriften über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Pflicht zur Entfernung von Reagenten nach § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW als fehlerhaft dar,
33andere Ansicht VG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2016 - 5 L 88/16 -, in: juris (Rn. 26).
34Dadurch dass der Antragsgegner diese Aspekte als zwingende rechtliche Vorgaben angesehen hat, musste er konsequenterweise davon ausgehen, dass gegen die Entfernung der Reagenten sprechende Erwägungen - wie etwa die Möglichkeit der Impfung - überhaupt nicht in die Abwägung eingestellt werden dürfen. Durch die damit verbundene Übergewichtung des Impfverbots und der Abschaffungsfrist zum 31. Dezember 2015 konnte eine korrekte Gewichtung der übrigen Belange nicht erfolgen. Die fehlerhaft gewichteten Belange waren für die Entscheidung auch maßgeblich und tragend. Der Antragsgegner hat die Verfügung zwar zudem mit wirtschaftlichen Aspekten begründet. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Aspekte einzeln betrachtet bereits zu der Entscheidung geführt hätten und diese selbständig tragen sollten. Die Ausführungen in der Tierseuchenverfügung vom 22. September 2015 hierzu stellen vielmehr allgemeine Erwägungen zur Notwendigkeit der Bekämpfung von BHV1-Infektionen dar. Einen konkreten Fallbezug lassen sie nicht erkennen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsgegner seine Entscheidung maßgeblich auf die fehlerhaften Erwägungen stützen wollte. Ob die Anordnung mit anderer, von der BHV1-VO NRW losgelöster Begründung zureichend wäre,
35sowohl im Fall VG Aachen, Beschluss vom 22. Februar 2016 - 7 L 72/16 -, in: juris,
36braucht hier entsprechend nicht entschieden zu werden.
37Auch die mit den Ziffern 2, 3, 4, 5 und 6 getroffenen Anordnungen in der Tierseuchenverfügung vom 22. September 2015 sind rechtswidrig. Es kann dabei dahinstehen, ob die dort angeordneten Maßnahmen für sich gesehen auf eine taugliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden könnten, da sich die Rechtswidrigkeit der Anordnungen insoweit aus ihrer logischen Verknüpfung zur Anordnung unter Ziffer 1 ergibt. Die Anordnungen setzen die mit Ziffer 1 vorgesehene Entfernung der BHV1‑Reagenten voraus. Die in den Ziffern 4 und 5 enthaltenen Zwangsgeldandrohungen sind aber auch im Übrigen rechtswidrig. Sie genügen nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW). Danach muss eine durch Verwaltungsakt getroffene Regelung hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sein. Der Entscheidungsinhalt muss für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und den Adressaten in die Lage versetzen, zu erkennen, was in der ihn betreffenden Sache geregelt oder verbindlich durch Verwaltungsakt festgestellt wird,
38BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 41/87 -, in: juris (Rn. 29).
39Dem genügen die ausgesprochenen Androhungen, bei denen es sich um Verwaltungsakte handelt,
40BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 - 1 A 10/95 -, in: juris (Rn. 18),
41nicht. Die Androhung eines Zwangsgeldes „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ ist bei der Anordnung von Handlungspflichten nicht ausreichend bestimmbar. Anders als bei Unterlassungs- und Duldungspflichten (für die der Gesetzeswortlaut explizit die Androhung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ erlaubt, § 59 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW) sind wiederholte Zuwiderhandlungen gegen Handlungsgebote nicht zweifelsfrei feststellbar. Die Formulierung lässt nicht erkennen, ob es einer weiteren Aufforderung durch den Antragsgegner bedarf oder ob bereits ein bestimmter Zeitablauf zur erneuten Verwirkung eines Zwangsgeldes führen soll. Die durch die Formulierung entstehenden Unklarheiten gehen zu Lasten des Antragsgegners. Hinzu kommt, dass die in Ziffer 5 enthaltene Zwangsgeldandrohung auch hiervon abgesehen zu unbestimmt ist. Die Formulierung lässt nicht zweifelsfrei erkennen, ob das Zwangsgeld von 2.000,00 Euro für jedes nicht untersuchte Tier verwirkt wird oder ob sich die Formulierung insoweit auf den Bestand als Einheit beziehen soll, so dass nur ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro ungeachtet der Anzahl nicht untersuchter Tiere anfiele. Für den Fall, dass die Androhung im erstgenannten Sinne (also für jedes nicht untersuchte Tier) gemeint sein soll, weißt die Kammer bereits jetzt darauf hin, dass das angedrohte Zwangsgeld in dieser Höhe unverhältnismäßig hoch sein dürfte, zumal für die Hauptmaßnahme - die Entfernung der BHV1-Reagenten unter Ziffer 1 des Bescheides - ein Zwangsgeld von nur 500,00 Euro pro Tier angedroht worden ist.
422.
43Der zulässige Antrag zu 2 ist ebenfalls begründet. Die Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldfestsetzung vom 11. März 2016 ergibt sich bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung aus ihrer Verknüpfung zur Tierseuchenverfügung des Antragsgegners vom 22. September 2015. Mit der zu 1. dargelegten Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 22. September 2015 entfällt die Grundlage für die Zwangsgeldfestsetzung vom 11. März 2016.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
45Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Unter Heranziehung von Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 war die Summe des angedrohten Zwangsgeldes als Grundlage heranzuziehen, weil diese größer ist, als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert. Dem Antragsteller wurde ein Zwangsgeld von 386.500,00 Euro (500 Euro x 773 BHV1-Reagenten) angedroht. Unter Anwendung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 war hiervon ein Viertel als Streitwert festzusetzen, weil es sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt und die Zwangsgeldandrohung einen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt darstellt. Der daneben angegriffenen Zwangsgeldfestsetzungen kommt kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu, weil ihr Bestand unmittelbar mit dem Bestand der Grundverfügung verknüpft ist.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 15. Juli 2016 - 23 L 1277/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Rinder dürfen gegen eine BHV1-Infektion nur mit Impfstoffen geimpft werden, bei deren Herstellung Virusstämme verwendet worden sind, die eine Deletion des Glykoprotein-E-Gens aufweisen und die nicht zur Bildung von gE-Antikörpern im geimpften Rind führen.
(1a) Die Impfung gegen eine BHV1-Infektion in einem von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach Artikel 10 der Richtlinie 64/432/EWG in der jeweils geltenden Fassung als frei von der BHV1-Infektion anerkannten Gebiet ist verboten.
(2) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen von Absatz 1 zulassen für Rinder, die aus dem Inland verbracht werden sollen, sofern das Bestimmungsland eine Impfung mit einem anderen Impfstoff verlangt. Die zuständige Behörde kann ferner Ausnahmen von Absatz 1a zulassen für in Satz 1 bezeichnete Rinder, sofern das Bestimmungsland eine Impfung verlangt.
(2a) Der Tierhalter hat Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Die zuständige Behörde kann Ausnahmen von Satz 1 genehmigen, soweit alle Rinder des Bestandes entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Absatz 1 geimpft werden und die geimpften Rinder regelmäßig nach den Empfehlungen des Impfstoffherstellers mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Absatz 1 nachgeimpft werden.
(3) Die zuständige Behörde kann die Impfung der Rinder eines Bestandes oder eines bestimmten Gebietes gegen die BHV1-Infektion anordnen, wenn dies aus Gründen der Seuchenbekämpfung erforderlich ist. Sie kann dabei das Verbringen der geimpften Rinder aus dem Bestand oder dem bestimmten Gebiet von einer Genehmigung abhängig machen.
(4) Die zuständige Behörde kann die Impfung der Rinder eines Bestandes oder eines bestimmten Gebietes gegen die BHV1-Infektion verbieten, wenn Gründe der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen. Sie kann dabei das Verbringen der nicht geimpften Rinder aus dem Bestand oder dem bestimmten Gebiet von einer Genehmigung abhängig machen.
(5) Der Tierhalter hat auf Verlangen der zuständigen Behörde schriftlich oder in elektronischer Form Auskunft über die Anzahl und den Zeitpunkt der durchgeführten Impfungen gegen eine BHV1-Infektion, über die Ohrmarkennummern der geimpften Rinder sowie über den verwendeten BHV1-Impfstoff zu erteilen.
(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zur Erfüllung der Zwecke des § 1 Satz 1 erforderlich ist, Vorschriften zu erlassen
- 1.
über den Umgang mit Tierseuchenerregern, insbesondere deren Inverkehrbringen, Anwendung, Vermehrung, Lagerung, Beförderung, Versendung, Beseitigung, Verbrauch oder sonstige Verwendung oder Handhabung und dabei insbesondere vorzuschreiben, dass amtliche Untersuchungen in staatlichen Einrichtungen durchgeführt werden müssen, - 2.
über - a)
den Betrieb oder die sonstige Einrichtung, in dem oder in der mit Tierseuchenerregern umgegangen wird, - b)
die Nutzung oder Ausstattung von Räumlichkeiten oder sonstigen Örtlichkeiten, einschließlich fischereilich nutzbarer Gewässer, in denen mit Tierseuchenerregern umgegangen wird,
- 3.
über - a)
den Umgang mit Erzeugnissen, insbesondere deren Inverkehrbringen, Lagerung, Behandlung, Beförderung, Verarbeitung, Verwendung, Verwertung oder Beseitigung, - b)
die Bekämpfung von Schadnagern oder sonstigen Schadorganismen, die Entwesung sowie die Reinigung oder Desinfektion von Betrieben, Einrichtungen oder Gegenständen, - c)
die Verwendung von Fahrzeugen oder Behältern, in oder an denen Tierseuchenerreger vorkommen oder vorkommen können, einschließlich der Beseitigung der Behälter,
- 4.
über die Durchführung von Veranstaltungen, anlässlich derer Tiere zusammenkommen, - 5.
über - a)
die Lage und Abgrenzung eines Betriebes, die Beschaffenheit und Einrichtung von Umkleideräumen für Personen, der Ställe, Wege und Plätze, der Anlagen zur Lagerung oder Beseitigung von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft, Futterzubereitung sowie über Einrichtungen zur Aufbewahrung toter Tiere, - b)
die Aufteilung eines Betriebes in Betriebsabteilungen, den Betriebsablauf, die Größe und Abgrenzung der Betriebsabteilungen sowie deren Entfernung von anderen Abteilungen, - c)
Angaben und Unterlagen zur geographischen Lage eines Betriebes und von Betriebsteilen, - d)
das Tragen von Schutzkleidung innerhalb des Betriebes, die Reinigung und Desinfektion von Personen, Einrichtungen nach Buchstabe a, im Betrieb benutzten Gegenständen und von Fahrzeugen, - e)
das Führen von Kontrollbüchern, insbesondere über die Zahl der täglichen Todesfälle und über Zugang, Abgang, Impfungen und Behandlungen von Tieren, sowie über die Aufbewahrung der Bücher,
- 6.
über betriebliche oder sonstige Verfahren, anlässlich derer oder bei Durchführung derer Tierseuchenerreger vorkommen oder vorkommen können, - 7.
über die Sachkunde von Personen, soweit sie mit - a)
lebenden oder toten Tieren, Teilen von Tieren oder Erzeugnissen oder - b)
Fahrzeugen oder Behältern, die Träger von Tierseuchenerregern sind oder sein können,
- 8.
über die Pflichten von Personen, soweit sie mit Gegenständen nach Nummer 7 in Berührung kommen oder kommen können, insbesondere - a)
das Führen, Aufbewahren und die Vorlage von Aufzeichnungen, Nachweisen, Registern oder Kontrollbüchern, - b)
die Beibringung von Ursprungs- oder Gesundheitszeugnissen, - c)
die Erteilung von Auskünften sowie die Duldung von oder die Mitwirkung bei Maßnahmen nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes erlassener Rechtsverordnungen oder auf Grund unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes,
- 9.
über die Kennzeichnung, einschließlich der Kennzeichnungsmittel, von - a)
Tieren oder Teilen von Tieren, - b)
Erzeugnissen oder - c)
Fahrzeugen, Behältern oder sonstigen Gegenständen,
- 10.
über - a)
Untersuchungen, diagnostische Maßnahmen, Probenahmen oder sonstige Maßnahmen der zuständigen Behörde, einschließlich der erforderlichen Hilfeleistungen, zur Feststellung des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins bestimmter Tierseuchenerreger, - b)
therapeutische Maßnahmen, Heilbehandlungen sowie Impfungen gegen Tierseuchen, einschließlich der erforderlichen Hilfeleistungen, - c)
die Bestimmung der Einrichtung, die Untersuchungen oder diagnostische Maßnahmen nach Buchstabe a durchführt, und dabei insbesondere vorzuschreiben, dass amtliche Untersuchungen in staatlichen Einrichtungen durchgeführt werden müssen,
- 11.
über - a)
die Haltung von Tieren, einschließlich bestimmter Haltungsbedingungen, der Haltung in bestimmten Räumlichkeiten oder an bestimmten Örtlichkeiten, - b)
die Verwendung oder Nutzung von Tieren zu bestimmten Zwecken, - c)
die Aufnahme oder Abgabe von Tieren, insbesondere deren Inverkehrbringen und Handel, - d)
Maßnahmen gegen das Abschwimmen oder Abtreiben lebender oder toter Fische aus fischereilich genutzten Gewässern oder aus Anlagen oder Einrichtungen zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen oder gegen das Ablaufen von Wasser aus solchen Gewässern, Anlagen oder Einrichtungen sowie Maßnahmen im Hinblick auf das Wasser beim Transport von Fischen,
- 12.
über Verbote und Beschränkungen des Verbringens von Tieren, - 13.
über das Verbringen, die Lagerung, Abgabe, Verwertung oder unschädliche Beseitigung toter Tiere oder Teilen von Tieren und Erzeugnissen, - 14.
über die Herstellung, Verarbeitung oder Bearbeitung von Erzeugnissen, - 15.
über die Absonderung, Bewachung oder behördliche Beobachtung von Tieren in bestimmten Fällen, - 16.
über die Beschränkung der Nutzung und das Verbot des Haltens empfänglicher und anderer als empfänglicher Tiere im Betrieb, - 17.
über - a)
den Personen- oder Fahrzeugverkehr innerhalb bestimmter Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebiete, in oder an denen sich an der Tierseuche erkrankte, verdächtige oder für die Tierseuche empfängliche Tiere aufhalten, - b)
die Beschäftigung bestimmter Personen in einem Tierbestand,
- 18.
über die Sperre - a)
von Gebieten, Betrieben, Anlagen oder sonstigen Einrichtungen, Räumlichkeiten oder Örtlichkeiten, in oder an denen sich seuchenkranke, verdächtige oder empfängliche Tiere aufhalten oder aufgehalten haben, - b)
von Gebieten in einem bestimmten Umkreis um von nach Buchstabe a gesperrten Regelungsgegenständen zur Verhinderung einer möglichen Verschleppung des Tierseuchenerregers, - c)
eines bestimmten Gebietes, in dem zur Verhinderung der Verschleppung eines bestimmten Tierseuchenerregers Untersuchungen angeordnet oder Verbringungen beschränkt werden können, ohne dass für dieses Gebiet die Voraussetzungen für eine Sperre nach Buchstabe a oder b vorliegen,
- 18a.
über Maßnahmen zur Absperrung, insbesondere die Umzäunung, von Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebieten, in oder an denen sich an der Tierseuche erkrankte oder verdächtige Tiere aufhalten, - 19.
über das Abfischen von Fischen und das Einbringen von Neubesatz in Gewässer oder in Anlagen oder Einrichtungen zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen, - 20.
über das Töten - a)
seuchenkranker oder verdächtiger Tiere, - b)
empfänglicher Tiere, soweit dies erforderlich ist, um eine Verschleppung von Tierseuchenerregern zu verhindern, Infektionsherde zu beseitigen oder eine wegen einer Tierseuche verfügten Sperre nach Nummer 18 aufzuheben, - c)
nicht empfänglicher Tiere, die Tierseuchenerreger verbreiten können, soweit dies erforderlich ist, um eine Verschleppung von Tierseuchenerregern zu verhindern oder Infektionsherde zu beseitigen, oder - d)
von Tieren, die Verbringungsbeschränkungen oder Nutzungsbeschränkungen oder der Absonderung unterworfen sind und in verbotswidriger Nutzung oder außerhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit angetroffen werden,
- 21.
über eine Genehmigungs- oder Anzeigepflicht für Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Nummern 1, 2, Nummer 3 Buchstabe a und c, den Nummern 4, 6 und den Nummern 10 bis 14, 17 und 18, jeweils einschließlich des Verfahrens der Rücknahme, des Widerrufs oder des Ruhens der Genehmigung und der Untersagung anzeigepflichtiger Tätigkeiten oder Maßnahmen, - 22.
über die Zulassungs- oder Registrierungspflicht von Betrieben oder sonstigen Einrichtungen, in denen mit Tierseuchenerregern umgegangen wird, einschließlich des Verfahrens der Rücknahme, des Widerrufs oder des Ruhens der Zulassung oder Registrierung, - 23.
über das Verbot oder die Beschränkung von Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Nummern 1, 2, 3 Buchstabe a und c und den Nummern 4, 6, 10, 11, 13, 14, 17, 18, 28a und 28c, - 24.
über die Nutzung der im Rahmen der Schlachtung eines Tieres erhobenen Untersuchungsergebnisse, - 25.
über die Durchführung hygienischer Maßnahmen, einschließlich baulicher Maßnahmen, - 26.
über die Durchführung betrieblicher Eigenkontrollen, - 27.
über die tierärztliche Betreuung Haustiere oder Fische haltender Betriebe, - 28.
über die verstärkte Bejagung oder Verbote oder Beschränkungen der Jagd, - 28a.
über die Suche nach verendeten wildlebenden Tieren an Örtlichkeiten oder in Gebieten, an oder in denen sich seuchenkranke, verdächtige oder empfängliche Tiere aufhalten oder aufgehalten haben, einschließlich ihrer Duldung, - 28b.
über das Verbot oder die Beschränkung der Nutzung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Flächen an Örtlichkeiten oder in Gebieten, an oder in denen sich seuchenkranke oder verdächtige Tiere aufhalten, - 28c.
über das Anlegen von Jagdschneisen, - 29.
über die öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs und des Erlöschens einer Tierseuche.
(2) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 bis 18, 20 bis 28a und 28c können auch zum Zwecke des § 1 Satz 2 erlassen werden.
(3) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 17, 21 und 23, auch in Verbindung mit Absatz 2, eingeschränkt.
(4) Tierhalter, deren Tiere der Absonderung oder behördlichen Beobachtung unterworfen sind, sind verpflichtet, solche Vorkehrungen zu treffen, dass die Tiere für die Dauer der Absonderung oder Beobachtung die ihnen bestimmte Räumlichkeit nicht verlassen können und keine Berührung mit anderen für die Tierseuche empfänglichen Tieren haben. Die Körper abgesonderter, bewachter oder beobachteter Tiere dürfen ohne Genehmigung der zuständigen Behörde nicht geöffnet, verbracht oder beseitigt werden.
(5) Die zuständige Behörde kann den Betreiber einer Schlachtstätte zur Durchführung einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 20, auch in Verbindung mit Absatz 2, angeordneten Tötung verpflichten. Dieser kann für den ihm hierdurch entstehenden Aufwand Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Die Länder bestimmen, wer die Kosten des Ersatzes nach Satz 2 trägt. Die zuständige Behörde kann ferner ein Transportunternehmen verpflichten, zum Zwecke einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 20, auch in Verbindung mit Absatz 2, angeordneten Tötung, Transporte zu einer Schlachtstätte durchzuführen. Die Sätze 2 und 3 gelten für den einem Transportunternehmer hierdurch entstehenden Aufwand entsprechend.
(6) In einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28 kann der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet werden
- 1.
zur Durchführung bestimmter Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Art und des Umfangs einer verstärkten Bejagung, - 2.
zur Darlegung oder zum Nachweis beabsichtigter und ergriffener Maßnahmen zur verstärkten Bejagung
(7) Der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, das von Maßnahmen zur Absperrung auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 18a betroffen ist, kann für den ihm hierdurch jeweils entstehenden Aufwand oder Schaden Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(8) Der Eigentümer oder Besitzer eines landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücks,
- 1.
dessen Nutzung auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28b verboten oder beschränkt worden ist, - 2.
der auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28c, auch in Verbindung mit Absatz 2, zum Anlegen von Jagdschneisen verpflichtet worden ist,
(9) Der Jagdausübungsberechtigte, dem auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28 oder 28a oder auf Grund entsprechend angeordneter Maßnahmen ein erhöhter Aufwand entsteht oder dessen Jagdausübung verboten oder beschränkt wird, kann für den ihm hierdurch entstehenden Aufwand oder Schaden angemessenen Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(1) Bricht eine auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 4 anzeigepflichtige Tierseuche aus oder zeigen sich Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Tierseuche befürchten lassen, so hat der Halter der betroffenen Tiere dies unverzüglich der nach Landesrecht zuständigen Behörde (zuständige Behörde) unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift sowie
- 1.
des Standortes und der Haltungsform der betroffenen Tiere und - 2.
der sonstigen für die jeweilige Tierseuche empfänglichen gehaltenen Tiere
(2) Die Pflichten nach Absatz 1 hat außer dem Tierhalter auch, wer
- 1.
in Vertretung des Tierhalters den Betrieb leitet, - 2.
mit der Aufsicht über Tiere an Stelle des Tierhalters beauftragt ist, - 3.
als Hirte, Schäfer, Schweizer, Senner oder in vergleichbarer Tätigkeit Tiere in Obhut hat oder - 4.
Fischereiberechtigter, Fischereiausübungsberechtigter oder Betreiber einer Anlage oder Einrichtung zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen ist.
- 1.
für Tiere auf dem Transport ihr Begleiter, - 2.
für Haustiere in fremdem Gewahrsam der Inhaber des Gewahrsams.
