Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 17. Jan. 2018 - Au 6 K 17.50304

bei uns veröffentlicht am17.01.2018

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste mit einem vom 8. Juli 2017 bis 1. August 2017 gültigen Schengen-Visum, ausgestellt von der Republik Lettland (Blatt 55 der Bundesamtsakte), am 14. Juli 2017 aus der Türkei kommend in die Republik Lettland ein. Von dort reiste er zwei Tage später nach Deutschland weiter und beantragte am 10. August 2017 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl.

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 AsylG am 4. September 2017 gab der Kläger an, wegen seiner Fußleiden einen türkischen Behindertenausweis zu haben. Er habe Diabetes und nehme hierfür das Medikament Glukofen 1000, er leide an Bluthochdruck und habe Herzrhythmusstörungen. Vor zehn Jahren sei er am Herzen operiert worden, vor drei Jahren habe er einen Herzinfarkt gehabt. In Deutschland sei er deswegen bisher nicht in Behandlung.

Das Bundesamt richtete am 5. September 2017 ein Übernahmeersuchen für den Kläger an Lettland, welches am 2. Oktober 2017 angenommen wurde.

Die Ehefrau und zwei minderjährige Töchter des Klägers reisten mit von den lettischen Behörden am 30. August 2017 ausgestellten, vom 4. September 2017 bis 30. September 2017 gültigen Visa am 12. September 2017 nach Lettland und anschließend nach Deutschland weiter, wo sie am 6. Oktober 2017 Asyl beantragten.

Am 18. September 2017 legte der Kläger dem Bundesamt Kopien einer MR-Untersuchung, eines Radiologieberichts, eines Echokardiografieberichts, Angaben zur Behinderung sowie eine Krankenakte der Aufnahmeeinrichtung vor.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2017, am 9. Oktober 2017 durch Aushändigung in der Aufnahmeeinrichtung dem Kläger zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Lettland an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Lettland aufgrund erteilten Visums gem. Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Lettland würden nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta vorliege. Systemische Mängel seien nicht gegeben. Der pauschale Vortrag guter Beziehungen Lettlands zur Türkei reiche hierfür nicht aus. Hinsichtlich einer drohenden Entdeckung durch seine Verfolger in Lettland sei er auf den Schutz durch die lettische Polizei zu verweisen. Etwaige medizinische Behandlungen könnten auch in Lettland durchgeführt werden. In allen Mitgliedsstaaten der Dublin-Verordnung herrsche grundsätzlich ein vergleichbarer Mindestbehandlungsstandard. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für ein Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland seien nicht ersichtlich. Schutzwürdige Belange für eine weitere Reduzierung des Einreiseund Aufenthaltsverbots seien nicht ersichtlich.

Hiergegen erhob der Kläger am 16. Oktober 2017 Klage und beantragte,

den Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2017 aufzuheben.

Für den Asylantrag des Klägers sei die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 10 Dublin-III-VO zuständig. Seit dem 14. September 2017 befänden sich seine Ehefrau und Kinder ebenfalls in Deutschland und hätten dort Asyl beantragt. Die Abschiebung des Klägers vor Abschluss des Verfahrens würde die Familie entgegen dem in der Dublin-III-VO verankerten Grundsatz der Familieneinheit trennen. Wegen der guten Beziehungen Lettlands zur Türkei befürchte er, im Rahmen eines beschleunigten Asylverfahrens, in dem Rechtsbehelfe gegen ablehnende Entscheidungen keine aufschiebende Wirkung hätten, in die Türkei abgeschoben zu werden. Der Kläger leide unter erheblichen Herzrhythmusstörungen und habe bereits einen Herzinfarkt erlitten. Nach ärztlicher Einschätzung müsse er deshalb zwingend Stress vermeiden, da ansonsten ein erneuter Herzinfarkt zu befürchten sei. Er leide zudem an einer körperlichen Behinderung im Bereich der Füße. Wegen der in Lettland bestehenden schlechten Lage für Menschen mit Behinderung sei zu befürchten, dass er dort menschenunwürdige Bedingungen vorfände. Im Hinblick auf die drohende Verfolgung in der Türkei stehe dem Kläger ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, jedenfalls auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu.

Die Beklagte hat sich bisher zum Verfahren nicht geäußert.

Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. Oktober 2017 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer einen Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft zuständigen Staat gestellt hat. Solche Rechtsvorschriften finden sich aktuell in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO, ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31).

a) Vorliegend ist für die Durchführung des Asylverfahrens nach Maßgabe der Dublin III-VO nicht die Beklagte, sondern die Republik Lettland zuständig (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG). Die Zuständigkeit Lettlands für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz ergibt sich aus Art. 12 Abs. Abs. 4 Dublin-III-VO, weil der Kläger mit einem von den lettischen Behörden am 3. Juli 2017 ausgestellten, vom 8. Juli 2017 bis 1. August 2017 gültigem Visum nach Lettland einreiste. Dem Wiederaufnahmegesuch der Beklagten vom 5. September 2017 hat Lettland am 2. Oktober 2017 stattgegeben.

b) Die Beklagte ist nicht wegen eines dem Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO vorgehenden Kriteriums für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutzes zuständig.

aa) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird dabei von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Kläger seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt, Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO. Im Hinblick auf die Anwendung der in den Art. 8, 10 und 6 (richtig wohl „16“) der Dublin-III-VO genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, Art. 7 Abs. 3 Dublin-III-VO.

bb) Art. 10 Dublin-III-VO ist hier nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist für einen Antragsteller, der in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen hat, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

Hierzu ist jedoch erforderlich, dass die Bundesrepublik Deutschland überhaupt für die Prüfung eines der Anträge eines Familienangehörigen auf internationalen Schutzes zuständig ist, da andernfalls durch eine gestaffelte Einreise die Zuständigkeitskriterien ausgehebelt werden könnten. Dem steht auch nicht Art. 6 GG entgegen.

Art. 10 Dublin-III-VO dient der Wahrung der Familieneinheit. Er soll damit verhindern, dass Familien getrennt bleiben, weil für die einzelnen Familienmitglieder unterschiedliche Mitgliedsstaaten zuständig sind. Seinem Schutzzweck kann indes nicht entnommen werden, dass er es Antragstellern bei einer gestaffelten Einreise ermöglichen soll, sich jeweils auf den Aufenthalt eines Familienangehörigen in einem für diesen unzuständigen Mitgliedsstaat zu berufen und so dessen Zuständigkeit herbeizuführen, obwohl für alle Familienmitglieder der Mitgliedsstaat nicht zuständig wäre. Art. 10 Dublin-III-VO kommt folglich nur zur Anwendung, wenn für die Familienangehörigen unterschiedliche Mitgliedsstaaten und dabei auch derjenige, dessen Zulässigkeitsentscheidung angefochten wird, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sind.

Diese Voraussetzung liegen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt - hier der Stattgabe des Gesuchs auf Wiederaufnahme am 2. Oktober 2017 (Art. 7 Abs. 3 Dublin-III-VO) - nicht vor:

Die Zuständigkeit Lettlands für die Bearbeitung der Anträge der Familienangehörigen (Ehefrau und Töchter) auf internationalen Schutz ergeben sich aus Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO, weil sie mit einem von den lettischen Behörden am 30. August 2017 ausgestellten, vom 4. September 2017 bis 30. September 2017 gültigem Visum am 12. September 2017 nach Lettland einreisten, bevor sie weiter nach Deutschland reisten. Gründe für eine Verpflichtung der Beklagten zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Dublin-III-VO in ihren Fällen sind im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht gegeben. Hierfür reichen weder die Angst vor der Familie des in Lettland lebenden Ehemanns noch die (etwaig) besseren Bildungsmöglichkeiten für die Kinder. Das Wiederaufnahmeersuchen an Lettland wurde am 14. November 2017 und damit innerhalb der Frist des Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO gestellt.

Durch die oben dargestellte Auslegung des Art. 10 Dublin-III-VO kann es auch nicht zu einer unzulässigen Trennung der Familienangehörigen kommen. So ist der Kläger weder nach der Dublin-III-VO noch nach innerstaatlichem Recht daran gehindert, gemeinsam mit seinen Familienangehörigen freiwillig in den für sie nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat auszureisen (vgl. ausführlich VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452; HessVGH, B.v. 25.8.2014 - 2 A 976/14.A - AuAS 2014, 247; OVG SH, B.v. 7.4.2014 - 2 LA 33/15; hierzu auch BayVGH, B.v. 28.4.2015 - 11 ZB 15.50065 - juris).

cc) Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus Art. 11 Buchst. a) Dublin-III-VO.

Stellen mehrere Familienangehörige und/oder unverheiratete minderjährige Geschwister in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Antrag auf internationalen Schutz, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Norm, dass für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger und/oder unverheirateter minderjähriger Geschwister der Mitgliedstaat zuständig ist, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist.

Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers nicht vor. Die Anträge der Familienangehörigen auf internationalen Schutz wurden nicht gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe gestellt, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam hätten durchgeführt werden können. Der Kläger hat in der Bundesrepublik Deutschland am 10. August 2017 Asyl beantragt. Die Ehefrau und die beiden Töchter des Klägers reisten hingegen erst am 14. September 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 6. Oktober 2017 einen Asylantrag. Bereits am 5. September 2017 wurde das Wiederaufnahmeersuchen an die Republik Lettland gestellt und am 2. Oktober 2017 angenommen, wodurch das Dublin-Verfahren in ein Stadium eingetreten ist, das eine gemeinsame Durchführung nicht mehr möglich macht.

Darüber hinaus liegen derzeit auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anwendung der in der Dublin-III-VO genannten Kriterien die Trennung des Klägers und seiner Familie zur Folge haben könnte, wie von Art. 11 Dublin-III-VO weiter vorausgesetzt. Für die Prüfung der Asylbegehren alle Familienangehörigen ist jeweils nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO Lettland der zuständige Mitgliedsstaat.

c) Gründe, von einer Überstellung nach Lettland gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 604/2013/EU abzusehen, sind nicht ersichtlich. Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

aa) Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 604/2013/EU sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 9). Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn hierfür kompetente Stellen wie der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) derartige Mängel feststellen.

bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung ist nach Überzeugung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Lettland aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG Saarl, B.v. 15.5.2017 - 2 A 410/17 - juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 29.3.2017 -15 B 16.50080 - juris Rn. 13; VG Ansbach, B.v. 30.12.2015 - AN 14 S 15.50476 -juris Rn. 29). Auf die angeführten Entscheidungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen; Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht substantiiert vorgebracht.

Der vom Kläger angeführte Report „Lettland 2017“ von Amnesty International führt zu keiner anderen Bewertung. Für die Beachtung des Non-Refoulement-Gebots ist der jeweilige Mitgliedsstaat verantwortlich. Lettland als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention unterliegt hinsichtlich seines Asylrechtsvollzugs auch mit Blick auf die Türkei keinen schwächeren Rechtsstandards als Deutschland. Dass das Non-Refoulement-Gebot von der Republik Lettland regelhaft defizitär nicht beachtet würde, kann mit Verweis auf die äußerst knappen Ausführungen im Bericht von Amnesty International nicht in Zweifel gezogen werden. So wird im Human Rights Report 2016 des United States Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor) bestätigt, dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist (https://www.state.gov/ documents/organization/265650.pdf, Seite 11). Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger ein solches Verfahren, ggf. unter Ausschöpfung des dortigen Rechtswegs, nicht möglich wäre, wurden nicht dargelegt. Allein möglicherweise guten Beziehungen Lettlands zur Türkei reichen hierfür nicht aus.

Ebenso wenig zeigt der vom Kläger angeführte Bericht von Amnesty International eine Gefahr regelhaft defizitärer Aufnahmebedingungen bei Personen wie dem Kläger, die im Bereich der Füße an einer Behinderung leiden. Die im Bericht angeführte Besorgnis des Menschenrechtskommissars bezieht sich auf Personen mit Behinderungen, die in speziellen Einrichtungen untergebracht waren, insbesondere die Situation von Kindern mit geistigen oder psychosozialen Einschränkungen. Dies betrifft erkennbar nicht den Fall des Klägers, der - wie sich aus seinem Vortrag beim Bundesamt ergibt - nicht auf den Aufenthalt in speziellen Behinderteneinrichtungen angewiesen ist, sondern Probleme bei längerem Stehen und Gehen hat und extra dicke Schuhsohlen benötigt.

Näherer Aufklärung bedarf hier auch nicht die Frage, ob die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht bei einer Abschiebung in die Türkei stellt (BVerfG, B.v. 18.12.2017 - 2 BvR 2259/17 - juris), von den lettischen Behörden beachtet werden. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Diese Vermutung wurde hier nicht widerlegt (vgl. soeben).

d) Für ein Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Behinderung des Klägers im Bereich seiner Füße macht ihn voraussichtlich nicht von der Unterstützung seiner Kinder abhängig. Entsprechendes ergibt sich weder aus den Akten, noch wurde diesbezüglich etwas vorgetragen.

e) Aus den genannten Gründen kann der Kläger auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Die Familieneinheit kann gewahrt werden (siehe oben). Auch die Behauptung des Klägers, das Bundesamt lehne teilweise Anträge unter Verweis auf eine anderweitige Zuständigkeit ab, prüfe hingegen anderer Anträge in der Sache trotz fehlender Zuständigkeit nach der Dublin-Verordnung, kann keine Verpflichtung zum Selbsteintritt der Beklagten begründen. Das Selbsteintrittsrecht steht im Ermessen der Beklagten, Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO. Es wurde schon nicht dargelegt, dass es sich bei den Fällen, bei denen vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht wurde, um vergleichbare Fälle handeln würde, die zu einer Selbstbindung des Verwaltungshandelns der Beklagten in diesem Verfahren führen könnten.

f) Die Abschiebung nach Lettland kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchgeführt werden. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist rechtmäßig. Der Kläger kann sich auf zielstaatsbezogene - bezogen auf Lettland – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 - 11 ZB 15.50050 -, juris Rn. 4; VGH BW, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris; OVG Hamburg, B. v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10 – juris), nicht berufen. Die Familieneinheit kann über eine gemeinsame Ausreise nach Lettland sichergestellt werden (siehe oben).

Der Gesundheitszustand des Klägers steht der Abschiebung nicht entgegen. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des Bescheids des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und darüber hinaus ausgeführt:

Gemäß Attest vom 15. Januar 2018 (...) leidet der Kläger an einer chronischen Wundheilungsstörung an beiden Beinen, in letzter Zeit verschlechtert durch einen Diabetes mellitus, an einem diabetischen Fußsyndrom mit Osteomyelitis, was prinzipiell bei nicht optimaler Behandlung zu einem Verlust eines oder beider Beine führen könne, einer reaktiven Depression, einer arteriellen Hypertonie, einer Partialruptur der Supraspinatus-Sehne links und an einer Fehlstellung des linken Beines. Es ist nicht ersichtlich, dass die geltend gemachten multiplen körperlichen Einschränkungen und Krankheiten des Klägers die Abschiebung unmöglich machen. Dass der Kläger nicht reisefähig wäre, wurde in den vorgelegten Attesten nicht angegeben. Der bloße Verweis auf einen Internetartikel der Ärztezeitung, wonach psychischer Stress das Risiko für schwere kardiovaskuläre Komplikationen auch bei Patienten mit stabiler KHK, die eine medikamentöse Sekundärprävention erhielten, erhöhe, reicht hierfür nicht, da es auf die konkreten gesundheitlichen Umstände des Klägers ankommt. Es ist darüber hinaus Aufgabe der mit der Abschiebung betrauten Ausländerbehörde, diese für den Kläger so schonend wie möglich zu gestalten. Letztlich kann der Kläger selbst die belastende Situation einer Abschiebung durch eine freiwillige Ausreise vermeiden. Des Weiteren ist den vorgelegten Attesten nicht zu entnehmen, dass es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Abschiebung zu einer wesentlichen Verschlechterung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung kommen würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c AufenthG). Auch handelt es sich bei den dargelegten Krankheitsbildern nicht um außergewöhnliche medizinische Spezialfälle, sodass auch davon auszugehen ist, dass diese in Lettland behandelbar sind.

g) Auch läuft die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten seit der Ablehnung des Eilantrags durch Beschluss vom 27. Oktober 2017 noch und ist daher noch nicht abgelaufen, so dass es keiner Entscheidung über die Frage bedarf, ob dem Kläger allein aus dem Fristablauf ein subjektivöffentliches Recht erwachsen kann. Die Rückübernahmefrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO kann derzeit also noch gewahrt werden.

2. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) stellt sich ebenfalls als rechtmäßig dar. Wesentliche familiäre Belange wurden nicht substantiiert dargelegt. Denn auch für die Prüfung der Asylanträge seiner Ehefrau und Töchter ist der Zielstaat Lettland zuständig. Die Befristung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffneten gesetzlichen Rahmens von bis zu fünf Jahren. Das nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 07. Apr. 2015 - 2 LA 33/15

bei uns veröffentlicht am 07.04.2015

Tenor Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 5. Kammer, Einzelrichter - vom 15. Januar 2015 wird abgelehnt. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens. Gr

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Aug. 2014 - A 11 S 1285/14

bei uns veröffentlicht am 27.08.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Der am xx.xx.1992

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(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der am xx.xx.1992 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger Er reiste seinen Angaben zufolge am 04.10.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 07.10.2013 einen Asylantrag. Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsyIVfG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger am 22.10.2013 an, im September 2013 mit dem Schiff kommend in Italien eingereist zu sein, wo er auch erkennungsdienstlich behandelt worden sei.
Auf ein Übernahmeersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.12.2013 an die zuständige italienische Behörde reagierte Italien nicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wies Italien mit Schreiben vom 03.03.2014 darauf hin, dass das Übernahmeersuchen gem. Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO als angenommen gelte.
Hierauf stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 12.03.2014 fest, dass der Asylantrag unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Die Zustellung des Bescheids an den Kläger erfolgte am 17.03.2014.
Am 19.03.2014 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart, die nicht näher begründet wurde und mit der er die Aufhebung des Bescheids vom 12.03.2014 und die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens begehrte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Ein beim Verwaltungsgericht am 19.03.2014 gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 07.04.2014 - A 4 K 1411/14 - zugestellt am 09.04.2014).
Durch Urteil vom 05.05.2014 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Nach § 27a AsyIVfG sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers sei Italien zuständig. Die Zuständigkeit bestimme sich hier nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (VO Dublin II), da noch unter der Geltung der VO Dublin II um Aufnahme nachgesucht worden sei (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 343/2003 i.V.m. Art. 49 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III). Damit sei Italien gemäß Art. 16 Abs. 1 VO Dublin II gehalten, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 VO Dublin II wiederaufzunehmen. Im Rahmen des Art. 20 bestehe dabei zum einen die Möglichkeit, dass der ersuchte Mitgliedstaat der Wiederaufnahme ausdrücklich zustimme (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. d); zum anderen könne davon ausgegangen werden, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiere, wenn er innerhalb der Frist von einem Monat bzw. der Frist von zwei Wochen, wenn das Wiederaufnahmegesuch Hinweise enthalte, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen könne, dass er zuständig sei, keine Antwort erteile (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. c). Im vorliegenden Fall habe die Beklagte am 30.12.2013 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden gerichtet. Dieses Übernahmeersuchen sei bis heute unbeantwortet geblieben. Damit stehe gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c) fest, dass Italien der Wiederaufnahme des Klägers (stillschweigend) zugestimmt habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union könne der Asylbewerber in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers zugestimmt habe bzw. eine solche Zustimmung als erteilt gelte, einer Überstellung nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden. Es obliege dem Asylbewerber, der sich auf systemische Mängel im jeweiligen Aufnahmestaat berufe, diese unter Angabe von Quellen darzulegen Der Kläger habe das Vorliegen solcher systemischer Mängel für Italien nicht geltend gemacht, solche seien im Übrigen für das Gericht auch nicht erkennbar Die Abschiebungsanordnung sei ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordne das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne, d. h. rechtlich und tatsächlich möglich sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines inländischen Vollstreckungshindernisses, das vom Bundesamt bei Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG zu prüfen sei, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das Urteil wurde dem Kläger am 09.05.2014 zugestellt.
Am 10.06.2014 (Dienstag nach Pfingsten) hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.
10 
Durch Beschluss vom 02.07.2014 hat der Senat hinsichtlich der im Bescheid vom 12.03.2014 enthaltenen Abschiebungsanordnung (Ziffer 2) die Berufung zugelassen und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Der Beschluss wurde dem Kläger am 10.07.2014 zugestellt.
11 
Am 11.08.2014 (einem Montag) hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet.
12 
Er trägt vor: § 34a Abs. 1 AsylVfG sei nicht mit Unionsrecht vereinbar, weil es eine Abschiebung anordne, die typischerweise mit Mitteln des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werde und dadurch eine Eingriffsschärfe aufweise, die unverhältnismäßig sei und bei realistischer Betrachtung das abgestufte Regelungswerk der Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung ausschließe, welches das Unionsrecht vorgebe. Es sei auch keine unionsrechtskonforme Auslegung oder Handhabung möglich, da der Inhalt des Begriffes der Abschiebungsanordnung einen zwingenden Imperativ enthalte, von dem nicht ersichtlich sei, wie von ihm abgerückt werden könne. Die Abschiebungsanordnung sei ein dem Aufenthaltsrecht durchaus bekanntes Regelungsinstrument, es finde sich ebenfalls in der Regelung des § 58a AufenthG. Danach könne die Oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer unter anderem zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorherige Ausweisung eine Abschiebungsandrohung erlassen. Hier sei eine hohe Eingriffsschwelle gegeben. Es bedeute für einen Flüchtling eine diskriminierende Behandlung, wenn er durch die identische Rechtsfolge des angeordneten Verwaltungshandelns im Grunde genommen mit Gefährdern der öffentlichen Sicherheit oder mit Terroristen auf eine Stufe gestellt werde. In materiell-rechtlicher Hinsicht stelle eine Abschiebungsanordnung eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung dar, da sie ohne vorherige Ausweisung ergehen könne und zur Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führe. Sie lasse anders als die Ausweisung keine Abwägung zwischen den Belangen der Betroffenen zu, sondern verabsolutiere einseitig das öffentliche Interesse. Sie schließe auch für dauernd die Wiederkehroption aus (§ 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG). Insofern stelle die Abschiebungsanordnung ein bislang dem deutschen Recht nicht bekanntes schärfstes Schwert zur Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts dar. Bei realistischer und praktischer Betrachtung sei es für einen betroffenen Asylbewerber selbst dann, wenn die Behörde die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht ausführe, wohl eher nicht möglich, sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben. Die „Selbstüberstellung" sei aus der Sicht eines einfachen Flüchtlings kaum durchführbar, da Akte der Zusammenarbeit und der Kontaktaufnahme zwischen den Behörden der beiden zuständigen Mitgliedstaaten notwendig seien und es schwer vorstellbar sei, wie und auf welche Art und Weise ein Flüchtling sich anschicken solle, selbst die Reise anzutreten, denn es müsse geregelt sein, wohin genau er sich begeben müsse und wie die Reise vonstattengehen solle. Deshalb würden auch so wenige Überstellungsentscheidungen später tatsächlich vollzogen. Die Ausführungen der Beklagten zu der Rechtsterminologie würden ebenfalls nicht weiterhelfen. Es sei zunächst darauf hinzuweisen, dass die Regelung im Unionsrecht, wonach die Überstellung „gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates" erfolge, keine Freigabe enthalte, Maßnahmen zu ergreifen, die über eine „Überstellung" hinausgingen, der Begriff der Überstellung markiere einen Rahmen. Dieser werde zum Beispiel in der englischen Sprache mit „Transfer" beschrieben. Für den Begriff der „Abschiebung" gebe es sowohl in der englischen als auch in der französischen Sprache einen eigenständigen Begriff, nämlich den der sogenannten „Deportation". Somit handele es sich um zwei unterschiedliche Arten des Verwaltungshandelns. „Überstellung" schließe nicht als allgemeiner Begriff eine „Abschiebung" mit ein. Aus der Sicht des Klägers bedeute die „Überstellung" eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung, nämlich eine Aufenthaltsbeendigung „sui generis", welche die Notwendigkeit einer eigenständigen Ergänzung des Asylverfahrensgesetzes oder des Aufenthaltsgesetzes erforderlich gemacht hätte. Gegebenenfalls müssten auch die Detailregelungen VO Dublin III direkt angewandt werden. Auch verlange Art. 19 Abs. 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II, dass im Bescheid bereits die Frist für die Überstellung und ggf. der Zeitpunkt und der Ort anzugeben seien, zu dem oder an dem sich der Betroffene zu melden habe; diesen Anforderungen genüge der Bescheid der Beklagten nicht.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 05.05.2014 - A 4 K 1410/14 - zu ändern und Ziff. 2 des Bescheides der Beklagten vom 12.03.2014 aufzuheben.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie führt aus: § 34a Abs. 1 AsylVfG stehe nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben, zumindest sei er einer Auslegung zugänglich, die die Wirksamkeit der Vorschrift unberührt lasse. Soweit geltend gemacht werde, § 34a Abs. 1 AsylVfG verstoße gegen die in Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin genannten drei unterschiedlichen Modalitäten der Überstellung, sei zunächst fraglich, ob der europäische Verordnungsgeber den Mitgliedstaaten überhaupt die Vorgabe habe machen wollen, grundsätzlich alle drei Überstellungsmodalitäten nebeneinander vorzusehen, oder ob er dem nationalen Gesetzgeber insoweit einen Gestaltungsspielraum eingeräumt habe. Hinsichtlich der deutschen Gesetzeslage sei insbesondere die Frage von Bedeutung, ob dem Asylbewerber die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, sich auf eigene Initiative innerhalb einer vorgegebenen Frist in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben. Letzteres sei vom Wortlaut her nicht zwingend. Für einen Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers spreche vielmehr die Formulierung, "die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen". Von einem Gestaltungsspielraum gehe auch Art. 29 Abs. 1 Satz 1 VO Dublin III aus, wonach die Überstellung "gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaats" erfolge. Der Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften wäre überflüssig, wenn der europäische Verordnungsgeber die Modalitäten der Überstellung abschließend hätte regeln wollen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet sei, eine Durchsetzung der Überstellung ausschließlich im Wege des Verwaltungszwangs vorzusehen. Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin liege damit auch dann nicht vor, wenn § 34a AsylVfG keine freiwillige Ausreise zulassen sollte. Es sei auch fraglich, ob der betroffene Asylbewerber durch eine nach § 34a Abs. 1 AsylVfG ergangene Abschiebungsanordnung rechtlich gehindert sei, sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben. Dies sei nicht der Fall. Denn wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG könne die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe nicht vollstreckt werden. Zwar erkläre § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung nur bei rechtzeitiger Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO für unzulässig. Das Recht, gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen, liefe jedoch leer, wenn eine Abschiebung innerhalb dieser Wochenfrist zulässig wäre. Der Zeitraum einer Woche verbleibe dem Asylbewerber also in jedem Fall, um sich freiwillig in den zuständigen Mitgliedstaat zu begeben, es sei denn, er befinde sich in Haft. Haft jedoch komme nach Art. 28 Abs. 1 u. 2 VO Dublin III nur in begründeten Einzelfällen in Betracht. Der mögliche Ausreisezeitraum sei von Gesetzes wegen mit einer Woche klar umrissen, was den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a DVO Dublin genüge. Damit stehe § 34a AsylVfG auch dann nicht im Widerspruch zu Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin, falls diese Vorschrift die Möglichkeit einer Ausreise "auf Initiative" zwingend vorschreiben sollte. Soweit weitergehend vertreten werde, § 34a Abs. 1 AsylVfG verstoße bereits deshalb gegen Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin bzw. Art. 29 Abs. 1 Satz 2 VO Dublin III, weil diese nur eine "Überstellung" zuließen, nicht jedoch eine "Abschiebung", werde verkannt, dass europäische Rechtstexte, die regelmäßig in englischer oder französischer Sprache verfasst und für die Übersetzung in weitere Sprachen gedacht seien, nicht an der Rechtsterminologie eines einzelnen Mitgliedstaates gemessen werden könnten. Die Formulierung "Überstellungen (..) in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung" (engl. "transfers (...) carried out by supervised departure or under escort") sei deshalb im "untechnischen" Sinne zu verstehen. Sowohl die "kontrollierte Ausreise" als auch die "begleitete Ausreise" ließen sich unter den deutschen Rechtsbegriff der "Abschiebung" subsumieren, so dass bei zutreffender Auslegung ein Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben nicht bestehe.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
19 
Dem Senat liegen die Akten der Beklagten und die Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie unter Stellung eines Antrags frist- und formgerecht begründet.
21 
Die Berufung bleibt jedoch ohne Erfolg.
22 
I. Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung vom 12.03.2014 ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
23 
1. Diese Bestimmung ist nach Maßgabe der folgenden Ausführungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) wie auch der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) vereinbar. Der Senat kann daher offen lassen, ob hier im Hinblick auf Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III auf das eigentliche Überstellungsverfahren, das erst nach dem 31.12.2013 eingeleitet wurde, schon die Neufassung anzuwenden ist, auch wenn das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchen bereits vor dem 01.01.2014 gestellt worden war.
24 
a) Es widerspricht insbesondere nicht dem Union, wenn nach dem nationalen Recht zwingend der Erlass einer Abschiebungsanordnung vorgesehen ist, die nach ihren Tatbestandsvoraussetzungen verlangt, dass feststehen muss, dass die Abschiebung in den jeweiligen Zielstaat durchgeführt werden kann. Denn der Wortlaut ist zumindest in einer Weise offen, dass hieraus nicht abgleitet werden kann, dass eine Abschiebung ausnahmslos stattfinden muss, selbst wenn Union dem entgegensteht.
25 
Nach Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II teilt u. a. im Fall des Art. 16 Abs. 1 lit. e) der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme mit. Diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und „gegebenenfalls“ der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist. Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 27 Absatz 2 VO Dublin II festgelegt wird. Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen gemeldet hat. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II erfolgt die Überstellung gemäß den nationalen Rechtsvorschriften.
26 
Diese Regelungen entsprechen den für die Aufnahme geltenden Vorgaben in Art. 19 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 und Abs. 3 UA 1 und 2 VO Dublin II.
27 
Die VO Dublin III unterscheidet hinsichtlich des Überstellungsverfahrens nicht mehr zwischen der Aufnahme und der Wiederaufnahme und trifft insoweit einheitliche Regelungen. Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III bestimmt, dass die Entscheidung nach Absatz 1 eine Rechtsmittelbelehrung enthält, die, falls „erforderlich“, auch auf das Recht, die aufschiebende Wirkung zu beantragen, hinzuweisen hat; außerdem hat sie Informationen zu enthalten über die Frist für die Durchführung der Überstellung mit erforderlichenfalls Angaben über den Ort und den Zeitpunkt, an dem oder zu dem sich die betreffende Person zu melden hat, wenn diese Person sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Art. 29 Abs. 1 VO Dublin III regelt, dass die Überstellung gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats erfolgt.
28 
Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02.09.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (ABl. 2003, Nr. L 222 S. 3 - im Folgenden DVO Dublin), der nicht durch die DVO (EU) Nr. 118/2014 vom 30.01.2014 (ABl. Nr. L 39, 1) geändert wurde, sieht vor, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen kann: a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist, b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden oder c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird. Nach Art. 7 Abs. 2 der genannten Durchführungsverordnung erhält der Asylbewerber in den Fällen des Absatzes 1 lit. a) und b) einen Passierschein und im Fall lit. c) ein Laissez-passer.
29 
Das insoweit unmittelbar anzuwendende Unionsrecht geht - in Kenntnis des Risikos, dass der Asylbewerber diese ihm eingeräumte Möglichkeit missbrauchen kann - nach den dargestellten Bestimmungen somit unzweifelhaft von der Möglichkeit einer freiwilligen oder kontrollierten Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat aus. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob diese Möglichkeit nur dann zu gewähren ist, wenn auch das nationale Recht die freiwillige oder kontrollierte Ausreise bei Dublin-Überstellungen ausdrücklich vorsieht, oder ob es eine bindende unionsrechtliche Vorgabe darstellt, dass jeder Mitgliedstaat - quasi als milderes Mittel - auch eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise vorsehen muss und in welchem (rechtlichen) Rahmen dies zu geschehen hat.
30 
b) Unter Berufung auf die in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II enthaltene Klausel „gegebenenfalls“, die auch so schon im Kommissionsentwurf enthalten war (vgl. Art. 21 KOM/2001/0447endg.), sowie den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften, wird die Auffassung vertreten, eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise sei nur dann zu ermöglichen, wenn das innerstaatliche Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehe, was im deutschen Recht nicht der Fall sei. Dies werde auch dadurch belegt, dass Art. 7 DVO Dublin die dort genannten Alternativen der Aufenthaltsbeendigung nicht in ein Rangverhältnis stelle und die begleitete Überstellung nicht von dem Erfordernis der vorher eingeräumten Möglichkeit der freiwilligen Ausreise oder kontrollierten Ausreise abhängig gemacht werde (HessVGH, Beschluss vom 31.08.2006 - 9 UE 1464/06.A - juris). Wenn nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen könne, so bedeute dies nur, dass die Wahl des Vorgehens im Einzelfall allein nach den innerstaatlichen Vorschriften erfolge (so etwa VG Stuttgart, Beschluss vom 29.03.2005 - A 18 K 10372/05 - juris Rn. 3). Gem. Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin bestehe eine durch innerstaatliches Recht auszufüllende Gestaltungsmöglichkeit eines jeden Mitgliedstaats (VG Bremen, Urteil vom 25.10.2006 - 1 K 222/05.A - juris Rn. 20). Die Verwendung des Wortes „gegebenenfalls“ zeige, dass es grundsätzlich in der Entscheidungsfreiheit des die Überstellung durchführenden Mitgliedstaats liege, ob tatsächlich eine freiwillige Überstellung erfolgen solle, mithin jedenfalls kein Rechtsanspruch des Asylbewerbers auf eine solche Vorgehensweise bestehen könne. Der Erlass einer Abschiebungsanordnung wird mit diesen Überlegungen als unionsrechtskonform angesehen (vgl. auch BremOVG, Beschluss vom 03.11.2009 - 2 A 460/06 - juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 25.02.2008 - 21 B 06.30145 - juris - Rn. 20; a.A. aber etwa GK-AsylVfG, § 34a Rn. 53 und § 27a Rn. 252 ff. ; Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 27a AsylVfG Rn. 2).
31 
c) Dem folgt der Senat nicht. Der Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften besagt nur, dass die Verordnung insoweit keine abschließende, ins Einzelne gehende Regelung treffen wollte, was das gesamte Verfahren der Aufenthaltsbeendigung bzw. Überstellung betrifft, nicht aber, dass es im Belieben eines jeden Mitgliedstaats stehen soll, nationale Regelungen zu treffen, die eine Überstellung ausschließlich im Wege der Abschiebung, d.h. einer förmlichen Vollstreckung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs zulassen. Sowohl der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III liegt vielmehr zugrunde, dass die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine konkrete Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll, denn die unionsrechtlich vorgesehenen Varianten der Aufenthaltsbeendigung werden zumindest auch mit Blick auf die Betroffenen und deren hiervon berührte Interessen eröffnet, weshalb auch in diesem Sinne von ihnen Gebrauch zu machen ist. Dieses Ermessen ist nationalrechtlich für die Bundesrepublik allerdings in zulässiger Weise durch § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG gebunden.
32 
