Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 03. Juni 2015 - 15 L 1486/15.A
Gericht
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 3076/15.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23. März 2015 wird angeordnet, soweit dort unter Ziffer 2 die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Das am 21. April 2015 bei Gericht eingegangene vorläufige Rechtsschutzgesuch mit dem sinngemäß (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) gestellten Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 3076/15.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23. März 2015 anzuordnen, soweit dort unter Ziffer 2 die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet ist,
4hat Erfolg. Es ist, weil der Klage gegen den Ablehnungsbescheid des Bundesamtes nach § 75 Abs. 1 AsylVfG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt, als Anordnungsbegehren gemäß den §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Rechtsschutzantrag gegenüber der Abschiebungsanordnung, die auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG gestützt ist, innerhalb der Antragsfrist des § 34 a Abs. 2 S. 1 AsylVfG gestellt. Denn der Antragsteller hat ‑ nachdem die Zustellung des angegriffenen Bundesamtsbescheides an ihn persönlich (§ 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG) am 14. April 2015 erfolgt ist ‑ innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Wochenfrist um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
5Das danach zulässige Rechtsschutzgesuch ist auch begründet.
6Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache als Ergebnis einer Interessenabwägung, die in den Fällen des § 34 a Abs. 2 S. 1 AsylVfG nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht den Einschränkungen des § 36 Abs. 4 S. 1 AsylVfG unterliegt,
7vgl. hierzu nur mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013, 5 L 1234/13.TR, juris Rdnr. 5 ff. m. w. N.,
8die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen, soweit ihr ‑ wie hier ‑ kein Suspensiveffekt zukommt. Dabei überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung einer Verfügung, wenn entweder der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil an der sofortigen Vollziehung einer solchen Regelung kein öffentliches Interesse besteht, oder aber wenn die angegriffene Regelung bei summarischer Prüfung zwar einer Rechtskontrolle Stand hält, gleichwohl aber das Aufschubinteresse des Betroffenen dem Allgemeininteresse an ihrer sofortigen Vollziehung vorgeht. Die Interessenabwägung fällt hier zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes begegnet bei summarischer Prüfung im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtlich durchgreifenden Bedenken mit der Folge, dass ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung nicht gegeben ist.
9Die Abschiebungsanordnung ist wohl nicht rechtsfehlerfrei auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG gestützt. Soll die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) erfolgen, ordnet das Bundesamt sie nach dieser Vorschrift an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen dürften hier nicht sämtlich erfüllt sein.
10Gemäß § 26 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 S. 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG berufen; er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt (§ 26 a Abs. 1 S. 2 AsylVfG). Anwendung findet die Drittstaatenregelung dabei, wenn dem im Bundesgebiet Asyl Nachsuchende bereits zuvor in einem Staat, der zu dem Kreis der sicheren Drittsaaten zählt, der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist. Auf Asylanträge solcher Personen sind namentlich die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), nicht anzuwenden.
11Vgl. etwa Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 26. Mai 2105, 13 L 1476/15.A, n. v.; so wohl auch: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 11. Mai 2015, 14 A 926/15.A, www.nrwe.de und juris.
12Mithin ist der Antragsteller, der in Italien ‑ gemäß Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG als Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat ‑ nach der Auskunft des dortigen Innenministeriums an das Bundesamt vom 16. März 2015 internationalen Schutz erhalten hat, nicht asylberechtigt.
13Einer Abschiebung des Antragstellers nach Italien stehen auch die dortigen Lebensbedingungen für Personen, die einen Schutzstatus erhalten haben, zumindest dann rechtlich nicht entgegen, wenn sie nicht wegen ihrer persönlichen Lebensumstände individuell besonders schutzbedürftig sind.
14Die dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zu Grunde liegende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Schutzsuchenden einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend beachtet, ist nicht unwiderleglich.
15Vgl.: EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011, C 411/10 u. a., juris.
16Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn die aus Tatsachen abgeleitete Gefahr besteht, dass der Schutzsuchende mit beachtlicher, das heißt überwiegender Wahrscheinlichkeit in dem Mitgliedstaat, in dem er einen Schutzstatus erhalten hat und in den er deshalb überstellt werden soll, entgegen den Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und / oder der Art. 4, 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäische Union (EU-GR-Charta) bzw. des Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) unmenschlich oder erniedrigend behandelt werden wird.
17Vgl. auch Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 26. Mai 2015, 13 L 1476/15.A, n. v;, und vom 27. Oktober 2014, 17 L 2200/14.A, www.nrwe.de und juris.
18Gemessen daran sind Anhaltspunkte tatsächlicher Art, die eine Abschiebung des Antragstellers, der am 00.0.1991 geboren und allein stehend ist, nach Italien rechtlich ausschließen, weder dargetan noch im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) sonst ersichtlich.
19Namentlich spricht schon nichts dafür, dass Personen, denen in Italien ein Schutzstatus zuerkannt worden ist, entgegen den Vorgaben der Art. 20 ff. GFK (bzw. der Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20. Dezember 2011, S. 9 ff.) im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit (etwa Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung) im Vergleich zu Inländern diskriminiert werden. Dabei verpflichtet Art. 3 EMRK nicht dazu, Schutzberechtigten ein Recht auf Unterkunft einzuräumen oder eine finanzielle Unterstützung zu gewähren, die ihnen einen gewissen Lebensstandard erlaubt und Zugang zu bestimmten Standards der medizinischen Versorgung ermöglicht.
20Vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 21. Januar 2011, 30969/09, juris,; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014, 1 A 21/12.A, juris.