(3) Zur unverzüglichen Anzeige sind auch die Tierärzte und Leiter tierärztlicher oder sonstiger öffentlicher oder privater Untersuchungs- oder Forschungseinrichtungen sowie alle Personen verpflichtet, die sich mit der Ausübung der Tierheilkunde, der künstlichen Besamung, der Leistungsprüfung in der tierischen Erzeugung oder gewerbsmäßig mit der Kastration von Tieren beschäftigen. Satz 1 gilt auch für Tiergesundheitsaufseher, Tiergesundheitskontrolleure, Veterinärassistenten, Veterinäringenieure, Veterinärtechniker, Veterinärhygienekontrolleure, amtliche Fachassistenten, Lebensmittelkontrolleure, Futtermittelkontrolleure, Bienensachverständige, Fischereisachverständige, Fischereiberater, Fischereiaufseher, Natur- und Landschaftspfleger, Hufschmiede und Klauenpfleger, ferner für Personen, die gewerbsmäßig schlachten, sowie solche, die sich gewerbsmäßig mit der Behandlung, Verarbeitung oder Beseitigung geschlachteter, getöteter oder verendeter Tiere oder tierischer Bestandteile beschäftigen, wenn sie, bevor ein behördliches Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruch einer anzeigepflichtigen Tierseuche oder von Erscheinungen, die den Ausbruch einer solchen Tierseuche befürchten lassen, Kenntnis erhalten.
(4) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) wird ermächtigt, soweit es zur Erfüllung der Zwecke des § 1 Satz 1 im Hinblick auf Vorkommen, Ausmaß und Gefährlichkeit einer Tierseuche erforderlich ist, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die anzeigepflichtigen Tierseuchen zu bestimmen. In Rechtsverordnungen nach Satz 1 kann, soweit Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen, der Kreis der zur Anzeige verpflichteten Personen gegenüber den in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Personen eingeschränkt oder, soweit Belange der Tierseuchenbekämpfung dies erfordern, erweitert werden.
(5) § 24 des Bundesjagdgesetzes sowie entsprechende landesrechtliche Regelungen bleiben mit der Maßgabe unberührt, dass eine Anzeige durch den Jagdausübungsberechtigten auch dann zu erfolgen hat, wenn sich Erscheinungen zeigen, die den Ausbruch einer anzeigepflichtigen Tierseuche befürchten lassen. Die Anzeigepflicht nach Absatz 1 gilt auch für Personen, die zur Jagdausübung befugt sind, ohne Jagdausübungsberechtigte zu sein.
(1) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz kann das Bundesministerium auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen.
(2) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, können bei Gefahr im Verzuge oder, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union erforderlich ist, ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.
(3) Bei Gefahr im Verzuge und soweit dies nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zulässig ist, kann das Bundesministerium durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu den in § 1 Satz 1 genannten Zwecken die Anwendung eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union aussetzen oder beschränken.
(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 2 oder 3 treten spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.
(5) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die ausschließlich der Umsetzung verbindlicher technischer Vorschriften aus Richtlinien oder Entscheidungen der Organe der Europäischen Union dienen, können ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.
(6) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union in diesem Gesetz oder in auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen dieser Vorschriften erforderlich ist.
(7) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, soweit sie durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes unanwendbar geworden sind.
(8) In den Rechtsverordnungen auf Grund dieses Gesetzes kann die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Behörden zu übertragen.
(9) Die Landesregierungen können Rechtsverordnungen nach § 6 Absatz 1 und 2, den §§ 9, 10 Absatz 2 und § 26 Absatz 1 bis 3 erlassen, soweit das Bundesministerium von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht; sie können ihre Befugnis durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.
(10) Bei Gefahr im Verzuge können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung im Rahmen der Ermächtigungen des § 6 Absatz 1, der §§ 9 und 26 Absatz 1 bis 3 Vorschriften erlassen, die über die nach diesen Bestimmungen vom Bundesministerium erlassenen Vorschriften hinausgehen, soweit ein sofortiges Eingreifen zum Schutz der Tierbestände vor Tierseuchen erforderlich ist; die Rechtsverordnung ist nach Beendigung der Gefahr aufzuheben. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen.
(11) Die zuständige Behörde kann zur Vorbeugung vor Tierseuchen und deren Bekämpfung eine Verfügung nach Maßgabe der §§ 6, 9, 10 und 26 Absatz 1 bis 3 erlassen, soweit durch Rechtsverordnung eine Regelung nicht getroffen worden ist oder eine durch Rechtsverordnung getroffene Regelung nicht entgegensteht.
(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zur Erfüllung der Zwecke des § 1 Satz 1 erforderlich ist, Vorschriften zu erlassen
- 1.
über den Umgang mit Tierseuchenerregern, insbesondere deren Inverkehrbringen, Anwendung, Vermehrung, Lagerung, Beförderung, Versendung, Beseitigung, Verbrauch oder sonstige Verwendung oder Handhabung und dabei insbesondere vorzuschreiben, dass amtliche Untersuchungen in staatlichen Einrichtungen durchgeführt werden müssen, - 2.
über - a)
den Betrieb oder die sonstige Einrichtung, in dem oder in der mit Tierseuchenerregern umgegangen wird, - b)
die Nutzung oder Ausstattung von Räumlichkeiten oder sonstigen Örtlichkeiten, einschließlich fischereilich nutzbarer Gewässer, in denen mit Tierseuchenerregern umgegangen wird,
- 3.
über - a)
den Umgang mit Erzeugnissen, insbesondere deren Inverkehrbringen, Lagerung, Behandlung, Beförderung, Verarbeitung, Verwendung, Verwertung oder Beseitigung, - b)
die Bekämpfung von Schadnagern oder sonstigen Schadorganismen, die Entwesung sowie die Reinigung oder Desinfektion von Betrieben, Einrichtungen oder Gegenständen, - c)
die Verwendung von Fahrzeugen oder Behältern, in oder an denen Tierseuchenerreger vorkommen oder vorkommen können, einschließlich der Beseitigung der Behälter,
- 4.
über die Durchführung von Veranstaltungen, anlässlich derer Tiere zusammenkommen, - 5.
über - a)
die Lage und Abgrenzung eines Betriebes, die Beschaffenheit und Einrichtung von Umkleideräumen für Personen, der Ställe, Wege und Plätze, der Anlagen zur Lagerung oder Beseitigung von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft, Futterzubereitung sowie über Einrichtungen zur Aufbewahrung toter Tiere, - b)
die Aufteilung eines Betriebes in Betriebsabteilungen, den Betriebsablauf, die Größe und Abgrenzung der Betriebsabteilungen sowie deren Entfernung von anderen Abteilungen, - c)
Angaben und Unterlagen zur geographischen Lage eines Betriebes und von Betriebsteilen, - d)
das Tragen von Schutzkleidung innerhalb des Betriebes, die Reinigung und Desinfektion von Personen, Einrichtungen nach Buchstabe a, im Betrieb benutzten Gegenständen und von Fahrzeugen, - e)
das Führen von Kontrollbüchern, insbesondere über die Zahl der täglichen Todesfälle und über Zugang, Abgang, Impfungen und Behandlungen von Tieren, sowie über die Aufbewahrung der Bücher,
- 6.
über betriebliche oder sonstige Verfahren, anlässlich derer oder bei Durchführung derer Tierseuchenerreger vorkommen oder vorkommen können, - 7.
über die Sachkunde von Personen, soweit sie mit - a)
lebenden oder toten Tieren, Teilen von Tieren oder Erzeugnissen oder - b)
Fahrzeugen oder Behältern, die Träger von Tierseuchenerregern sind oder sein können,
- 8.
über die Pflichten von Personen, soweit sie mit Gegenständen nach Nummer 7 in Berührung kommen oder kommen können, insbesondere - a)
das Führen, Aufbewahren und die Vorlage von Aufzeichnungen, Nachweisen, Registern oder Kontrollbüchern, - b)
die Beibringung von Ursprungs- oder Gesundheitszeugnissen, - c)
die Erteilung von Auskünften sowie die Duldung von oder die Mitwirkung bei Maßnahmen nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes erlassener Rechtsverordnungen oder auf Grund unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes,
- 9.
über die Kennzeichnung, einschließlich der Kennzeichnungsmittel, von - a)
Tieren oder Teilen von Tieren, - b)
Erzeugnissen oder - c)
Fahrzeugen, Behältern oder sonstigen Gegenständen,
- 10.
über - a)
Untersuchungen, diagnostische Maßnahmen, Probenahmen oder sonstige Maßnahmen der zuständigen Behörde, einschließlich der erforderlichen Hilfeleistungen, zur Feststellung des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins bestimmter Tierseuchenerreger, - b)
therapeutische Maßnahmen, Heilbehandlungen sowie Impfungen gegen Tierseuchen, einschließlich der erforderlichen Hilfeleistungen, - c)
die Bestimmung der Einrichtung, die Untersuchungen oder diagnostische Maßnahmen nach Buchstabe a durchführt, und dabei insbesondere vorzuschreiben, dass amtliche Untersuchungen in staatlichen Einrichtungen durchgeführt werden müssen,
- 11.
über - a)
die Haltung von Tieren, einschließlich bestimmter Haltungsbedingungen, der Haltung in bestimmten Räumlichkeiten oder an bestimmten Örtlichkeiten, - b)
die Verwendung oder Nutzung von Tieren zu bestimmten Zwecken, - c)
die Aufnahme oder Abgabe von Tieren, insbesondere deren Inverkehrbringen und Handel, - d)
Maßnahmen gegen das Abschwimmen oder Abtreiben lebender oder toter Fische aus fischereilich genutzten Gewässern oder aus Anlagen oder Einrichtungen zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen oder gegen das Ablaufen von Wasser aus solchen Gewässern, Anlagen oder Einrichtungen sowie Maßnahmen im Hinblick auf das Wasser beim Transport von Fischen,
- 12.
über Verbote und Beschränkungen des Verbringens von Tieren, - 13.
über das Verbringen, die Lagerung, Abgabe, Verwertung oder unschädliche Beseitigung toter Tiere oder Teilen von Tieren und Erzeugnissen, - 14.
über die Herstellung, Verarbeitung oder Bearbeitung von Erzeugnissen, - 15.
über die Absonderung, Bewachung oder behördliche Beobachtung von Tieren in bestimmten Fällen, - 16.
über die Beschränkung der Nutzung und das Verbot des Haltens empfänglicher und anderer als empfänglicher Tiere im Betrieb, - 17.
über - a)
den Personen- oder Fahrzeugverkehr innerhalb bestimmter Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebiete, in oder an denen sich an der Tierseuche erkrankte, verdächtige oder für die Tierseuche empfängliche Tiere aufhalten, - b)
die Beschäftigung bestimmter Personen in einem Tierbestand,
- 18.
über die Sperre - a)
von Gebieten, Betrieben, Anlagen oder sonstigen Einrichtungen, Räumlichkeiten oder Örtlichkeiten, in oder an denen sich seuchenkranke, verdächtige oder empfängliche Tiere aufhalten oder aufgehalten haben, - b)
von Gebieten in einem bestimmten Umkreis um von nach Buchstabe a gesperrten Regelungsgegenständen zur Verhinderung einer möglichen Verschleppung des Tierseuchenerregers, - c)
eines bestimmten Gebietes, in dem zur Verhinderung der Verschleppung eines bestimmten Tierseuchenerregers Untersuchungen angeordnet oder Verbringungen beschränkt werden können, ohne dass für dieses Gebiet die Voraussetzungen für eine Sperre nach Buchstabe a oder b vorliegen,
- 18a.
über Maßnahmen zur Absperrung, insbesondere die Umzäunung, von Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebieten, in oder an denen sich an der Tierseuche erkrankte oder verdächtige Tiere aufhalten, - 19.
über das Abfischen von Fischen und das Einbringen von Neubesatz in Gewässer oder in Anlagen oder Einrichtungen zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen, - 20.
über das Töten - a)
seuchenkranker oder verdächtiger Tiere, - b)
empfänglicher Tiere, soweit dies erforderlich ist, um eine Verschleppung von Tierseuchenerregern zu verhindern, Infektionsherde zu beseitigen oder eine wegen einer Tierseuche verfügten Sperre nach Nummer 18 aufzuheben, - c)
nicht empfänglicher Tiere, die Tierseuchenerreger verbreiten können, soweit dies erforderlich ist, um eine Verschleppung von Tierseuchenerregern zu verhindern oder Infektionsherde zu beseitigen, oder - d)
von Tieren, die Verbringungsbeschränkungen oder Nutzungsbeschränkungen oder der Absonderung unterworfen sind und in verbotswidriger Nutzung oder außerhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit angetroffen werden,
- 21.
über eine Genehmigungs- oder Anzeigepflicht für Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Nummern 1, 2, Nummer 3 Buchstabe a und c, den Nummern 4, 6 und den Nummern 10 bis 14, 17 und 18, jeweils einschließlich des Verfahrens der Rücknahme, des Widerrufs oder des Ruhens der Genehmigung und der Untersagung anzeigepflichtiger Tätigkeiten oder Maßnahmen, - 22.
über die Zulassungs- oder Registrierungspflicht von Betrieben oder sonstigen Einrichtungen, in denen mit Tierseuchenerregern umgegangen wird, einschließlich des Verfahrens der Rücknahme, des Widerrufs oder des Ruhens der Zulassung oder Registrierung, - 23.
über das Verbot oder die Beschränkung von Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Nummern 1, 2, 3 Buchstabe a und c und den Nummern 4, 6, 10, 11, 13, 14, 17, 18, 28a und 28c, - 24.
über die Nutzung der im Rahmen der Schlachtung eines Tieres erhobenen Untersuchungsergebnisse, - 25.
über die Durchführung hygienischer Maßnahmen, einschließlich baulicher Maßnahmen, - 26.
über die Durchführung betrieblicher Eigenkontrollen, - 27.
über die tierärztliche Betreuung Haustiere oder Fische haltender Betriebe, - 28.
über die verstärkte Bejagung oder Verbote oder Beschränkungen der Jagd, - 28a.
über die Suche nach verendeten wildlebenden Tieren an Örtlichkeiten oder in Gebieten, an oder in denen sich seuchenkranke, verdächtige oder empfängliche Tiere aufhalten oder aufgehalten haben, einschließlich ihrer Duldung, - 28b.
über das Verbot oder die Beschränkung der Nutzung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Flächen an Örtlichkeiten oder in Gebieten, an oder in denen sich seuchenkranke oder verdächtige Tiere aufhalten, - 28c.
über das Anlegen von Jagdschneisen, - 29.
über die öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs und des Erlöschens einer Tierseuche.
(2) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 bis 18, 20 bis 28a und 28c können auch zum Zwecke des § 1 Satz 2 erlassen werden.
(3) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 17, 21 und 23, auch in Verbindung mit Absatz 2, eingeschränkt.
(4) Tierhalter, deren Tiere der Absonderung oder behördlichen Beobachtung unterworfen sind, sind verpflichtet, solche Vorkehrungen zu treffen, dass die Tiere für die Dauer der Absonderung oder Beobachtung die ihnen bestimmte Räumlichkeit nicht verlassen können und keine Berührung mit anderen für die Tierseuche empfänglichen Tieren haben. Die Körper abgesonderter, bewachter oder beobachteter Tiere dürfen ohne Genehmigung der zuständigen Behörde nicht geöffnet, verbracht oder beseitigt werden.
(5) Die zuständige Behörde kann den Betreiber einer Schlachtstätte zur Durchführung einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 20, auch in Verbindung mit Absatz 2, angeordneten Tötung verpflichten. Dieser kann für den ihm hierdurch entstehenden Aufwand Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Die Länder bestimmen, wer die Kosten des Ersatzes nach Satz 2 trägt. Die zuständige Behörde kann ferner ein Transportunternehmen verpflichten, zum Zwecke einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 20, auch in Verbindung mit Absatz 2, angeordneten Tötung, Transporte zu einer Schlachtstätte durchzuführen. Die Sätze 2 und 3 gelten für den einem Transportunternehmer hierdurch entstehenden Aufwand entsprechend.
(6) In einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28 kann der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet werden
- 1.
zur Durchführung bestimmter Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Art und des Umfangs einer verstärkten Bejagung, - 2.
zur Darlegung oder zum Nachweis beabsichtigter und ergriffener Maßnahmen zur verstärkten Bejagung
(7) Der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, das von Maßnahmen zur Absperrung auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 18a betroffen ist, kann für den ihm hierdurch jeweils entstehenden Aufwand oder Schaden Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(8) Der Eigentümer oder Besitzer eines landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücks,
- 1.
dessen Nutzung auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28b verboten oder beschränkt worden ist, - 2.
der auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28c, auch in Verbindung mit Absatz 2, zum Anlegen von Jagdschneisen verpflichtet worden ist,
(9) Der Jagdausübungsberechtigte, dem auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28 oder 28a oder auf Grund entsprechend angeordneter Maßnahmen ein erhöhter Aufwand entsteht oder dessen Jagdausübung verboten oder beschränkt wird, kann für den ihm hierdurch entstehenden Aufwand oder Schaden angemessenen Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(1) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz kann das Bundesministerium auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen.
(2) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, können bei Gefahr im Verzuge oder, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union erforderlich ist, ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.
(3) Bei Gefahr im Verzuge und soweit dies nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zulässig ist, kann das Bundesministerium durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu den in § 1 Satz 1 genannten Zwecken die Anwendung eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union aussetzen oder beschränken.
(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 2 oder 3 treten spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.
(5) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die ausschließlich der Umsetzung verbindlicher technischer Vorschriften aus Richtlinien oder Entscheidungen der Organe der Europäischen Union dienen, können ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.
(6) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union in diesem Gesetz oder in auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen dieser Vorschriften erforderlich ist.
(7) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, soweit sie durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes unanwendbar geworden sind.
(8) In den Rechtsverordnungen auf Grund dieses Gesetzes kann die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Behörden zu übertragen.
(9) Die Landesregierungen können Rechtsverordnungen nach § 6 Absatz 1 und 2, den §§ 9, 10 Absatz 2 und § 26 Absatz 1 bis 3 erlassen, soweit das Bundesministerium von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht; sie können ihre Befugnis durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.
(10) Bei Gefahr im Verzuge können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung im Rahmen der Ermächtigungen des § 6 Absatz 1, der §§ 9 und 26 Absatz 1 bis 3 Vorschriften erlassen, die über die nach diesen Bestimmungen vom Bundesministerium erlassenen Vorschriften hinausgehen, soweit ein sofortiges Eingreifen zum Schutz der Tierbestände vor Tierseuchen erforderlich ist; die Rechtsverordnung ist nach Beendigung der Gefahr aufzuheben. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen.
(11) Die zuständige Behörde kann zur Vorbeugung vor Tierseuchen und deren Bekämpfung eine Verfügung nach Maßgabe der §§ 6, 9, 10 und 26 Absatz 1 bis 3 erlassen, soweit durch Rechtsverordnung eine Regelung nicht getroffen worden ist oder eine durch Rechtsverordnung getroffene Regelung nicht entgegensteht.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Die Anfechtung einer Anordnung
- 1.
der Absonderung, Einsperrung oder Bewachung kranker oder verdächtiger Tiere, - 2.
von Maßnahmen diagnostischer Art, einer Impfung oder Heilbehandlung bei Tieren, - 3.
eines Verbringungsverbotes für Tiere eines Bestandes oder eines Gebietes, - 4.
über die Untersagung der Anwendung oder der Abgabe, den Rückruf oder die Sicherstellung eines immunologischen Tierarzneimittels oder die Untersagung der Anwendung eines In-vitro-Diagnostikums, - 5.
der Tötung von Tieren, - 6.
der unschädlichen Beseitigung toter Tiere, von Teilen von Tieren oder Erzeugnissen, - 7.
der Reinigung, Desinfektion oder Entwesung, - 8.
eines Verbotes oder einer Beschränkung des Personen- oder Fahrzeugverkehrs, - 9.
über die Verpflichtung zur verstärkten Bejagung oder eines Verbotes oder einer Beschränkung der Jagd, - 10.
der Suche nach verendeten wildlebenden Tieren, - 11.
eines Verbotes oder einer Beschränkung der Nutzung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Flächen, - 12.
über die Duldung von Maßnahmen zur Absperrung von Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebieten,
- 1.
eine Maßnahme nach Satz 1 angeordnet worden ist und die Anordnung auf § 5 Absatz 1, § 24 Absatz 3 oder § 38 Absatz 11 gestützt ist, - 2.
die Tötung von Tieren und unschädliche Beseitigung von toten Tieren, Teilen von Tieren und Erzeugnissen auf Grund eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes angeordnet worden ist, - 3.
die Bejagung oder die Suche nach verendeten wildlebenden Tieren durch andere Personen als den Jagdausübungsberechtigten angeordnet worden ist.
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Januar 2016 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. Januar 2016 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 3 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
61.) Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Denn der in der vorliegenden Konstellation nach § 110 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 c JustG NRW erforderliche Widerspruch des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung hat bezüglich Ziffer 1 wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich Ziffer 3 kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
72.) Der Antrag ist aber unbegründet.
8a) Hinsichtlich der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Jedenfalls mit der Erwägung, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für empfängliche Tiere in engerer und weiterer Umgebung darstelle und daher sicherzustellen sei, dass auch während eines eventuellen Rechtsbehelfsverfahrens notwendige Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung durchgeführt werden können, hat der Antragsgegner ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 seiner Ordnungsverfügung dargelegt und erkennen lassen, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Ob die Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutreffend waren, ist unerheblich, weil das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine in Würdigung aller einschlägigen Gesichtspunkte vorzunehmende eigene Entscheidung über die Rechtfertigung des Sofortvollzugs trifft. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Begründung der Vollziehungsanordnung mit der Begründung der Ordnungsverfügung übereinstimme. Zwar trifft im Grundsatz zu, dass die Vollziehungsanordnung ein besonderes Vollzugsinteresse erfordert, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt rechtfertigt.
10Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92.
11Allerdings können im konkreten Fall Erlassinteresse und Vollziehungsinteresse auch zusammenfallen. So ist u.a. für den Bereich des Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Tierseuchenrecht zu zählen ist, anerkannt, dass die den Erlass des Verwaltungsakts tragenden Gesichtspunkte zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können.
12Vgl. VGH BW, Beschluss vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 209 (Stand: Oktober 2015), jeweils m.w.N.
13Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus.
14Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung der Klage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn - bei noch offener Rechtslage - das Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt; dabei kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Betroffenen regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und überdies ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
15Davon ausgehend stellt sich bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 insgesamt als offensichtlich rechtmäßig dar.