Dem steht die von der VO Dublin II verwendete „Gegebenenfalls-Klausel“, die sich in der VO Dublin III in sinngemäßer, aber inhaltsgleicher Weise in Art. 26 Abs. 2 wiederfindet, nicht entgegen. Diesen Begriff als eine derart weitgehende „Öffnungsklausel“ für das nationale Recht einzustufen, stellt eine nicht gerechtfertigte Überinterpretation dar; nichts anderes gilt für den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften. Die Klausel bezieht sich nur auf eine Notwendigkeit, dem oder der Betroffenen Ort und Zeit zu nennen, wo bzw. wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat zu melden hat, wenn die Überstellung auf freiwilliger Basis ermöglicht wird. Durch die Nennung dieser Daten wird sichergestellt, dass der Asylbewerber seinen „Treffpunkt“ kennt - falls er (oder ihn betreuende Organisationen oder sein Rechtsanwalt) nicht ohnehin im Rahmen einer Ausreise aus eigener Initiative unmittelbar mit den für ihn zuständigen Stellen im Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmemitgliedstaat im Vorfeld Kontakt aufgenommen hat und ihm daher bekannt ist, wann und wo er sich einzufinden hat. Im Übrigen kann die Bekanntgabe von Ort und Zeit auch dazu dienen, dem zuständigen Mitgliedstaat die Mitteilung an den ersuchenden Staat über das Eintreffen des Asylbewerbers zu erleichtern (vgl. Art. 19 Abs. 3 UA 3 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II bzw. Art. 29 Abs. 1 UA 4 VO Dublin III). Soweit die VO Dublin II in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. in Art. 20 Abs. 1 lit d) Satz 2 bzw. die VO Dublin III in Art. 29 Abs. 1 UA 1 auf die „Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts“ abstellen, zwingt dies nicht dazu, von einer unbegrenzten Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten auszugehen. Mit einer solchen Sicht der Dinge würde nicht angemessen berücksichtigt, dass Zwangsmittel nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen möglichst zurückhaltend einzusetzen sind (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151). Der Umstand, dass jedes staatliche Handeln dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss und eine zwangsweise Durchsetzung einer Ausreisepflicht – ungeachtet der hierdurch möglicherweise nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG verbundenen Rechtsfolgen – stets mit erheblichen Beeinträchtigungen von Freiheitsrechten verbunden ist (vgl. auch den 15. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 19. und 32. Erwägungsgrund der VO Dublin III), spricht auch dafür, dass es unionsrechtlich nicht zulässig ist, völlig ungeachtet der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen die Überstellung allein im Wege der Abschiebung vorzusehen und durchzuführen. Da bei einer Abschiebung immer auch Grundrechte (Art. 2 Abs. 1 GG und ggf. Art. 2 Abs. 2 GG bzw. Art. 6 GRCh) betroffen sind, steht für den Senat außer Zweifel, dass die Art der Überstellung und deren Durchführung an ihnen zu messen sind und in letzter Konsequenz eigene einklagbare Rechte des Asylbewerbers betreffen. Für die neue Rechtslage wird dies durch den 24. Erwägungsgrund der VO Dublin III, namentlich dessen Satz 2, unterstrichen, wonach die Mitgliedstaaten sich durch entsprechende Informationen des Antragstellers für Überstellungen auf freiwilliger Basis einsetzen und sicherstellen sollten, dass Überstellungen in Form der kontrollierten Ausreise oder Begleitung in humaner Weise und in voller Übereinstimmung mit den Grundrechten und unter Achtung der Menschenwürde sowie dem Wohl des Kindes etc. vorgenommen werden. Dieser „Sicherstellungsauftrag“ verbietet eine Interpretation der Verordnung dahingehend, dass es in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt sein könnte, ob sie die Möglichkeit einer Überstellung in freiwilliger oder kontrollierter Form vorsehen wollen (ebenso Filzwieser/Sprung, Dublin II VO, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151 u. zu Art. 7 DVO K4, S. 224).
33 
c) Aus den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III lässt sich allerdings nicht entnehmen, den Betroffenen müsste zunächst generell die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in der Weise eingeräumt werden, dass ihnen – dem deutschen allgemeinen Aufenthaltsrecht vergleichbar (vgl. § 59 AufenthG) – die Abschiebung unter Setzung einer Frist zu freiwilligen Ausreise angedroht werden muss (vgl. auch § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Deshalb kann die Entscheidung über den konkreten Vollzug der Überstellungentscheidung den hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder überlassen werden und bedarf keiner Regelung im Bescheid des Bundesamts, der aus den dargestellten Gründen des Unionsrechts nur nicht in der Weise verstanden werden darf, dass eine Überstellung lediglich in der Form der Abschiebung, d.h. der begleiteten Überstellung erfolgen darf (wohl auch BVerwG, Beschluss vom 18.12.2008 - 10 B 40/08 - juris Rn. 3, wonach es an einer Darlegung fehle, warum sich im Fall des Klägers, der seinen Asylantrag erst nach Aufgriff durch die Polizei im Anschluss an einen - nach seinen Angaben - zweiwöchigen Aufenthalt im Bundesgebiet gestellt habe, der Erlass und die Vollstreckung einer Abschiebungsanordnung infolge einer Ermessensreduzierung nicht aufgedrängt haben solle; VG München, Beschluss vom 24.01.2014 - M 4 S 14.30061 - juris Rn. 20, wonach die Entscheidung über die Art und Weise der Überstellung Aufgabe der Ausländerbehörde sei und es ist nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller von Anfang an zur freiwilligen Ausreise bereit gewesen wäre; ebenso VG Berlin, Beschluss vom 27.11.2013 - 33 L 500.13 A - juris Rn. 27, vgl. auch VG Freiburg, Beschluss vom 30.10.2006 - A 3 K 710/06 - juris Rn. 4, wonach keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass sich die Antragstellerin überhaupt auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begeben wolle). Allerdings könnte der Wortlaut der Bestimmungen der Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II bzw. des Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III auch so gedeutet werden, dass all das, was die Überstellung betrifft, also die Entscheidung über die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einschließlich der Modalitäten der Überstellung, in einer einzigen Entscheidung geregelt werden soll, gegen die dann Rechtsschutz möglich ist; zwingend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Es ist nämlich zu bedenken, dass der gesamte Komplex des Verwaltungsvollzugs und dessen Ausgestaltung regelmäßig Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, so dass auch ein Ineinandergreifen verschiedener Behördenzuständigkeiten durch das Unionsrecht akzeptiert wird mit der Folge, dass in Konsequenz des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland der Vollzug im Einzelnen von den zuständigen Ausländerbehörden der Länder durchzuführen und zu organisieren ist. Insoweit kommt dann der in beiden Verordnungen enthaltene Vorbehalt zugunsten der nationalen Rechtsvorschriften zum Tragen, wenn wie hier, keine eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben gemacht werden. Wesentlich ist allein, dass die Entscheidung über die konkrete Form der geplanten Überstellung und alle Einzelheiten und Modalitäten so rechtzeitig getroffen und gleichermaßen rechtzeitig den Betroffenen bekanntgeben werden, dass sie noch effektiven Rechtsschutz erlangen können, sofern sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, die von der nach nationalem Recht für den Vollzug zuständigen Behörde getroffenen wurde.
34 
Der Senat leitet dieses Ergebnis auch aus der Tatsache ab, dass etwa die Informationsrechte nach Art. 4 VO Dublin III i.V.m. den Anhängen X bis XIII der DVO Dublin zu umfangreichen bis ins Detail gehenden Vorgaben führen, worüber der Asylbewerber zu belehren und zu informieren ist. Ihm werden die Fristen für die Überstellung und die möglichen Rechtsmittel erklärt. Es findet sich aber kein Hinweis auf die Arten der Überstellung, insbesondere auch nicht zur freiwilligen Ausreise. Das spricht dagegen, dass nach den beiden Verordnungen generell die freiwillige Ausreise einzuräumen ist - auch wenn die VO Dublin II diese umfangreichen Informationsblätter noch nicht kannte. Des Weiteren spricht die in Art. 7 Abs. 1 der DVO zum Ausdruck kommende Wahlfreiheit dafür, es allein der Entscheidung im Einzelfall zu überlassen, wie die Überstellung erfolgt.
35 
Will der Betroffene freiwillig ausreisen, so müssen ihm folglich die Einzelheiten (bis wann er ausgereist sein muss, wo und wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat einzufinden hat) durch die Ausländerbehörde im Außenverhältnis (und nicht durch das Bundesamt) mitgeteilt werden. Eine Konsequenz des seit 06.09.2013 nunmehr ausdrücklich in § 34a Abs. 2 AsylVfG eröffneten Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO (der im Übrigen auch schon für Überstellungen nach der VO Dublin II gilt, falls diese hier noch anzuwenden sein sollte) ist, dass, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, Abschiebungen nunmehr erst konkret geplant werden, wenn die Wochenfrist für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelaufen ist, weshalb auch aus diesem Grund eine ins Detail gehende Regelung durch das Bundesamt in der von ihm zu erlassenden Verfügung nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wenig praktikabel wäre und v.a. auch nicht immer ausreichend zeitnah die konkreten individuellen Verhältnisse der Betroffenen in den Blick nehmen könnte. Die Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genügt für die Betroffenen ebenfalls, um sich mit der Ausländerbehörde in Verbindung zu setzen und die Möglichkeiten einer freiwilligen Ausreise zu klären. Kommt die zuständige Ausländerbehörde zu der Auffassung, dass eine Abschiebung (zunächst) nicht erforderlich ist und unverhältnismäßig wäre und insbesondere die Abschiebungsvoraussetzungen nach § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, sind die dargestellten weiteren Einzelheiten von ihr zu veranlassen. Eine Konsequenz der unterschiedlichen Behördenzuständigkeit ist allerdings, dass unterschiedlicher bzw. zusätzlicher Rechtsschutz erforderlich werden kann. Das ist etwa dann denkbar, wenn der Asylbewerber sich primär gegenüber der Beklagten z.B. mit dem Argument, Deutschland sei für sein Asylverfahren zuständig (geworden), gegen die Aufnahme oder Wiederaufnahme wendet, er allerdings jedenfalls auch seine freiwillige Ausreise durchsetzen möchte, die ihm bisher als Möglichkeit von der Ausländerbehörde verweigert wird (gegen den Träger der zuständigen Ausländerbehörde). Solches ist jedoch nicht unzumutbar, zumal dadurch auch eine zeitnahe Beurteilung der konkreten Verhältnisse möglich ist.
36 
2. a) Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht die Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsanordnung auch nicht deshalb infrage, weil etwa die Überstellung nach Italien nicht mehr durchgeführt werden könnte. Geht man davon aus, dass das Übernahmeersuchen am 30.12.2013 an Italien übermittelt wurde, so war die hier maßgebliche Beantwortungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 VO Dublin II von zwei Wochen am 13.01.2014 abgelaufen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II wäre dann möglicherweise am Montag, den 14.07.2014, abgelaufen mit der Folge, dass die Bundesrepublik wieder zuständig geworden wäre. Unklar ist in diesem Zusammenhang, welche Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen sind, das im vorliegenden Fall ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes – allerdings mit für den Kläger negativem Ausgang – durchgeführt worden war, während dessen Anhängigkeit gem. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG eine Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig war, und dass auch vom Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung der Beklagten an den Kläger bis zur Antragstellung mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bzw. Art. 47 Abs. 1 GRCh ein vorübergehendes Abschiebungsverbot bestanden hatte. Nach den in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II oder Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III enthaltenen Wertungen kann kaum angenommen werden, dass die Überstellungsfrist in dieser Zeit uneingeschränkt läuft und in letzter Konsequenz ablaufen kann. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu betonen, dass der unionsrechtliche Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ nicht in dem spezifischen rechtstechnischen Sinn des deutschen Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts verstanden werden kann und darf, da das Unionsrecht keine genauere Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens bzw. Rechtschutzsystems vornimmt, sondern den nationalen Regelungsbestand voraussetzt (vgl. zu alledem auch GK-AsylVfG, § 27a Stand November 2013 Rn. 227 ff.). Nach Auffassung des Senats hält sowohl die VO Dublin II wie auch die VO Dublin III für diese Fallkonstellation keine angemessene Regelung vor (a.A. aber wohl VG Göttingen, Beschluss vom 30.06.2014 - 2 B 86/14 - juris, das zu Unrecht nicht einmal eine Ablaufhemmung annimmt, sondern den Fristlauf ausschließlich mit Ergehen eines positiven Beschlusses beginnen lassen will, was aber einer sehr formalistischen Betrachtungsweise geschuldet ist, die die von den entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen berücksichtigten Belange der Mitgliedstaaten, die der Europäische Gerichtshof in der Sache Petrosian, Urteil vom 29.1.2009 - C- 19/08 - InfAuslR 2009, 139, herausgearbeitet hat, und die notwendigen Rechtsfolgen einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht angemessen in den Blick nimmt). Der EuGH hat im genannten Urteil u.a. Folgendes ausgeführt:
37 
„…32. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers in den Mitgliedstaat, der ihn wieder aufnehmen muss, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Nach Art. 20 Abs. 2 geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird.
38 
33. Der Wortlaut dieser Bestimmungen an sich erlaubt nicht die Feststellung, ob die Frist zur Durchführung der Überstellung bereits ab einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, oder erst ab einer gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des genannten Verfahrens entschieden wird.
39 
34. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Mai 2000, KVS International, C-301/98, Slg. 2000, I-3583, Randnr. 21, und vom 23. November 2006, ZVK, C-300/05, Slg. 2006, I-11169, Randnr. 15).
40 
35. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 in Verbindung mit Abs. 1 Buchst. c können je nach den Umständen drei Ereignisse den Lauf der Frist von sechs Monaten auslösen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um die Überstellung des Asylbewerbers durchzuführen. Es kann sich erstens um die Entscheidung des ersuchten Mitgliedstaats handeln, die Wiederaufnahme des Asylbewerbers zu akzeptieren, zweitens um den fruchtlosen Ablauf der Frist von einem Monat, die dem ersuchten Mitgliedstaat für eine Stellungnahme zum Antrag des ersuchenden Mitgliedstaats auf Wiederaufnahme des Asylbewerbers gesetzt worden ist, und drittens um die Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser im ersuchenden Mitgliedstaat aufschiebende Wirkung hat.
41 
36. Diese drei Ereignisse müssen in Abhängigkeit davon analysiert werden, ob es in den Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gibt oder nicht, wobei das Ziel zu berücksichtigen ist, dessentwegen die Verordnung Nr. 343/2003 eine Frist für die Durchführung der Überstellung vorsieht.
42 
37. Hierbei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden.
43 
38. Wie aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 hervorgeht, läuft in der ersten Konstellation, wenn kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorgesehen ist, die Frist zur Durchführung der Überstellung ab der ausdrücklichen oder vermuteten Entscheidung, durch die der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Betreffenden akzeptiert, unabhängig von den Unwägbarkeiten, denen der Rechtsbehelf unterliegt, den der Asylbewerber gegebenenfalls gegen die seine Überstellung anordnende Entscheidung vor den Gerichten des ersuchenden Mitgliedstaats erhoben hat.
44 
39. Dann bleiben lediglich die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln und insbesondere deren Datum festzusetzen.
45 
40. In diesem Zusammenhang erlegt Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dem ersuchenden Mitgliedstaat eine Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung auf. Somit verfolgt diese Frist in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt.
46 
41. Außerdem ergibt sich aus der Darlegung der Gründe zu dem von der Kommission am 26. Juli 2001 vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat (KOM[2001] 447 endg., S. 5, 19 und 20), dass die Kommission gerade deshalb, um den für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Überstellung bestehenden praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, vorgeschlagen hat, die Frist für die Durchführung der Überstellung zu verlängern. Diese Frist, die im am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (ABl. 1997, C 254, S. 1), das durch die Verordnung Nr. 343/2003 ersetzt wurde, mit einem Monat festgesetzt wurde, wurde sodann entsprechend dem genannten Verordnungsvorschlag in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung auf sechs Monate erhöht.
47 
42. Für die zweite Konstellation – wenn der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt – sieht Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung ab der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ läuft.
48 
43. In dieser zweiten Konstellation ist zwar der Beginn der Frist zur Durchführung der Überstellung ein anderer als der, der für die erste angeführte Konstellation festgelegt wird, doch bleibt es dabei, dass sich jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung mit den gleichen praktischen Schwierigkeiten konfrontiert sieht und folglich über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen sollte, um diese Überstellung zu bewerkstelligen. Denn der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 enthält keinen Hinweis darauf, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beabsichtigt hätte, diese beiden Konstellationen unterschiedlich zu behandeln.
49 
44. Daraus folgt, dass angesichts des Ziels, das damit verfolgt wird, dass den Mitgliedstaaten eine Frist gesetzt wird, der Beginn dieser Frist in der zweiten Konstellation so zu bestimmen ist, dass die Mitgliedstaaten wie in der ersten Konstellation über eine Frist von sechs Monaten verfügen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung nutzen sollen.
50 
45. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen.
51 
46. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, mit dem die Frist zur Durchführung der Überstellung festgelegt wird, diese Frist in der zweiten angeführten Konstellation nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann.
52 
47. Dieses Ergebnis wird durch zwei weitere Reihen von Erwägungen bestätigt, die sich einerseits aus der Wahrung des von einem Mitgliedstaat gewährleisteten gerichtlichen Schutzes und zum anderen aus der Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten herleiten.
53 
48. Erstens ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können, wodurch sie dem Asylbewerber ermöglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen.
54 
49. Die Mitgliedstaaten, die Rechtsbehelfe schaffen wollten, die zu Entscheidungen mit aufschiebender Wirkung im Rahmen des Überstellungsverfahrens führen können, dürfen nämlich nicht im Namen der Einhaltung des Erfordernisses einer zügigen Sachbehandlung in eine weniger günstige Lage versetzt werden als diejenigen Mitgliedstaaten, die dies nicht für notwendig erachtet haben.
55 
50. So befände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asylbewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 – wonach, sobald die Frist für die Durchführung der Überstellung einmal abgelaufen ist, die Annahme der Zuständigkeit durch den ersuchten Mitgliedstaat hinfällig wird – letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
56 
51. Die Auslegung der Bestimmungen von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, der den Beginn der Frist festlegt, die dem ersuchenden Mitgliedstaat für die Vornahme der Überstellung des Asylbewerbers gesetzt wird, kann folglich nicht zu dem Ergebnis führen, dass sich der ersuchende Mitgliedstaat im Namen der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts über die aufschiebende Wirkung der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung hinwegsetzen müsste, die im Rahmen eines Rechtsbehelfs ergangen ist, der eine derartige Wirkung haben kann, die dieser Staat in seinem innerstaatlichen Recht doch vorsehen wollte.
57 
52. Was zweitens die Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten angeht, ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Auslegung von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dahin, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung bereits ab der vorläufigen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung läuft, das nationale Gericht, das die Einhaltung dieser Frist mit der Beachtung einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung vereinbaren wollte, veranlasst wäre, über die Rechtmäßigkeit des Überstellungsverfahrens vor Ablauf der genannten Frist durch eine Entscheidung zu befinden, die gegebenenfalls wegen Zeitmangels der Richter nicht in zufriedenstellender Weise dem komplexen Charakter des Rechtsstreits Rechnung tragen konnte. Wie einige Regierungen und die Kommission in ihren dem Gerichtshof vorliegenden Stellungnahmen betonen, liefe eine derartige Auslegung dem genannten Grundsatz zuwider, wie er in der Gemeinschaftsrechtsprechung niedergelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. September 2003, Safalero, C-13/01, Slg. 2003, I-8679, Randnr. 49, und vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 39)…“
58 
Die vorliegend vom Senat zu beurteilende Fallkonstellation wurde vom Europäischen Gerichtshof nicht genauer angesprochen, geschweige denn beschieden. Die VO Dublin II, aber auch die VO Dublin III, die insoweit keine Änderungen gebracht hat, befassen sich mit dieser Fallgestaltung nicht. Orientiert man sich (zu) eng am Wortlaut der Bestimmungen, so wäre der Fristlauf nicht gehemmt, noch viel weniger wäre die Frist erst mit der Bekanntgabe der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt worden. Außerdem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Verfassungsrechts wie auch einfachen Gesetzesrechts bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unmöglich ist, die Überstellung durchzuführen, mit der Folge, dass bei einem langwierigeren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine Überstellung möglich gewesen wäre. Andererseits akzeptiert, wie der Europäische Gerichtshof im genannten Urteil ausdrücklich herausgearbeitet hat, das Unionsrecht ausdrücklich, dass für den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Dieses zugrunde gelegt muss davon ausgegangen werden, dass eine zu schließende Regelungslücke vorliegt. Diese ist in einer Weise zu schließen, die einen möglichst beide Seiten schonenden Interessenausgleich zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedstaat bewirkt. Diesem Anliegen entspricht es aus der Sicht des Senates am besten, wenn hier während des vorübergehenden Vollstreckungshindernisses (in der Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier vom 17.03.2014 bis zum 09.04.2014) eine Ablaufhemmung angenommen wird mit der Folge, dass die Frist sich entsprechend verlängert (vgl. § 209 BGB entspr.). Allerderdings ist dieser Sicht der Dinge immanent, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach der Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat die Überstellungsentscheidung unverzüglich erlassen muss, um nach einer negativen Gerichtsentscheidung noch ausreichend Zeit für die Durchführung der Überstellung zur Verfügung zu haben. Diese Konsequenz entspricht aber durchaus den berechtigen und wohl verstandenen Interessen des ersuchten Mitgliedstaats (und mittelbar auch denen des betroffenen Flüchtlings). Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre die Überstellungsfrist hiernach zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgelaufen mit der Folge, dass die Zuständigkeit gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 29, Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.
59 
b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris) kann allerdings der Kläger den Zuständigkeitsübergang nicht mit Erfolg einwenden, solange die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist. Abgesehen davon ist ihm der Einwand hier auch deshalb abgeschnitten, weil die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids unanfechtbar geworden ist; er müsste insoweit erst ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einleiten. Etwas anderes müsste nur dann gelten, wenn Italien eine zeitnahe Durchführung der Überstellung nunmehr ablehnen würde. Von einer zeitnahen Möglichkeit der Überstellung ist jedoch nach den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auszugehen. Denn die Beklagte hatte Italien im vorliegenden Fall mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist mit Rücksicht auf ein durchgeführtes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erst am 09.10.2014 ablaufe, was darauf beruht, dass die Beklagte der Auffassung ist, die Überstellungsfrist werde erst durch die Zustellung der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt. Nach den plausiblen weiteren Ausführungen des Beklagtenvertreters werden diese nationalen Vorgaben und Mitteilungen jedoch regelmäßig von den ersuchten Mitgliedstaaten akzeptiert, weshalb der Senat davon ausgeht, dass eine Überstellung noch zeitnah möglich ist.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gründe