21Nicht auszuschließen ist damit zwar, dass ‑ ebenso wie Schutzsuchende, die als "Dublin-Rückkehrer" nach Italien überstellt werden ‑ auch Personen, denen ein Schutzstatus in Italien zuerkannt worden ist, in Einzelfällen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein können. Jedenfalls für anerkannte Flüchtlinge, die ‑ wie hier ‑ nach ihren persönlichen Lebensumständen nicht individuell besonders schutzbedürftig sind, erweist sich der Eintritt solcher Rechtsverletzungen dabei aber bei der hier allein gebotenen rechtlichen Betrachtung nicht als beachtlich wahrscheinlich, sondern "lediglich" als Folge verschiedener, in ihrem Zusammentreffen nicht vorab feststehender und damit nicht vorhersehbarer Einzelfallumstände.
22Vgl. hierzu mit ausführlicher Begründung: Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 26. Mai 2015, 13 L 1476/15.A.
23Dies gilt auch dann, wenn die Lebensbedingungen für anerkannte Schutzsuchende in Italien deutlich schlechter sein sollten als in der Bundesrepublik Deutschland. Denn eine Rückführung in ein Land, in dem die wirtschaftliche Situation des Abgeschobenen schlechter sein wird als in dem ausweisenden Staat, stellt für sich genommen keine unmenschliche Behandlung im Sinne der hier zu prüfenden Schutzvorschriften dar.
24Vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, 27725/10, juris.
25Gleichwohl begegnet die Abschiebungsanordnung nach Italien derzeit rechtlich durchgreifenden Bedenken. Entgegen den Vorgaben des § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG dürfte nämlich nicht feststehen, dass der Antragsteller nach Italien abgeschoben werden kann.
26Dem Bundesamt obliegt vor Erlass der Abschiebungsanordnung nicht nur die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse, sondern auch von inlandsbezogenen Vollzugshindernissen und Duldungsgründen. Für eine diesbezüglich originäre Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde ist daneben kein Raum, auch wenn solche der Abschiebung entgegenstehende Gründe erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftreten.
27Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014, 2 BvR 1795/14, juris.
28Ein Duldungsgrund (§ 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG) liegt vor, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, etwa weil die Rückübernahmebereitschaft des Zielstaates der Abschiebung (noch) nicht geklärt ist,
29Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2015, 14 B 101/15.A und 14 B 102/15.A sowie vom 10. März 2015, 14 B 162/15.A., sämtlich n. v.
30Da § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG den Erlass der Abschiebungsanordnung tatbestandlich daran anknüpft, dass feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, ist das Bundesamt erst dann befugt, die Abschiebung anzuordnen, wenn die Bereitschaft des Zielstaates der Abschiebung, den Abzuschiebenden aufzunehmen, außer Zweifel steht.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2015, 14 B 101/15.A und 14 B 102/15.A sowie vom 10. März 2015, 14 B 162/15.A., sämtlich n. v.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG 1992, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 34 a Rdnr. 20.
32Zwar hat Italien nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, Aufenthaltstitel auszustellen und gegebenenfalls zu verlängern, was ein Recht auf (Wieder‑)Einreise nach Italien impliziert. Ob ‑ und gegebenenfalls aus welchem tatsächlichen und / oder rechtlichen Grund ‑ sich der italienische Staat gleichwohl möglicherweise gehindert sieht, einen durch ihn anerkannten Flüchtling wieder aufzunehmen, ist damit nicht abschließend geklärt. So sieht denn auch das nach der Bekanntmachung vom 9. Juli 1993 (BGBl. II S. 1099) am 1. Mai 1991 in Kraft getretene Übereinkommen zwischen den Regierungen des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und der Republik Polen betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (Übernahmeübereinkommen) vom 29. März 1991 nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 vor, dass die Übernahme einer Person auf Antrag einer Vertragspartei erfolgt und der ersuchte Vertragsstaat das an ihn gerichtete Übernahmeersuchen innerhalb von acht Tagen beantwortet.
33Ein solches Übernahmeersuchen im Sinne des Übernahmeabkommens hat das Bundesamt jedoch bislang für den Antragsteller ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge an den italienischen Staat nicht gerichtet. Zudem ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass Italien abweichend von dem Übernahmeübereinkommen in ständiger Verwaltungspraxis unter Verzicht auf Antrag und Zustimmung dort anerkannte Flüchtlinge übernimmt. So hat Italien dem Bundesamt gegenüber unter dem 16. März 2015 auch lediglich erklärt, dass für die Anwendung der Vorschiften des "Dublin-Abkommens" aufgrund des dem Antragsteller dort bereits gewährten Schutzes kein Raum sei, und vor diesem Hintergrund aufgezeigt, welche Schritte stattdessen für eine Rückführung des Antragstellers nach Italien zu unternehmen sind ("Therefore, a possible transfer of the alien will be effected in the framework of Police agreements and you will need to send your request to this fax number: [...]"). Positiv geklärt ist durch diesen Hinweis die Übernahmebereitschaft des italienischen Staates nicht. Er spricht vielmehr dafür, dass seitens italienischen Staates keine gesicherte Verwaltungsübung besteht, aus der Bundesrepublik solche Personen ohne Rücksicht auf die Regelungen des Übernahmeübereinkommens zu übernehmen, denen in Italien bereits ein Schutzstatus zuerkannt worden ist.
34Im Ergebnis ebenso für den Fall ausdrücklich verneinter Übernahmebreitschaft (Bulgarien), Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 20. Mai 2015, 22 L 355/15.A., n. v.; a. A.: für den Fall des Fehlens eines an Italien gerichteten Antrages nach dem Übernahmeabkommens, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 26. Mai 2015, 13 L 1476/15.A, n. v.
35Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
36Der Wert des Verfahrensgegenstandes ergibt sich aus § 30 RVG.
37Der Beschluss ist unanfechtbar; § 80 AsylVfG.
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(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.