16Sie findet materiellrechtlich ihre Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 2a Satz 1 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-Verordnung) vom 19. Mai 2015 (nachfolgend: BHV1-VO). Danach hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Dass in der Begründung der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 unter der Überschrift „Ermächtigungsgrundlagen“ § 2 Abs. 2a BHV1-VO nicht aufgeführt ist, ist ohne Belang. Zutreffend weist der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 12. Februar 2016 darauf hin, dass die Norm auf Seite 2 der Ordnungsverfügung genannt und die in Rede stehende Anordnung hierauf auch gestützt worden ist. Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass der Einwand des Antragstellers, die Verfügung könne wegen der entgegenstehenden BHV1-Verordnung nicht auf § 24 Abs. 3 TierGesG gestützt werden, ins Leere geht.
17Reagent ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO ein Rind, bei dem durch serologische Untersuchungsverfahren Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion nachgewiesen sind. Das ist hier bei den in Rede stehenden 80 Rindern zu bejahen. Aufgrund von Blutuntersuchungen wurden ausweislich der Befundberichte des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes S. -S1. -X. vom 14. und 18. Januar 2016 (Bl. 78 ff. der Beiakte I) diese 80 Rinder positiv getestet.
18Angesichts dessen hat der Antragsgegner, der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen vom 27. Februar 1996 in der Fassung vom 13. Mai 2014 zuständige Behörde ist, dem Antragsgegner aufgegeben, die infizierten Rinder aus dem Bestand zu entfernen.
19Diese Anordnung ist auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das in einem Verwaltungsakt enthaltene Ge- oder Verbot muss im Zusammenhang mit der Begründung und den sonstigen bekannten Umständen für den Adressaten des Verwaltungsakts so klar erkennbar sein, dass er sein Verhalten unschwer hiernach ausrichten kann.
20Vgl. zu diesem Kriterium jüngst VG Münster, Urteil vom 12.11.2015 - 5 K 953/14 -, juris Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 ff. m.w.N.
21Das ist hier der Fall. Zwar merkt der Antragsteller zutreffend an, dass in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht gesagt wird, was mit den infizierten Rindern tatsächlich geschehen soll. Allerdings liegt es zum einen auf der Hand und bedarf keiner Begründung, dass die Entfernung aus dem Bestand durch Schlachtung bewerkstelligt werden kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung zumindest eine der mehrfachen Betriebskontrollen – nämlich am 20. Januar 2016 – durchgeführt worden ist, bei der nach den diesbezüglichen Unterlagen des Antragsgegners (Vermerk vom 27. Januar 2016 mit Protokollen der Durchführung von Betriebskontrollen Bl. 6 ff. der Beiakte I) auch der Antragsteller und sein Hoftierarzt zugegen waren. In diesem Rahmen ist auch die Variante besprochen worden, dass die Tiere in bestimmte Länder exportiert werden können. Dass dem Antragsteller zumindest vor diesem Hintergrund die bestehenden Optionen klar sind, folgert die Kammer auch daraus, dass er damit argumentiert, es gebe gegenüber der unverzüglichen Bestandsentfernung mildere Mittel. Diesen Standpunkt könnte der Antragsteller aber gar nicht einnehmen, wenn er nicht wüsste, was sie beinhaltet. Demgemäß kann es auch nicht verwundern, dass er seinen Widerspruch vom 27. Januar 2016 bzw. seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom selben Tage sowie vom 02. Februar 2016 gerade nicht damit begründet hat, die Verfügung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
22Die Maßnahme ist auch frei von Ermessensfehlern. Dass der Behörde Ermessen eingeräumt ist, ergibt sich nicht zweifelsfrei aus § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO, der vorrangig die Verpflichtung des Tierhalters zur Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand formuliert und die Ermächtigung zum Eingreifen lediglich in der Formulierung „nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde“ beinhaltet. Allerdings folgt aus der Zusammenschau mit § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO, dass ihr ein Entscheidungsspielraum zusteht. In diesem Rahmen steht die Maßnahme insbesondere in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist auf den legitimen Zweck ausgerichtet, die Verbreitung des BHV1-Virus zu verhindern. Dass gerade dieser Zweck nicht verfolgt wird, lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht feststellen. Dass die Gefahr einer Infektion durch die Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand für diesen selbst, aber auch für andere Bestände -
23vgl. zu dieser Erwägung Thür. OLG, Beschluss vom 31.05.2010 - 1 Ss Rs 31/10 -, juris Rn. 25 -
24verringert wird, ist offenkundig.
25Die Anordnung erweist sich auch als erforderlich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers zielt das Vorgehen des Antragsgegners nicht allein auf die Anerkennung Nordrhein-Westfalens als BHV1-frei gemäß Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen.
26Vgl. jedoch zur Berücksichtigung hoher wirtschaftlicher Schäden VG Aachen, Beschluss vom 26.03.2009 - 7 L 117/09 - n.v.
27Der Antragsgegner hat vielmehr nachvollziehbar auch darauf abgestellt, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für andere Tiere darstellt und zur Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis (IBR) führen kann, bei der es sich um eine überwiegend akut verlaufende, hochansteckende Allgemeinerkrankung handelt. Sie beginnt mit Fieber, Nasenausfluss, Rötung der Schleimhäute von Flotzmaul und Nase sowie Speicheln. Später können Atemnot, Nasen- und Augenausfluss hinzutreten.
28Vgl. zur Erkrankung ausführlich die Informationen des Friedrich-Löffler-Instituts unter www.fli.de/de/publikationen/informationen-zu-tierseu-chen-und-tierkrankheiten/#c10050; ferner zudem www.rinderskript. net/skripten/b4-5.html (Zugriff jeweils am 22. Februar 2016).
29Ein milderes, ebenso effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Das Sperren des Hofes allein kommt schon deshalb nicht in Frage, weil dadurch die Gefahr der Infektion der bislang negativ getesteten Rinder des Bestandes des Antragstellers unvermindert fortbestehen würde.
30Der Verweis des Antragstellers auf § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO überzeugt nicht. Danach kann die zuständige Behörde für Bestände, in denen alle Rinder ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben werden, Ausnahmen von Satz 1 – für den Tierhalter obligatorische Untersuchung des Bestandes in bestimmten zeitlichen Abständen – zulassen, wenn unter Berücksichtigung des seuchenhygienischen Risikos des Bestandes und der Seuchensituation ihres Zuständigkeitsgebietes Belange der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen und die Rinder des Bestandes regelmäßig entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers geimpft werden. § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO greift aber weder tatbestandlich noch von der Rechtsfolge her Platz:
31Zum einen werden die Rinder des Antragstellers nicht ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben. Dem Protokoll über die Durchführung einer Betriebskontrolle am 26. Januar 2016 (Bl. 8 der Beiakte I) ist zu entnehmen, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner in Aussicht gestellt hat, seinen Betrieb in einen reinen Mastbetrieb umzuwandeln. Dass dies bereits geschehen war (oder mittlerweile geschehen ist), ist weder dargetan noch ersichtlich. Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung oder danach ein reiner Mastbetrieb bestanden hat. Ferner hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Rinder nicht in einem geschlossenen Betriebssystem gehalten hat. So soll er allein im letzten Jahr acht Tiere an andere Betriebe abgegeben haben, was dieser auch nicht in Abrede stellt. Ferner macht der Antragsgegner geltend, dass sieben Tiere, die ausweislich der Gutschrift vom 18. September 2015 (Bl. 30 der Gerichtsakte) an die Viehvermarktung S2. GmbH & Co. KG verkauft wurden, nicht unmittelbar geschlachtet worden seien. Die Tiere sollen vielmehr an einen Betrieb im Kreis I. weiterverkauft worden und dort bis vor kurzem im Bestand gewesen sein. Auch dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Ferner belegt der Verkauf eines Rindes an die Viehhandlung Q. A. (Rechnungsdatum 22. Oktober 2015, Bl. 32 der Gerichtsakte), dass der Antragsteller nicht nur zur Schlachtung, sondern auch in den Handel abgegeben hat.
32Zum anderen passt die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO nicht. Denn Regelungsgegenstand der Norm ist ein Dispens von der Verpflichtung, die Tiere untersuchen zu lassen. Hier geht es aber ersichtlich nicht um eine Untersuchung.
33Entgegen der Ansicht des Antragstellers greift auch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BHV1-VO nicht Platz. Diese Norm sieht für Rinder, die unmittelbar zur Schlachtung verbracht werden, eine Ausnahme von der Vorgabe in Satz 1 vor, dass Zucht- und Nutzrinder nur unter bestimmten Voraussetzungen aus einem Bestand verbracht oder in einen Bestand nur eingestellt werden dürfen.
34Schließlich ist auch weder ersichtlich noch überzeugend dargetan, dass die Anordnung nicht verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Die Beschränkung ist vielmehr zur Abwehr einer Tierseuche gerechtfertigt, zumal wenn in Rechnung gestellt wird, dass die betroffenen Landwirte eine Beihilfe erhalten.
35b) Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbare und gemäß § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW ordnungsgemäß zugestellte Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit den insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58, 60, 63 VwVG NRW.
36Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € ist zwar – absolut gesehen – recht hoch. Pro Tier steht allerdings ein Zwangsgeld von „lediglich“ 1.000 € in Rede. Die Formulierung der Zwangsgeldandrohung ist zwar sprachlich verunglückt. Denn zunächst scheint ein Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € auch für den Fall angedroht zu werden, dass der Antragsteller der Anordnung nicht vollständig nachkommt, d.h. nicht alle BHV1-Reagenten aus seinem Bestand entfernt. Der mit „bzw.“ eingeleitete Zusatz verdeutlicht allerdings, dass das Zwangsgeld bei teilweiser Nichtbefolgung davon abhängt, wie viele Reagenten entgegen der Ordnungsverfügung über die gesetzte Frist hinaus im Betrieb des Antragstellers verblieben sind. Ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € pro Tier ist nicht zu hoch bemessen. Der Antragsgegner hat sich dabei in nicht zu beanstandender Weise mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, wonach bei der Bemessung des Zwangsgeldes auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen ist, an dem wirtschaftlichen Wert eines Tieres orientiert. In dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 25. Januar 2016 über den Verkehrswert seiner Herde (Blatt 14 ff. der Gerichtsakte) wird der Wert des Tieres mit 1.791,44 € deutlich höher bemessen. Demgemäß hat der Antragsgegner einen Betrag gewählt, der den Antragsteller voraussichtlich veranlassen wird, die Verpflichtung zu erfüllen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zwangsgeldandrohung nicht per se eine Geldzahlungspflicht für den Adressaten begründet, sondern ihn als Adressat einer öffentlich-rechtlich angeordneten Pflicht zur Beachtung und Einhaltung dieser Pflicht anhalten soll. Ob insoweit die Zwangsgeldandrohung in eine Zahlungsverpflichtung umschlägt, hängt allein vom selbstbestimmten Verhalten des Adressaten ab.
37Vgl. VG München, Urteil vom 11.05.2015 - M 8 K 14.50 -, juris Rn. 53.
38Auch die Frist von zwei Wochen zur Entfernung der infizierten Rinder aus dem Bestand ist aus der Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Ausgangspunkt der Fristsetzung ist eine Aussage des Geschäftsführers des G. -I1. C. e.V., Herrn Dr. E. , dass die Vermarktung der Tiere innerhalb von einer Woche unter normalen Umständen problemlos möglich sein müsste. Das G. -I1. betreut Herdbuchzüchter aus Nordrhein-Westfalen, S2. -Pfalz und dem Saarland. Der eingetragene Verein hat nach eigenen Angaben 1.450 Mitglieder und 11.000 registrierte G. von 26 Rinderrassen im I1. .
39Vgl. hierzu die Angaben auf der Homepage des Vereins www.fhb-bonn.de (Zugriff am 20. Februar 2016).
40Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die Frist nicht willkürlich gewählt worden ist.
41Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei kurzfristig zur Entfernung der infizierten Rinder wirtschaftlich und tatsächlich außer Stande, überzeugt das nicht. Es fehlt jede überzeugende Begründung dafür, warum ihm dies nicht möglich sein soll. Seine Aussage, dass trächtige Tiere nicht geschlachtet werden dürften, ist zum einen normativ nicht belegt und wird vom Antragsgegner unter Verweis auf die Vorschriften der Verordnung zum Schutz von Tieren in Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung) vom 20. Dezember 2012 auch in Abrede gestellt. Zum anderen stellt dies die Möglichkeit der Vermarktung dieser Tiere nicht substantiiert in Frage.
42Da sich die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 getroffene Anordnung somit nach summarischer Prüfung ebenso wie die Zwangsmittelandrohung als offensichtlich rechtmäßig erweisen, überwiegt schon deshalb insoweit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44II.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie berücksichtigt zum einen, dass im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der gesetzliche Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nur zur Hälfte anzusetzen ist, und zum anderen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 verbundene Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beil. 2013, 58).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 33.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19. Januar 2016[1] gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 5. Januar 2016[2] wiederherzustellen,
4ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der Antrag ist - auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO) - zulässig. Bezogen auf den gemäß § 68 Abs. 1 VwGO, § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 c) JustG NRW erforderlichen Widerspruch gegen Nrn. 1, 2 und 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft, weil der Antragsgegner in Nr. 7 der Ordnungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Bezogen auf den Widerspruch gegen Nrn. 4, 5 und 6 ist der - zugunsten des Antragstellers gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegende - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW).
6II. Der Antrag ist unbegründet. Dies betrifft sowohl den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1.) als auch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (2.).
71. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig (a). Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (b).
8a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zuständige Antragsgegner dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
9Danach ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll zwar - neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts - vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2012 - 1 B 49/12 -, juris, Rn. 11.
11Der Antragsgegner hat auf S. 7 der Ordnungsverfügung ausführlich und auf den Einzelfall des Betriebs des Antragstellers bezogen begründet, aus welchen Gründen er die sofortige Vollziehung anordnet, und damit zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
12b) Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung sein Interesse, vorläufig vom Vollzug des angegriffenen Bescheides verschont zu bleiben, nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Würdigung der Sach- und Rechtslage überwiegt. Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2. VwGO wiederhergestellt werden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn – bei noch offener Rechtslage – das Interesse des Antragstellers daran, von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Demgegenüber kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Antragstellers regelmäßig ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und ein öffentliches Vollzugsinteresse besteht.
13Die Ordnungsverfügung erweist sich nach Maßgabe der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig (aa), und es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse (bb).
14aa) Nrn. 1, 2 und 3 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig.
15(1) Die Anordnung in Nr. 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung, alle am Standort in S. , X. und T. , gehaltenen BHV1-Reagenten unter den Maßgaben in Satz 2 bis spätestens zum 20. Februar 2016 aus dem Bestand zu entfernen, ist offensichtlich rechtmäßig.
16(a) Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG, § 2 Abs. 2a der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO) und § 6 Abs. 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO NRW) beruhende Verfügung ist formell rechtmäßig.
17Der Antragsgegner ist gemäß § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung u. a., §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 OBG NRW als Kreisordnungsbehörde für den Erlass der Ordnungsverfügung zuständig.
18Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015[3] vor Erlass der Ordnungsverfügung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört, da ihm Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Maßnahme - unverzügliche Entfernung der Reagenten aus seinem Betrieb - binnen angemessener Frist Stellung zu nehmen. Durch diese Anhörung wurde dem Antragsteller hinreichend deutlich gemacht, welche Maßnahmen der Antragsgegner zu treffen beabsichtigte. Insbesondere war dem Antragsteller klar, dass sich die angekündigte Maßnahme nicht nur - wie der Wortlaut der Anhörung zunächst andeutet - auf die Hofstelle in S. , X. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 7901), bezieht, sondern seinen gesamten Betrieb, zu dem auch die Hofstelle auf dem Betrieb X1. in S. , T. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 9005), zählt, erfasst. Dies zeigt sich insbesondere an der unmittelbaren Reaktion des Antragstellers auf die Anhörung, mit welcher er den Erlass der angekündigten Maßnahme abzuwenden versucht hat. Er hat unter dem 13. November 2015 ein Sanierungskonzept vorgelegt, das offenbart, dass die Tierhaltung in seinem Betrieb in der Weise organisiert ist, dass die Jungtiere zunächst auf den Hof X1. verbracht werden[4]. Dies bestätigt sich auch durch die Einlassung des Antragstellers in der Antragsschrift vom 22. Januar 2016, wonach er sich als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs bezeichnet, der auf seiner Hofstelle (X. 15) und der Hofstelle X1. Rinder hält.
19Die schriftlich erlassene Verfügung ist hinreichend begründet worden (§ 39 Abs. 1 VwVfG NRW).
20(b) Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG i. V. m. § 2 Abs. 2a BHV1-VO und des § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW liegen vor.
21Nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TierGesG obliegt die Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften den zuständigen Behörden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. In diesem Rahmen überwachen sie die Einhaltung der vorstehend genannten Vorschriften sowie der auf Grund dieser Vorschriften ergangenen vollziehbaren Anordnungen. Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachtes, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Nach § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BHV1-VO NRW sind Reagenten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BHV1-VO nach dem 31. Dezember 2015 unverzüglich zu entfernen.
22Der Antragsteller ist Tierhalter. Er hält nach dem 31. Dezember 2015 in seinem Tierbestand Reagenten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO). Beide Beteiligte gehen übereinstimmend hiervon aus; die am 5. Januar 2016 eingeholte Auskunft aus dem Bestandsregister aus der HI-Tier-Datenbank[5] bestätigt 225 Fälle.
23Die dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 29. Juni 2015[6] auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW erteilte Ausnahmegenehmigung des Antragsgegners vom 7. September 2015[7] war bis zum 31. Dezember 2015 befristet. Den sinngemäßen Antrag des Antragstellers vom 13. November 2015[8] auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Dezember 2015[9] ab. Der Widerspruch des Antragstellers vom 4. Januar 2016[10] hatte bislang keinen Erfolg. Für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist es entgegen der Annahme des Antragstellers[11] keine tatbestandliche Voraussetzung, dass über die beantragte Ausnahmegenehmigung bestands- bzw. rechtskräftig ablehnend entschieden worden ist; gegebenenfalls mag ein offensichtlich bestehender Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung im Rahmen der Ermessensentscheidung beim Erlass einer Ordnungsverfügung zu berücksichtigen sein (hierzu unten unter II. 1. a) aa) (1) (c)).
24Auf den vom Antragsteller behaupteten Umstand, ihn treffe daran, dass sein Betrieb noch nicht BHV1-frei sei, kein Verschulden[12], kommt es für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage nicht an. Maßnahmen auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 und 3 TierGesG sind solche der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Satz 1 TierGesG) und damit verschuldensunabhängig.
25Die in Nr. 1 Sätze 2 und 3 der Ordnungsverfügung vom Antragsgegner getroffenen näheren Anweisungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 BHV1-VO).
26(c) Die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung ist im Grundsatz eine gebundene („hat… zu entfernen“ bzw. „sind… zu entfernen“). Es kann offen bleiben, ob die die Anwendung von Ermessen eröffnenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO (regelmäßige Impfung) vorliegen, denn jedenfalls hat der Antragsgegner unter Heranziehung der Maßstäbe des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstandende Ermessenserwägungen angestellt. Aus diesem Grunde kann offen bleiben, ob § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach der seit dem 27. Mai 2015 wirksamen Änderung des § 2 Abs. 2a BHV1-VO insoweit wirksam ist, als er weitergehende Anforderungen an die Eröffnung von Ermessen stellt (vgl. § 38 Abs. 9 TierGesG). Der Antragsgegner ist von einer Ermessensentscheidung (vgl. ab S. 3 der Ordnungsverfügung) ausgegangen, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind nicht überschritten, und von dem Ermessen ist in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden.
27§ 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW sieht vor, dass die Behörde in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW zulassen kann, wenn 1. Gründe der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen, 2. auf Grund der Zahl der Reagenten in einem Rinderbestand deren Entfernung eine unbillige Härte für die Tierhalterin oder den Tierhalter bedeutet und 3. die Tierhalterin oder der Tierhalter ein tierärztliches Sanierungskonzept vorlegt, durch das der Rinderbestand in weniger als drei Jahren BHV1-frei werden kann, und sie oder er sich zur Durchführung des Sanierungskonzeptes verpflichtet. Keiner dieser eine Ermessensbetätigung tragenden Gründe liegt vor; erst recht besteht nicht offensichtlich ein Anspruch des Antragstellers auf die von ihm sinngemäß beantragte Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW.
28(aa) Gründe der Seuchenbekämpfung stehen in Anbetracht der hohen Durchseuchungsrate des Kuhbestandes des Antragstellers einer Ausnahme entgegen; auf die zutreffende Begründung auf Bl. 3 ff. der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016[13], welcher der Antragsteller nichts Substantiiertes entgegengesetzt hat, wird verwiesen.
29(bb) Eine unbillige Härte liegt weder in sachlicher noch in persönlicher Hinsicht vor.
30Unbilligkeit aus sachlichen Gründen liegt vor, wenn die behördliche Befugnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, ihre Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, rechtfertigen dagegen nicht die Annahme der Unbilligkeit.
31Zum Begriff der Unbilligkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. November 2009 – 9 A 1517/07 –, juris, Rn. 57.
32Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte; die Ordnungsverfügung läuft den Wertungen des Gesetzes (effektive Bekämpfung der Tierseuchengefahr) ersichtlich nicht zuwider.
33Der Vollzug der Ordnungsverfügung führt auch nicht zu einer persönlichen Unbilligkeit. Zunächst hat der Antragsteller schon nichts Substantiiertes dafür vorgetragen, welcher konkrete Schaden ihm bei einer sofortigen Entfernung der Reagenten aus dem Bestand droht. Die Bezifferung eines Verlustes in „sechsstelliger Größenordnung“[14] ist nicht näher dargelegt und überdies deswegen nicht weiter aussagekräftig, weil der Antragsteller hierbei den Fall der Tötung der Tiere zugrundelegt. Eine solche Maßnahme wird dem Antragsteller durch die Ordnungsverfügung jedoch nicht (zwingend) auferlegt; er kann den Tierbestand auch veräußern.
34Zudem hat der Antragsgegner substantiiert darauf hingewiesen (Bl. 4 der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016), dass die Reagenten zwar nicht zum besten Preis verkauft werden können, mit ihnen aber gleichwohl ein bestimmter, wenn auch geringerer Preis als bei einem nicht infizierten Tier erzielt werden kann; zudem haftet dieser wirtschaftliche Nachteil den Tieren bereits ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO und nicht erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung an.
35Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller gegebenenfalls nicht in den Genuss von Leistungen aus der Tierseuchenkasse kommen wird. Sollten die Voraussetzungen für die Gewährung solcher Leistungen nicht vorliegen (vgl. Bescheid der Landwirtschaftskammer NRW vom 28. September 2015 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015[15]), würde dies auf Umständen beruhen, die der Antragsteller zu vertreten hat; der Antragsteller wurde vom Antragsgegner mit Schreiben vom 13. August 2015[16] umfassend auf die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Beihilfe hingewiesen. Sollte der Antragsteller im hiergegen gerichteten anhängigen gerichtlichen Verfahren - 5 K 132/16 - obsiegen, besteht erst Recht keine unbillige Härte.
36(cc) Der Antragsteller hat kein tierärztliches Sanierungskonzept vorgelegt. Das von ihm vorgelegte Sanierungskonzept vom 13. November 2015[17] stammt nicht von einem Tierarzt, sondern nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers[18] vom Ernährungsberater für Milchvieh der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Herrn C. , und dem Experten für Rindergesundheit, Herrn E. . I. . Zudem bestehen erhebliche Bedenken an der Eignung des Konzepts mit Blick auf das verfolgte Ziel, den Betrieb bis spätestens Mitte 2017 BHV1-frei zu bekommen; auf die Ausführungen im Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2015 wird verwiesen[19]. Diesen hat der Antragsteller bei summarischer Prüfung nichts Durchgreifendes entgegengesetzt. Auf den vom Antragsteller gegebenen zutreffenden Hinweis, das Sanierungskonzept bedürfe nicht der behördlichen Genehmigung[20], kommt es hiernach nicht an.
37(2) Nr. 2 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TierGesG, § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO beruhende formell rechtmäßige Anordnung, alle über neun Monate alten weiblichen und die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder des Bestandes 30 Tage nach Entfernung des letzten Reagenten blutserologisch auf BHV1 untersuchen zu lassen, ist materiell rechtmäßig.
38(a) Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nach § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter, soweit sein Bestand nicht bereits ein BHV1-freier Rinderbestand im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO ist, alle über neun Monate alten Zucht- und Nutzrinder oder, sofern der Bestand zu mindestens 30 vom Hundert aus Kühen besteht, alle über neun Monate alten weiblichen Rinder sowie die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder im Abstand von längstens zwölf Monaten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde in einer von ihr bestimmten Untersuchungseinrichtung, 1. sofern die Rinder des Bestandes nicht gegen eine BHV1-Infektion geimpft worden sind, blut- oder milchserologisch auf Antikörper gegen das Virus der BHV1-Infektion, 2. sofern die Rinder des Bestandes mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 BVHV1-VO geimpft worden sind, blutserologisch auf Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion untersuchen zu lassen.
39Der Rinderbestand des Antragstellers ist nicht bereits BHV1-frei im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO, da die Voraussetzungen der Anlage 1 nicht erfüllt sind und Nordrhein-Westfalen nicht nach einer Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft als BHV1-frei gilt. Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 des § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO liegen vor; die Impfung von Rindern gegen eine BHV1-Infektion ist ab dem 1. Juli 2015 verboten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO NRW).
40(b) Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
41(3) Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TierGesG beruhende formell rechtmäßige Anordnung, das Betreten der Geschäftsräume und der Wirtschaftsgebäude durch amtliche Bedienstete während der Geschäfts- und Betriebszeit zu dulden, ist materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor, da das Betreten im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG erforderlich ist. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.
42bb) Es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse. Das Interesse des Antragsgegners und der Öffentlichkeit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung im Rinderbestand setzt sich gegenüber dem allein wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers am Erzielen höherer Verkaufspreise durch. Insbesondere ist weder etwas dafür glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller im Fall der Vollziehung der Ordnungsverfügung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht würde.
432. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners nicht. Die Androhung des Zwangsgeldes in Nrn. 4 und 5 der Ordnungsverfügung (a) und die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig (b).
44a) Die gemäß §§ 56 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW formell rechtmäßige Androhung von Zwangsgeld in Nrn. 4 und 5 der dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 5. Januar 2016 zugestellten[21] Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 1 und 2 der Ordnungsverfügung sind auf die Vornahme von Handlungen gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Die Androhung bezieht sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel (§ 63 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW) und ist hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung verhältnismäßig (§ 58 Abs. 1 und 2 VwVG NRW) und die Fristsetzung von über sechs Wochen angemessen (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
45b) Die formell rechtmäßige Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 Abs. 1, 69, 66 ff. VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist auf eine Duldung gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Andere Zwangsmittel zur effektiven Durchsetzung der Duldungsverfügung kommen nicht in Betracht bzw. versprechen keinen Erfolg oder sind unzweckmäßig (§ 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung unmittelbaren Zwangs verhältnismäßig (§ 58 VwVG NRW); andere Zwangsmittel führen nicht zum Ziel oder sind untunlich (§ 58 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei wird das überschlägig ermittelte wirtschaftliche Interesse des Antragstellers berücksichtigt, vorläufig von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben. Die Kammer setzt unter Heranziehung von Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 das (höchste) in der Ordnungsverfügung angedrohte Zwangsgeld als minimalen Betrag an (225 x 300,00 Euro). Der Antragsteller hält aktuell 225 BHV1-Reagenten, im Fall der Nichtbeachtung der Ordnungsverfügung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 Euro je Tier angedroht. Die weiteren verfügten Maßnahmen können bei wirtschaftlicher Betrachtung vernachlässigt werden. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung ist dieser Betrag zu halbieren (Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs).
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Januar 2016 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. Januar 2016 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 3 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
61.) Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Denn der in der vorliegenden Konstellation nach § 110 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 c JustG NRW erforderliche Widerspruch des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung hat bezüglich Ziffer 1 wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich Ziffer 3 kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
72.) Der Antrag ist aber unbegründet.
8a) Hinsichtlich der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Jedenfalls mit der Erwägung, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für empfängliche Tiere in engerer und weiterer Umgebung darstelle und daher sicherzustellen sei, dass auch während eines eventuellen Rechtsbehelfsverfahrens notwendige Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung durchgeführt werden können, hat der Antragsgegner ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 seiner Ordnungsverfügung dargelegt und erkennen lassen, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Ob die Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutreffend waren, ist unerheblich, weil das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine in Würdigung aller einschlägigen Gesichtspunkte vorzunehmende eigene Entscheidung über die Rechtfertigung des Sofortvollzugs trifft. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Begründung der Vollziehungsanordnung mit der Begründung der Ordnungsverfügung übereinstimme. Zwar trifft im Grundsatz zu, dass die Vollziehungsanordnung ein besonderes Vollzugsinteresse erfordert, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt rechtfertigt.
10Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92.
11Allerdings können im konkreten Fall Erlassinteresse und Vollziehungsinteresse auch zusammenfallen. So ist u.a. für den Bereich des Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Tierseuchenrecht zu zählen ist, anerkannt, dass die den Erlass des Verwaltungsakts tragenden Gesichtspunkte zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können.
12Vgl. VGH BW, Beschluss vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 209 (Stand: Oktober 2015), jeweils m.w.N.
13Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus.
14Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung der Klage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn - bei noch offener Rechtslage - das Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt; dabei kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Betroffenen regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und überdies ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
15Davon ausgehend stellt sich bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 insgesamt als offensichtlich rechtmäßig dar.
16Sie findet materiellrechtlich ihre Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 2a Satz 1 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-Verordnung) vom 19. Mai 2015 (nachfolgend: BHV1-VO). Danach hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Dass in der Begründung der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 unter der Überschrift „Ermächtigungsgrundlagen“ § 2 Abs. 2a BHV1-VO nicht aufgeführt ist, ist ohne Belang. Zutreffend weist der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 12. Februar 2016 darauf hin, dass die Norm auf Seite 2 der Ordnungsverfügung genannt und die in Rede stehende Anordnung hierauf auch gestützt worden ist. Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass der Einwand des Antragstellers, die Verfügung könne wegen der entgegenstehenden BHV1-Verordnung nicht auf § 24 Abs. 3 TierGesG gestützt werden, ins Leere geht.
17Reagent ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO ein Rind, bei dem durch serologische Untersuchungsverfahren Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion nachgewiesen sind. Das ist hier bei den in Rede stehenden 80 Rindern zu bejahen. Aufgrund von Blutuntersuchungen wurden ausweislich der Befundberichte des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes S. -S1. -X. vom 14. und 18. Januar 2016 (Bl. 78 ff. der Beiakte I) diese 80 Rinder positiv getestet.
18Angesichts dessen hat der Antragsgegner, der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen vom 27. Februar 1996 in der Fassung vom 13. Mai 2014 zuständige Behörde ist, dem Antragsgegner aufgegeben, die infizierten Rinder aus dem Bestand zu entfernen.
19Diese Anordnung ist auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das in einem Verwaltungsakt enthaltene Ge- oder Verbot muss im Zusammenhang mit der Begründung und den sonstigen bekannten Umständen für den Adressaten des Verwaltungsakts so klar erkennbar sein, dass er sein Verhalten unschwer hiernach ausrichten kann.
20Vgl. zu diesem Kriterium jüngst VG Münster, Urteil vom 12.11.2015 - 5 K 953/14 -, juris Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 ff. m.w.N.
21Das ist hier der Fall. Zwar merkt der Antragsteller zutreffend an, dass in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht gesagt wird, was mit den infizierten Rindern tatsächlich geschehen soll. Allerdings liegt es zum einen auf der Hand und bedarf keiner Begründung, dass die Entfernung aus dem Bestand durch Schlachtung bewerkstelligt werden kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung zumindest eine der mehrfachen Betriebskontrollen – nämlich am 20. Januar 2016 – durchgeführt worden ist, bei der nach den diesbezüglichen Unterlagen des Antragsgegners (Vermerk vom 27. Januar 2016 mit Protokollen der Durchführung von Betriebskontrollen Bl. 6 ff. der Beiakte I) auch der Antragsteller und sein Hoftierarzt zugegen waren. In diesem Rahmen ist auch die Variante besprochen worden, dass die Tiere in bestimmte Länder exportiert werden können. Dass dem Antragsteller zumindest vor diesem Hintergrund die bestehenden Optionen klar sind, folgert die Kammer auch daraus, dass er damit argumentiert, es gebe gegenüber der unverzüglichen Bestandsentfernung mildere Mittel. Diesen Standpunkt könnte der Antragsteller aber gar nicht einnehmen, wenn er nicht wüsste, was sie beinhaltet. Demgemäß kann es auch nicht verwundern, dass er seinen Widerspruch vom 27. Januar 2016 bzw. seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom selben Tage sowie vom 02. Februar 2016 gerade nicht damit begründet hat, die Verfügung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
22Die Maßnahme ist auch frei von Ermessensfehlern. Dass der Behörde Ermessen eingeräumt ist, ergibt sich nicht zweifelsfrei aus § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO, der vorrangig die Verpflichtung des Tierhalters zur Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand formuliert und die Ermächtigung zum Eingreifen lediglich in der Formulierung „nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde“ beinhaltet. Allerdings folgt aus der Zusammenschau mit § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO, dass ihr ein Entscheidungsspielraum zusteht. In diesem Rahmen steht die Maßnahme insbesondere in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist auf den legitimen Zweck ausgerichtet, die Verbreitung des BHV1-Virus zu verhindern. Dass gerade dieser Zweck nicht verfolgt wird, lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht feststellen. Dass die Gefahr einer Infektion durch die Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand für diesen selbst, aber auch für andere Bestände -
23vgl. zu dieser Erwägung Thür. OLG, Beschluss vom 31.05.2010 - 1 Ss Rs 31/10 -, juris Rn. 25 -
24verringert wird, ist offenkundig.
25Die Anordnung erweist sich auch als erforderlich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers zielt das Vorgehen des Antragsgegners nicht allein auf die Anerkennung Nordrhein-Westfalens als BHV1-frei gemäß Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen.
26Vgl. jedoch zur Berücksichtigung hoher wirtschaftlicher Schäden VG Aachen, Beschluss vom 26.03.2009 - 7 L 117/09 - n.v.
27Der Antragsgegner hat vielmehr nachvollziehbar auch darauf abgestellt, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für andere Tiere darstellt und zur Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis (IBR) führen kann, bei der es sich um eine überwiegend akut verlaufende, hochansteckende Allgemeinerkrankung handelt. Sie beginnt mit Fieber, Nasenausfluss, Rötung der Schleimhäute von Flotzmaul und Nase sowie Speicheln. Später können Atemnot, Nasen- und Augenausfluss hinzutreten.
28Vgl. zur Erkrankung ausführlich die Informationen des Friedrich-Löffler-Instituts unter www.fli.de/de/publikationen/informationen-zu-tierseu-chen-und-tierkrankheiten/#c10050; ferner zudem www.rinderskript. net/skripten/b4-5.html (Zugriff jeweils am 22. Februar 2016).
29Ein milderes, ebenso effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Das Sperren des Hofes allein kommt schon deshalb nicht in Frage, weil dadurch die Gefahr der Infektion der bislang negativ getesteten Rinder des Bestandes des Antragstellers unvermindert fortbestehen würde.
30Der Verweis des Antragstellers auf § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO überzeugt nicht. Danach kann die zuständige Behörde für Bestände, in denen alle Rinder ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben werden, Ausnahmen von Satz 1 – für den Tierhalter obligatorische Untersuchung des Bestandes in bestimmten zeitlichen Abständen – zulassen, wenn unter Berücksichtigung des seuchenhygienischen Risikos des Bestandes und der Seuchensituation ihres Zuständigkeitsgebietes Belange der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen und die Rinder des Bestandes regelmäßig entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers geimpft werden. § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO greift aber weder tatbestandlich noch von der Rechtsfolge her Platz:
31Zum einen werden die Rinder des Antragstellers nicht ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben. Dem Protokoll über die Durchführung einer Betriebskontrolle am 26. Januar 2016 (Bl. 8 der Beiakte I) ist zu entnehmen, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner in Aussicht gestellt hat, seinen Betrieb in einen reinen Mastbetrieb umzuwandeln. Dass dies bereits geschehen war (oder mittlerweile geschehen ist), ist weder dargetan noch ersichtlich. Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung oder danach ein reiner Mastbetrieb bestanden hat. Ferner hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Rinder nicht in einem geschlossenen Betriebssystem gehalten hat. So soll er allein im letzten Jahr acht Tiere an andere Betriebe abgegeben haben, was dieser auch nicht in Abrede stellt. Ferner macht der Antragsgegner geltend, dass sieben Tiere, die ausweislich der Gutschrift vom 18. September 2015 (Bl. 30 der Gerichtsakte) an die Viehvermarktung S2. GmbH & Co. KG verkauft wurden, nicht unmittelbar geschlachtet worden seien. Die Tiere sollen vielmehr an einen Betrieb im Kreis I. weiterverkauft worden und dort bis vor kurzem im Bestand gewesen sein. Auch dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Ferner belegt der Verkauf eines Rindes an die Viehhandlung Q. A. (Rechnungsdatum 22. Oktober 2015, Bl. 32 der Gerichtsakte), dass der Antragsteller nicht nur zur Schlachtung, sondern auch in den Handel abgegeben hat.
32Zum anderen passt die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO nicht. Denn Regelungsgegenstand der Norm ist ein Dispens von der Verpflichtung, die Tiere untersuchen zu lassen. Hier geht es aber ersichtlich nicht um eine Untersuchung.
33Entgegen der Ansicht des Antragstellers greift auch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BHV1-VO nicht Platz. Diese Norm sieht für Rinder, die unmittelbar zur Schlachtung verbracht werden, eine Ausnahme von der Vorgabe in Satz 1 vor, dass Zucht- und Nutzrinder nur unter bestimmten Voraussetzungen aus einem Bestand verbracht oder in einen Bestand nur eingestellt werden dürfen.
34Schließlich ist auch weder ersichtlich noch überzeugend dargetan, dass die Anordnung nicht verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Die Beschränkung ist vielmehr zur Abwehr einer Tierseuche gerechtfertigt, zumal wenn in Rechnung gestellt wird, dass die betroffenen Landwirte eine Beihilfe erhalten.
35b) Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbare und gemäß § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW ordnungsgemäß zugestellte Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit den insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58, 60, 63 VwVG NRW.
36Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € ist zwar – absolut gesehen – recht hoch. Pro Tier steht allerdings ein Zwangsgeld von „lediglich“ 1.000 € in Rede. Die Formulierung der Zwangsgeldandrohung ist zwar sprachlich verunglückt. Denn zunächst scheint ein Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € auch für den Fall angedroht zu werden, dass der Antragsteller der Anordnung nicht vollständig nachkommt, d.h. nicht alle BHV1-Reagenten aus seinem Bestand entfernt. Der mit „bzw.“ eingeleitete Zusatz verdeutlicht allerdings, dass das Zwangsgeld bei teilweiser Nichtbefolgung davon abhängt, wie viele Reagenten entgegen der Ordnungsverfügung über die gesetzte Frist hinaus im Betrieb des Antragstellers verblieben sind. Ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € pro Tier ist nicht zu hoch bemessen. Der Antragsgegner hat sich dabei in nicht zu beanstandender Weise mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, wonach bei der Bemessung des Zwangsgeldes auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen ist, an dem wirtschaftlichen Wert eines Tieres orientiert. In dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 25. Januar 2016 über den Verkehrswert seiner Herde (Blatt 14 ff. der Gerichtsakte) wird der Wert des Tieres mit 1.791,44 € deutlich höher bemessen. Demgemäß hat der Antragsgegner einen Betrag gewählt, der den Antragsteller voraussichtlich veranlassen wird, die Verpflichtung zu erfüllen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zwangsgeldandrohung nicht per se eine Geldzahlungspflicht für den Adressaten begründet, sondern ihn als Adressat einer öffentlich-rechtlich angeordneten Pflicht zur Beachtung und Einhaltung dieser Pflicht anhalten soll. Ob insoweit die Zwangsgeldandrohung in eine Zahlungsverpflichtung umschlägt, hängt allein vom selbstbestimmten Verhalten des Adressaten ab.
37Vgl. VG München, Urteil vom 11.05.2015 - M 8 K 14.50 -, juris Rn. 53.
38Auch die Frist von zwei Wochen zur Entfernung der infizierten Rinder aus dem Bestand ist aus der Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Ausgangspunkt der Fristsetzung ist eine Aussage des Geschäftsführers des G. -I1. C. e.V., Herrn Dr. E. , dass die Vermarktung der Tiere innerhalb von einer Woche unter normalen Umständen problemlos möglich sein müsste. Das G. -I1. betreut Herdbuchzüchter aus Nordrhein-Westfalen, S2. -Pfalz und dem Saarland. Der eingetragene Verein hat nach eigenen Angaben 1.450 Mitglieder und 11.000 registrierte G. von 26 Rinderrassen im I1. .
39Vgl. hierzu die Angaben auf der Homepage des Vereins www.fhb-bonn.de (Zugriff am 20. Februar 2016).
40Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die Frist nicht willkürlich gewählt worden ist.
41Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei kurzfristig zur Entfernung der infizierten Rinder wirtschaftlich und tatsächlich außer Stande, überzeugt das nicht. Es fehlt jede überzeugende Begründung dafür, warum ihm dies nicht möglich sein soll. Seine Aussage, dass trächtige Tiere nicht geschlachtet werden dürften, ist zum einen normativ nicht belegt und wird vom Antragsgegner unter Verweis auf die Vorschriften der Verordnung zum Schutz von Tieren in Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung) vom 20. Dezember 2012 auch in Abrede gestellt. Zum anderen stellt dies die Möglichkeit der Vermarktung dieser Tiere nicht substantiiert in Frage.
42Da sich die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 getroffene Anordnung somit nach summarischer Prüfung ebenso wie die Zwangsmittelandrohung als offensichtlich rechtmäßig erweisen, überwiegt schon deshalb insoweit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44II.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie berücksichtigt zum einen, dass im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der gesetzliche Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nur zur Hälfte anzusetzen ist, und zum anderen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 verbundene Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beil. 2013, 58).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 33.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19. Januar 2016[1] gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 5. Januar 2016[2] wiederherzustellen,
4ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der Antrag ist - auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO) - zulässig. Bezogen auf den gemäß § 68 Abs. 1 VwGO, § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 c) JustG NRW erforderlichen Widerspruch gegen Nrn. 1, 2 und 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft, weil der Antragsgegner in Nr. 7 der Ordnungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Bezogen auf den Widerspruch gegen Nrn. 4, 5 und 6 ist der - zugunsten des Antragstellers gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegende - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW).
6II. Der Antrag ist unbegründet. Dies betrifft sowohl den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1.) als auch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (2.).
71. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig (a). Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (b).
8a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zuständige Antragsgegner dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
9Danach ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll zwar - neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts - vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2012 - 1 B 49/12 -, juris, Rn. 11.
11Der Antragsgegner hat auf S. 7 der Ordnungsverfügung ausführlich und auf den Einzelfall des Betriebs des Antragstellers bezogen begründet, aus welchen Gründen er die sofortige Vollziehung anordnet, und damit zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
12b) Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung sein Interesse, vorläufig vom Vollzug des angegriffenen Bescheides verschont zu bleiben, nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Würdigung der Sach- und Rechtslage überwiegt. Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2. VwGO wiederhergestellt werden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn – bei noch offener Rechtslage – das Interesse des Antragstellers daran, von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Demgegenüber kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Antragstellers regelmäßig ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und ein öffentliches Vollzugsinteresse besteht.
13Die Ordnungsverfügung erweist sich nach Maßgabe der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig (aa), und es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse (bb).
14aa) Nrn. 1, 2 und 3 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig.
15(1) Die Anordnung in Nr. 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung, alle am Standort in S. , X. und T. , gehaltenen BHV1-Reagenten unter den Maßgaben in Satz 2 bis spätestens zum 20. Februar 2016 aus dem Bestand zu entfernen, ist offensichtlich rechtmäßig.
16(a) Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG, § 2 Abs. 2a der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO) und § 6 Abs. 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO NRW) beruhende Verfügung ist formell rechtmäßig.
17Der Antragsgegner ist gemäß § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung u. a., §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 OBG NRW als Kreisordnungsbehörde für den Erlass der Ordnungsverfügung zuständig.
18Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015[3] vor Erlass der Ordnungsverfügung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört, da ihm Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Maßnahme - unverzügliche Entfernung der Reagenten aus seinem Betrieb - binnen angemessener Frist Stellung zu nehmen. Durch diese Anhörung wurde dem Antragsteller hinreichend deutlich gemacht, welche Maßnahmen der Antragsgegner zu treffen beabsichtigte. Insbesondere war dem Antragsteller klar, dass sich die angekündigte Maßnahme nicht nur - wie der Wortlaut der Anhörung zunächst andeutet - auf die Hofstelle in S. , X. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 7901), bezieht, sondern seinen gesamten Betrieb, zu dem auch die Hofstelle auf dem Betrieb X1. in S. , T. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 9005), zählt, erfasst. Dies zeigt sich insbesondere an der unmittelbaren Reaktion des Antragstellers auf die Anhörung, mit welcher er den Erlass der angekündigten Maßnahme abzuwenden versucht hat. Er hat unter dem 13. November 2015 ein Sanierungskonzept vorgelegt, das offenbart, dass die Tierhaltung in seinem Betrieb in der Weise organisiert ist, dass die Jungtiere zunächst auf den Hof X1. verbracht werden[4]. Dies bestätigt sich auch durch die Einlassung des Antragstellers in der Antragsschrift vom 22. Januar 2016, wonach er sich als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs bezeichnet, der auf seiner Hofstelle (X. 15) und der Hofstelle X1. Rinder hält.
19Die schriftlich erlassene Verfügung ist hinreichend begründet worden (§ 39 Abs. 1 VwVfG NRW).
20(b) Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG i. V. m. § 2 Abs. 2a BHV1-VO und des § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW liegen vor.
21Nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TierGesG obliegt die Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften den zuständigen Behörden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. In diesem Rahmen überwachen sie die Einhaltung der vorstehend genannten Vorschriften sowie der auf Grund dieser Vorschriften ergangenen vollziehbaren Anordnungen. Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachtes, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Nach § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BHV1-VO NRW sind Reagenten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BHV1-VO nach dem 31. Dezember 2015 unverzüglich zu entfernen.
22Der Antragsteller ist Tierhalter. Er hält nach dem 31. Dezember 2015 in seinem Tierbestand Reagenten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO). Beide Beteiligte gehen übereinstimmend hiervon aus; die am 5. Januar 2016 eingeholte Auskunft aus dem Bestandsregister aus der HI-Tier-Datenbank[5] bestätigt 225 Fälle.
23Die dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 29. Juni 2015[6] auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW erteilte Ausnahmegenehmigung des Antragsgegners vom 7. September 2015[7] war bis zum 31. Dezember 2015 befristet. Den sinngemäßen Antrag des Antragstellers vom 13. November 2015[8] auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Dezember 2015[9] ab. Der Widerspruch des Antragstellers vom 4. Januar 2016[10] hatte bislang keinen Erfolg. Für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist es entgegen der Annahme des Antragstellers[11] keine tatbestandliche Voraussetzung, dass über die beantragte Ausnahmegenehmigung bestands- bzw. rechtskräftig ablehnend entschieden worden ist; gegebenenfalls mag ein offensichtlich bestehender Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung im Rahmen der Ermessensentscheidung beim Erlass einer Ordnungsverfügung zu berücksichtigen sein (hierzu unten unter II. 1. a) aa) (1) (c)).
24Auf den vom Antragsteller behaupteten Umstand, ihn treffe daran, dass sein Betrieb noch nicht BHV1-frei sei, kein Verschulden[12], kommt es für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage nicht an. Maßnahmen auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 und 3 TierGesG sind solche der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Satz 1 TierGesG) und damit verschuldensunabhängig.
25Die in Nr. 1 Sätze 2 und 3 der Ordnungsverfügung vom Antragsgegner getroffenen näheren Anweisungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 BHV1-VO).
26(c) Die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung ist im Grundsatz eine gebundene („hat… zu entfernen“ bzw. „sind… zu entfernen“). Es kann offen bleiben, ob die die Anwendung von Ermessen eröffnenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO (regelmäßige Impfung) vorliegen, denn jedenfalls hat der Antragsgegner unter Heranziehung der Maßstäbe des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstandende Ermessenserwägungen angestellt. Aus diesem Grunde kann offen bleiben, ob § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach der seit dem 27. Mai 2015 wirksamen Änderung des § 2 Abs. 2a BHV1-VO insoweit wirksam ist, als er weitergehende Anforderungen an die Eröffnung von Ermessen stellt (vgl. § 38 Abs. 9 TierGesG). Der Antragsgegner ist von einer Ermessensentscheidung (vgl. ab S. 3 der Ordnungsverfügung) ausgegangen, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind nicht überschritten, und von dem Ermessen ist in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden.
27§ 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW sieht vor, dass die Behörde in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW zulassen kann, wenn 1. Gründe der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen, 2. auf Grund der Zahl der Reagenten in einem Rinderbestand deren Entfernung eine unbillige Härte für die Tierhalterin oder den Tierhalter bedeutet und 3. die Tierhalterin oder der Tierhalter ein tierärztliches Sanierungskonzept vorlegt, durch das der Rinderbestand in weniger als drei Jahren BHV1-frei werden kann, und sie oder er sich zur Durchführung des Sanierungskonzeptes verpflichtet. Keiner dieser eine Ermessensbetätigung tragenden Gründe liegt vor; erst recht besteht nicht offensichtlich ein Anspruch des Antragstellers auf die von ihm sinngemäß beantragte Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW.
28(aa) Gründe der Seuchenbekämpfung stehen in Anbetracht der hohen Durchseuchungsrate des Kuhbestandes des Antragstellers einer Ausnahme entgegen; auf die zutreffende Begründung auf Bl. 3 ff. der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016[13], welcher der Antragsteller nichts Substantiiertes entgegengesetzt hat, wird verwiesen.
29(bb) Eine unbillige Härte liegt weder in sachlicher noch in persönlicher Hinsicht vor.
30Unbilligkeit aus sachlichen Gründen liegt vor, wenn die behördliche Befugnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, ihre Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, rechtfertigen dagegen nicht die Annahme der Unbilligkeit.
31Zum Begriff der Unbilligkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. November 2009 – 9 A 1517/07 –, juris, Rn. 57.
32Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte; die Ordnungsverfügung läuft den Wertungen des Gesetzes (effektive Bekämpfung der Tierseuchengefahr) ersichtlich nicht zuwider.
33Der Vollzug der Ordnungsverfügung führt auch nicht zu einer persönlichen Unbilligkeit. Zunächst hat der Antragsteller schon nichts Substantiiertes dafür vorgetragen, welcher konkrete Schaden ihm bei einer sofortigen Entfernung der Reagenten aus dem Bestand droht. Die Bezifferung eines Verlustes in „sechsstelliger Größenordnung“[14] ist nicht näher dargelegt und überdies deswegen nicht weiter aussagekräftig, weil der Antragsteller hierbei den Fall der Tötung der Tiere zugrundelegt. Eine solche Maßnahme wird dem Antragsteller durch die Ordnungsverfügung jedoch nicht (zwingend) auferlegt; er kann den Tierbestand auch veräußern.
34Zudem hat der Antragsgegner substantiiert darauf hingewiesen (Bl. 4 der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016), dass die Reagenten zwar nicht zum besten Preis verkauft werden können, mit ihnen aber gleichwohl ein bestimmter, wenn auch geringerer Preis als bei einem nicht infizierten Tier erzielt werden kann; zudem haftet dieser wirtschaftliche Nachteil den Tieren bereits ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO und nicht erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung an.
35Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller gegebenenfalls nicht in den Genuss von Leistungen aus der Tierseuchenkasse kommen wird. Sollten die Voraussetzungen für die Gewährung solcher Leistungen nicht vorliegen (vgl. Bescheid der Landwirtschaftskammer NRW vom 28. September 2015 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015[15]), würde dies auf Umständen beruhen, die der Antragsteller zu vertreten hat; der Antragsteller wurde vom Antragsgegner mit Schreiben vom 13. August 2015[16] umfassend auf die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Beihilfe hingewiesen. Sollte der Antragsteller im hiergegen gerichteten anhängigen gerichtlichen Verfahren - 5 K 132/16 - obsiegen, besteht erst Recht keine unbillige Härte.
36(cc) Der Antragsteller hat kein tierärztliches Sanierungskonzept vorgelegt. Das von ihm vorgelegte Sanierungskonzept vom 13. November 2015[17] stammt nicht von einem Tierarzt, sondern nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers[18] vom Ernährungsberater für Milchvieh der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Herrn C. , und dem Experten für Rindergesundheit, Herrn E. . I. . Zudem bestehen erhebliche Bedenken an der Eignung des Konzepts mit Blick auf das verfolgte Ziel, den Betrieb bis spätestens Mitte 2017 BHV1-frei zu bekommen; auf die Ausführungen im Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2015 wird verwiesen[19]. Diesen hat der Antragsteller bei summarischer Prüfung nichts Durchgreifendes entgegengesetzt. Auf den vom Antragsteller gegebenen zutreffenden Hinweis, das Sanierungskonzept bedürfe nicht der behördlichen Genehmigung[20], kommt es hiernach nicht an.
37(2) Nr. 2 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TierGesG, § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO beruhende formell rechtmäßige Anordnung, alle über neun Monate alten weiblichen und die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder des Bestandes 30 Tage nach Entfernung des letzten Reagenten blutserologisch auf BHV1 untersuchen zu lassen, ist materiell rechtmäßig.
38(a) Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nach § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter, soweit sein Bestand nicht bereits ein BHV1-freier Rinderbestand im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO ist, alle über neun Monate alten Zucht- und Nutzrinder oder, sofern der Bestand zu mindestens 30 vom Hundert aus Kühen besteht, alle über neun Monate alten weiblichen Rinder sowie die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder im Abstand von längstens zwölf Monaten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde in einer von ihr bestimmten Untersuchungseinrichtung, 1. sofern die Rinder des Bestandes nicht gegen eine BHV1-Infektion geimpft worden sind, blut- oder milchserologisch auf Antikörper gegen das Virus der BHV1-Infektion, 2. sofern die Rinder des Bestandes mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 BVHV1-VO geimpft worden sind, blutserologisch auf Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion untersuchen zu lassen.
39Der Rinderbestand des Antragstellers ist nicht bereits BHV1-frei im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO, da die Voraussetzungen der Anlage 1 nicht erfüllt sind und Nordrhein-Westfalen nicht nach einer Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft als BHV1-frei gilt. Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 des § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO liegen vor; die Impfung von Rindern gegen eine BHV1-Infektion ist ab dem 1. Juli 2015 verboten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO NRW).
40(b) Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
41(3) Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TierGesG beruhende formell rechtmäßige Anordnung, das Betreten der Geschäftsräume und der Wirtschaftsgebäude durch amtliche Bedienstete während der Geschäfts- und Betriebszeit zu dulden, ist materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor, da das Betreten im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG erforderlich ist. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.
42bb) Es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse. Das Interesse des Antragsgegners und der Öffentlichkeit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung im Rinderbestand setzt sich gegenüber dem allein wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers am Erzielen höherer Verkaufspreise durch. Insbesondere ist weder etwas dafür glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller im Fall der Vollziehung der Ordnungsverfügung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht würde.
432. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners nicht. Die Androhung des Zwangsgeldes in Nrn. 4 und 5 der Ordnungsverfügung (a) und die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig (b).
44a) Die gemäß §§ 56 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW formell rechtmäßige Androhung von Zwangsgeld in Nrn. 4 und 5 der dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 5. Januar 2016 zugestellten[21] Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 1 und 2 der Ordnungsverfügung sind auf die Vornahme von Handlungen gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Die Androhung bezieht sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel (§ 63 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW) und ist hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung verhältnismäßig (§ 58 Abs. 1 und 2 VwVG NRW) und die Fristsetzung von über sechs Wochen angemessen (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
45b) Die formell rechtmäßige Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 Abs. 1, 69, 66 ff. VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist auf eine Duldung gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Andere Zwangsmittel zur effektiven Durchsetzung der Duldungsverfügung kommen nicht in Betracht bzw. versprechen keinen Erfolg oder sind unzweckmäßig (§ 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung unmittelbaren Zwangs verhältnismäßig (§ 58 VwVG NRW); andere Zwangsmittel führen nicht zum Ziel oder sind untunlich (§ 58 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei wird das überschlägig ermittelte wirtschaftliche Interesse des Antragstellers berücksichtigt, vorläufig von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben. Die Kammer setzt unter Heranziehung von Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 das (höchste) in der Ordnungsverfügung angedrohte Zwangsgeld als minimalen Betrag an (225 x 300,00 Euro). Der Antragsteller hält aktuell 225 BHV1-Reagenten, im Fall der Nichtbeachtung der Ordnungsverfügung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 Euro je Tier angedroht. Die weiteren verfügten Maßnahmen können bei wirtschaftlicher Betrachtung vernachlässigt werden. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung ist dieser Betrag zu halbieren (Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs).
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Januar 2016 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. Januar 2016 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 3 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
61.) Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Denn der in der vorliegenden Konstellation nach § 110 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 c JustG NRW erforderliche Widerspruch des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung hat bezüglich Ziffer 1 wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich Ziffer 3 kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
72.) Der Antrag ist aber unbegründet.
8a) Hinsichtlich der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Jedenfalls mit der Erwägung, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für empfängliche Tiere in engerer und weiterer Umgebung darstelle und daher sicherzustellen sei, dass auch während eines eventuellen Rechtsbehelfsverfahrens notwendige Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung durchgeführt werden können, hat der Antragsgegner ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 seiner Ordnungsverfügung dargelegt und erkennen lassen, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Ob die Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutreffend waren, ist unerheblich, weil das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine in Würdigung aller einschlägigen Gesichtspunkte vorzunehmende eigene Entscheidung über die Rechtfertigung des Sofortvollzugs trifft. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Begründung der Vollziehungsanordnung mit der Begründung der Ordnungsverfügung übereinstimme. Zwar trifft im Grundsatz zu, dass die Vollziehungsanordnung ein besonderes Vollzugsinteresse erfordert, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt rechtfertigt.
10Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92.
11Allerdings können im konkreten Fall Erlassinteresse und Vollziehungsinteresse auch zusammenfallen. So ist u.a. für den Bereich des Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Tierseuchenrecht zu zählen ist, anerkannt, dass die den Erlass des Verwaltungsakts tragenden Gesichtspunkte zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können.
12Vgl. VGH BW, Beschluss vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 209 (Stand: Oktober 2015), jeweils m.w.N.
13Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus.
14Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung der Klage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn - bei noch offener Rechtslage - das Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt; dabei kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Betroffenen regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und überdies ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
15Davon ausgehend stellt sich bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 insgesamt als offensichtlich rechtmäßig dar.
16Sie findet materiellrechtlich ihre Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 2a Satz 1 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-Verordnung) vom 19. Mai 2015 (nachfolgend: BHV1-VO). Danach hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Dass in der Begründung der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 unter der Überschrift „Ermächtigungsgrundlagen“ § 2 Abs. 2a BHV1-VO nicht aufgeführt ist, ist ohne Belang. Zutreffend weist der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 12. Februar 2016 darauf hin, dass die Norm auf Seite 2 der Ordnungsverfügung genannt und die in Rede stehende Anordnung hierauf auch gestützt worden ist. Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass der Einwand des Antragstellers, die Verfügung könne wegen der entgegenstehenden BHV1-Verordnung nicht auf § 24 Abs. 3 TierGesG gestützt werden, ins Leere geht.
17Reagent ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO ein Rind, bei dem durch serologische Untersuchungsverfahren Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion nachgewiesen sind. Das ist hier bei den in Rede stehenden 80 Rindern zu bejahen. Aufgrund von Blutuntersuchungen wurden ausweislich der Befundberichte des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes S. -S1. -X. vom 14. und 18. Januar 2016 (Bl. 78 ff. der Beiakte I) diese 80 Rinder positiv getestet.
18Angesichts dessen hat der Antragsgegner, der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen vom 27. Februar 1996 in der Fassung vom 13. Mai 2014 zuständige Behörde ist, dem Antragsgegner aufgegeben, die infizierten Rinder aus dem Bestand zu entfernen.
19Diese Anordnung ist auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das in einem Verwaltungsakt enthaltene Ge- oder Verbot muss im Zusammenhang mit der Begründung und den sonstigen bekannten Umständen für den Adressaten des Verwaltungsakts so klar erkennbar sein, dass er sein Verhalten unschwer hiernach ausrichten kann.
20Vgl. zu diesem Kriterium jüngst VG Münster, Urteil vom 12.11.2015 - 5 K 953/14 -, juris Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 ff. m.w.N.
21Das ist hier der Fall. Zwar merkt der Antragsteller zutreffend an, dass in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht gesagt wird, was mit den infizierten Rindern tatsächlich geschehen soll. Allerdings liegt es zum einen auf der Hand und bedarf keiner Begründung, dass die Entfernung aus dem Bestand durch Schlachtung bewerkstelligt werden kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung zumindest eine der mehrfachen Betriebskontrollen – nämlich am 20. Januar 2016 – durchgeführt worden ist, bei der nach den diesbezüglichen Unterlagen des Antragsgegners (Vermerk vom 27. Januar 2016 mit Protokollen der Durchführung von Betriebskontrollen Bl. 6 ff. der Beiakte I) auch der Antragsteller und sein Hoftierarzt zugegen waren. In diesem Rahmen ist auch die Variante besprochen worden, dass die Tiere in bestimmte Länder exportiert werden können. Dass dem Antragsteller zumindest vor diesem Hintergrund die bestehenden Optionen klar sind, folgert die Kammer auch daraus, dass er damit argumentiert, es gebe gegenüber der unverzüglichen Bestandsentfernung mildere Mittel. Diesen Standpunkt könnte der Antragsteller aber gar nicht einnehmen, wenn er nicht wüsste, was sie beinhaltet. Demgemäß kann es auch nicht verwundern, dass er seinen Widerspruch vom 27. Januar 2016 bzw. seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom selben Tage sowie vom 02. Februar 2016 gerade nicht damit begründet hat, die Verfügung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
22Die Maßnahme ist auch frei von Ermessensfehlern. Dass der Behörde Ermessen eingeräumt ist, ergibt sich nicht zweifelsfrei aus § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO, der vorrangig die Verpflichtung des Tierhalters zur Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand formuliert und die Ermächtigung zum Eingreifen lediglich in der Formulierung „nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde“ beinhaltet. Allerdings folgt aus der Zusammenschau mit § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO, dass ihr ein Entscheidungsspielraum zusteht. In diesem Rahmen steht die Maßnahme insbesondere in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist auf den legitimen Zweck ausgerichtet, die Verbreitung des BHV1-Virus zu verhindern. Dass gerade dieser Zweck nicht verfolgt wird, lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht feststellen. Dass die Gefahr einer Infektion durch die Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand für diesen selbst, aber auch für andere Bestände -
23vgl. zu dieser Erwägung Thür. OLG, Beschluss vom 31.05.2010 - 1 Ss Rs 31/10 -, juris Rn. 25 -
24verringert wird, ist offenkundig.
25Die Anordnung erweist sich auch als erforderlich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers zielt das Vorgehen des Antragsgegners nicht allein auf die Anerkennung Nordrhein-Westfalens als BHV1-frei gemäß Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen.
26Vgl. jedoch zur Berücksichtigung hoher wirtschaftlicher Schäden VG Aachen, Beschluss vom 26.03.2009 - 7 L 117/09 - n.v.
27Der Antragsgegner hat vielmehr nachvollziehbar auch darauf abgestellt, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für andere Tiere darstellt und zur Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis (IBR) führen kann, bei der es sich um eine überwiegend akut verlaufende, hochansteckende Allgemeinerkrankung handelt. Sie beginnt mit Fieber, Nasenausfluss, Rötung der Schleimhäute von Flotzmaul und Nase sowie Speicheln. Später können Atemnot, Nasen- und Augenausfluss hinzutreten.
28Vgl. zur Erkrankung ausführlich die Informationen des Friedrich-Löffler-Instituts unter www.fli.de/de/publikationen/informationen-zu-tierseu-chen-und-tierkrankheiten/#c10050; ferner zudem www.rinderskript. net/skripten/b4-5.html (Zugriff jeweils am 22. Februar 2016).
29Ein milderes, ebenso effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Das Sperren des Hofes allein kommt schon deshalb nicht in Frage, weil dadurch die Gefahr der Infektion der bislang negativ getesteten Rinder des Bestandes des Antragstellers unvermindert fortbestehen würde.
30Der Verweis des Antragstellers auf § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO überzeugt nicht. Danach kann die zuständige Behörde für Bestände, in denen alle Rinder ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben werden, Ausnahmen von Satz 1 – für den Tierhalter obligatorische Untersuchung des Bestandes in bestimmten zeitlichen Abständen – zulassen, wenn unter Berücksichtigung des seuchenhygienischen Risikos des Bestandes und der Seuchensituation ihres Zuständigkeitsgebietes Belange der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen und die Rinder des Bestandes regelmäßig entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers geimpft werden. § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO greift aber weder tatbestandlich noch von der Rechtsfolge her Platz:
31Zum einen werden die Rinder des Antragstellers nicht ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben. Dem Protokoll über die Durchführung einer Betriebskontrolle am 26. Januar 2016 (Bl. 8 der Beiakte I) ist zu entnehmen, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner in Aussicht gestellt hat, seinen Betrieb in einen reinen Mastbetrieb umzuwandeln. Dass dies bereits geschehen war (oder mittlerweile geschehen ist), ist weder dargetan noch ersichtlich. Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung oder danach ein reiner Mastbetrieb bestanden hat. Ferner hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Rinder nicht in einem geschlossenen Betriebssystem gehalten hat. So soll er allein im letzten Jahr acht Tiere an andere Betriebe abgegeben haben, was dieser auch nicht in Abrede stellt. Ferner macht der Antragsgegner geltend, dass sieben Tiere, die ausweislich der Gutschrift vom 18. September 2015 (Bl. 30 der Gerichtsakte) an die Viehvermarktung S2. GmbH & Co. KG verkauft wurden, nicht unmittelbar geschlachtet worden seien. Die Tiere sollen vielmehr an einen Betrieb im Kreis I. weiterverkauft worden und dort bis vor kurzem im Bestand gewesen sein. Auch dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Ferner belegt der Verkauf eines Rindes an die Viehhandlung Q. A. (Rechnungsdatum 22. Oktober 2015, Bl. 32 der Gerichtsakte), dass der Antragsteller nicht nur zur Schlachtung, sondern auch in den Handel abgegeben hat.