 
20 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie unter Stellung eines Antrags frist- und formgerecht begründet.
21 
Die Berufung bleibt jedoch ohne Erfolg.
22 
I. Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung vom 12.03.2014 ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
23 
1. Diese Bestimmung ist nach Maßgabe der folgenden Ausführungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (ABl. Nr. L 50, 1 - VO Dublin II) wie auch der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (ABl. Nr. L 180, 31 - VO Dublin III) vereinbar. Der Senat kann daher offen lassen, ob hier im Hinblick auf Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III auf das eigentliche Überstellungsverfahren, das erst nach dem 31.12.2013 eingeleitet wurde, schon die Neufassung anzuwenden ist, auch wenn das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchen bereits vor dem 01.01.2014 gestellt worden war.
24 
a) Es widerspricht insbesondere nicht dem Union, wenn nach dem nationalen Recht zwingend der Erlass einer Abschiebungsanordnung vorgesehen ist, die nach ihren Tatbestandsvoraussetzungen verlangt, dass feststehen muss, dass die Abschiebung in den jeweiligen Zielstaat durchgeführt werden kann. Denn der Wortlaut ist zumindest in einer Weise offen, dass hieraus nicht abgleitet werden kann, dass eine Abschiebung ausnahmslos stattfinden muss, selbst wenn Union dem entgegensteht.
25 
Nach Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II teilt u. a. im Fall des Art. 16 Abs. 1 lit. e) der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme mit. Diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und „gegebenenfalls“ der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Ein gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist. Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 27 Absatz 2 VO Dublin II festgelegt wird. Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen gemeldet hat. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II erfolgt die Überstellung gemäß den nationalen Rechtsvorschriften.
26 
Diese Regelungen entsprechen den für die Aufnahme geltenden Vorgaben in Art. 19 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 und Abs. 3 UA 1 und 2 VO Dublin II.
27 
Die VO Dublin III unterscheidet hinsichtlich des Überstellungsverfahrens nicht mehr zwischen der Aufnahme und der Wiederaufnahme und trifft insoweit einheitliche Regelungen. Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III bestimmt, dass die Entscheidung nach Absatz 1 eine Rechtsmittelbelehrung enthält, die, falls „erforderlich“, auch auf das Recht, die aufschiebende Wirkung zu beantragen, hinzuweisen hat; außerdem hat sie Informationen zu enthalten über die Frist für die Durchführung der Überstellung mit erforderlichenfalls Angaben über den Ort und den Zeitpunkt, an dem oder zu dem sich die betreffende Person zu melden hat, wenn diese Person sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Art. 29 Abs. 1 VO Dublin III regelt, dass die Überstellung gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats erfolgt.
28 
Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 02.09.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (ABl. 2003, Nr. L 222 S. 3 - im Folgenden DVO Dublin), der nicht durch die DVO (EU) Nr. 118/2014 vom 30.01.2014 (ABl. Nr. L 39, 1) geändert wurde, sieht vor, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen kann: a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist, b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden oder c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird. Nach Art. 7 Abs. 2 der genannten Durchführungsverordnung erhält der Asylbewerber in den Fällen des Absatzes 1 lit. a) und b) einen Passierschein und im Fall lit. c) ein Laissez-passer.
29 
Das insoweit unmittelbar anzuwendende Unionsrecht geht - in Kenntnis des Risikos, dass der Asylbewerber diese ihm eingeräumte Möglichkeit missbrauchen kann - nach den dargestellten Bestimmungen somit unzweifelhaft von der Möglichkeit einer freiwilligen oder kontrollierten Ausreise in den zuständigen Mitgliedstaat aus. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob diese Möglichkeit nur dann zu gewähren ist, wenn auch das nationale Recht die freiwillige oder kontrollierte Ausreise bei Dublin-Überstellungen ausdrücklich vorsieht, oder ob es eine bindende unionsrechtliche Vorgabe darstellt, dass jeder Mitgliedstaat - quasi als milderes Mittel - auch eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise vorsehen muss und in welchem (rechtlichen) Rahmen dies zu geschehen hat.
30 
b) Unter Berufung auf die in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II enthaltene Klausel „gegebenenfalls“, die auch so schon im Kommissionsentwurf enthalten war (vgl. Art. 21 KOM/2001/0447endg.), sowie den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften, wird die Auffassung vertreten, eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise sei nur dann zu ermöglichen, wenn das innerstaatliche Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehe, was im deutschen Recht nicht der Fall sei. Dies werde auch dadurch belegt, dass Art. 7 DVO Dublin die dort genannten Alternativen der Aufenthaltsbeendigung nicht in ein Rangverhältnis stelle und die begleitete Überstellung nicht von dem Erfordernis der vorher eingeräumten Möglichkeit der freiwilligen Ausreise oder kontrollierten Ausreise abhängig gemacht werde (HessVGH, Beschluss vom 31.08.2006 - 9 UE 1464/06.A - juris). Wenn nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf eine der folgenden Weisen erfolgen könne, so bedeute dies nur, dass die Wahl des Vorgehens im Einzelfall allein nach den innerstaatlichen Vorschriften erfolge (so etwa VG Stuttgart, Beschluss vom 29.03.2005 - A 18 K 10372/05 - juris Rn. 3). Gem. Art. 7 Abs. 1 DVO Dublin bestehe eine durch innerstaatliches Recht auszufüllende Gestaltungsmöglichkeit eines jeden Mitgliedstaats (VG Bremen, Urteil vom 25.10.2006 - 1 K 222/05.A - juris Rn. 20). Die Verwendung des Wortes „gegebenenfalls“ zeige, dass es grundsätzlich in der Entscheidungsfreiheit des die Überstellung durchführenden Mitgliedstaats liege, ob tatsächlich eine freiwillige Überstellung erfolgen solle, mithin jedenfalls kein Rechtsanspruch des Asylbewerbers auf eine solche Vorgehensweise bestehen könne. Der Erlass einer Abschiebungsanordnung wird mit diesen Überlegungen als unionsrechtskonform angesehen (vgl. auch BremOVG, Beschluss vom 03.11.2009 - 2 A 460/06 - juris Rn. 9; BayVGH, Urteil vom 25.02.2008 - 21 B 06.30145 - juris - Rn. 20; a.A. aber etwa GK-AsylVfG, § 34a Rn. 53 und § 27a Rn. 252 ff. ; Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 27a AsylVfG Rn. 2).
31 
c) Dem folgt der Senat nicht. Der Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften besagt nur, dass die Verordnung insoweit keine abschließende, ins Einzelne gehende Regelung treffen wollte, was das gesamte Verfahren der Aufenthaltsbeendigung bzw. Überstellung betrifft, nicht aber, dass es im Belieben eines jeden Mitgliedstaats stehen soll, nationale Regelungen zu treffen, die eine Überstellung ausschließlich im Wege der Abschiebung, d.h. einer förmlichen Vollstreckung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs zulassen. Sowohl der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III liegt vielmehr zugrunde, dass die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine konkrete Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll, denn die unionsrechtlich vorgesehenen Varianten der Aufenthaltsbeendigung werden zumindest auch mit Blick auf die Betroffenen und deren hiervon berührte Interessen eröffnet, weshalb auch in diesem Sinne von ihnen Gebrauch zu machen ist. Dieses Ermessen ist nationalrechtlich für die Bundesrepublik allerdings in zulässiger Weise durch § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG gebunden.
32 
Dem steht die von der VO Dublin II verwendete „Gegebenenfalls-Klausel“, die sich in der VO Dublin III in sinngemäßer, aber inhaltsgleicher Weise in Art. 26 Abs. 2 wiederfindet, nicht entgegen. Diesen Begriff als eine derart weitgehende „Öffnungsklausel“ für das nationale Recht einzustufen, stellt eine nicht gerechtfertigte Überinterpretation dar; nichts anderes gilt für den Verweis auf die nationalen Rechtsvorschriften. Die Klausel bezieht sich nur auf eine Notwendigkeit, dem oder der Betroffenen Ort und Zeit zu nennen, wo bzw. wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat zu melden hat, wenn die Überstellung auf freiwilliger Basis ermöglicht wird. Durch die Nennung dieser Daten wird sichergestellt, dass der Asylbewerber seinen „Treffpunkt“ kennt - falls er (oder ihn betreuende Organisationen oder sein Rechtsanwalt) nicht ohnehin im Rahmen einer Ausreise aus eigener Initiative unmittelbar mit den für ihn zuständigen Stellen im Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmemitgliedstaat im Vorfeld Kontakt aufgenommen hat und ihm daher bekannt ist, wann und wo er sich einzufinden hat. Im Übrigen kann die Bekanntgabe von Ort und Zeit auch dazu dienen, dem zuständigen Mitgliedstaat die Mitteilung an den ersuchenden Staat über das Eintreffen des Asylbewerbers zu erleichtern (vgl. Art. 19 Abs. 3 UA 3 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 3 VO Dublin II bzw. Art. 29 Abs. 1 UA 4 VO Dublin III). Soweit die VO Dublin II in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. in Art. 20 Abs. 1 lit d) Satz 2 bzw. die VO Dublin III in Art. 29 Abs. 1 UA 1 auf die „Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts“ abstellen, zwingt dies nicht dazu, von einer unbegrenzten Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten auszugehen. Mit einer solchen Sicht der Dinge würde nicht angemessen berücksichtigt, dass Zwangsmittel nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen möglichst zurückhaltend einzusetzen sind (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151). Der Umstand, dass jedes staatliche Handeln dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss und eine zwangsweise Durchsetzung einer Ausreisepflicht – ungeachtet der hierdurch möglicherweise nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG verbundenen Rechtsfolgen – stets mit erheblichen Beeinträchtigungen von Freiheitsrechten verbunden ist (vgl. auch den 15. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 19. und 32. Erwägungsgrund der VO Dublin III), spricht auch dafür, dass es unionsrechtlich nicht zulässig ist, völlig ungeachtet der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen die Überstellung allein im Wege der Abschiebung vorzusehen und durchzuführen. Da bei einer Abschiebung immer auch Grundrechte (Art. 2 Abs. 1 GG und ggf. Art. 2 Abs. 2 GG bzw. Art. 6 GRCh) betroffen sind, steht für den Senat außer Zweifel, dass die Art der Überstellung und deren Durchführung an ihnen zu messen sind und in letzter Konsequenz eigene einklagbare Rechte des Asylbewerbers betreffen. Für die neue Rechtslage wird dies durch den 24. Erwägungsgrund der VO Dublin III, namentlich dessen Satz 2, unterstrichen, wonach die Mitgliedstaaten sich durch entsprechende Informationen des Antragstellers für Überstellungen auf freiwilliger Basis einsetzen und sicherstellen sollten, dass Überstellungen in Form der kontrollierten Ausreise oder Begleitung in humaner Weise und in voller Übereinstimmung mit den Grundrechten und unter Achtung der Menschenwürde sowie dem Wohl des Kindes etc. vorgenommen werden. Dieser „Sicherstellungsauftrag“ verbietet eine Interpretation der Verordnung dahingehend, dass es in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt sein könnte, ob sie die Möglichkeit einer Überstellung in freiwilliger oder kontrollierter Form vorsehen wollen (ebenso Filzwieser/Sprung, Dublin II VO, 3. Aufl., Art. 19 K6, S. 151 u. zu Art. 7 DVO K4, S. 224).
33 
c) Aus den unionsrechtlichen Vorgaben der VO Dublin II wie auch der VO Dublin III lässt sich allerdings nicht entnehmen, den Betroffenen müsste zunächst generell die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in der Weise eingeräumt werden, dass ihnen – dem deutschen allgemeinen Aufenthaltsrecht vergleichbar (vgl. § 59 AufenthG) – die Abschiebung unter Setzung einer Frist zu freiwilligen Ausreise angedroht werden muss (vgl. auch § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Deshalb kann die Entscheidung über den konkreten Vollzug der Überstellungentscheidung den hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder überlassen werden und bedarf keiner Regelung im Bescheid des Bundesamts, der aus den dargestellten Gründen des Unionsrechts nur nicht in der Weise verstanden werden darf, dass eine Überstellung lediglich in der Form der Abschiebung, d.h. der begleiteten Überstellung erfolgen darf (wohl auch BVerwG, Beschluss vom 18.12.2008 - 10 B 40/08 - juris Rn. 3, wonach es an einer Darlegung fehle, warum sich im Fall des Klägers, der seinen Asylantrag erst nach Aufgriff durch die Polizei im Anschluss an einen - nach seinen Angaben - zweiwöchigen Aufenthalt im Bundesgebiet gestellt habe, der Erlass und die Vollstreckung einer Abschiebungsanordnung infolge einer Ermessensreduzierung nicht aufgedrängt haben solle; VG München, Beschluss vom 24.01.2014 - M 4 S 14.30061 - juris Rn. 20, wonach die Entscheidung über die Art und Weise der Überstellung Aufgabe der Ausländerbehörde sei und es ist nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller von Anfang an zur freiwilligen Ausreise bereit gewesen wäre; ebenso VG Berlin, Beschluss vom 27.11.2013 - 33 L 500.13 A - juris Rn. 27, vgl. auch VG Freiburg, Beschluss vom 30.10.2006 - A 3 K 710/06 - juris Rn. 4, wonach keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass sich die Antragstellerin überhaupt auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begeben wolle). Allerdings könnte der Wortlaut der Bestimmungen der Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II bzw. des Art. 26 Abs. 2 VO Dublin III auch so gedeutet werden, dass all das, was die Überstellung betrifft, also die Entscheidung über die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einschließlich der Modalitäten der Überstellung, in einer einzigen Entscheidung geregelt werden soll, gegen die dann Rechtsschutz möglich ist; zwingend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Es ist nämlich zu bedenken, dass der gesamte Komplex des Verwaltungsvollzugs und dessen Ausgestaltung regelmäßig Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, so dass auch ein Ineinandergreifen verschiedener Behördenzuständigkeiten durch das Unionsrecht akzeptiert wird mit der Folge, dass in Konsequenz des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland der Vollzug im Einzelnen von den zuständigen Ausländerbehörden der Länder durchzuführen und zu organisieren ist. Insoweit kommt dann der in beiden Verordnungen enthaltene Vorbehalt zugunsten der nationalen Rechtsvorschriften zum Tragen, wenn wie hier, keine eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben gemacht werden. Wesentlich ist allein, dass die Entscheidung über die konkrete Form der geplanten Überstellung und alle Einzelheiten und Modalitäten so rechtzeitig getroffen und gleichermaßen rechtzeitig den Betroffenen bekanntgeben werden, dass sie noch effektiven Rechtsschutz erlangen können, sofern sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, die von der nach nationalem Recht für den Vollzug zuständigen Behörde getroffenen wurde.
34 
Der Senat leitet dieses Ergebnis auch aus der Tatsache ab, dass etwa die Informationsrechte nach Art. 4 VO Dublin III i.V.m. den Anhängen X bis XIII der DVO Dublin zu umfangreichen bis ins Detail gehenden Vorgaben führen, worüber der Asylbewerber zu belehren und zu informieren ist. Ihm werden die Fristen für die Überstellung und die möglichen Rechtsmittel erklärt. Es findet sich aber kein Hinweis auf die Arten der Überstellung, insbesondere auch nicht zur freiwilligen Ausreise. Das spricht dagegen, dass nach den beiden Verordnungen generell die freiwillige Ausreise einzuräumen ist - auch wenn die VO Dublin II diese umfangreichen Informationsblätter noch nicht kannte. Des Weiteren spricht die in Art. 7 Abs. 1 der DVO zum Ausdruck kommende Wahlfreiheit dafür, es allein der Entscheidung im Einzelfall zu überlassen, wie die Überstellung erfolgt.
35 
Will der Betroffene freiwillig ausreisen, so müssen ihm folglich die Einzelheiten (bis wann er ausgereist sein muss, wo und wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat einzufinden hat) durch die Ausländerbehörde im Außenverhältnis (und nicht durch das Bundesamt) mitgeteilt werden. Eine Konsequenz des seit 06.09.2013 nunmehr ausdrücklich in § 34a Abs. 2 AsylVfG eröffneten Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO (der im Übrigen auch schon für Überstellungen nach der VO Dublin II gilt, falls diese hier noch anzuwenden sein sollte) ist, dass, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, Abschiebungen nunmehr erst konkret geplant werden, wenn die Wochenfrist für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelaufen ist, weshalb auch aus diesem Grund eine ins Detail gehende Regelung durch das Bundesamt in der von ihm zu erlassenden Verfügung nach § 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wenig praktikabel wäre und v.a. auch nicht immer ausreichend zeitnah die konkreten individuellen Verhältnisse der Betroffenen in den Blick nehmen könnte. Die Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG genügt für die Betroffenen ebenfalls, um sich mit der Ausländerbehörde in Verbindung zu setzen und die Möglichkeiten einer freiwilligen Ausreise zu klären. Kommt die zuständige Ausländerbehörde zu der Auffassung, dass eine Abschiebung (zunächst) nicht erforderlich ist und unverhältnismäßig wäre und insbesondere die Abschiebungsvoraussetzungen nach § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, sind die dargestellten weiteren Einzelheiten von ihr zu veranlassen. Eine Konsequenz der unterschiedlichen Behördenzuständigkeit ist allerdings, dass unterschiedlicher bzw. zusätzlicher Rechtsschutz erforderlich werden kann. Das ist etwa dann denkbar, wenn der Asylbewerber sich primär gegenüber der Beklagten z.B. mit dem Argument, Deutschland sei für sein Asylverfahren zuständig (geworden), gegen die Aufnahme oder Wiederaufnahme wendet, er allerdings jedenfalls auch seine freiwillige Ausreise durchsetzen möchte, die ihm bisher als Möglichkeit von der Ausländerbehörde verweigert wird (gegen den Träger der zuständigen Ausländerbehörde). Solches ist jedoch nicht unzumutbar, zumal dadurch auch eine zeitnahe Beurteilung der konkreten Verhältnisse möglich ist.
