Gericht

Verwaltungsgericht Bayreuth

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt

2. Die Antragsteller tragen die Kosten Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind ukrainische Staatsangehörige ukrainischer Volks- und orthodox- christlicher Religionszugehörigkeit.

Sie reisten am 12.04.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich ausweislich der Mitteilung der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt ... am 23.04.2014 dort als Asylsuchende. Nach den Ermittlungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hatten die Antragsteller vor ihrer Einreise nach Deutschland von der spanischen Vertretung in .../Ukraine am 04.04.2014 ausgestellte und bis 26.05.2015 gültige Einreisevisa des Königreichs Spanien erhalten (sog. „Schengen-Visa“).

Auf ein entsprechendes Übernahmeersuchen für die Antragsteller im „Dublin-Verfahren“ vom 15.07.2014 erklärten die zuständigen spanischen Behörden mit Schreiben vom 15.09.2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Antragsteller gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO).

Mit Bescheid vom 27.10.2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach Spanien an (Nr. 2).

Mit am 04.11.2014 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten erhoben die Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 27.10.2014 und beantragten gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21.11.2014 (Az. B 1 S 14.50096) ab. Die Klage ist derzeit noch unter dem Aktenzeichen Az. B 1 ... beim Verwaltungsgericht anhängig.

Mit Fax vom 08.01.2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit gegen das Landratsamt ... gerichtetem Antrag beim Verwaltungsgericht Bayreuth,

1. gemäß § 123 VwGO anzuordnen, dass die seitens der Antragstellerin (richtig: des Antragsgegners) am 8.1.2015 begonnene Abschiebemaßnahme sofort eingestellt wird,

2. festzustellen, dass die Abschiebemaßnahme ohne Androhung rechtswidrig ist.

Zur Begründung trugen die Antragsteller vor, dass der Antragsgegner heute morgen (am 08.01.2015) begonnen habe, die Antragsteller abzuschieben. Die Abschiebung sei rechtswidrig; sie sei weder dem Antragsteller unmittelbar noch ihrem Prozessbevollmächtigten schriftlich angedroht bzw. mitgeteilt worden. Die beteiligten Kinder seien durch die Abschiebemaßnahme in konkreter Gesundheitsgefahr. Es drohe ihnen eine schwere Traumatisierung. Nach der Beurteilung des behandelnden Arztes würden im Falle einer Abschiebung erhebliche emotionale Belastungen auftreten, die zu einem völligen sozialen Rückzug und emotionaler Verschlossenheit führen könnten. Das gleiche gelte für die Antragstellerin zu 2. Sie würde im Falle einer Abschiebung ebenfalls schwer traumatisiert. Mit Ausbildung der Depression oder Zwangsstörungen wäre unmittelbar zu rechnen und sollte aus Sicht des behandelnden Neurologen dringend vermieden werden. Zur Glaubhaftmachung wurden eine fachärztliche Stellungnahme vom 05.12.2014 (bezüglich der Antragsteller zu 3 und 4) sowie ein ärztliches Attest vom 09.12.2014 (bezüglich der Antragstellerin zu 2) vorgelegt.

Das Landratsamt ... wurde fernmündlich zum Antragsvorbringen angehört und beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, das Antragsvorbringen sowie die beigezogenen Akten der Verfahren B 1 K 14.50097 und B 1 S 14.50096, hier insbesondere den Beschluss vom 21.11.2014, Bezug genommen.

II.

Der als Antrag nach § 123 VwGO formulierte Antrag zu 1 ist nicht zulässig, der Antrag zu 2 hat in der Sache keinen Erfolg.

Rechtsgrundlage der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG; sie wurde in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.10.2014 angeordnet, nachdem die Asylanträge als unzulässig abgelehnt worden waren. Nachdem der dagegen gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21.11.2014 abgelehnt worden ist, allerdings die Klage noch anhängig und das Verfahren damit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, wäre nach § 123 Abs. 5 VwGO nur ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO statthaft. Dieser müsste sich jedoch nicht gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt ... als staatliche Ausländerbehörde, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Der Antrag nach § 123 VwGO ist daher als unstatthaft und mangels Passivlegitimation des Freistaats Bayern abzulehnen.

Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebemaßnahme ohne vorherige Androhung gerichtete Antrag zu 2 bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Unabhängig davon, dass bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit gegen den Feststellungsantrag wegen der Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Verpflichtungsklage bzw. wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bestehen, hat der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg.

Die Abschiebung bedarf hier keiner vorherigen Androhung. Soll ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht (§ 34a AsylVfG).

Da im vorliegenden Fall die Abschiebung in das für die Durchführung der Asylverfahren zuständige Königreich Spanien erfolgen soll, im Bescheid vom 27.10.2014 die Abschiebung angeordnet worden war und die Klage gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung hat, bedurfte es keiner vorherigen Androhung. Der Antrag ist deshalb auch insoweit abzulehnen.

Für das Gericht bestand weder Anlass noch Berechtigung, den Antrag auszulegen. Zwar darf nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes ein Irrtum ihres Prozessbevollmächtigten nicht zulasten der Antragsteller gehen. Gleichwohl bestand für eine Auslegung bzw. Umdeutung des Antrags kein Anlass. Gemäß § 88 VwGO ist das Gericht an das erkennbare Rechtsschutzziel gebunden und darf nicht darüber hinausgehen. Wesentlich ist dafür der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 88 Rn. 2). Zwar darf die Auslegung auch bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt vom Antragswortlaut abweichen; andererseits legitimiert § 88 VwGO den Richter nicht, „den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie - nach Meinung des Richters - zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (Kopp/Schenke, a. a. O., § 88 Rn. 3 m. w. N.). Dabei ist bei einem von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag in der Regel ein strengerer Maßstab anzuwenden; die Umdeutung von Anträgen ist hier nur ausnahmsweise möglich (BayVGH, B.v. 29.8.2014 - 4 CE 14.1502 - juris). Nach diesen Kriterien bestand kein Anlass, den Antrag umzudeuten, wobei von wesentlicher Bedeutung ist, dass auch eine Auslegung des Antrags nicht zu dem von den Antragstellern gewünschten Erfolg hätte führen können. Wegen des Zeitdrucks bestand auch keine Möglichkeit, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt kein Rechtsmittelverfahren dar, sondern ein gegenüber dem ersten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung dieser Entscheidung, sondern die Fortdauer der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Entscheidung ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 190 ff.). Die Beteiligten haben aber nur bei veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umständen Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Gerichts (Kopp/Schenke, VwGO, a. a. O., Rn. 196).

Veränderte Umstände im oben dargelegten Sinn liegen jedoch nicht vor oder greifen nicht durch.

Nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein solcher Grund kann in einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegen, was die Prognose voraussetzt, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers entweder durch den Transport als solchen wesentlich verschlechtern bzw. eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmalig entstehen (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn) oder - außerhalb des Transportvorganges - unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) würde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 25.2.2009 - OVG 2 B 2.08 - juris; im Ergebnis ebenso BayVGH, B.v.28.10.2013 - 10 CE13.2257 - juris Rn. 4). Dabei erstreckt sich der insoweit in den Blick zu nehmende Zeitraum bis zur endgültigen Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats und kann sich gegebenenfalls - wenn dem Ausländer unmittelbar nach seiner Ankunft im Zielstaat eine Gesundheitsgefährdung droht - bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung im Zielstaat ausdehnen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 25.8.2011 - OVG 11 S 49.11 - juris, im Anschluss an OVG Sachsen Anhalt, B.v. 20.6.2011 - 2 M 38/11 - juris).