32Zum anderen passt die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO nicht. Denn Regelungsgegenstand der Norm ist ein Dispens von der Verpflichtung, die Tiere untersuchen zu lassen. Hier geht es aber ersichtlich nicht um eine Untersuchung.
33Entgegen der Ansicht des Antragstellers greift auch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BHV1-VO nicht Platz. Diese Norm sieht für Rinder, die unmittelbar zur Schlachtung verbracht werden, eine Ausnahme von der Vorgabe in Satz 1 vor, dass Zucht- und Nutzrinder nur unter bestimmten Voraussetzungen aus einem Bestand verbracht oder in einen Bestand nur eingestellt werden dürfen.
34Schließlich ist auch weder ersichtlich noch überzeugend dargetan, dass die Anordnung nicht verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Die Beschränkung ist vielmehr zur Abwehr einer Tierseuche gerechtfertigt, zumal wenn in Rechnung gestellt wird, dass die betroffenen Landwirte eine Beihilfe erhalten.
35b) Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbare und gemäß § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW ordnungsgemäß zugestellte Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit den insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58, 60, 63 VwVG NRW.
36Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € ist zwar – absolut gesehen – recht hoch. Pro Tier steht allerdings ein Zwangsgeld von „lediglich“ 1.000 € in Rede. Die Formulierung der Zwangsgeldandrohung ist zwar sprachlich verunglückt. Denn zunächst scheint ein Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € auch für den Fall angedroht zu werden, dass der Antragsteller der Anordnung nicht vollständig nachkommt, d.h. nicht alle BHV1-Reagenten aus seinem Bestand entfernt. Der mit „bzw.“ eingeleitete Zusatz verdeutlicht allerdings, dass das Zwangsgeld bei teilweiser Nichtbefolgung davon abhängt, wie viele Reagenten entgegen der Ordnungsverfügung über die gesetzte Frist hinaus im Betrieb des Antragstellers verblieben sind. Ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € pro Tier ist nicht zu hoch bemessen. Der Antragsgegner hat sich dabei in nicht zu beanstandender Weise mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, wonach bei der Bemessung des Zwangsgeldes auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen ist, an dem wirtschaftlichen Wert eines Tieres orientiert. In dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 25. Januar 2016 über den Verkehrswert seiner Herde (Blatt 14 ff. der Gerichtsakte) wird der Wert des Tieres mit 1.791,44 € deutlich höher bemessen. Demgemäß hat der Antragsgegner einen Betrag gewählt, der den Antragsteller voraussichtlich veranlassen wird, die Verpflichtung zu erfüllen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zwangsgeldandrohung nicht per se eine Geldzahlungspflicht für den Adressaten begründet, sondern ihn als Adressat einer öffentlich-rechtlich angeordneten Pflicht zur Beachtung und Einhaltung dieser Pflicht anhalten soll. Ob insoweit die Zwangsgeldandrohung in eine Zahlungsverpflichtung umschlägt, hängt allein vom selbstbestimmten Verhalten des Adressaten ab.
37Vgl. VG München, Urteil vom 11.05.2015 - M 8 K 14.50 -, juris Rn. 53.
38Auch die Frist von zwei Wochen zur Entfernung der infizierten Rinder aus dem Bestand ist aus der Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Ausgangspunkt der Fristsetzung ist eine Aussage des Geschäftsführers des G. -I1. C. e.V., Herrn Dr. E. , dass die Vermarktung der Tiere innerhalb von einer Woche unter normalen Umständen problemlos möglich sein müsste. Das G. -I1. betreut Herdbuchzüchter aus Nordrhein-Westfalen, S2. -Pfalz und dem Saarland. Der eingetragene Verein hat nach eigenen Angaben 1.450 Mitglieder und 11.000 registrierte G. von 26 Rinderrassen im I1. .
39Vgl. hierzu die Angaben auf der Homepage des Vereins www.fhb-bonn.de (Zugriff am 20. Februar 2016).
40Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die Frist nicht willkürlich gewählt worden ist.
41Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei kurzfristig zur Entfernung der infizierten Rinder wirtschaftlich und tatsächlich außer Stande, überzeugt das nicht. Es fehlt jede überzeugende Begründung dafür, warum ihm dies nicht möglich sein soll. Seine Aussage, dass trächtige Tiere nicht geschlachtet werden dürften, ist zum einen normativ nicht belegt und wird vom Antragsgegner unter Verweis auf die Vorschriften der Verordnung zum Schutz von Tieren in Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung) vom 20. Dezember 2012 auch in Abrede gestellt. Zum anderen stellt dies die Möglichkeit der Vermarktung dieser Tiere nicht substantiiert in Frage.
42Da sich die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 getroffene Anordnung somit nach summarischer Prüfung ebenso wie die Zwangsmittelandrohung als offensichtlich rechtmäßig erweisen, überwiegt schon deshalb insoweit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44II.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie berücksichtigt zum einen, dass im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der gesetzliche Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nur zur Hälfte anzusetzen ist, und zum anderen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 verbundene Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beil. 2013, 58).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 33.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19. Januar 2016[1] gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 5. Januar 2016[2] wiederherzustellen,
4ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der Antrag ist - auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO) - zulässig. Bezogen auf den gemäß § 68 Abs. 1 VwGO, § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 c) JustG NRW erforderlichen Widerspruch gegen Nrn. 1, 2 und 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft, weil der Antragsgegner in Nr. 7 der Ordnungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Bezogen auf den Widerspruch gegen Nrn. 4, 5 und 6 ist der - zugunsten des Antragstellers gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegende - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW).
6II. Der Antrag ist unbegründet. Dies betrifft sowohl den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1.) als auch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (2.).
71. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig (a). Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (b).
8a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zuständige Antragsgegner dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
9Danach ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll zwar - neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts - vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2012 - 1 B 49/12 -, juris, Rn. 11.
11Der Antragsgegner hat auf S. 7 der Ordnungsverfügung ausführlich und auf den Einzelfall des Betriebs des Antragstellers bezogen begründet, aus welchen Gründen er die sofortige Vollziehung anordnet, und damit zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
12b) Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung sein Interesse, vorläufig vom Vollzug des angegriffenen Bescheides verschont zu bleiben, nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Würdigung der Sach- und Rechtslage überwiegt. Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2. VwGO wiederhergestellt werden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn – bei noch offener Rechtslage – das Interesse des Antragstellers daran, von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Demgegenüber kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Antragstellers regelmäßig ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und ein öffentliches Vollzugsinteresse besteht.
13Die Ordnungsverfügung erweist sich nach Maßgabe der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig (aa), und es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse (bb).
14aa) Nrn. 1, 2 und 3 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig.
15(1) Die Anordnung in Nr. 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung, alle am Standort in S. , X. und T. , gehaltenen BHV1-Reagenten unter den Maßgaben in Satz 2 bis spätestens zum 20. Februar 2016 aus dem Bestand zu entfernen, ist offensichtlich rechtmäßig.
16(a) Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG, § 2 Abs. 2a der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO) und § 6 Abs. 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO NRW) beruhende Verfügung ist formell rechtmäßig.
17Der Antragsgegner ist gemäß § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung u. a., §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 OBG NRW als Kreisordnungsbehörde für den Erlass der Ordnungsverfügung zuständig.
18Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015[3] vor Erlass der Ordnungsverfügung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört, da ihm Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Maßnahme - unverzügliche Entfernung der Reagenten aus seinem Betrieb - binnen angemessener Frist Stellung zu nehmen. Durch diese Anhörung wurde dem Antragsteller hinreichend deutlich gemacht, welche Maßnahmen der Antragsgegner zu treffen beabsichtigte. Insbesondere war dem Antragsteller klar, dass sich die angekündigte Maßnahme nicht nur - wie der Wortlaut der Anhörung zunächst andeutet - auf die Hofstelle in S. , X. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 7901), bezieht, sondern seinen gesamten Betrieb, zu dem auch die Hofstelle auf dem Betrieb X1. in S. , T. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 9005), zählt, erfasst. Dies zeigt sich insbesondere an der unmittelbaren Reaktion des Antragstellers auf die Anhörung, mit welcher er den Erlass der angekündigten Maßnahme abzuwenden versucht hat. Er hat unter dem 13. November 2015 ein Sanierungskonzept vorgelegt, das offenbart, dass die Tierhaltung in seinem Betrieb in der Weise organisiert ist, dass die Jungtiere zunächst auf den Hof X1. verbracht werden[4]. Dies bestätigt sich auch durch die Einlassung des Antragstellers in der Antragsschrift vom 22. Januar 2016, wonach er sich als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs bezeichnet, der auf seiner Hofstelle (X. 15) und der Hofstelle X1. Rinder hält.
19Die schriftlich erlassene Verfügung ist hinreichend begründet worden (§ 39 Abs. 1 VwVfG NRW).
20(b) Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG i. V. m. § 2 Abs. 2a BHV1-VO und des § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW liegen vor.
21Nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TierGesG obliegt die Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften den zuständigen Behörden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. In diesem Rahmen überwachen sie die Einhaltung der vorstehend genannten Vorschriften sowie der auf Grund dieser Vorschriften ergangenen vollziehbaren Anordnungen. Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachtes, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Nach § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BHV1-VO NRW sind Reagenten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BHV1-VO nach dem 31. Dezember 2015 unverzüglich zu entfernen.
22Der Antragsteller ist Tierhalter. Er hält nach dem 31. Dezember 2015 in seinem Tierbestand Reagenten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO). Beide Beteiligte gehen übereinstimmend hiervon aus; die am 5. Januar 2016 eingeholte Auskunft aus dem Bestandsregister aus der HI-Tier-Datenbank[5] bestätigt 225 Fälle.
23Die dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 29. Juni 2015[6] auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW erteilte Ausnahmegenehmigung des Antragsgegners vom 7. September 2015[7] war bis zum 31. Dezember 2015 befristet. Den sinngemäßen Antrag des Antragstellers vom 13. November 2015[8] auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Dezember 2015[9] ab. Der Widerspruch des Antragstellers vom 4. Januar 2016[10] hatte bislang keinen Erfolg. Für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist es entgegen der Annahme des Antragstellers[11] keine tatbestandliche Voraussetzung, dass über die beantragte Ausnahmegenehmigung bestands- bzw. rechtskräftig ablehnend entschieden worden ist; gegebenenfalls mag ein offensichtlich bestehender Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung im Rahmen der Ermessensentscheidung beim Erlass einer Ordnungsverfügung zu berücksichtigen sein (hierzu unten unter II. 1. a) aa) (1) (c)).
24Auf den vom Antragsteller behaupteten Umstand, ihn treffe daran, dass sein Betrieb noch nicht BHV1-frei sei, kein Verschulden[12], kommt es für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage nicht an. Maßnahmen auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 und 3 TierGesG sind solche der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Satz 1 TierGesG) und damit verschuldensunabhängig.
25Die in Nr. 1 Sätze 2 und 3 der Ordnungsverfügung vom Antragsgegner getroffenen näheren Anweisungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 BHV1-VO).
26(c) Die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung ist im Grundsatz eine gebundene („hat… zu entfernen“ bzw. „sind… zu entfernen“). Es kann offen bleiben, ob die die Anwendung von Ermessen eröffnenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO (regelmäßige Impfung) vorliegen, denn jedenfalls hat der Antragsgegner unter Heranziehung der Maßstäbe des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstandende Ermessenserwägungen angestellt. Aus diesem Grunde kann offen bleiben, ob § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach der seit dem 27. Mai 2015 wirksamen Änderung des § 2 Abs. 2a BHV1-VO insoweit wirksam ist, als er weitergehende Anforderungen an die Eröffnung von Ermessen stellt (vgl. § 38 Abs. 9 TierGesG). Der Antragsgegner ist von einer Ermessensentscheidung (vgl. ab S. 3 der Ordnungsverfügung) ausgegangen, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind nicht überschritten, und von dem Ermessen ist in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden.
27§ 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW sieht vor, dass die Behörde in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW zulassen kann, wenn 1. Gründe der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen, 2. auf Grund der Zahl der Reagenten in einem Rinderbestand deren Entfernung eine unbillige Härte für die Tierhalterin oder den Tierhalter bedeutet und 3. die Tierhalterin oder der Tierhalter ein tierärztliches Sanierungskonzept vorlegt, durch das der Rinderbestand in weniger als drei Jahren BHV1-frei werden kann, und sie oder er sich zur Durchführung des Sanierungskonzeptes verpflichtet. Keiner dieser eine Ermessensbetätigung tragenden Gründe liegt vor; erst recht besteht nicht offensichtlich ein Anspruch des Antragstellers auf die von ihm sinngemäß beantragte Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW.
28(aa) Gründe der Seuchenbekämpfung stehen in Anbetracht der hohen Durchseuchungsrate des Kuhbestandes des Antragstellers einer Ausnahme entgegen; auf die zutreffende Begründung auf Bl. 3 ff. der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016[13], welcher der Antragsteller nichts Substantiiertes entgegengesetzt hat, wird verwiesen.
29(bb) Eine unbillige Härte liegt weder in sachlicher noch in persönlicher Hinsicht vor.
30Unbilligkeit aus sachlichen Gründen liegt vor, wenn die behördliche Befugnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, ihre Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, rechtfertigen dagegen nicht die Annahme der Unbilligkeit.
31Zum Begriff der Unbilligkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. November 2009 – 9 A 1517/07 –, juris, Rn. 57.
32Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte; die Ordnungsverfügung läuft den Wertungen des Gesetzes (effektive Bekämpfung der Tierseuchengefahr) ersichtlich nicht zuwider.
33Der Vollzug der Ordnungsverfügung führt auch nicht zu einer persönlichen Unbilligkeit. Zunächst hat der Antragsteller schon nichts Substantiiertes dafür vorgetragen, welcher konkrete Schaden ihm bei einer sofortigen Entfernung der Reagenten aus dem Bestand droht. Die Bezifferung eines Verlustes in „sechsstelliger Größenordnung“[14] ist nicht näher dargelegt und überdies deswegen nicht weiter aussagekräftig, weil der Antragsteller hierbei den Fall der Tötung der Tiere zugrundelegt. Eine solche Maßnahme wird dem Antragsteller durch die Ordnungsverfügung jedoch nicht (zwingend) auferlegt; er kann den Tierbestand auch veräußern.
34Zudem hat der Antragsgegner substantiiert darauf hingewiesen (Bl. 4 der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016), dass die Reagenten zwar nicht zum besten Preis verkauft werden können, mit ihnen aber gleichwohl ein bestimmter, wenn auch geringerer Preis als bei einem nicht infizierten Tier erzielt werden kann; zudem haftet dieser wirtschaftliche Nachteil den Tieren bereits ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO und nicht erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung an.
35Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller gegebenenfalls nicht in den Genuss von Leistungen aus der Tierseuchenkasse kommen wird. Sollten die Voraussetzungen für die Gewährung solcher Leistungen nicht vorliegen (vgl. Bescheid der Landwirtschaftskammer NRW vom 28. September 2015 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015[15]), würde dies auf Umständen beruhen, die der Antragsteller zu vertreten hat; der Antragsteller wurde vom Antragsgegner mit Schreiben vom 13. August 2015[16] umfassend auf die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Beihilfe hingewiesen. Sollte der Antragsteller im hiergegen gerichteten anhängigen gerichtlichen Verfahren - 5 K 132/16 - obsiegen, besteht erst Recht keine unbillige Härte.
36(cc) Der Antragsteller hat kein tierärztliches Sanierungskonzept vorgelegt. Das von ihm vorgelegte Sanierungskonzept vom 13. November 2015[17] stammt nicht von einem Tierarzt, sondern nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers[18] vom Ernährungsberater für Milchvieh der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Herrn C. , und dem Experten für Rindergesundheit, Herrn E. . I. . Zudem bestehen erhebliche Bedenken an der Eignung des Konzepts mit Blick auf das verfolgte Ziel, den Betrieb bis spätestens Mitte 2017 BHV1-frei zu bekommen; auf die Ausführungen im Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2015 wird verwiesen[19]. Diesen hat der Antragsteller bei summarischer Prüfung nichts Durchgreifendes entgegengesetzt. Auf den vom Antragsteller gegebenen zutreffenden Hinweis, das Sanierungskonzept bedürfe nicht der behördlichen Genehmigung[20], kommt es hiernach nicht an.
37(2) Nr. 2 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TierGesG, § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO beruhende formell rechtmäßige Anordnung, alle über neun Monate alten weiblichen und die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder des Bestandes 30 Tage nach Entfernung des letzten Reagenten blutserologisch auf BHV1 untersuchen zu lassen, ist materiell rechtmäßig.
38(a) Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nach § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter, soweit sein Bestand nicht bereits ein BHV1-freier Rinderbestand im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO ist, alle über neun Monate alten Zucht- und Nutzrinder oder, sofern der Bestand zu mindestens 30 vom Hundert aus Kühen besteht, alle über neun Monate alten weiblichen Rinder sowie die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder im Abstand von längstens zwölf Monaten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde in einer von ihr bestimmten Untersuchungseinrichtung, 1. sofern die Rinder des Bestandes nicht gegen eine BHV1-Infektion geimpft worden sind, blut- oder milchserologisch auf Antikörper gegen das Virus der BHV1-Infektion, 2. sofern die Rinder des Bestandes mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 BVHV1-VO geimpft worden sind, blutserologisch auf Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion untersuchen zu lassen.
39Der Rinderbestand des Antragstellers ist nicht bereits BHV1-frei im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO, da die Voraussetzungen der Anlage 1 nicht erfüllt sind und Nordrhein-Westfalen nicht nach einer Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft als BHV1-frei gilt. Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 des § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO liegen vor; die Impfung von Rindern gegen eine BHV1-Infektion ist ab dem 1. Juli 2015 verboten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO NRW).
40(b) Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
41(3) Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TierGesG beruhende formell rechtmäßige Anordnung, das Betreten der Geschäftsräume und der Wirtschaftsgebäude durch amtliche Bedienstete während der Geschäfts- und Betriebszeit zu dulden, ist materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor, da das Betreten im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG erforderlich ist. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.
42bb) Es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse. Das Interesse des Antragsgegners und der Öffentlichkeit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung im Rinderbestand setzt sich gegenüber dem allein wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers am Erzielen höherer Verkaufspreise durch. Insbesondere ist weder etwas dafür glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller im Fall der Vollziehung der Ordnungsverfügung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht würde.
432. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners nicht. Die Androhung des Zwangsgeldes in Nrn. 4 und 5 der Ordnungsverfügung (a) und die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig (b).
44a) Die gemäß §§ 56 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW formell rechtmäßige Androhung von Zwangsgeld in Nrn. 4 und 5 der dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 5. Januar 2016 zugestellten[21] Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 1 und 2 der Ordnungsverfügung sind auf die Vornahme von Handlungen gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Die Androhung bezieht sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel (§ 63 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW) und ist hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung verhältnismäßig (§ 58 Abs. 1 und 2 VwVG NRW) und die Fristsetzung von über sechs Wochen angemessen (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
45b) Die formell rechtmäßige Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 Abs. 1, 69, 66 ff. VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist auf eine Duldung gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Andere Zwangsmittel zur effektiven Durchsetzung der Duldungsverfügung kommen nicht in Betracht bzw. versprechen keinen Erfolg oder sind unzweckmäßig (§ 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung unmittelbaren Zwangs verhältnismäßig (§ 58 VwVG NRW); andere Zwangsmittel führen nicht zum Ziel oder sind untunlich (§ 58 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei wird das überschlägig ermittelte wirtschaftliche Interesse des Antragstellers berücksichtigt, vorläufig von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben. Die Kammer setzt unter Heranziehung von Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 das (höchste) in der Ordnungsverfügung angedrohte Zwangsgeld als minimalen Betrag an (225 x 300,00 Euro). Der Antragsteller hält aktuell 225 BHV1-Reagenten, im Fall der Nichtbeachtung der Ordnungsverfügung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 Euro je Tier angedroht. Die weiteren verfügten Maßnahmen können bei wirtschaftlicher Betrachtung vernachlässigt werden. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung ist dieser Betrag zu halbieren (Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs).
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zur Erfüllung der Zwecke des § 1 Satz 1 erforderlich ist, Vorschriften zu erlassen
- 1.
über den Umgang mit Tierseuchenerregern, insbesondere deren Inverkehrbringen, Anwendung, Vermehrung, Lagerung, Beförderung, Versendung, Beseitigung, Verbrauch oder sonstige Verwendung oder Handhabung und dabei insbesondere vorzuschreiben, dass amtliche Untersuchungen in staatlichen Einrichtungen durchgeführt werden müssen, - 2.
über - a)
den Betrieb oder die sonstige Einrichtung, in dem oder in der mit Tierseuchenerregern umgegangen wird, - b)
die Nutzung oder Ausstattung von Räumlichkeiten oder sonstigen Örtlichkeiten, einschließlich fischereilich nutzbarer Gewässer, in denen mit Tierseuchenerregern umgegangen wird,
- 3.
über - a)
den Umgang mit Erzeugnissen, insbesondere deren Inverkehrbringen, Lagerung, Behandlung, Beförderung, Verarbeitung, Verwendung, Verwertung oder Beseitigung, - b)
die Bekämpfung von Schadnagern oder sonstigen Schadorganismen, die Entwesung sowie die Reinigung oder Desinfektion von Betrieben, Einrichtungen oder Gegenständen, - c)
die Verwendung von Fahrzeugen oder Behältern, in oder an denen Tierseuchenerreger vorkommen oder vorkommen können, einschließlich der Beseitigung der Behälter,
- 4.
über die Durchführung von Veranstaltungen, anlässlich derer Tiere zusammenkommen, - 5.
über - a)
die Lage und Abgrenzung eines Betriebes, die Beschaffenheit und Einrichtung von Umkleideräumen für Personen, der Ställe, Wege und Plätze, der Anlagen zur Lagerung oder Beseitigung von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft, Futterzubereitung sowie über Einrichtungen zur Aufbewahrung toter Tiere, - b)
die Aufteilung eines Betriebes in Betriebsabteilungen, den Betriebsablauf, die Größe und Abgrenzung der Betriebsabteilungen sowie deren Entfernung von anderen Abteilungen, - c)
Angaben und Unterlagen zur geographischen Lage eines Betriebes und von Betriebsteilen, - d)
das Tragen von Schutzkleidung innerhalb des Betriebes, die Reinigung und Desinfektion von Personen, Einrichtungen nach Buchstabe a, im Betrieb benutzten Gegenständen und von Fahrzeugen, - e)
das Führen von Kontrollbüchern, insbesondere über die Zahl der täglichen Todesfälle und über Zugang, Abgang, Impfungen und Behandlungen von Tieren, sowie über die Aufbewahrung der Bücher,
- 6.