36 
2. a) Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht die Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsanordnung auch nicht deshalb infrage, weil etwa die Überstellung nach Italien nicht mehr durchgeführt werden könnte. Geht man davon aus, dass das Übernahmeersuchen am 30.12.2013 an Italien übermittelt wurde, so war die hier maßgebliche Beantwortungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 VO Dublin II von zwei Wochen am 13.01.2014 abgelaufen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II wäre dann möglicherweise am Montag, den 14.07.2014, abgelaufen mit der Folge, dass die Bundesrepublik wieder zuständig geworden wäre. Unklar ist in diesem Zusammenhang, welche Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen sind, das im vorliegenden Fall ein Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes – allerdings mit für den Kläger negativem Ausgang – durchgeführt worden war, während dessen Anhängigkeit gem. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG eine Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig war, und dass auch vom Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung der Beklagten an den Kläger bis zur Antragstellung mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bzw. Art. 47 Abs. 1 GRCh ein vorübergehendes Abschiebungsverbot bestanden hatte. Nach den in Art. 19 Abs. 3 UA 1 bzw. Art. 20 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II oder Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO Dublin III enthaltenen Wertungen kann kaum angenommen werden, dass die Überstellungsfrist in dieser Zeit uneingeschränkt läuft und in letzter Konsequenz ablaufen kann. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu betonen, dass der unionsrechtliche Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ nicht in dem spezifischen rechtstechnischen Sinn des deutschen Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts verstanden werden kann und darf, da das Unionsrecht keine genauere Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens bzw. Rechtschutzsystems vornimmt, sondern den nationalen Regelungsbestand voraussetzt (vgl. zu alledem auch GK-AsylVfG, § 27a Stand November 2013 Rn. 227 ff.). Nach Auffassung des Senats hält sowohl die VO Dublin II wie auch die VO Dublin III für diese Fallkonstellation keine angemessene Regelung vor (a.A. aber wohl VG Göttingen, Beschluss vom 30.06.2014 - 2 B 86/14 - juris, das zu Unrecht nicht einmal eine Ablaufhemmung annimmt, sondern den Fristlauf ausschließlich mit Ergehen eines positiven Beschlusses beginnen lassen will, was aber einer sehr formalistischen Betrachtungsweise geschuldet ist, die die von den entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen berücksichtigten Belange der Mitgliedstaaten, die der Europäische Gerichtshof in der Sache Petrosian, Urteil vom 29.1.2009 - C- 19/08 - InfAuslR 2009, 139, herausgearbeitet hat, und die notwendigen Rechtsfolgen einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht angemessen in den Blick nimmt). Der EuGH hat im genannten Urteil u.a. Folgendes ausgeführt:
37 
„…32. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers in den Mitgliedstaat, der ihn wieder aufnehmen muss, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Nach Art. 20 Abs. 2 geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird.
38 
33. Der Wortlaut dieser Bestimmungen an sich erlaubt nicht die Feststellung, ob die Frist zur Durchführung der Überstellung bereits ab einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, oder erst ab einer gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des genannten Verfahrens entschieden wird.
39 
34. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Mai 2000, KVS International, C-301/98, Slg. 2000, I-3583, Randnr. 21, und vom 23. November 2006, ZVK, C-300/05, Slg. 2006, I-11169, Randnr. 15).
40 
35. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 in Verbindung mit Abs. 1 Buchst. c können je nach den Umständen drei Ereignisse den Lauf der Frist von sechs Monaten auslösen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um die Überstellung des Asylbewerbers durchzuführen. Es kann sich erstens um die Entscheidung des ersuchten Mitgliedstaats handeln, die Wiederaufnahme des Asylbewerbers zu akzeptieren, zweitens um den fruchtlosen Ablauf der Frist von einem Monat, die dem ersuchten Mitgliedstaat für eine Stellungnahme zum Antrag des ersuchenden Mitgliedstaats auf Wiederaufnahme des Asylbewerbers gesetzt worden ist, und drittens um die Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser im ersuchenden Mitgliedstaat aufschiebende Wirkung hat.
41 
36. Diese drei Ereignisse müssen in Abhängigkeit davon analysiert werden, ob es in den Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung gibt oder nicht, wobei das Ziel zu berücksichtigen ist, dessentwegen die Verordnung Nr. 343/2003 eine Frist für die Durchführung der Überstellung vorsieht.
42 
37. Hierbei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden.
43 
38. Wie aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 hervorgeht, läuft in der ersten Konstellation, wenn kein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung vorgesehen ist, die Frist zur Durchführung der Überstellung ab der ausdrücklichen oder vermuteten Entscheidung, durch die der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Betreffenden akzeptiert, unabhängig von den Unwägbarkeiten, denen der Rechtsbehelf unterliegt, den der Asylbewerber gegebenenfalls gegen die seine Überstellung anordnende Entscheidung vor den Gerichten des ersuchenden Mitgliedstaats erhoben hat.
44 
39. Dann bleiben lediglich die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln und insbesondere deren Datum festzusetzen.
45 
40. In diesem Zusammenhang erlegt Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dem ersuchenden Mitgliedstaat eine Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung auf. Somit verfolgt diese Frist in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen, und es insbesondere dem ersuchenden Mitgliedstaat zu erlauben, die Modalitäten für die Durchführung der Überstellung zu regeln, die nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses letztgenannten Staates erfolgt.
46 
41. Außerdem ergibt sich aus der Darlegung der Gründe zu dem von der Kommission am 26. Juli 2001 vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat (KOM[2001] 447 endg., S. 5, 19 und 20), dass die Kommission gerade deshalb, um den für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Überstellung bestehenden praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, vorgeschlagen hat, die Frist für die Durchführung der Überstellung zu verlängern. Diese Frist, die im am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichneten Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (ABl. 1997, C 254, S. 1), das durch die Verordnung Nr. 343/2003 ersetzt wurde, mit einem Monat festgesetzt wurde, wurde sodann entsprechend dem genannten Verordnungsvorschlag in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung auf sechs Monate erhöht.
47 
42. Für die zweite Konstellation – wenn der ersuchende Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung kennt und das Gericht dieses Mitgliedstaats seiner Entscheidung eine derartige Wirkung beilegt – sieht Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung ab der „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ läuft.
48 
43. In dieser zweiten Konstellation ist zwar der Beginn der Frist zur Durchführung der Überstellung ein anderer als der, der für die erste angeführte Konstellation festgelegt wird, doch bleibt es dabei, dass sich jeder der beiden betroffenen Mitgliedstaaten bei der Organisation der Überstellung mit den gleichen praktischen Schwierigkeiten konfrontiert sieht und folglich über die gleiche Frist von sechs Monaten verfügen sollte, um diese Überstellung zu bewerkstelligen. Denn der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 enthält keinen Hinweis darauf, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beabsichtigt hätte, diese beiden Konstellationen unterschiedlich zu behandeln.
49 
44. Daraus folgt, dass angesichts des Ziels, das damit verfolgt wird, dass den Mitgliedstaaten eine Frist gesetzt wird, der Beginn dieser Frist in der zweiten Konstellation so zu bestimmen ist, dass die Mitgliedstaaten wie in der ersten Konstellation über eine Frist von sechs Monaten verfügen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung nutzen sollen.
50 
45. Die Frist für die Durchführung der Überstellung kann daher erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass diese Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt hat, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen.
51 
46. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, mit dem die Frist zur Durchführung der Überstellung festgelegt wird, diese Frist in der zweiten angeführten Konstellation nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, mit der die Durchführung des Überstellungsverfahrens ausgesetzt wird, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann.
52 
47. Dieses Ergebnis wird durch zwei weitere Reihen von Erwägungen bestätigt, die sich einerseits aus der Wahrung des von einem Mitgliedstaat gewährleisteten gerichtlichen Schutzes und zum anderen aus der Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten herleiten.
53 
48. Erstens ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern, den die Mitgliedstaaten gewährleisten, deren Gerichte die Durchführung einer Überstellungsentscheidung aussetzen können, wodurch sie dem Asylbewerber ermöglichen, die ihn betreffenden Entscheidungen wirksam anzugreifen.
54 
49. Die Mitgliedstaaten, die Rechtsbehelfe schaffen wollten, die zu Entscheidungen mit aufschiebender Wirkung im Rahmen des Überstellungsverfahrens führen können, dürfen nämlich nicht im Namen der Einhaltung des Erfordernisses einer zügigen Sachbehandlung in eine weniger günstige Lage versetzt werden als diejenigen Mitgliedstaaten, die dies nicht für notwendig erachtet haben.
55 
50. So befände sich der Mitgliedstaat, der im Rahmen des Überstellungsverfahrens beschlossen hat, gegebenenfalls mit aufschiebender Wirkung versehene Rechtsbehelfe zu schaffen, und der daher hinnehmen müsste, dass die Frist, über die er für die Ausweisung des Asylbewerbers verfügt, um die Zeit verkürzt wird, die die innerstaatlichen Gerichte benötigen, um über den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden, in einer misslichen Lage, da er, wenn es ihm nicht gelänge, die Überstellung des Asylbewerbers innerhalb des sehr kurzen Zeitraums zu organisieren, der zwischen der Entscheidung des Tatrichters und dem Ablauf der Frist für die Durchführung der Überstellung liegt, Gefahr liefe, nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 – wonach, sobald die Frist für die Durchführung der Überstellung einmal abgelaufen ist, die Annahme der Zuständigkeit durch den ersuchten Mitgliedstaat hinfällig wird – letztlich als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig bestimmt zu werden.
56 
51. Die Auslegung der Bestimmungen von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003, der den Beginn der Frist festlegt, die dem ersuchenden Mitgliedstaat für die Vornahme der Überstellung des Asylbewerbers gesetzt wird, kann folglich nicht zu dem Ergebnis führen, dass sich der ersuchende Mitgliedstaat im Namen der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts über die aufschiebende Wirkung der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung hinwegsetzen müsste, die im Rahmen eines Rechtsbehelfs ergangen ist, der eine derartige Wirkung haben kann, die dieser Staat in seinem innerstaatlichen Recht doch vorsehen wollte.
57 
52. Was zweitens die Beachtung des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten angeht, ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Auslegung von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003 dahin, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung bereits ab der vorläufigen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung läuft, das nationale Gericht, das die Einhaltung dieser Frist mit der Beachtung einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung mit aufschiebender Wirkung vereinbaren wollte, veranlasst wäre, über die Rechtmäßigkeit des Überstellungsverfahrens vor Ablauf der genannten Frist durch eine Entscheidung zu befinden, die gegebenenfalls wegen Zeitmangels der Richter nicht in zufriedenstellender Weise dem komplexen Charakter des Rechtsstreits Rechnung tragen konnte. Wie einige Regierungen und die Kommission in ihren dem Gerichtshof vorliegenden Stellungnahmen betonen, liefe eine derartige Auslegung dem genannten Grundsatz zuwider, wie er in der Gemeinschaftsrechtsprechung niedergelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. September 2003, Safalero, C-13/01, Slg. 2003, I-8679, Randnr. 49, und vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 39)…“
58 
Die vorliegend vom Senat zu beurteilende Fallkonstellation wurde vom Europäischen Gerichtshof nicht genauer angesprochen, geschweige denn beschieden. Die VO Dublin II, aber auch die VO Dublin III, die insoweit keine Änderungen gebracht hat, befassen sich mit dieser Fallgestaltung nicht. Orientiert man sich (zu) eng am Wortlaut der Bestimmungen, so wäre der Fristlauf nicht gehemmt, noch viel weniger wäre die Frist erst mit der Bekanntgabe der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt worden. Außerdem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Verfassungsrechts wie auch einfachen Gesetzesrechts bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unmöglich ist, die Überstellung durchzuführen, mit der Folge, dass bei einem langwierigeren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine Überstellung möglich gewesen wäre. Andererseits akzeptiert, wie der Europäische Gerichtshof im genannten Urteil ausdrücklich herausgearbeitet hat, das Unionsrecht ausdrücklich, dass für den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Dieses zugrunde gelegt muss davon ausgegangen werden, dass eine zu schließende Regelungslücke vorliegt. Diese ist in einer Weise zu schließen, die einen möglichst beide Seiten schonenden Interessenausgleich zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Mitgliedstaat bewirkt. Diesem Anliegen entspricht es aus der Sicht des Senates am besten, wenn hier während des vorübergehenden Vollstreckungshindernisses (in der Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier vom 17.03.2014 bis zum 09.04.2014) eine Ablaufhemmung angenommen wird mit der Folge, dass die Frist sich entsprechend verlängert (vgl. § 209 BGB entspr.). Allerderdings ist dieser Sicht der Dinge immanent, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach der Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat die Überstellungsentscheidung unverzüglich erlassen muss, um nach einer negativen Gerichtsentscheidung noch ausreichend Zeit für die Durchführung der Überstellung zur Verfügung zu haben. Diese Konsequenz entspricht aber durchaus den berechtigen und wohl verstandenen Interessen des ersuchten Mitgliedstaats (und mittelbar auch denen des betroffenen Flüchtlings). Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre die Überstellungsfrist hiernach zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgelaufen mit der Folge, dass die Zuständigkeit gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II bzw. Art. 29, Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.
59 
b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris) kann allerdings der Kläger den Zuständigkeitsübergang nicht mit Erfolg einwenden, solange die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist. Abgesehen davon ist ihm der Einwand hier auch deshalb abgeschnitten, weil die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids unanfechtbar geworden ist; er müsste insoweit erst ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einleiten. Etwas anderes müsste nur dann gelten, wenn Italien eine zeitnahe Durchführung der Überstellung nunmehr ablehnen würde. Von einer zeitnahen Möglichkeit der Überstellung ist jedoch nach den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auszugehen. Denn die Beklagte hatte Italien im vorliegenden Fall mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist mit Rücksicht auf ein durchgeführtes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erst am 09.10.2014 ablaufe, was darauf beruht, dass die Beklagte der Auffassung ist, die Überstellungsfrist werde erst durch die Zustellung der negativen gerichtlichen Entscheidung in Lauf gesetzt. Nach den plausiblen weiteren Ausführungen des Beklagtenvertreters werden diese nationalen Vorgaben und Mitteilungen jedoch regelmäßig von den ersuchten Mitgliedstaaten akzeptiert, weshalb der Senat davon ausgeht, dass eine Überstellung noch zeitnah möglich ist.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 5. Kammer, Einzelrichter - vom 15. Januar 2015 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