Soweit eine Traumatisierung der minderjährigen Antragsteller zu 3 und 4 behauptet wird, geht aus dem Vortrag der Antragsteller nicht hervor, ob Reiseunfähigkeit oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis geltend gemacht werden soll. Darauf kommt es aber letztlich nicht an, weil die Traumatisierung bereits im Verfahren B 1 S ... behauptet und auch im Beschluss vom 21.11.2014 gewürdigt wurde. Die nunmehr vorgelegte fachärztliche Stellungnahme von Herrn Dr. F. vom 05.12.2014 bringt keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Es werden auch insoweit keine mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden konkreten erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen attestiert, sondern lediglich Befürchtungen in Bezug auf mögliche künftige Entwicklungen geäußert. Abgesehen davon, dass es sich hierbei nur um Spekulationen handelt, ist nicht ersichtlich, dass ein zu beachtender Schweregrad der Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten ist und dass etwaigen tatsächlich entstehenden Beeinträchtigungen nicht durch geeignete erzieherische Maßnahmen und ggf. medizinische Unterstützung in Spanien entgegengewirkt werden könnte. Damit wurde ein Abschiebungshindernis nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Bezüglich der Antragstellerin zu 2 wird in dem ärztlichen Attest vom 09.12.2014 von Herrn Dr. F keine so schwere Gesundheitsbeeinträchtigung bestätigt, dass diese einer Abschiebung entgegenstehen könnte. Vielmehr wird attestiert, dass „die Stimmung nicht relevant depressiv ausgelenkt ist, keine Halluzinationen und keine spezifischen Ängste bestehen“. Insbesondere wird auch ausdrücklich bestätigt dass keine Selbstgefährdung eruierbar ist. Dass die Antragstellerin zu 2 unter Anspannung und Sorgen hinsichtlich ihrer Zukunft und der ihrer Familienangehörigen leidet, ist angesichts der unklaren Lage der Familie nur natürlich und verständlich, hat aber keine solche Beeinträchtigung zur Folge, dass eine Abschiebung deswegen rechtlich unzulässig wäre.

Nach allem bleibt der Antrag ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5, 8.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 08. Jan. 2015 - B 1 E 15.10 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2014 - 4 CE 14.1502

bei uns veröffentlicht am 29.08.2014

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juni 2014 wird abgeändert. Die Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 12. Juli 2010 wird, soweit es sich nicht um vor dem 21. Oktob

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juni 2014 wird abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 12. Juli 2010 wird, soweit es sich nicht um vor dem 21. Oktober 2011 erlangte dingliche Sicherheiten handelt, vorläufig bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren (Az. RO 4 K 14.979) für unzulässig erklärt.

II.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV.

Der Streitwert wird in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses für beide Instanzen auf je 7.376 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2010, mit dem sie als Komplementärin der J. KG als Haftende für die von der KG nicht beglichenen Gewerbesteuern in Anspruch genommen worden war.

Sie trägt dazu vor, ihr sei nach einem in Großbritannien durchgeführten Insolvenzverfahren mit Beschluss des englischen High Court of Justice, Insolvenzgericht, vom 21. Oktober 2011 die Restschuldbefreiung erteilt worden. Diese entfalte auch gegenüber dem Anspruch der Antragsgegnerin aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 Wirkung, so dass die zeitlich später in Form eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 bzw. 13. Mai 2014 durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahme bezüglich eines möglichen Auszahlungsanspruchs der Antragstellerin gegenüber der Landesjustizkasse Bamberg aus einer Hinterlegung in Höhe von 1.200 Euro unzulässig sei.

Ihren Antrag nach § 123 VwGO, die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin aus dem vorgenannten Haftungsbescheid einstweilen für unzulässig zu erklären, deutete das Verwaltungsgericht Regensburg in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des nach Aktenlage am 25. August 2010 gegen den Haftungsbescheid eingelegten, noch nicht verbeschiedenen Widerspruchs mit Wirkung vom 21. Oktober 2011 um, gab dem so ausgelegten Antrag mit Beschluss vom 17. Juni 2014 statt und setzte den Streitwert auf die Hälfte der im Haftungsbescheid bezifferten Geldforderung in Höhe von 118.010 Euro, d. h. auf 59.005 Euro fest.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin unter dem 2. Juli 2014 Beschwerde erhoben. Die vom Verwaltungsgericht entgegen dem ausdrücklichen Willen der Antragstellerin vorgenommene Umdeutung des Rechtsschutzziels der Antragstellerin sei unzulässig. Diese wende sich im vorliegenden Verfahren ausdrücklich nicht gegen den Haftungsbescheid als solchen, sondern nur gegen die Vollstreckung hieraus, soweit eine solche nach Erteilung der Restschuldbefreiung erfolge. Die Antragsauslegung des Verwaltungsgerichts sprenge alle von der Verwaltungsgerichtsordnung gezogenen Grenzen. Im Übrigen werde ein Haftungsbescheid, der - wie vorliegend - rechtmäßig erlassen worden sei, nicht durch eine später erteilte Restschuldbefreiung rechtswidrig. Insoweit sei eher zu überlegen, dass die Vollstreckung aus dem rechtmäßigen Haftungsbescheid möglicherweise ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zulässig sein sollte. Über diesen - tatsächlich so gestellten - Antrag habe das Verwaltungsgericht jedoch nicht entschieden. Dieser Antrag sei abzulehnen.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen zwar die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im erfolgten Umfang. Letztendlich ist aber dem einstweiligen Rechtsschutzantrag der Antragstellerin stattzugeben, so dass die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdeziel, den Antrag der Antragstellerin abzulehnen, nicht durchdringt.