über betriebliche oder sonstige Verfahren, anlässlich derer oder bei Durchführung derer Tierseuchenerreger vorkommen oder vorkommen können, - 7.
über die Sachkunde von Personen, soweit sie mit - a)
lebenden oder toten Tieren, Teilen von Tieren oder Erzeugnissen oder - b)
Fahrzeugen oder Behältern, die Träger von Tierseuchenerregern sind oder sein können,
- 8.
über die Pflichten von Personen, soweit sie mit Gegenständen nach Nummer 7 in Berührung kommen oder kommen können, insbesondere - a)
das Führen, Aufbewahren und die Vorlage von Aufzeichnungen, Nachweisen, Registern oder Kontrollbüchern, - b)
die Beibringung von Ursprungs- oder Gesundheitszeugnissen, - c)
die Erteilung von Auskünften sowie die Duldung von oder die Mitwirkung bei Maßnahmen nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes erlassener Rechtsverordnungen oder auf Grund unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes,
- 9.
über die Kennzeichnung, einschließlich der Kennzeichnungsmittel, von - a)
Tieren oder Teilen von Tieren, - b)
Erzeugnissen oder - c)
Fahrzeugen, Behältern oder sonstigen Gegenständen,
- 10.
über - a)
Untersuchungen, diagnostische Maßnahmen, Probenahmen oder sonstige Maßnahmen der zuständigen Behörde, einschließlich der erforderlichen Hilfeleistungen, zur Feststellung des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins bestimmter Tierseuchenerreger, - b)
therapeutische Maßnahmen, Heilbehandlungen sowie Impfungen gegen Tierseuchen, einschließlich der erforderlichen Hilfeleistungen, - c)
die Bestimmung der Einrichtung, die Untersuchungen oder diagnostische Maßnahmen nach Buchstabe a durchführt, und dabei insbesondere vorzuschreiben, dass amtliche Untersuchungen in staatlichen Einrichtungen durchgeführt werden müssen,
- 11.
über - a)
die Haltung von Tieren, einschließlich bestimmter Haltungsbedingungen, der Haltung in bestimmten Räumlichkeiten oder an bestimmten Örtlichkeiten, - b)
die Verwendung oder Nutzung von Tieren zu bestimmten Zwecken, - c)
die Aufnahme oder Abgabe von Tieren, insbesondere deren Inverkehrbringen und Handel, - d)
Maßnahmen gegen das Abschwimmen oder Abtreiben lebender oder toter Fische aus fischereilich genutzten Gewässern oder aus Anlagen oder Einrichtungen zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen oder gegen das Ablaufen von Wasser aus solchen Gewässern, Anlagen oder Einrichtungen sowie Maßnahmen im Hinblick auf das Wasser beim Transport von Fischen,
- 12.
über Verbote und Beschränkungen des Verbringens von Tieren, - 13.
über das Verbringen, die Lagerung, Abgabe, Verwertung oder unschädliche Beseitigung toter Tiere oder Teilen von Tieren und Erzeugnissen, - 14.
über die Herstellung, Verarbeitung oder Bearbeitung von Erzeugnissen, - 15.
über die Absonderung, Bewachung oder behördliche Beobachtung von Tieren in bestimmten Fällen, - 16.
über die Beschränkung der Nutzung und das Verbot des Haltens empfänglicher und anderer als empfänglicher Tiere im Betrieb, - 17.
über - a)
den Personen- oder Fahrzeugverkehr innerhalb bestimmter Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebiete, in oder an denen sich an der Tierseuche erkrankte, verdächtige oder für die Tierseuche empfängliche Tiere aufhalten, - b)
die Beschäftigung bestimmter Personen in einem Tierbestand,
- 18.
über die Sperre - a)
von Gebieten, Betrieben, Anlagen oder sonstigen Einrichtungen, Räumlichkeiten oder Örtlichkeiten, in oder an denen sich seuchenkranke, verdächtige oder empfängliche Tiere aufhalten oder aufgehalten haben, - b)
von Gebieten in einem bestimmten Umkreis um von nach Buchstabe a gesperrten Regelungsgegenständen zur Verhinderung einer möglichen Verschleppung des Tierseuchenerregers, - c)
eines bestimmten Gebietes, in dem zur Verhinderung der Verschleppung eines bestimmten Tierseuchenerregers Untersuchungen angeordnet oder Verbringungen beschränkt werden können, ohne dass für dieses Gebiet die Voraussetzungen für eine Sperre nach Buchstabe a oder b vorliegen,
- 18a.
über Maßnahmen zur Absperrung, insbesondere die Umzäunung, von Räumlichkeiten, Örtlichkeiten oder Gebieten, in oder an denen sich an der Tierseuche erkrankte oder verdächtige Tiere aufhalten, - 19.
über das Abfischen von Fischen und das Einbringen von Neubesatz in Gewässer oder in Anlagen oder Einrichtungen zur Zucht, Haltung oder Hälterung von Fischen, - 20.
über das Töten - a)
seuchenkranker oder verdächtiger Tiere, - b)
empfänglicher Tiere, soweit dies erforderlich ist, um eine Verschleppung von Tierseuchenerregern zu verhindern, Infektionsherde zu beseitigen oder eine wegen einer Tierseuche verfügten Sperre nach Nummer 18 aufzuheben, - c)
nicht empfänglicher Tiere, die Tierseuchenerreger verbreiten können, soweit dies erforderlich ist, um eine Verschleppung von Tierseuchenerregern zu verhindern oder Infektionsherde zu beseitigen, oder - d)
von Tieren, die Verbringungsbeschränkungen oder Nutzungsbeschränkungen oder der Absonderung unterworfen sind und in verbotswidriger Nutzung oder außerhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit angetroffen werden,
- 21.
über eine Genehmigungs- oder Anzeigepflicht für Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Nummern 1, 2, Nummer 3 Buchstabe a und c, den Nummern 4, 6 und den Nummern 10 bis 14, 17 und 18, jeweils einschließlich des Verfahrens der Rücknahme, des Widerrufs oder des Ruhens der Genehmigung und der Untersagung anzeigepflichtiger Tätigkeiten oder Maßnahmen, - 22.
über die Zulassungs- oder Registrierungspflicht von Betrieben oder sonstigen Einrichtungen, in denen mit Tierseuchenerregern umgegangen wird, einschließlich des Verfahrens der Rücknahme, des Widerrufs oder des Ruhens der Zulassung oder Registrierung, - 23.
über das Verbot oder die Beschränkung von Tätigkeiten oder Maßnahmen nach den Nummern 1, 2, 3 Buchstabe a und c und den Nummern 4, 6, 10, 11, 13, 14, 17, 18, 28a und 28c, - 24.
über die Nutzung der im Rahmen der Schlachtung eines Tieres erhobenen Untersuchungsergebnisse, - 25.
über die Durchführung hygienischer Maßnahmen, einschließlich baulicher Maßnahmen, - 26.
über die Durchführung betrieblicher Eigenkontrollen, - 27.
über die tierärztliche Betreuung Haustiere oder Fische haltender Betriebe, - 28.
über die verstärkte Bejagung oder Verbote oder Beschränkungen der Jagd, - 28a.
über die Suche nach verendeten wildlebenden Tieren an Örtlichkeiten oder in Gebieten, an oder in denen sich seuchenkranke, verdächtige oder empfängliche Tiere aufhalten oder aufgehalten haben, einschließlich ihrer Duldung, - 28b.
über das Verbot oder die Beschränkung der Nutzung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Flächen an Örtlichkeiten oder in Gebieten, an oder in denen sich seuchenkranke oder verdächtige Tiere aufhalten, - 28c.
über das Anlegen von Jagdschneisen, - 29.
über die öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs und des Erlöschens einer Tierseuche.
(2) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 bis 18, 20 bis 28a und 28c können auch zum Zwecke des § 1 Satz 2 erlassen werden.
(3) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 17, 21 und 23, auch in Verbindung mit Absatz 2, eingeschränkt.
(4) Tierhalter, deren Tiere der Absonderung oder behördlichen Beobachtung unterworfen sind, sind verpflichtet, solche Vorkehrungen zu treffen, dass die Tiere für die Dauer der Absonderung oder Beobachtung die ihnen bestimmte Räumlichkeit nicht verlassen können und keine Berührung mit anderen für die Tierseuche empfänglichen Tieren haben. Die Körper abgesonderter, bewachter oder beobachteter Tiere dürfen ohne Genehmigung der zuständigen Behörde nicht geöffnet, verbracht oder beseitigt werden.
(5) Die zuständige Behörde kann den Betreiber einer Schlachtstätte zur Durchführung einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 20, auch in Verbindung mit Absatz 2, angeordneten Tötung verpflichten. Dieser kann für den ihm hierdurch entstehenden Aufwand Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Die Länder bestimmen, wer die Kosten des Ersatzes nach Satz 2 trägt. Die zuständige Behörde kann ferner ein Transportunternehmen verpflichten, zum Zwecke einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 20, auch in Verbindung mit Absatz 2, angeordneten Tötung, Transporte zu einer Schlachtstätte durchzuführen. Die Sätze 2 und 3 gelten für den einem Transportunternehmer hierdurch entstehenden Aufwand entsprechend.
(6) In einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28 kann der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet werden
- 1.
zur Durchführung bestimmter Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Art und des Umfangs einer verstärkten Bejagung, - 2.
zur Darlegung oder zum Nachweis beabsichtigter und ergriffener Maßnahmen zur verstärkten Bejagung
(7) Der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, das von Maßnahmen zur Absperrung auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 18a betroffen ist, kann für den ihm hierdurch jeweils entstehenden Aufwand oder Schaden Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(8) Der Eigentümer oder Besitzer eines landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücks,
- 1.
dessen Nutzung auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28b verboten oder beschränkt worden ist, - 2.
der auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28c, auch in Verbindung mit Absatz 2, zum Anlegen von Jagdschneisen verpflichtet worden ist,
(9) Der Jagdausübungsberechtigte, dem auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nummer 28 oder 28a oder auf Grund entsprechend angeordneter Maßnahmen ein erhöhter Aufwand entsteht oder dessen Jagdausübung verboten oder beschränkt wird, kann für den ihm hierdurch entstehenden Aufwand oder Schaden angemessenen Ersatz nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über die Inanspruchnahme als Nichtstörer verlangen. Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(1) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz kann das Bundesministerium auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen.
(2) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, können bei Gefahr im Verzuge oder, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union erforderlich ist, ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.
(3) Bei Gefahr im Verzuge und soweit dies nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zulässig ist, kann das Bundesministerium durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu den in § 1 Satz 1 genannten Zwecken die Anwendung eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union aussetzen oder beschränken.
(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 2 oder 3 treten spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.
(5) Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die ausschließlich der Umsetzung verbindlicher technischer Vorschriften aus Richtlinien oder Entscheidungen der Organe der Europäischen Union dienen, können ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.
(6) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union in diesem Gesetz oder in auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen dieser Vorschriften erforderlich ist.
(7) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, soweit sie durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes unanwendbar geworden sind.
(8) In den Rechtsverordnungen auf Grund dieses Gesetzes kann die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Behörden zu übertragen.
(9) Die Landesregierungen können Rechtsverordnungen nach § 6 Absatz 1 und 2, den §§ 9, 10 Absatz 2 und § 26 Absatz 1 bis 3 erlassen, soweit das Bundesministerium von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht; sie können ihre Befugnis durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.
(10) Bei Gefahr im Verzuge können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung im Rahmen der Ermächtigungen des § 6 Absatz 1, der §§ 9 und 26 Absatz 1 bis 3 Vorschriften erlassen, die über die nach diesen Bestimmungen vom Bundesministerium erlassenen Vorschriften hinausgehen, soweit ein sofortiges Eingreifen zum Schutz der Tierbestände vor Tierseuchen erforderlich ist; die Rechtsverordnung ist nach Beendigung der Gefahr aufzuheben. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen.
(11) Die zuständige Behörde kann zur Vorbeugung vor Tierseuchen und deren Bekämpfung eine Verfügung nach Maßgabe der §§ 6, 9, 10 und 26 Absatz 1 bis 3 erlassen, soweit durch Rechtsverordnung eine Regelung nicht getroffen worden ist oder eine durch Rechtsverordnung getroffene Regelung nicht entgegensteht.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 33.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19. Januar 2016[1] gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 5. Januar 2016[2] wiederherzustellen,
4ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
5I. Der Antrag ist - auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO) - zulässig. Bezogen auf den gemäß § 68 Abs. 1 VwGO, § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 c) JustG NRW erforderlichen Widerspruch gegen Nrn. 1, 2 und 3 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft, weil der Antragsgegner in Nr. 7 der Ordnungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Bezogen auf den Widerspruch gegen Nrn. 4, 5 und 6 ist der - zugunsten des Antragstellers gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegende - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW).
6II. Der Antrag ist unbegründet. Dies betrifft sowohl den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1.) als auch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (2.).
71. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig (a). Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (b).
8a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zuständige Antragsgegner dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
9Danach ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll zwar - neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts - vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2012 - 1 B 49/12 -, juris, Rn. 11.
11Der Antragsgegner hat auf S. 7 der Ordnungsverfügung ausführlich und auf den Einzelfall des Betriebs des Antragstellers bezogen begründet, aus welchen Gründen er die sofortige Vollziehung anordnet, und damit zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
12b) Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung sein Interesse, vorläufig vom Vollzug des angegriffenen Bescheides verschont zu bleiben, nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Würdigung der Sach- und Rechtslage überwiegt. Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2. VwGO wiederhergestellt werden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn – bei noch offener Rechtslage – das Interesse des Antragstellers daran, von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Demgegenüber kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Antragstellers regelmäßig ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und ein öffentliches Vollzugsinteresse besteht.
13Die Ordnungsverfügung erweist sich nach Maßgabe der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig (aa), und es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse (bb).
14aa) Nrn. 1, 2 und 3 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig.
15(1) Die Anordnung in Nr. 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung, alle am Standort in S. , X. und T. , gehaltenen BHV1-Reagenten unter den Maßgaben in Satz 2 bis spätestens zum 20. Februar 2016 aus dem Bestand zu entfernen, ist offensichtlich rechtmäßig.
16(a) Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG, § 2 Abs. 2a der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO) und § 6 Abs. 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-VO NRW) beruhende Verfügung ist formell rechtmäßig.
17Der Antragsgegner ist gemäß § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung u. a., §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 OBG NRW als Kreisordnungsbehörde für den Erlass der Ordnungsverfügung zuständig.
18Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015[3] vor Erlass der Ordnungsverfügung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört, da ihm Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Maßnahme - unverzügliche Entfernung der Reagenten aus seinem Betrieb - binnen angemessener Frist Stellung zu nehmen. Durch diese Anhörung wurde dem Antragsteller hinreichend deutlich gemacht, welche Maßnahmen der Antragsgegner zu treffen beabsichtigte. Insbesondere war dem Antragsteller klar, dass sich die angekündigte Maßnahme nicht nur - wie der Wortlaut der Anhörung zunächst andeutet - auf die Hofstelle in S. , X. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 7901), bezieht, sondern seinen gesamten Betrieb, zu dem auch die Hofstelle auf dem Betrieb X1. in S. , T. (Betriebsregistriernummer 05 554 044 9005), zählt, erfasst. Dies zeigt sich insbesondere an der unmittelbaren Reaktion des Antragstellers auf die Anhörung, mit welcher er den Erlass der angekündigten Maßnahme abzuwenden versucht hat. Er hat unter dem 13. November 2015 ein Sanierungskonzept vorgelegt, das offenbart, dass die Tierhaltung in seinem Betrieb in der Weise organisiert ist, dass die Jungtiere zunächst auf den Hof X1. verbracht werden[4]. Dies bestätigt sich auch durch die Einlassung des Antragstellers in der Antragsschrift vom 22. Januar 2016, wonach er sich als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs bezeichnet, der auf seiner Hofstelle (X. 15) und der Hofstelle X1. Rinder hält.
19Die schriftlich erlassene Verfügung ist hinreichend begründet worden (§ 39 Abs. 1 VwVfG NRW).
20(b) Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG i. V. m. § 2 Abs. 2a BHV1-VO und des § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW liegen vor.
21Nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TierGesG obliegt die Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften den zuständigen Behörden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. In diesem Rahmen überwachen sie die Einhaltung der vorstehend genannten Vorschriften sowie der auf Grund dieser Vorschriften ergangenen vollziehbaren Anordnungen. Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachtes, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Nach § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BHV1-VO NRW sind Reagenten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BHV1-VO nach dem 31. Dezember 2015 unverzüglich zu entfernen.
22Der Antragsteller ist Tierhalter. Er hält nach dem 31. Dezember 2015 in seinem Tierbestand Reagenten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO). Beide Beteiligte gehen übereinstimmend hiervon aus; die am 5. Januar 2016 eingeholte Auskunft aus dem Bestandsregister aus der HI-Tier-Datenbank[5] bestätigt 225 Fälle.
23Die dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 29. Juni 2015[6] auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW erteilte Ausnahmegenehmigung des Antragsgegners vom 7. September 2015[7] war bis zum 31. Dezember 2015 befristet. Den sinngemäßen Antrag des Antragstellers vom 13. November 2015[8] auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. Dezember 2015[9] ab. Der Widerspruch des Antragstellers vom 4. Januar 2016[10] hatte bislang keinen Erfolg. Für das ordnungsbehördliche Einschreiten ist es entgegen der Annahme des Antragstellers[11] keine tatbestandliche Voraussetzung, dass über die beantragte Ausnahmegenehmigung bestands- bzw. rechtskräftig ablehnend entschieden worden ist; gegebenenfalls mag ein offensichtlich bestehender Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung im Rahmen der Ermessensentscheidung beim Erlass einer Ordnungsverfügung zu berücksichtigen sein (hierzu unten unter II. 1. a) aa) (1) (c)).
24Auf den vom Antragsteller behaupteten Umstand, ihn treffe daran, dass sein Betrieb noch nicht BHV1-frei sei, kein Verschulden[12], kommt es für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage nicht an. Maßnahmen auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 und 3 TierGesG sind solche der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Satz 1 TierGesG) und damit verschuldensunabhängig.
25Die in Nr. 1 Sätze 2 und 3 der Ordnungsverfügung vom Antragsgegner getroffenen näheren Anweisungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 BHV1-VO).
26(c) Die vom Antragsgegner getroffene Entscheidung ist im Grundsatz eine gebundene („hat… zu entfernen“ bzw. „sind… zu entfernen“). Es kann offen bleiben, ob die die Anwendung von Ermessen eröffnenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO (regelmäßige Impfung) vorliegen, denn jedenfalls hat der Antragsgegner unter Heranziehung der Maßstäbe des § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstandende Ermessenserwägungen angestellt. Aus diesem Grunde kann offen bleiben, ob § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW nach der seit dem 27. Mai 2015 wirksamen Änderung des § 2 Abs. 2a BHV1-VO insoweit wirksam ist, als er weitergehende Anforderungen an die Eröffnung von Ermessen stellt (vgl. § 38 Abs. 9 TierGesG). Der Antragsgegner ist von einer Ermessensentscheidung (vgl. ab S. 3 der Ordnungsverfügung) ausgegangen, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind nicht überschritten, und von dem Ermessen ist in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden.
27§ 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW sieht vor, dass die Behörde in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von § 6 Abs. 1 BHV1-VO NRW zulassen kann, wenn 1. Gründe der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen, 2. auf Grund der Zahl der Reagenten in einem Rinderbestand deren Entfernung eine unbillige Härte für die Tierhalterin oder den Tierhalter bedeutet und 3. die Tierhalterin oder der Tierhalter ein tierärztliches Sanierungskonzept vorlegt, durch das der Rinderbestand in weniger als drei Jahren BHV1-frei werden kann, und sie oder er sich zur Durchführung des Sanierungskonzeptes verpflichtet. Keiner dieser eine Ermessensbetätigung tragenden Gründe liegt vor; erst recht besteht nicht offensichtlich ein Anspruch des Antragstellers auf die von ihm sinngemäß beantragte Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 2 BHV1-VO NRW.
28(aa) Gründe der Seuchenbekämpfung stehen in Anbetracht der hohen Durchseuchungsrate des Kuhbestandes des Antragstellers einer Ausnahme entgegen; auf die zutreffende Begründung auf Bl. 3 ff. der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016[13], welcher der Antragsteller nichts Substantiiertes entgegengesetzt hat, wird verwiesen.
29(bb) Eine unbillige Härte liegt weder in sachlicher noch in persönlicher Hinsicht vor.
30Unbilligkeit aus sachlichen Gründen liegt vor, wenn die behördliche Befugnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, ihre Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, rechtfertigen dagegen nicht die Annahme der Unbilligkeit.
31Zum Begriff der Unbilligkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 24. November 2009 – 9 A 1517/07 –, juris, Rn. 57.
32Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte; die Ordnungsverfügung läuft den Wertungen des Gesetzes (effektive Bekämpfung der Tierseuchengefahr) ersichtlich nicht zuwider.
33Der Vollzug der Ordnungsverfügung führt auch nicht zu einer persönlichen Unbilligkeit. Zunächst hat der Antragsteller schon nichts Substantiiertes dafür vorgetragen, welcher konkrete Schaden ihm bei einer sofortigen Entfernung der Reagenten aus dem Bestand droht. Die Bezifferung eines Verlustes in „sechsstelliger Größenordnung“[14] ist nicht näher dargelegt und überdies deswegen nicht weiter aussagekräftig, weil der Antragsteller hierbei den Fall der Tötung der Tiere zugrundelegt. Eine solche Maßnahme wird dem Antragsteller durch die Ordnungsverfügung jedoch nicht (zwingend) auferlegt; er kann den Tierbestand auch veräußern.