1

Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG aufgeworfenen Fragen,

2

ob die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO und Ausführungsbestimmungen im nationalen Recht - korrespondierende subjektive Rechte vermitteln (können) und

3

ob das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO nur dann ausgeübt werden kann, wenn „außergewöhnliche humanitäre Gründe" dafür vorliegen und ob Asylantragsteller diesbezüglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben,

4

rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Sofern man unterstellt, die Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG seien erfüllt, bedürfen diese Fragen bereits deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lassen.

5

Die Kläger können kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-Verordnung - geltend machen. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Abdullahi -, NVwZ 2014, 208, juris; vgl. auch Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, Slg 2011, I-13905-14033, juris Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid - juris) bereits eindeutig und unmissverständlich für die Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels III der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-Verordnung - entschieden. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist auch für die Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels III in der Dublin-III- Verordnung, mit der die Dublin-II-Verordnung abgelöst worden ist, davon auszugehen, dass die Kläger keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft werden, den sie für zuständig halten (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Februar 2015 - 2 LA 15/15 mwN zur obergerichtlichen Rechtsprechung, zudem Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -  juris Rn. 24 ff. <28>, siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Die Kläger haben danach auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 -  A 11 S 1778/14 - juris Rn. 29 ff.). Entscheidend ist ihrem Fall nur, dass sich Belgien für zuständig erklärt hat.

6

Die jeweiligen Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-III-VO dienen als Organisationsvorschriften allein einer klaren und praktikablen Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und einer (zeitnahen) Überstellung in diesen Staat im Verhältnis der Dublin-Staaten untereinander, ohne aber den Klägern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewähren. Ein Asylantragsteller kann der Überstellung in den nach der Dublin-III-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat ausschließlich mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 a.a.O. insbes. Rn. 60; Senatsbeschluss vom 24. Februar 2015 a.a.O., vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 -  10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris).

7

Zur Begründung führt der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) aus, dass der Unionsgesetzgeber die Vorschriften erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren, um zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Rn. 53). Der Gerichtshof sieht einen der Hauptzwecke der Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Rn. 59). Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylantragsteller mit der Dublin II-Verordnung (ebenso mit der Dublin III- Verordnung) aber keine weitergehende Rechtsposition einräumen, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.

8

Zum Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O. Rn. 57) zur Vorgängervorschrift in der Dublin-II- Verordnung ausgeführt, dass Art. 3 Abs. 2 (sogenannte Souveränitätsklausel) und Art. 15 Abs. 1 (humanitäre Klausel) der Dublin-II-Verordnung die Prärogativen der Mitgliedstaaten wahren sollen, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Diese Ausführungen stellen in seiner Entscheidung ein Begründungselement dar für die Verneinung eines subjektiven Rechts eines Asylantragstellers auf Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-II-Verordnung.

9

Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris) entnimmt der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass ein Asylantragsteller einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Auch nach seinem Verständnis dieser Rechtsprechung kann eine Berufung auf eine Verletzung von Verfahrens- und Fristenregelungen der Dublin-III-Verordnung der Klage eines Asylbewerbers demnach grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (so ausdrücklich Berlit, jurisPR- BVerwG 12/2014 Anm. 3, Buchst. B am Ende).

10

Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Mit dem Hinweis auf abweichende Entscheidungen einzelner erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte und der auszugsweisen Wiedergabe derselben wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A - juris Rn. 21). Der Verweis auf die Folgen bei Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften in der nationalen Rechtsordnung und auf die Auslegung und gerichtliche Überprüfung nationaler Ermessensvorschriften vermag an der allein verbindlichen Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof der Europäischen Union in Bezug auf die Dublin Verordnungen (vgl. Art. 267 Satz 1 Buchst b, Art. 288 UAbs. 2 AEUV) nichts zu ändern.

11

Die Kläger halten zudem für grundsätzlich bedeutsam,

12

ob § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG dergestalt mit Art. 26 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung vereinbar ist, dass auch in den Fällen der Anwendbarkeit der Dublin-III- Verordnung eine unbedingte Abschiebungsanordnung ergehen darf sowie

13

ob die in Art. 26 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung normierten Hinweispflichten so zu verstehen sind, dass Rückführungsentscheidungen nur dann als rechtmäßig angesehen werden dürfen, wenn die in Art. 26 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung normierten Hinweispflichten erfüllt sind.

14

Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Auch hier ist bereits zweifelhaft, ob die Ausführungen der Kläger im Zulassungsantrag den Darlegungserfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG entsprechen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass § 34a Abs. 1 Satz 1 AsyllVfG entgegen ihrer Auffassung eine Überstellung auf eigene Initiative (freiwillige Ausreise) nicht ausschließt und hierzu auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - (juris) verwiesen, wonach die Vorschrift des § 34a Abs. 1 AsylVfG einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich ist. Hierzu fehlt jegliche substantiierte Auseinandersetzung.

15

Unabhängig davon gilt:

16

Art. 29 der Dublin-III-Verordnung regelt die „Modalitäten und Fristen" (siehe Überschrift des Artikels) der Überstellung. Danach ist der vorherige Erlass einer Verfügung, in dem die Überstellung bzw. Abschiebung angedroht wird, nicht erforderlich, so dass Abschiebungsanordnungen auf § 34a AsylVfG gestützt werden können (ebenso Hessischer VGH, Urteil vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A - juris Rn. 21). Zudem schließt die Abschiebungsanordnung Formen der freiwilligen Ausreise oder der Ausreise, wie sie in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung genannt werden, nicht aus. Der Bescheid des Bundesamtes darf nicht nur so verstanden werden, dass eine Überstellung lediglich in der Form der Abschiebung, d.h. der begleiteten Überstellung erfolgen darf (ausführlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 a.a.O. Rn.33, vgl. auch Hessischer VGH a.a.O.). Durch die Abschiebungsanordnung wird vielmehr die Rechtsgrundlage für eine gegebenenfalls zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht geschaffen (vgl. Hessischer VGH a.a.O.).

17

Aus den Vorgaben der Dublin-III-Verordnung lässt sich nicht entnehmen, dass den Betroffenen zunächst generell die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in der Weise eingeräumt werden müsste, dass ihnen - dem deutschen allgemeinen Aufenthaltsrecht vergleichbar (vgl. § 59 AufenthG) - die Abschiebung unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise angedroht werden muss (vgl. auch § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Deshalb kann die Entscheidung über den konkreten Vollzug der Überstellungentscheidung den hierfür zuständigen Ausländerbehörden der Länder überlassen werden und bedarf keiner Regelung im Bescheid des Bundesamts. Hierfür spricht zudem bereits der Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-III-Verordnung. Danach sind in dem Bescheid Informationen über die Frist für die Durchführung der Überstellung aufzunehmen mit „erforderlichenfalls“ Angaben über den Ort und den Zeitpunkt, an dem oder zu dem sich die betreffende Person zu melden hat, wenn diese Person sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt.

18

Der Auslegung des Art. 26 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung durch die Kläger, wonach all das, was die Überstellung betrifft, also die Entscheidung über die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einschließlich der Modalitäten der Überstellung, in einer einzigen Entscheidung geregelt werden soll, gegen die dann Rechtsschutz möglich ist, widerspricht auch der Umstand, dass der Verwaltungsvollzug und dessen Ausgestaltung regelmäßig Sache des einzelnen Mitgliedstaats sind, so dass auch ein Ineinandergreifen verschiedener Behördenzuständigkeiten durch das Unionsrecht akzeptiert wird. Aufgrund des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland ist der Vollzug im Einzelnen von den zuständigen Ausländerbehörden der Länder durchzuführen und zu organisieren. Insoweit kommt der in der Verordnung enthaltene Vorbehalt zugunsten der nationalen Rechtsvorschriften zum Tragen, wenn wie hier, keine eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben gemacht werden. Will der Betroffene freiwillig ausreisen, werden ihm daher die Einzelheiten (bis wann er ausgereist sein muss, wo und wann er sich im zuständigen Mitgliedstaat einzufinden hat) durch die Ausländerbehörde (und nicht durch das Bundesamt) mitgeteilt. Hierfür spricht auch der Umstand, dass in den Informationsrechten nach Art. 4 der Dublin-III-Verordnung Vorgaben enthalten sind, worüber der Asylbewerber zu belehren und zu informieren ist. Hierin findet sich aber keine Verpflichtung zu einem Hinweis auf die Arten der Überstellung, insbesondere auch nicht zur freiwilligen Ausreise (zum Ganzen vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 a.a.O. Rn. 33 ff.).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.

20

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen einem Bescheid, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Polen angeordnet wurde.

Der Kläger ist nach eigenen Angaben ukrainischer Staatsangehöriger. Er reiste am 5. Mai 2014 im Besitz eines polnischen Schengen-Visums in das Bundesgebiet ein und beantragte am 16. Juni 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Am 23. Juli 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Übernahmeersuchen an die Republik Polen, dem die polnischen Behörden mit Schreiben vom 30. Juli 2014 zustimmten.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2014 lehnte das BAMF den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2).

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 24. Februar 2015 abgewiesen. Es bestünden keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen. Die Hepatits-C-Erkrankung des Klägers führe nicht zu einem Ausreisehindernis. Auch Art. 6 GG gebiete keine andere Entscheidung. Zwar sei die Ehefrau des Klägers mit den beiden gemeinsamen Kindern im August 2014 auch in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, über den die Beklagte noch nicht entschieden habe. Die Beklagte habe aber telefonisch mitgeteilt, dass auch die Ehefrau und die Kinder über polnische Schengen-Visa verfügten und die Republik Polen schon die Zustimmung zur Übernahme erklärt habe. Zudem habe die Familie die Trennung bewusst hingenommen und sei getrennt eingereist. Deshalb liege ein Ausnahmefall vor und der Kläger könne sich nicht auf Art. 6 GG berufen. Dies gelte des Weiteren auch deshalb, weil die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO bezüglich des Klägers seit 1. Dezember 2014 laufe, auf die Rücksicht zu nehmen sei. Ansonsten könnten Asylbewerber durch eine gestaffelte Einreise die Vorschriften der Dublin III-VO unterlaufen. Nach Art. 11 Dublin III-VO sei ein Familienverfahren nur durchzuführen, wenn mehrere Familienangehörige gleichzeitig oder in großer zeitlicher Nähe einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Mit der in einem gesonderten Schriftsatz vom 19. März 2015 direkt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereichten Begründung, macht der Kläger geltend, es liege ein Verfahrensmangel nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO vor. Der Einzelrichter habe nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten angerufen und in Erfahrung gebracht, dass auch die Ehefrau und die Kinder des Klägers über polnische Schengen-Visa verfügten und die Republik Polen ihre Zustimmung zur Aufnahme gegeben habe. Diese Umstände seien zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden, obwohl der Kläger dazu nicht angehört worden sei. Darüber hinaus habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Das Gericht stelle den Rechtssatz auf, dass im Dublin III-Verfahren bei gestaffelter Einreise von Familien diesen zugemutet werden könne, getrennt zurückgeschoben zu werden, denn für eine derartige Einreise würde der Schutz des Art. 6 GG aufgrund der bewussten Inkaufnahme nicht gelten. Dieser Grundsatz könne so aber nicht aufgestellt werden, denn Art. 6 GG sei insoweit nicht zu relativieren. Nach der Dublin-III-VO sei eine freiwillige Mitausreise der Ehefrau nicht zulässig. Aufgrund der derzeitigen Verhältnisse in Rückführungsfragen lasse sich keine verlässliche Prognose über den Zeitpunkt einer Rückführung auch bei Zustimmung des aufnehmenden Staats vornehmen. Dies liefe darauf hinaus, dass die Familie auf unbestimmte Zeit getrennt werde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 3 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Ein Verfahrensmangel nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist nicht ausreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG). Bei einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO müsste dargelegt werden, was im Fall ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs Entscheidungserhebliches vorgetragen worden wäre (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 74). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger macht lediglich geltend, es liege ein Gehörsverstoß vor, da das Verwaltungsgericht ihn nicht dazu angehört habe, dass die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung telefonisch mitgeteilt habe, seine Ehefrau und die Kinder seien ebenfalls mit polnischen Schengen-Visa eingereist und die Republik Polen habe einer Aufnahme schon zugestimmt. Was er Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte, wenn ihm ordnungsgemäß rechtliches Gehör gewährt worden wäre, wird demgegenüber nicht ausgeführt. Dass ihm die Umstände der Einreise und Asylantragstellung seiner Ehefrau und seiner Kinder, die mit ihm in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen, unbekannt gewesen seien, wird weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ, a. a. O. § 124 Rn. 36). Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war.

Selbst wenn man den Antrag auf Zulassung der Berufung dahingehend verstehen würde, es sei klärungsbedürftig, ob es mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass bei einer gestaffelten Einreise von Familienangehörigen, für die nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, diese ggf. getrennt dorthin überstellt werden, könnte er keinen Erfolg haben. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung, sondern kann ohne weiteres dahingehend beantwortet werden, dass die in Art. 8 bis 11 und Art. 16 Dublin III-VO vorgesehenen Regelungen hinreichenden Schutz für Familien vorsehen. So ist nach Art. 10 Dublin III-VO für einen Antragsteller, der in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen hat, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun. Im vorliegenden Fall hätten der Kläger und seine Ehefrau ohne weiteres den Wunsch äußern können, dass der für den Kläger zuständige Mitgliedstaat - hier Polen - auch für das Asylverfahren der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder zuständiger Mitgliedstaat sein soll. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er und seine Ehefrau diesen Wunsch geäußert haben.

Im Übrigen ist der Kläger auch weder nach der Dublin III-VO noch nach innerstaatlichem Recht daran gehindert, gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern freiwillig in den für sie nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat auszureisen (vgl. ausführlich VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452; HessVGH, B.v. 25.8.2014 - 2 A 976/14.A - AuAS 2014, 247; OVG SH, B.v. 7.4.2014 - 2 LA 33/15). Die Dublin III-VO schließt eine freiwillige Ausreise nicht aus, sondern sieht in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO vor, dass die Überstellung gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats zu erfolgen hat. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist den Antragstellern nur mitzuteilen, an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt sie sich zu melden haben, wenn sie sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begeben. Diese Informationen müssen nicht zwingend von der Beklagte gegeben werden, sondern können nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften auch von der für den Vollzug der Ausreisepflicht zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt werden (vgl. VGH BW a. a. O.; HessVGH a. a. O., OVG SH a. a. O.). Auch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 25. Februar 2008 (Aufenthaltsgesetz - AufenthG, BGBl S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2014 (BGBl S. 2439), sieht bei Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG keine zwingende Pflicht der Ausländerbehörde zur Abschiebung vor, sondern durch die Abschiebungsanordnung wird nur die Rechtsgrundlage für eine ggf. zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht geschaffen (vgl. HessVGH a. a. O. Rn. 21). Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Nach § 58a Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist die Abschiebungsanordnung sofort vollziehbar und eine Ausreisefrist wird nicht gewährt, nach § 58 Abs. 3 AufenthG ist aber auch bei einer Abschiebungsanordnung nicht zwingend die Überwachung der Ausreise erforderlich, solange der Betreffende z. B. nicht zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird (§ 58 Abs. 3 Nr.7 AufenthG). Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht freiwillig gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern nach Polen reisen könnte, wenn er diesen Wunsch gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde äußert. Dass ihm dies von der Ausländerbehörde verweigert wurde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Mai 2015 wird geändert. Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 31. Juli 2014 wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen gesamtschuldnerisch. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind georgische Staatsangehörige, die am 2. April 2014 in der Bundesrepublik Asylanträge stellten, nachdem ihnen lettische Behörden zuvor am 6. März 2014 Schengen-Visa erteilt hatten. Auf ein Übernahmeersuchen vom 18. Juni 2014 hin erklärten die lettischen Behörden mit Schreiben vom 8. Juli 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO).

Mit am 8. August zugestelltem Bescheid vom 31. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Lettland an. Den parallel zur Klage erhobenen Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 3. September 2014 ab; die Entscheidung wurde allen Beteiligten am 8. September 2014 zugestellt.