1. Der Antragsgegnerin ist allerdings darin beizupflichten, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene „Interpretation“ des Eilantrags weder geboten noch zulässig war. Gemäß § 88 VwGO ist das Gericht an das erkennbare Rechtsschutzziel gebunden. Wesentlich ist dafür der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 88 Rn. 2). Zwar darf die Auslegung auch bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt vom Antragswortlaut abweichen; andererseits legitimiert § 88 VwGO den Richter nicht, „den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie - nach Meinung des Richters - zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (Kopp/Schenke, a. a. O., § 88 Rn. 3 m. w. N.). Dabei ist bei einem von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag in der Regel ein strengerer Maßstab anzuwenden; die Umdeutung von Anträgen ist hier nur ausnahmsweise möglich.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend ein Verstoß gegen § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO.

Mag das Rechtsschutzziel der Antragstellerin in dem Antragsschriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. Mai 2014 möglicherweise noch nicht in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sein, so haben die Bevollmächtigten dies in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2014 jedenfalls klargestellt: Mit dem ausdrücklich als Antrag nach § 123 VwGO bezeichneten vorläufigen Rechtsmittel wendet sich die Antragstellerin gegen die nach Erteilung der Restschuldbefreiung (21.10.2011) von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 mit der Begründung, die Restschuldbefreiung stehe einer - weiteren - Durchsetzung des (vermeintlich) titulierten Anspruchs der Antragsgegnerin entgegen. Die bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung bereits erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Eintragungen von Zwangssicherungshypotheken) würden - wie die Antragstellerbevollmächtigten ausdrücklich darlegen - durch die Restschuldbefreiung nicht tangiert und seien nicht Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Dementsprechend beziffern die Bevollmächtigten der Antragstellerin deren derzeitiges Rechtsschutzinteresse auf 1.200 Euro, nachdem sich die beanstandete Zwangsvollstreckungsmaßnahme der Antragsgegnerin nach dem Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung bisher auf diesen Betrag beschränkt hat (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 5. Juni 2014).

Die Antragstellerin wendet sich somit erkennbar und ausdrücklich ausschließlich gegen die nach Erteilung der Restschuldbefreiung betriebene bzw. noch zu befürchtende Vollstreckung aus dem Haftungsbescheid.

Zwar hätte sich die Antragstellerin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 auch im Wege der Anfechtungsklage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Wehr setzen können, da dieser eine Maßnahme der Vollstreckung mit Verwaltungsaktqualität darstellt.

Der Antragstellerin geht es aber erkennbar nicht darum, nur diese konkrete Vollstreckungshandlung der Antragsgegnerin und damit lediglich einen einzelnen Vollstreckungsverwaltungsakt anzugreifen. Vielmehr wendet sie sich gegen die Vollstreckung ab dem 21. Oktober 2011 schlechthin. Statthafter Rechtsbehelf für ein solches Begehren ist in der Hauptsache die (vorbeugende) Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO (vgl. dazu OVG LSA, B. v. 3.4.2007 - 2 M 53/07 - juris Rn. 4 m. w. N.; VGH BW, U. v. 24.2.92 - 5 S 2520/91 - juris Rn. 27; B. v. 16.11.2011 -3 S 1317/11 - juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, U. v. 2.4.2014 - OVG 6 B 16.12 - juris Rn. 14) und im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO. Dem Rückgriff auf die Vollstreckungsabwehrklage in entsprechender Anwendung von § 767 ZPO steht der durch § 173 VwGO normierte Vorrang der Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung entgegen (vgl. VGH BW, U. v. 24.2.1992, a. a. O. m. w. N.).