34Zudem hat der Antragsgegner substantiiert darauf hingewiesen (Bl. 4 der Antragserwiderung vom 4. Februar 2016), dass die Reagenten zwar nicht zum besten Preis verkauft werden können, mit ihnen aber gleichwohl ein bestimmter, wenn auch geringerer Preis als bei einem nicht infizierten Tier erzielt werden kann; zudem haftet dieser wirtschaftliche Nachteil den Tieren bereits ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO und nicht erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung an.
35Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller gegebenenfalls nicht in den Genuss von Leistungen aus der Tierseuchenkasse kommen wird. Sollten die Voraussetzungen für die Gewährung solcher Leistungen nicht vorliegen (vgl. Bescheid der Landwirtschaftskammer NRW vom 28. September 2015 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015[15]), würde dies auf Umständen beruhen, die der Antragsteller zu vertreten hat; der Antragsteller wurde vom Antragsgegner mit Schreiben vom 13. August 2015[16] umfassend auf die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Beihilfe hingewiesen. Sollte der Antragsteller im hiergegen gerichteten anhängigen gerichtlichen Verfahren - 5 K 132/16 - obsiegen, besteht erst Recht keine unbillige Härte.
36(cc) Der Antragsteller hat kein tierärztliches Sanierungskonzept vorgelegt. Das von ihm vorgelegte Sanierungskonzept vom 13. November 2015[17] stammt nicht von einem Tierarzt, sondern nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers[18] vom Ernährungsberater für Milchvieh der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Herrn C. , und dem Experten für Rindergesundheit, Herrn E. . I. . Zudem bestehen erhebliche Bedenken an der Eignung des Konzepts mit Blick auf das verfolgte Ziel, den Betrieb bis spätestens Mitte 2017 BHV1-frei zu bekommen; auf die Ausführungen im Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2015 wird verwiesen[19]. Diesen hat der Antragsteller bei summarischer Prüfung nichts Durchgreifendes entgegengesetzt. Auf den vom Antragsteller gegebenen zutreffenden Hinweis, das Sanierungskonzept bedürfe nicht der behördlichen Genehmigung[20], kommt es hiernach nicht an.
37(2) Nr. 2 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TierGesG, § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO beruhende formell rechtmäßige Anordnung, alle über neun Monate alten weiblichen und die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder des Bestandes 30 Tage nach Entfernung des letzten Reagenten blutserologisch auf BHV1 untersuchen zu lassen, ist materiell rechtmäßig.
38(a) Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nach § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO hat der Tierhalter, soweit sein Bestand nicht bereits ein BHV1-freier Rinderbestand im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO ist, alle über neun Monate alten Zucht- und Nutzrinder oder, sofern der Bestand zu mindestens 30 vom Hundert aus Kühen besteht, alle über neun Monate alten weiblichen Rinder sowie die zur Zucht vorgesehenen männlichen Rinder im Abstand von längstens zwölf Monaten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde in einer von ihr bestimmten Untersuchungseinrichtung, 1. sofern die Rinder des Bestandes nicht gegen eine BHV1-Infektion geimpft worden sind, blut- oder milchserologisch auf Antikörper gegen das Virus der BHV1-Infektion, 2. sofern die Rinder des Bestandes mit Impfstoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 BVHV1-VO geimpft worden sind, blutserologisch auf Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion untersuchen zu lassen.
39Der Rinderbestand des Antragstellers ist nicht bereits BHV1-frei im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BHV1-VO, da die Voraussetzungen der Anlage 1 nicht erfüllt sind und Nordrhein-Westfalen nicht nach einer Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft als BHV1-frei gilt. Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 des § 2a Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO liegen vor; die Impfung von Rindern gegen eine BHV1-Infektion ist ab dem 1. Juli 2015 verboten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BHV1-VO NRW).
40(b) Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
41(3) Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig. Die auf § 24 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TierGesG beruhende formell rechtmäßige Anordnung, das Betreten der Geschäftsräume und der Wirtschaftsgebäude durch amtliche Bedienstete während der Geschäfts- und Betriebszeit zu dulden, ist materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor, da das Betreten im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 TierGesG erforderlich ist. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.
42bb) Es besteht ein öffentliches Vollzugsinteresse. Das Interesse des Antragsgegners und der Öffentlichkeit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung im Rinderbestand setzt sich gegenüber dem allein wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers am Erzielen höherer Verkaufspreise durch. Insbesondere ist weder etwas dafür glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller im Fall der Vollziehung der Ordnungsverfügung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht würde.
432. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners nicht. Die Androhung des Zwangsgeldes in Nrn. 4 und 5 der Ordnungsverfügung (a) und die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung sind offensichtlich rechtmäßig (b).
44a) Die gemäß §§ 56 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW, § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW formell rechtmäßige Androhung von Zwangsgeld in Nrn. 4 und 5 der dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 5. Januar 2016 zugestellten[21] Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 1 und 2 der Ordnungsverfügung sind auf die Vornahme von Handlungen gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Die Androhung bezieht sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel (§ 63 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW) und ist hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung verhältnismäßig (§ 58 Abs. 1 und 2 VwVG NRW) und die Fristsetzung von über sechs Wochen angemessen (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
45b) Die formell rechtmäßige Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 6 der Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 Abs. 1, 69, 66 ff. VwVG NRW. Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Nr. 3 der Ordnungsverfügung ist auf eine Duldung gerichtet; hiergegen gerichtete Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung (§ 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Andere Zwangsmittel zur effektiven Durchsetzung der Duldungsverfügung kommen nicht in Betracht bzw. versprechen keinen Erfolg oder sind unzweckmäßig (§ 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW). Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere ist die Androhung unmittelbaren Zwangs verhältnismäßig (§ 58 VwVG NRW); andere Zwangsmittel führen nicht zum Ziel oder sind untunlich (§ 58 Abs. 3 Satz 1 VwVG NRW). Das Vollzugsinteresse überwiegt aus den oben unter II. 1. b) bb) bereits bezeichneten Gründen das Suspensivinteresse des Antragstellers.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei wird das überschlägig ermittelte wirtschaftliche Interesse des Antragstellers berücksichtigt, vorläufig von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben. Die Kammer setzt unter Heranziehung von Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 das (höchste) in der Ordnungsverfügung angedrohte Zwangsgeld als minimalen Betrag an (225 x 300,00 Euro). Der Antragsteller hält aktuell 225 BHV1-Reagenten, im Fall der Nichtbeachtung der Ordnungsverfügung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 Euro je Tier angedroht. Die weiteren verfügten Maßnahmen können bei wirtschaftlicher Betrachtung vernachlässigt werden. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung ist dieser Betrag zu halbieren (Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs).
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Januar 2016 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. Januar 2016 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 3 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
61.) Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Denn der in der vorliegenden Konstellation nach § 110 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 c JustG NRW erforderliche Widerspruch des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung hat bezüglich Ziffer 1 wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und bezüglich Ziffer 3 kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
72.) Der Antrag ist aber unbegründet.
8a) Hinsichtlich der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
9Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Jedenfalls mit der Erwägung, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für empfängliche Tiere in engerer und weiterer Umgebung darstelle und daher sicherzustellen sei, dass auch während eines eventuellen Rechtsbehelfsverfahrens notwendige Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung durchgeführt werden können, hat der Antragsgegner ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 seiner Ordnungsverfügung dargelegt und erkennen lassen, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Ob die Erwägungen zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutreffend waren, ist unerheblich, weil das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine in Würdigung aller einschlägigen Gesichtspunkte vorzunehmende eigene Entscheidung über die Rechtfertigung des Sofortvollzugs trifft. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Begründung der Vollziehungsanordnung mit der Begründung der Ordnungsverfügung übereinstimme. Zwar trifft im Grundsatz zu, dass die Vollziehungsanordnung ein besonderes Vollzugsinteresse erfordert, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt rechtfertigt.
10Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92.
11Allerdings können im konkreten Fall Erlassinteresse und Vollziehungsinteresse auch zusammenfallen. So ist u.a. für den Bereich des Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Tierseuchenrecht zu zählen ist, anerkannt, dass die den Erlass des Verwaltungsakts tragenden Gesichtspunkte zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können.
12Vgl. VGH BW, Beschluss vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn. 92; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 209 (Stand: Oktober 2015), jeweils m.w.N.
13Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus.
14Die durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallene aufschiebende Wirkung der Klage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann oder wenn - bei noch offener Rechtslage - das Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt; dabei kann ein berücksichtigungsfähiges Interesse des Betroffenen regelmäßig dann ausgeschlossen werden, wenn die angegriffene Maßnahme offensichtlich rechtmäßig ist und überdies ein besonderes Vollzugsinteresse besteht.
15Davon ausgehend stellt sich bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die streitgegenständliche Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 insgesamt als offensichtlich rechtmäßig dar.
16Sie findet materiellrechtlich ihre Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 2a Satz 1 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1-Verordnung) vom 19. Mai 2015 (nachfolgend: BHV1-VO). Danach hat der Tierhalter Reagenten nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde unverzüglich aus dem Bestand zu entfernen. Dass in der Begründung der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 unter der Überschrift „Ermächtigungsgrundlagen“ § 2 Abs. 2a BHV1-VO nicht aufgeführt ist, ist ohne Belang. Zutreffend weist der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 12. Februar 2016 darauf hin, dass die Norm auf Seite 2 der Ordnungsverfügung genannt und die in Rede stehende Anordnung hierauf auch gestützt worden ist. Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass der Einwand des Antragstellers, die Verfügung könne wegen der entgegenstehenden BHV1-Verordnung nicht auf § 24 Abs. 3 TierGesG gestützt werden, ins Leere geht.
17Reagent ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BHV1-VO ein Rind, bei dem durch serologische Untersuchungsverfahren Antikörper gegen das gE-Glykoprotein des Virus der BHV1-Infektion nachgewiesen sind. Das ist hier bei den in Rede stehenden 80 Rindern zu bejahen. Aufgrund von Blutuntersuchungen wurden ausweislich der Befundberichte des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes S. -S1. -X. vom 14. und 18. Januar 2016 (Bl. 78 ff. der Beiakte I) diese 80 Rinder positiv getestet.
18Angesichts dessen hat der Antragsgegner, der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TierGesG i.V.m. § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen vom 27. Februar 1996 in der Fassung vom 13. Mai 2014 zuständige Behörde ist, dem Antragsgegner aufgegeben, die infizierten Rinder aus dem Bestand zu entfernen.
19Diese Anordnung ist auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Das in einem Verwaltungsakt enthaltene Ge- oder Verbot muss im Zusammenhang mit der Begründung und den sonstigen bekannten Umständen für den Adressaten des Verwaltungsakts so klar erkennbar sein, dass er sein Verhalten unschwer hiernach ausrichten kann.
20Vgl. zu diesem Kriterium jüngst VG Münster, Urteil vom 12.11.2015 - 5 K 953/14 -, juris Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 ff. m.w.N.
21Das ist hier der Fall. Zwar merkt der Antragsteller zutreffend an, dass in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht gesagt wird, was mit den infizierten Rindern tatsächlich geschehen soll. Allerdings liegt es zum einen auf der Hand und bedarf keiner Begründung, dass die Entfernung aus dem Bestand durch Schlachtung bewerkstelligt werden kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung zumindest eine der mehrfachen Betriebskontrollen – nämlich am 20. Januar 2016 – durchgeführt worden ist, bei der nach den diesbezüglichen Unterlagen des Antragsgegners (Vermerk vom 27. Januar 2016 mit Protokollen der Durchführung von Betriebskontrollen Bl. 6 ff. der Beiakte I) auch der Antragsteller und sein Hoftierarzt zugegen waren. In diesem Rahmen ist auch die Variante besprochen worden, dass die Tiere in bestimmte Länder exportiert werden können. Dass dem Antragsteller zumindest vor diesem Hintergrund die bestehenden Optionen klar sind, folgert die Kammer auch daraus, dass er damit argumentiert, es gebe gegenüber der unverzüglichen Bestandsentfernung mildere Mittel. Diesen Standpunkt könnte der Antragsteller aber gar nicht einnehmen, wenn er nicht wüsste, was sie beinhaltet. Demgemäß kann es auch nicht verwundern, dass er seinen Widerspruch vom 27. Januar 2016 bzw. seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom selben Tage sowie vom 02. Februar 2016 gerade nicht damit begründet hat, die Verfügung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
22Die Maßnahme ist auch frei von Ermessensfehlern. Dass der Behörde Ermessen eingeräumt ist, ergibt sich nicht zweifelsfrei aus § 2 Abs. 2a Satz 1 BHV1-VO, der vorrangig die Verpflichtung des Tierhalters zur Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand formuliert und die Ermächtigung zum Eingreifen lediglich in der Formulierung „nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde“ beinhaltet. Allerdings folgt aus der Zusammenschau mit § 2 Abs. 2a Satz 2 BHV1-VO, dass ihr ein Entscheidungsspielraum zusteht. In diesem Rahmen steht die Maßnahme insbesondere in Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist auf den legitimen Zweck ausgerichtet, die Verbreitung des BHV1-Virus zu verhindern. Dass gerade dieser Zweck nicht verfolgt wird, lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht feststellen. Dass die Gefahr einer Infektion durch die Entfernung infizierter Rinder aus dem Bestand für diesen selbst, aber auch für andere Bestände -
23vgl. zu dieser Erwägung Thür. OLG, Beschluss vom 31.05.2010 - 1 Ss Rs 31/10 -, juris Rn. 25 -
24verringert wird, ist offenkundig.
25Die Anordnung erweist sich auch als erforderlich. Entgegen der Ansicht des Antragstellers zielt das Vorgehen des Antragsgegners nicht allein auf die Anerkennung Nordrhein-Westfalens als BHV1-frei gemäß Art. 10 der Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen.
26Vgl. jedoch zur Berücksichtigung hoher wirtschaftlicher Schäden VG Aachen, Beschluss vom 26.03.2009 - 7 L 117/09 - n.v.
27Der Antragsgegner hat vielmehr nachvollziehbar auch darauf abgestellt, dass die BHV1-Infektion eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für andere Tiere darstellt und zur Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis (IBR) führen kann, bei der es sich um eine überwiegend akut verlaufende, hochansteckende Allgemeinerkrankung handelt. Sie beginnt mit Fieber, Nasenausfluss, Rötung der Schleimhäute von Flotzmaul und Nase sowie Speicheln. Später können Atemnot, Nasen- und Augenausfluss hinzutreten.
28Vgl. zur Erkrankung ausführlich die Informationen des Friedrich-Löffler-Instituts unter www.fli.de/de/publikationen/informationen-zu-tierseu-chen-und-tierkrankheiten/#c10050; ferner zudem www.rinderskript. net/skripten/b4-5.html (Zugriff jeweils am 22. Februar 2016).
29Ein milderes, ebenso effektives Mittel ist nicht ersichtlich. Das Sperren des Hofes allein kommt schon deshalb nicht in Frage, weil dadurch die Gefahr der Infektion der bislang negativ getesteten Rinder des Bestandes des Antragstellers unvermindert fortbestehen würde.
30Der Verweis des Antragstellers auf § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO überzeugt nicht. Danach kann die zuständige Behörde für Bestände, in denen alle Rinder ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben werden, Ausnahmen von Satz 1 – für den Tierhalter obligatorische Untersuchung des Bestandes in bestimmten zeitlichen Abständen – zulassen, wenn unter Berücksichtigung des seuchenhygienischen Risikos des Bestandes und der Seuchensituation ihres Zuständigkeitsgebietes Belange der Seuchenbekämpfung nicht entgegenstehen und die Rinder des Bestandes regelmäßig entsprechend den Empfehlungen des Impfstoffherstellers geimpft werden. § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO greift aber weder tatbestandlich noch von der Rechtsfolge her Platz:
31Zum einen werden die Rinder des Antragstellers nicht ausschließlich in Stallhaltung gemästet und unmittelbar zur Schlachtung abgegeben. Dem Protokoll über die Durchführung einer Betriebskontrolle am 26. Januar 2016 (Bl. 8 der Beiakte I) ist zu entnehmen, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner in Aussicht gestellt hat, seinen Betrieb in einen reinen Mastbetrieb umzuwandeln. Dass dies bereits geschehen war (oder mittlerweile geschehen ist), ist weder dargetan noch ersichtlich. Angesichts dessen ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung oder danach ein reiner Mastbetrieb bestanden hat. Ferner hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Rinder nicht in einem geschlossenen Betriebssystem gehalten hat. So soll er allein im letzten Jahr acht Tiere an andere Betriebe abgegeben haben, was dieser auch nicht in Abrede stellt. Ferner macht der Antragsgegner geltend, dass sieben Tiere, die ausweislich der Gutschrift vom 18. September 2015 (Bl. 30 der Gerichtsakte) an die Viehvermarktung S2. GmbH & Co. KG verkauft wurden, nicht unmittelbar geschlachtet worden seien. Die Tiere sollen vielmehr an einen Betrieb im Kreis I. weiterverkauft worden und dort bis vor kurzem im Bestand gewesen sein. Auch dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Ferner belegt der Verkauf eines Rindes an die Viehhandlung Q. A. (Rechnungsdatum 22. Oktober 2015, Bl. 32 der Gerichtsakte), dass der Antragsteller nicht nur zur Schlachtung, sondern auch in den Handel abgegeben hat.
32Zum anderen passt die Rechtsfolge des § 2a Abs. 1 Satz 4 BHV1-VO nicht. Denn Regelungsgegenstand der Norm ist ein Dispens von der Verpflichtung, die Tiere untersuchen zu lassen. Hier geht es aber ersichtlich nicht um eine Untersuchung.
33Entgegen der Ansicht des Antragstellers greift auch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BHV1-VO nicht Platz. Diese Norm sieht für Rinder, die unmittelbar zur Schlachtung verbracht werden, eine Ausnahme von der Vorgabe in Satz 1 vor, dass Zucht- und Nutzrinder nur unter bestimmten Voraussetzungen aus einem Bestand verbracht oder in einen Bestand nur eingestellt werden dürfen.
34Schließlich ist auch weder ersichtlich noch überzeugend dargetan, dass die Anordnung nicht verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG nicht festzustellen. Die Beschränkung ist vielmehr zur Abwehr einer Tierseuche gerechtfertigt, zumal wenn in Rechnung gestellt wird, dass die betroffenen Landwirte eine Beihilfe erhalten.
35b) Die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 JustG NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbare und gemäß § 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW ordnungsgemäß zugestellte Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit den insoweit maßgeblichen Bestimmungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58, 60, 63 VwVG NRW.
36Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € ist zwar – absolut gesehen – recht hoch. Pro Tier steht allerdings ein Zwangsgeld von „lediglich“ 1.000 € in Rede. Die Formulierung der Zwangsgeldandrohung ist zwar sprachlich verunglückt. Denn zunächst scheint ein Zwangsgeld in Höhe von 80.000 € auch für den Fall angedroht zu werden, dass der Antragsteller der Anordnung nicht vollständig nachkommt, d.h. nicht alle BHV1-Reagenten aus seinem Bestand entfernt. Der mit „bzw.“ eingeleitete Zusatz verdeutlicht allerdings, dass das Zwangsgeld bei teilweiser Nichtbefolgung davon abhängt, wie viele Reagenten entgegen der Ordnungsverfügung über die gesetzte Frist hinaus im Betrieb des Antragstellers verblieben sind. Ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € pro Tier ist nicht zu hoch bemessen. Der Antragsgegner hat sich dabei in nicht zu beanstandender Weise mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, wonach bei der Bemessung des Zwangsgeldes auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen ist, an dem wirtschaftlichen Wert eines Tieres orientiert. In dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 25. Januar 2016 über den Verkehrswert seiner Herde (Blatt 14 ff. der Gerichtsakte) wird der Wert des Tieres mit 1.791,44 € deutlich höher bemessen. Demgemäß hat der Antragsgegner einen Betrag gewählt, der den Antragsteller voraussichtlich veranlassen wird, die Verpflichtung zu erfüllen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zwangsgeldandrohung nicht per se eine Geldzahlungspflicht für den Adressaten begründet, sondern ihn als Adressat einer öffentlich-rechtlich angeordneten Pflicht zur Beachtung und Einhaltung dieser Pflicht anhalten soll. Ob insoweit die Zwangsgeldandrohung in eine Zahlungsverpflichtung umschlägt, hängt allein vom selbstbestimmten Verhalten des Adressaten ab.
37Vgl. VG München, Urteil vom 11.05.2015 - M 8 K 14.50 -, juris Rn. 53.
38Auch die Frist von zwei Wochen zur Entfernung der infizierten Rinder aus dem Bestand ist aus der Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Ausgangspunkt der Fristsetzung ist eine Aussage des Geschäftsführers des G. -I1. C. e.V., Herrn Dr. E. , dass die Vermarktung der Tiere innerhalb von einer Woche unter normalen Umständen problemlos möglich sein müsste. Das G. -I1. betreut Herdbuchzüchter aus Nordrhein-Westfalen, S2. -Pfalz und dem Saarland. Der eingetragene Verein hat nach eigenen Angaben 1.450 Mitglieder und 11.000 registrierte G. von 26 Rinderrassen im I1. .
39Vgl. hierzu die Angaben auf der Homepage des Vereins www.fhb-bonn.de (Zugriff am 20. Februar 2016).
40Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die Frist nicht willkürlich gewählt worden ist.
41Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei kurzfristig zur Entfernung der infizierten Rinder wirtschaftlich und tatsächlich außer Stande, überzeugt das nicht. Es fehlt jede überzeugende Begründung dafür, warum ihm dies nicht möglich sein soll. Seine Aussage, dass trächtige Tiere nicht geschlachtet werden dürften, ist zum einen normativ nicht belegt und wird vom Antragsgegner unter Verweis auf die Vorschriften der Verordnung zum Schutz von Tieren in Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Tierschutz-Schlachtverordnung) vom 20. Dezember 2012 auch in Abrede gestellt. Zum anderen stellt dies die Möglichkeit der Vermarktung dieser Tiere nicht substantiiert in Frage.
42Da sich die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 getroffene Anordnung somit nach summarischer Prüfung ebenso wie die Zwangsmittelandrohung als offensichtlich rechtmäßig erweisen, überwiegt schon deshalb insoweit das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44II.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie berücksichtigt zum einen, dass im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der gesetzliche Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nur zur Hälfte anzusetzen ist, und zum anderen, dass die mit der Ordnungsverfügung vom 22. Januar 2016 verbundene Zwangsgeldandrohung den Streitwert nicht erhöht (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beil. 2013, 58).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.