In einem weiteren Beschluss vom 10. Februar 2015, zugestellt am 13. Februar 2015, änderte das Verwaltungsgericht seinen ersten Beschluss auf Antrag der Kläger gemäß § 80 Abs. 7 VwGO und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. August 2014 gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamts vom 31. Juli 2014 an. Die mit der Übernahmeerklärung vom 8. Juli 2014 in Gang gesetzte Frist von sechs Monaten für die Überstellung nach Lettland sei im Zeitraum zwischen der Zustellung des Bescheids der Beklagten bis zur Entscheidung des Gerichts vom 3. September 2014 analog § 209 BGB gehemmt gewesen und daher am 4. Februar 2015 abgelaufen. Nach diesem Zeitpunkt sei die Rechtsstellung des Einzelnen zumindest insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein müsse. Das sei hier die Beklagte.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2015, der Beklagten zugestellt am 28. Mai 2015, hob das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf seine vorangegangene Entscheidung den Bescheid der Beklagen vom 31. Juli 2014 auf. Auf Antrag der Beklagten vom 9. Juni 2015 hat der Senat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 wegen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugelassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Der Asylantrag sei unzulässig. Auf die Gründe des angefochtenen Bescheids werde Bezug genommen. Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO sei noch nicht abgelaufen. Nach den zwischenzeitlichen Klarstellungen der obergerichtlichen Rechtsprechung komme einem erfolglosen Eilrechtsschutzantrag in Fällen der vorliegenden Art keine fristhemmende Wirkung zu. Vielmehr werde der Lauf der Überstellungsfrist nur unterbrochen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Überstellungsfrist sei abgelaufen. Nach dem Unionsrecht komme nur dem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zu, auf den hin endgültig über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung entschieden werde. Mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes könne nicht die Aufhebung der behördlichen Entscheidung, sondern nur die Aussetzung deren Vollzugs erreicht werden. Zudem könne nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (B.v. 8.9.2014 - 13 A 1347/14.A - juris) nicht die Antragstellung, sondern nur die stattgebende gerichtliche Entscheidung die aufschiebende Wirkung herbeiführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Vorgang der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Bedenken gegen eine Überstellung der Kläger nach Lettland wurden im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht; insoweit sind auch keine Umstände ersichtlich, die der Prüfung ihrer Asylanträge in dem bezeichneten Staat entgegenstehen könnten. Daher war - nur noch - über die Rechtsfrage des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO zu entscheiden. Der Senat sieht das Rechtsmittel der Beklagten vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - NVwZ 2016, 1185 = juris Ls und Rn. 11; B.v. 22.8.2016 - 1 B 95/16, 1 PKH 71 PKH 75/16, 1 VR 4 /16 - juris Rn. 7 m.w.N.) für begründet an.

1. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung schließt sich der Senat der zuletzt in mehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts geäußerten Meinung an, dass die sechsmonatige Frist für die Überstellung auch dann erneut in Lauf gesetzt wird, wenn das Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung (§ 34 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AsylG) ablehnt (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - NVwZ 2016, 1185 = juris Ls und Rn. 11). Danach ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO, dass dem Mitgliedstaat in Fällen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz stets die volle Überstellungsfrist zur Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung stehen muss und die Frist für die Durchführung der Überstellung daher erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung erfolgen werde und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben (EuGH, U.v. 29.1.1.2009 - C-19/08, Petrosian - juris Rn. 43 ff.). Dem unionsrechtlichen Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ unterfällt mithin unabhängig von der terminologischen Einordnung nach nationalem Recht auch das allein durch die Antragstellung gemäß § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot des § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich klar, dass die Auffassung, nach der eine bloße Hemmung einer mit der Annahme eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzten Überstellungsfrist anzunehmen sei (so VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92), nicht dem Unionsrecht entspricht.

Die Entscheidung des EuGH (U.v. 29.1.2009 - C-19/08 - juris) zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO), der bis auf im vorliegenden Zusammenhang unerhebliche, marginale Änderungen wortgleich mit Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist, stellte zunächst fest (a.a.O. Rn. 33), dass der Wortlaut der Vorschrift an sich keine Feststellung darüber erlaube, ob die Frist zur Überstellung bereits ab einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung laufe, mit der die Durchführung der Überstellung ausgesetzt werde, oder erst ab einer (erg.: endgültigen) Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des genannten Verfahrens entschieden werde. Unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte (a.a.O. Rn. 41), einer vergleichenden Folgenbetrachtung (a.a.O. Rn. 47 bis 52) und zur „Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 343/2003“ ergebe sich aber (a.a.O. Rn. 46), dass die Frist (erg.: in jedem Fall) erst ab der gerichtlichen Entscheidung zu laufen beginne, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden werde und die dieser Durchführung nicht mehr entgegenstehen könne.

2. Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass sich aus einem derart gestreckten Zeitablauf möglicherweise für die fortbestehende Bereitschaft des „zuständigen Mitgliedstaats“ zur Übernahme der betroffenen Personen Probleme ergeben können, weil sich in der Praxis die „drittstaatsangehörigen Antragsteller“ (Art. 2 Buchst. a und b Dublin III-VO) inzwischen in den „ersuchenden Mitgliedstaat“ integriert haben könnten, bedeutet das für den Streitfall, dass die Überstellungsfrist erst mit der Rechtskraft der in der Hauptsache ergehenden (End) Entscheidung über Rechtmäßigkeit des Bescheids der Beklagten vom 31. Juli 2014 zu laufen beginnt. Denn mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anordnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wurde der zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendete Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist, der frühestens mit der Zustellung des ersten Eilbeschlusses an die Beklagte am 8. September 2014 begonnen hatte, erneut unterbrochen und diese Frist damit gleichsam wieder „auf 0“ gestellt.

3. Die Bedenken, die sich aus dem Verhalten der Beklagten insbesondere in den letzten vier Monaten des Jahres 2015 hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses für den vorliegenden Fall unter dem Blickwinkel des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) ergeben haben könnten, weil der Vollzug der Regeln der Dublin-Verordnung wohl nicht nur in Bezug auf syrische Staatsangehörige - zumindest „faktisch“ - ausgesetzt war, greifen nach der Rückkehr der Beklagten zu einer einheitlichen Rechtsanwendung nicht (mehr) durch.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO, § 83 b AsylG. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Der Gegenstandswert beträgt 6.000 Euro (§ 30 Abs. 1 RVG).

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Gründe

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien

Verfahrens zu tragen.

Der am ... 1971 in ..., Georgien geborene Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger.

Nach eigenen Angaben reiste er am 4. Mai 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. Juni 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in ... einen Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen des Bundesamts (Eurodac-Treffer) lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO). Am 7. August 2015 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an die Republik Lettland. Die lettischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 20. August 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO.

Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gab der Antragsteller an, dass er in keinen anderen Dublin-Staat überstellt werden wolle. Als Grund gegen die Überstellung nach Lettland gab er im Wesentlichen an, er befürchte, von seiner Frau getrennt zu werden.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2015, dem Antragsteller zugestellt am 14. Oktober 2015, lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Lettland an (Ziffer 2). Unter Ziffer 3 des Bescheids wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Auch der Asylantrag seiner Ehefrau, Frau ..., wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 2. Oktober 2015 als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Lettland angeordnet.

Der Antragsteller hat am 16. Oktober 2015 Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 2015 erhoben und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2015 lässt der Antragsteller vortragen, in Lettland habe es bei ihm erhebliche Probleme mit der ärztlichen Versorgung gegeben. Er sei sehr ernsthaft von Betäubungsmitteln abhängig (verschiedene starke Opiaten) und deshalb seit vielen Monaten in ärztlicher Behandlung. Das für ihn erforderliche Arzneimittel (Metadol) sei ihm in Lettland nicht verschrieben worden. Der Antragsteller leide außerdem an Hepatitis C.

In Lettland sei keine ausreichende medizinische Versorgung für Asylsuchende gewährleistet, insbesondere müsse man dort für jede ärztliche Behandlung Zuzahlungen leisten. Der Antragsteller werde in Deutschland bald die notwendige wahrscheinlich stationäre oder ambulante Behandlung gegen seine Suchterkrankung antreten, die nicht unterbrochen werden sollte. Der Antragsteller hat eine Bestätigung über ein Beratungsgespräch beim Diakonischen Werk in ... vom 28. Oktober 2015 vorgelegt, wonach eine fachärztliche Untersuchung zur genauen Diagnosestellung und Einleitung weiterer erforderlicher Behandlungen (z. B. Entgiftungsbehandlung) befürwortet wird. Des Weiteren hat der Antragsteller eine Bestätigung vom 26. November 2015 über ein Gespräch bei dem ... Jugend- und Drogenhilfe e.V. vorgelegt, in dem ein Termin für eine ambulante Therapie innerhalb von 3-4 Wochen in Aussicht gestellt wurde.

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Einer Entgiftungsbehandlung könne sich der Antragsteller auch in Lettland unterziehen (z. B. https://www.suchthilfe.de/veranstaltung/jt/2008/lettland.pdf).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige, insbesondere fristgerechte, Antrag ist unbegründet.

1.

Der Antrag ist zulässig. Er ist statthaft, da die Klage gegen die Abschiebungsanordnung gemäß § 75 Abs. 1 AsylG und § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Auch ist er innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bei Gericht eingegangen.

2.

Der Antrag ist aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Falle des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG ganz oder teilweise anordnen. Es nimmt dabei unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 75 Abs. 1 AsylG für den Sofortvollzug eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Abschiebungsanordnung vor. Maßgebend hierfür sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt eine Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, und wird die Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben, so tritt das öffentliche Interesse zurück, da es kein schutzwürdiges Interesse am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes geben kann.

Die Interessenabwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus, da seine Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der mit ihr angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Oktober 2015 ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Die Antragsgegnerin hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1 des Bescheids vom2. Oktober 2015), da nach den unionsrechtlichen Rechtsvorschriften die Republik Lettland für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig ist.

Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: „Dublin III-Verordnung“) die Republik Lettland der für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständige Staat (Art. 3 Abs. 1 und 2 und Art. 7 ff. der Dublin III-VO), da die die Antragsteller ausweislich der EURODAC-Datenbank dort den ersten Asylantrag gestellt hat.

Die lettischen Behörden haben dem - fristgerecht binnen 3 Monaten nach der Asylantragstellung (vgl. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO) gestellten - Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin vom 7. August 2015 auch - fristgerecht binnen zwei Monaten (vgl. Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO) - mit Schreiben vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO zugestimmt. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist Lettland demnach verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen, so dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen ist bzw. zum Zeitpunkt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung übergegangen sein wird (vgl. Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO).

Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin III-VO. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Daran fehlt es hier.

Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.03.2014 - 10 B 614 10 B 6/14 m. w. N. - juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, Rs. C-411/10 und C-493/10 - juris).

Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.

Solche systemischen Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO liegen aber erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dabei muss sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben, die systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 2514 10 B 25/14 - juris). Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG v. 6.6.2014, a. a. O., m. w. N.).

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher systemischen Mängel im lettischen Asylsystem. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 2. Oktober 2015 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen. Auch der Antragsteller selbst hat im vorliegenden Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass er Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Lettland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne von Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Es ist deshalb entsprechend dem Konzept der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass in der Republik Lettland die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (vgl. auch VG Gelsenkirchen, U. v. 10.3.2015 - 6a K 5401/14.A - juris; U. v. 10.2.2015 - 6a K 5162/14.A - juris; B. v. 27.2.2015 - 6a L 187/15 -, juris; VG Aachen, U. v. 30.7.2015 - 1 K 722/15.A - juris; VG Ansbach, U. v. 10.12.2015 - 14 K 15.50339).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken. Nähere Informationen über das lettische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen lassen sich dem vom European Migration Network (EMM) zusammengestellten Bericht „The Organisation of Reception Facilities for Asylum Seekers in different Member States“ aus dem Jahre 2014 entnehmen. Der „Latvia 2013 Human Rights Report“ des US-amerikanischen Department of State (Bureau of Democracy, Human Rights and Labor) bestätigt, dass das Asylsystem in Lettland grundsätzlich wirksam und zugänglich ist. Die knappen Informationen von Amnesty International im „Länderreport Lettland“ für das Jahr 2013 über gewisse Probleme hinsichtlich der Information der Asylbewerber über das Asylverfahren genügen nicht, um zur Feststellung „systemischer Mängel“ zu führen (so VG Gelsenkirchen, U. v. 10.3.2015 - 6a K 5401/14.A - juris; U. v. 10.2.2015 - 6a K 5162/14.A - juris; B. v. 27.2.2015 - 6a L 187/15 -, juris; VG Aachen, U. v. 30.7.2015 - 1 K 722/15.A - juris; VG Ansbach, U. v. 10.12.2015 - 14 K 15.50339).

Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Auch die im Bescheid vom 2. Oktober 2015 in Ziffer 2 enthaltene und sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nach Lettland ist rechtmäßig.

Nach § 34a AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn feststeht, dass sie auch durchgeführt werden kann, ohne dass es hierzu einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedürfte (§ 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG). Die Abschiebung kann vorliegend durchgeführt werden, da ihr insbesondere keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegenstehen. Derartige Abschiebungshindernisse sind vom Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht worden. Die vom Antragsteller vorgelegten Bestätigungen über Beratungsgespräche enthalten keine Aussage darüber, warum eine Entgiftungsbehandlung nicht auch in Lettland möglich sein sollte. Ärztliche Atteste wurden bisher trotz entsprechender Ankündigung nicht vorgelegt. Nach alledem liegen auch keine Anhaltspunkte für eine Reise- bzw. Transportunfähigkeit vor.

Der Antrag ist daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 21. September 2017 - 8 L 6810/17.GI.A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Der Beschluss vom 14. November 2017 - 8 L 7779/17.GI.A - ist gegenstandslos. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Gießen zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer ein Drittel seiner notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und die Auslagen für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der am 20. April 1987 in Rüsselsheim geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er verbrachte seine Kindheit und Jugend in Deutschland und heiratete im Februar 2008 eine türkische Staatsangehörige. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen, die (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Seit dem Jahr 2011 wandte sich der Beschwerdeführer dem muslimischen Glauben zu und nahm Kontakt zu salafistischen Kreisen auf. Im Sommer 2013 reiste der Beschwerdeführer mehrfach, teilweise zusammen mit seiner Familie, in die Türkei und von dort weiter nach Syrien, wo er in einem von der terroristischen Vereinigung Junud al-Sham beherrschten Dorf lebte und der Organisation Geld und einen geländetauglichen PKW zur Verfügung stellte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland überwies er über Mittelsmänner einen Geldbetrag auf ein Konto des sogenannten "Islamischen Staates", nachdem er zuvor unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei einer Bank einen Kredit von 25.000 € aufgenommen hatte.

2

Der Beschwerdeführer wurde am 31. März 2014 in Haft genommen und vom Kammergericht mit Urteil vom 6. Juli 2015 unter anderem wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

3

2. Die Ausländerbehörde wies den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 3. Juni 2016 aus der Bundesrepublik aus, drohte die Abschiebung in die Türkei an und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die nach dem § 53 AufenthG durchzuführende Interessenabwägung führe zum Überwiegen des Ausweisungsinteresses.

4

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid Klage und beantragte die Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 29. Mai 2017 ab, da der Ausweisungsbescheid offensichtlich rechtmäßig sei. Von dem Beschwerdeführer gehe weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit aus; insbesondere sei er noch nicht ausreichend stabil, um Anreizen für eine Rückkehr in sein früheres Leben zu widerstehen. Es liege auch kein Abschiebungsverbot für den Beschwerdeführer vor, da die Behauptung, ihm drohe in der Türkei Folter, unsubstantiiert sei. Selbst wenn in der Türkei bekannt geworden sein sollte, dass der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden sei, rechtfertige dies nicht den Schluss, dass ihm in der Türkei Verhaftung und Folter drohten.

5

4. Der Beschwerdeführer legte gegen den Beschluss Beschwerde ein, die der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 31. August 2017 zurückwies. Es bestehe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Beschwerdeführer, dessen terroristische Aktivitäten in der Türkei möglicherweise bekannt geworden seien, einer Gefahr von Folter oder einer anderen menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt sei. Dies entnehme der Senat dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19. Februar 2017. Danach sei es zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, dass Anhänger der PKK und der Gülen-Bewegung solchen Behandlungen ausgesetzt seien. Für eine die Strafverfolgung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung überschreitende Gefahr von Folter oder menschenrechtswidriger Behandlung fehlten jedoch bei islamistischen Kämpfern jegliche Anhaltspunkte. Auch das möglicherweise gegen den Beschwerdeführer geführte Ermittlungsverfahren führe nicht zu einer anderen Beurteilung.

6

5. Der Beschwerdeführer hatte schon unter dem 15. August 2017 einen Asylantrag gestellt. Er müsse bei einer Abschiebung in die Türkei mit Inhaftierung und Folter rechnen. Er habe im Juli erfahren, dass in der Türkei gegen ihn wegen einer angeblichen Mitgliedschaft bei Al-Qaida ermittelt werde; die entsprechende Anklageschrift könne er jedenfalls teilweise vorlegen.

7

Das Bundesamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. August 2017 gemäß § 30 Abs. 4 AsylG als offensichtlich unbegründet ab. Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass die Zuerkennung internationalen Schutzes aufgrund der Ausschlusstatbestände der § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 AsylG ausscheide. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter seien noch enger, so dass auch diese ausscheide. Es lägen auch keine Abschiebungsverbote vor, da nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer menschenrechtswidrigen Behandlung in der Türkei auszugehen sei. Zu erwarten sei allenfalls eine kurzfristige Festnahme des Beschwerdeführers, jedoch nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts keine Folter oder sonstige unmenschliche Behandlung.