Das Begehren der Antragstellerin ist vorliegend darauf gerichtet, die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid insgesamt vorläufig einzustellen. Vor diesem Hintergrund ist weder eine Auslegung noch eine Umdeutung des Antrags erforderlich.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO liegen vor, so dass die Beschwerde der Antragsgegnerin in der Sache keinen Erfolg haben kann.

Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin ohne Beachtung der zwischenzeitlich erfolgten und von der Antragstellerin geltend gemachten Erteilung der Restschuldbefreiung die - weitere - Vollstreckung des Haftungsbescheides vom 12. Juli 2010 betreibt, indem sie mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29. April 2014 eine weitere konkrete Vollstreckungsmaßnahme ergriffen und damit deutlich gemacht hat, dass sie von der weiteren Vollstreckbarkeit ihrer Forderung ausgeht.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Zwar hat die Erteilung der Restschuldbefreiung, wie die Antragsgegnerin richtig ausführt, keinen Einfluss auf Rechtmäßigkeit oder Bestand des bereits zuvor ergangenen Haftungsbescheides.

Die Antragstellerin hat aber einen Anspruch auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung hinreichend glaubhaft gemacht. Denn die von ihr vorgelegten notariell beglaubigten Abschriften der Entlastungsbescheinigung (certificate of discharge) des High Court of Justice - bankruptcy court - London vom 22. Dezember 2011 lassen es zumindest im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in ausreichender Weise als wahrscheinlich erscheinen, dass eine Restschuldbefreiung ab dem 21. Oktober 2011 als dauerhaftes Vollstreckungshindernis vorliegt und damit einer - weiteren - Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 entgegensteht. Ob den vorgelegten Unterlagen diese Rechtswirkung tatsächlich zukommt (ablehnend LG Berlin, U. v. 10.1.2013 - 12 O 317/11 - juris Rn. 28ff.

m. w. N.), wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Dabei wird, erforderlichenfalls unter Einholung eines Sachverständigengutachtens, der Frage nachzugehen sein, wie das Insolvenzverfahren in England abläuft, welche Forderungen Gegenstand dieses Verfahrens waren und ob der „discharge from her Bankruptcy“ des High Court of Justice in London vom 21. Oktober 2011 tatsächlich die vollständige Entschuldungswirkung hat, die die Antragstellerin ihm beimessen will.

Eine Restschuldbefreiung (auch durch Beschluss eines ausländischen Insolvenzgerichts) führt zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zum Erlöschen der von ihr erfassten Ansprüche, jedoch zu deren Umgestaltung, d. h. zur Entstehung einer sogenannten unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin zwar erfüllbar, aber nicht (weiter) erzwingbar ist (vgl. dazu BGH, B. v. 25.9.2008 -IX ZB 205/06 - juris Rn. 11 m. w. N., ebenfalls zu einer Erteilung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des High Court of Justice in London). Diese Umgestaltung der Forderung bewirkt einen materiell-rechtlichen Einwand, der vorliegend im Rahmen einer (vorbeugenden) Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO verfolgt werden kann (s. o.).

Die Beitreibung der im Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 festgesetzten Summe wäre damit - unabhängig von der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob der Bescheid der Antragstellerin ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder nicht -jedenfalls dann, wenn die Forderung der Antragsgegnerin aus dem Haftungsbescheid von der Entschuldungswirkung des „discharge from bankruptcy“ erfasst wäre, nicht mehr zulässig, weil der Antragsgegnerin dann die (weitere) Zwangsvollstreckung aus diesem Bescheid dauerhaft verwehrt wäre (vgl. auch OVG Berlin-Bbg, v. 2.4.2014, a. a. O., Rn. 15).

Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den Umständen der Zustellung des Haftungsbescheides sind im vorliegenden Verfahren somit nicht entscheidungserheblich. Die bereits vor Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgte Eintragung der Zwangshypotheken ist ausdrücklich nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs (1/16 des Betrages der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Forderung).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.