8

6. Am 30. August 2017 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamts Klage und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Er führte unter anderem aus, die Begründung des Offensichtlichkeitsurteils sei unzureichend. Ihm drohe politische Verfolgung, da die Strafverfolgung wegen eines politischen Delikts erfolge. Zudem stünden ihm Abschiebungsverbote zur Seite. Aufgrund der laufenden Ermittlungen würde er bei einer Abschiebung in die Türkei für unbestimmte Zeit in Polizeigewahrsam oder Untersuchungshaft genommen, in deren Verlauf er möglicherweise gefoltert werde. Auch im Auslieferungsverkehr werde zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass Auslieferungen in die Türkei nur bei konkreten Zusicherungen bezüglich der Haftbedingungen zulässig seien. Mit Schreiben vom 5. September 2017 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben von amnesty international vor, in dem ausgeführt wurde, amnesty international lägen zwar keine eigenen Erkenntnisse über die Folter von Islamisten in der Türkei vor. Die deutsche Sektion von amnesty international habe jedoch Ende Juli 2017 eine E-Mail eines in Deutschland lebenden Vaters eines seit Oktober 2016 in der Türkei inhaftierten türkischen Staatsangehörigen erhalten. Dieser habe berichtet, sein Sohn sei in einem Gefängnis in Corum inhaftiert, wo er seit einiger Zeit zusammen mit den Mitgefangenen schwer geschlagen und gefoltert werde. Ärztliche Versorgung werde den Gefangenen vollständig verweigert; sie müssten in Zellen für Behinderte schlafen, die voll seien mit menschlichen Fäkalien.

9

Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 21. September 2017 ab. Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet sei nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG vorlägen. Die Vorschrift sei in Fällen, in denen Handlungen des internationalen Terrorismus in Rede stünden, nicht eng auszulegen. Zudem lägen auch keine Abschiebungsverbote vor. Der Verwaltungsgerichtshof habe dies im ausweisungsrechtlichen Verfahren zu Recht festgestellt. Die drohende Inhaftierung begründe nicht den Verdacht einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung. Lediglich Angehörigen der PKK oder der Gülen-Bewegung drohe Folter, ansonsten seien die Gefängnisse massiv überbelegt, wodurch sich nach dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 19. Mai 2017 die schon zuvor ungenügenden Bedingungen weiter verschlechtert hätten. Da jedoch nur Berichte über Folter an PKK und Gülen-Anhängern vorlägen, fehle es an jeglichen Anhaltspunkten für eine beachtliche Gefahr von Folter oder menschenrechtswidriger Behandlung im Falle des Beschwerdeführers.

10

7. Der Beschwerdeführer erhob unter dem 3. Oktober 2017 Anhörungsrüge. Er führte unter anderem aus, das Verwaltungsgericht habe das Schreiben von amnesty international vom 5. September 2017 nicht berücksichtigt.

11

Das Verwaltungsgericht wies die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 14. November 2017 zurück, vom Beschwerdeführer am 22. November 2017 vorgelegt. Ein Gehörsverstoß liege nicht vor. Das Gericht habe den amnesty international Report 2017 zur Kenntnis genommen, dieser entspreche aber weitgehend dem ausgewerteten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Dem Schreiben von amnesty international vom 5. September 2017 lasse sich ebenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer menschenrechtswidrigen Behandlung entnehmen. Die Schilderung zweier Folterfälle in dem Schreiben lasse sich nicht verifizieren; im Übrigen könne das Gericht nicht erkennen, was an einer Nutzung einer Zelle für behinderte Menschen menschenrechtswidrig sein solle.

II.

12

1. Der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit einstweiliger Anordnung vom 21. September 2017 hat das Bundesverfassungsgericht der zuständigen Ausländerbehörde bis zum Erlass einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde - längstens bis zum 30. November 2017 - untersagt, den Beschwerdeführer in die Türkei abzuschieben.

13

2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 16a Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Sowohl im ausweisungsrechtlichen als auch im asylrechtlichen Eilverfahren hätten die Gerichte einen unzutreffenden Prognosemaßstab, jenen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der nur im Hauptsacheverfahren Anwendung finde, für die dem Beschwerdeführer drohenden Gefahren angenommen. Insbesondere bei Foltergefahr seien die Fachgerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angehalten, besonders sorgfältig zu prüfen. Dabei dürften dem Betroffenen, der sich bezüglich der Verhältnisse in seinem Heimatland typischerweise in Beweisnot befinde, keine zu hohen Darlegungslasten auferlegt werden. Seiner Darlegungslast sei der Beschwerdeführer nachgekommen und habe insbesondere auf die drohende Inhaftierung bei einer polizeibegleiteten Abschiebung in die Türkei hingewiesen. Ob tatsächlich, wie Bundesamt und Verwaltungsgericht annähmen, nur Kurden und Gülen-Anhänger in türkischen Gefängnissen gefoltert würden, sei jedenfalls hoch zweifelhaft. Auch im Auslieferungsverkehr werde derzeit verbreitet die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung bei der Auslieferung in die Türkei angenommen. Weiterhin sei den vorgelegten Berichten zu entnehmen gewesen, dass sich zum einen in der Türkei seit dem Putschversuch die Berichte über Folter gehäuft hätten. Auch türkische Offizielle hätten unverhohlen von Folter gegenüber Feinden der AKP gesprochen. Ein Bericht des Komitees des Europarats zur Verhütung der Folter, welches mit einer sechsköpfigen Delegation die Türkei bereist hätte, sei aufgrund des Widerspruchs der Türkei nicht veröffentlicht worden. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht Art. 16a GG verletzt, da es nicht berücksichtigt habe, dass gegen den Beschwerdeführer in der Türkei aufgrund eines offensichtlich manipulierten Strafvorwurfs ermittelt werde. Manipulierte Strafvorwürfe indizierten eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG. Zudem habe das Verwaltungsgericht den Ausschluss des § 3 Abs. 2 AsylG zu Unrecht auch auf das Asylgrundrecht erstreckt. Zwar könne auch die Anerkennung als Asylberechtigter versagt werden, wenn der Asylsuchende seine politische Überzeugung durch terroristische Mittel betätigt habe. Eigene terroristische Aktivitäten würden dem Beschwerdeführer jedoch nicht vorgeworfen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei ferner deshalb verletzt, weil die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nicht hinreichend begründet worden sei. Die strafgerichtliche Verurteilung entfalte keine Bindungswirkung, sondern habe allenfalls Indizcharakter. Weiterhin verstoße die Entscheidung gegen das Willkürverbot, weil die Frage der Asylgewährung mit jener des Flüchtlingsschutzes gleichgesetzt worden sei. Schließlich habe das Verwaltungsgericht Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es das Schreiben von amnesty international vom 5. September 2017 nicht berücksichtigt und es zu Unrecht unterlassen habe, Auskünfte des Auswärtigen Amts dazu einzuholen. Auch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht durch die unanfechtbare Eilantragsabweisung und die dadurch bedingte Schaffung vollendeter Tatsachen den Weg zum Europäischen Gerichtshof versperrt habe. Dieser habe jedoch zu entscheiden gehabt, ob der Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung gegriffen habe. Schließlich sei bei der Prüfung der Ausweisung das Bleibeinteresse des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt worden.

14

3. Die Akten der Ausgangsverfahren haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Die Bundesregierung und das Land Hessen haben von ihrem Äußerungsrecht Gebrauch gemacht.

III.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung an und gibt ihr in diesem Umfang statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

16

1. Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Weise offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 21. September 2017 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, indem sie ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Bundesamts auch bezüglich der geltend gemachten Abschiebungsverbote aus § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne weitere Sachaufklärung verneint.

17

a) Den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen muss im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 GG wirksam Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGK 10, 108 <112 f.>). Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt werden kann; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier - angesichts der in Rede stehenden Foltergefahr und der Gefahr unmenschlicher und entwürdigender Inhaftierungsbedingungen -, der Menschenwürde sowie des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Verbindung mit der Gewährleistung des Art. 3 EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

18

b) Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert dieser Rechte Rechnung zu tragen (vgl. zu den Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 GG; BVerfGE 117, 71 <106 f.>) und die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 <323 ff.>). In Fällen, in denen die möglicherweise bestehende Gefahr, Folter oder unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt zu sein, in Rede steht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu. Dies gilt insbesondere in Situationen, in denen sich der Betroffene auf eine in seinem Abschiebungszielstaat bestehende Foltergefahr beruft und für diese auch ernsthafte Anhaltspunkte bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1996 - 2 BvR 528/96 -, juris, Rn. 27 ff.).

19

c) Sowohl verfassungsrechtlich als auch konventionsrechtlich ist es in solchen Konstellationen geboten, dass sich die zuständigen Behörden und Gerichte vor einer Rückführung in den Zielstaat über die dortigen Verhältnisse informieren und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden einholen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>; EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - 8139/09 - Othman ./. U.K., Rn. 187). Diese Zusicherungen müssen geeignet sein, eine ansonsten bestehende beachtliche Gefahr einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung wirksam auszuschließen (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 -, juris, Rn. 46 ff.; EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - 8139/09 - Othman ./. U.K., Rn. 188 f.); andernfalls kann es zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes geboten sein, die aufschiebende Wirkung der Klage - zunächst - anzuordnen (vgl. zur Bedeutung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes für das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1; BVerfGE 126, 1 <27 ff.>; zuletzt BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, juris, Rn. 17 und vom 14. Dezember 2017 - 2 BvR 1872/17 -).

20

2. Diesen Maßgaben wird die angegriffene Entscheidung vom 21. September 2017 nicht gerecht.

21

a) Dies gilt zum einen für die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Abschiebung in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter drohe. Mit menschenrechtswidriger Behandlung müssten nur kurdische Aktivisten und Anhänger der Gülen-Bewegung rechnen; dass auch Anhänger des "Islamischen Staates" oder Al-Qaidas gefoltert würden, sei nicht ersichtlich. Die ins Verfahren eingeführten entgegenstehenden Behauptungen von amnesty international seien nicht verifizierbar.

22

Mit dieser Begründung verfehlt das Verwaltungsgericht die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Es bestand im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer überreichte Schreiben von amnesty international vom 5. September 2017 vor dem Hintergrund der als gerichtsbekannt einzustufenden allgemeinen Erkenntnisse zur politischen Situation in der Türkei von Verfassungs wegen Anlass zu weiterer Sachaufklärung oder zur Einholung von Zusicherungen der türkischen Behörden zur Behandlung des Beschwerdeführers. Denn es bestanden hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen einer Foltergefahr auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Unterstützung des "Islamischen Staates" und damit auch in Bezug auf den Beschwerdeführer. In dem Schreiben vom 5. September 2017 ist von ausgedehnter Folter von Terrorverdächtigen sowie davon die Rede, dass die Zellen, in denen die Betroffenen untergebracht waren, voller menschlicher Fäkalien gewesen seien. Diese mit eine Nachprüfung ermöglichenden Einzelheiten belegten Angaben hätten einer Überprüfung bedurft; jedenfalls konnte sich das Verwaltungsgericht nicht darauf beschränken, die in dem Schreiben ebenfalls erwähnte Unterbringung in einer Zelle für Behinderte für sich genommen als nicht menschenrechtswidrig zu bewerten. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten des vorliegenden Falles kommt es für das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht auf die generelle Frage an, ob Personen, die wegen politischer Straftaten verdächtigt oder inhaftiert werden, auch dann Folter droht, wenn es sich nicht um kurdische Aktivisten oder Anhänger der Gülen-Bewegung handelt.

23

b) Entsprechendes gilt für die Frage der Haftbedingungen. Hierzu hat das Verwaltungsgericht sich zwar auf Quellen bezogen, die eine deutliche Verschlechterung der Haftbedingungen in der Türkei beschreiben. Es hat jedoch nicht eigenständig begründet, warum bei dem Beschwerdeführer eine der Europäischen Menschenrechtskonvention genügende Inhaftierung gewährleistet sein soll und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK ausscheidet. In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Verfahren nach § 58a AufenthG (Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 7/17 -, juris, Rn. 56) und zahlreicher Oberlandesgerichte in Auslieferungssachen zu den in der Türkei derzeit herrschenden Haftbedingungen (vgl. zuletzt OLG Celle, Beschluss vom 2. Juni 2017 - 2 AR (Ausl) 44/17 -, juris und Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 28. September 2017 - 1 Ausl. A 13/17 -, juris) konnte das Verwaltungsgericht auch insoweit nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Abschiebung keine menschenrechtswidrige Behandlung drohte.

24

c) Das Verwaltungsgericht war vor diesem Hintergrund verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären oder eine Abschiebung an die Einholung von geeigneten Zusicherungen der türkischen Stellen hinsichtlich einer menschenrechtskonformen Behandlung des Beschwerdeführers zu binden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 -, juris, Rn. 50). Im Hinblick auf den festgestellten Verstoß gegen die aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sich ergebende Aufklärungspflicht bedarf die Frage, ob neben dem Beschwerdeführer andere oder alle dem "Islamischen Staat" zuzurechnenden Personen nach einer Abschiebung in die Türkei generell mit Folter zu rechnen haben (Art. 2 Abs. 2 GG), im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren keiner Entscheidung.

25

3. Die Kammer hebt den Beschluss nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung zurück, da der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. September 2017 auf der Grundrechtsverletzung beruht.

26

4. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

27

5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 29. Januar 2015, mit dem das Verwaltungsgericht Würzburg den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. Juni 2013 aufgehoben hat, ist abzulehnen. Aus der Antragsbegründung des Bundesamts ergibt sich weder eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung eines Divergenzgerichts (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

1. Der Kläger ist russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit und mit seiner Mutter (Verfahren 11 ZB 15.50092) über Polen und Österreich nach Ablehnung seines Asylbegehrens im März 2013 in das Bundesgebiet eingereist. Das Bundesamt hat mit Bescheid vom 24. Juni 2013 die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt (Nr. 1) und die Abschiebung des Klägers nach Polen angeordnet (Nr. 2). Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid insgesamt aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger leide an einer paranoiden Schizophrenie. Wegen „der zu erwartenden negativen Auswirkungen eines Ortswechsels bzw. einer Ausweisung auf die gesundheitliche Gesamtsituation des Klägers“, die sich aus den vorgelegten Attesten und ärztlichen Stellungnahmen ergäben, sei von einer dauerhaften Reiseunfähigkeit auszugehen, weshalb sich das Ermessen der Beklagten bezüglich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auf Null reduziert habe.

2. Zur Begründung der Divergenzrüge trägt das Bundesamt vor, das Urteil weiche von den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (Az. 13a B 13.30295) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (Az. 10 B 35.14) ab. Beide Entscheidungen gingen im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon aus, dass der Asylbewerber seiner Rücküberstellung in den für die Prüfung seines Asylbegehrens zuständigen EU-Mitgliedstaat nur systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegenhalten könne. Sehe man dies durch die genannten Entscheidungen als noch nicht ausreichend klargestellt an, seien die Fragen, „ob zum Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-Verordnung überhaupt ein gerichtlich überprüfbarer Anspruch auf fehlerfreie Ermessensbetätigung“ bestehe und „ob sich dieser Anspruch dann allein auf die Konstellation geltend gemachter systemischer Mängel im als verfahrenszuständig bestimmten Staat“ beschränke „oder auch darüber hinausgehend individuell aufgeladene Rechtspositionen zum Gegenstand haben“ könne, grundsätzlich klärungsbedürftig. Die Überstellungsfrist sei aufgrund des vom Verwaltungsgericht gewährten Eilrechtsschutzes noch nicht abgelaufen und Polen nach wie vor zur Übernahme des Klägers und seiner Mutter bereit.

3. Damit wird jedoch weder eine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ausreichend dargelegt. Das Bundesamt hat seinen Zulassungsantrag nicht auf die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit des klägerischen Asylantrags beschränkt, sondern auch die Aufhebung der Abschiebungsanordnung nach Polen einbezogen. Es vertritt in seiner Antragsbegründung die Auffassung, bei Verneinung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensbetätigung, zumindest soweit andere Einwände als systemische Mängel geltend gemacht würden, wäre die Klage abzuweisen gewesen. In der Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG allein das Bundesamt zu prüfen hat, ob die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Prüfung betrifft sowohl zielstaatsbezogene als auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse. Die Abschiebung ist unter anderem dann auszusetzen, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können sowohl bei Reiseunfähigkeit im engeren Sinn erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist, als auch bei Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (BVerfG, B.v. 17.9.2014 - NVwZ 2014, 1511; vgl. auch BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4; OVG LSA, B.v. 3.9.2014 - 2 M 68.14 - juris Rn. 3; HessVGH, B.v. 25.8.2014 - 2 A 976/14.A - juris Rn. 16; SaarlOVG, B.v. 25.4.2014 - 2 B 215.14 - juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg., B.v. 1.2.2012 - OVG 2 S 6.12 - juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060.11 - juris Rn. 2 ff.).

Mit dieser gefestigten Rechtsprechung setzt sich die Antragsbegründung des Bundesamts nicht auseinander. Dies wäre jedoch zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlich gewesen (vgl. Roth in Posser/Wolff, VwGO, 2. Auflage 2014, § 124a Rn. 76; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 133 Rn. 26), wenn das Bundesamt der Auffassung ist, die Klage wäre insgesamt, also nicht nur hinsichtlich der Feststellung der Unzulässigkeit des klägerischen Asylantrags, sondern auch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung abzuweisen gewesen. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses bei noch nicht abgelaufener Überstellungsfrist die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) trägt (vgl. hierzu etwa Bergmann, ZAR 2015, 81/88 unter 5.3), insbesondere welcher Zeitraum dem Asylbewerber bis zur materiellen Prüfung seines Asylbegehrens zuzumuten ist, und ob das Verwaltungsgericht Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts vom 24. Juni 2013 zu Recht aufgehoben hat, ist jedenfalls nicht ersichtlich, inwieweit hinsichtlich der Pflicht des Bundesamts zur Prüfung von Abschiebungshindernissen bei Erlass von Abschiebungsanordnungen gemäß § 34a AsylVfG noch Klärungsbedarf bestehen sollte.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht von den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (Az. 13a B 13.30295) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (Az. 10 B 35.14) ab. Beiden Entscheidungen liegt keine Fallgestaltung zugrunde, bei der ein Abschiebungshindernis wegen dauerhafter Reiseunfähigkeit des Klägers im Raum stand. Damit unterscheiden sich die Fallgestaltungen der vom Bundesamt angeführten Divergenzentscheidungen in einem wesentlichen Punkt vom hier zugrundeliegenden Sachverhalt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

5. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylVfG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.