Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. Juli 2016 - Au 3 K 15.1851

published on 19/07/2016 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. Juli 2016 - Au 3 K 15.1851
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Gericht

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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Exmatrikulation und die dieser zugrunde liegende Bewertung einer Prüfungsleistung als endgültig nicht bestanden.

1. Der 1975 geborene Kläger war an der Hochschule K. seit dem Wintersemester 2013/14 im Bachelor-Studiengang „Betriebswirtschaft“ immatrikuliert.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2014 teilte der Kläger der Hochschule mit, dass er an der Klausur im Fach „Grundlagen der Volkswirtschaftslehre“ am selben Tage aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen könne. Beigefügt war eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. Juli 2014.

Mit E-Mail vom 21. Juli 2014 teilte daraufhin die Hochschule dem Kläger mit, dass die eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend sei. Es wurde auf die Richtlinien der Hochschule bei Prüfungsunfähigkeit verwiesen. Hiernach sei u. a. ein ärztliches Attest vorzulegen, dass auf Basis einer Untersuchung spätestens am Tag der versäumten Prüfung die aktuellen krankheitsbedingten und zugleich prüfungsrelevanten körperlichen, geistigen und/oder seelischen Funktionsstörungen so konkret und nachvollziehbar beschreibt, dass die Hochschule entscheiden kann, ob am Prüfungstag tatsächlich Prüfungsunfähigkeit bestanden hat. Das Attest solle insbesondere eine abschließende Aussage enthalten, ob aus ärztlicher Sicht Prüfungsunfähigkeit bestehe.

Sodann legte der Kläger mit am 23. Juli 2014 eingegangenem Schreiben ein ärztliches Attest vom 22. Juli 2014 vor. Diesem war u. a. zu entnehmen, dass es ihm wegen am Prüfungstag festgestellter starker Kopfschmerzen nicht möglich gewesen sei, an der Prüfung teilzunehmen. Dieses ärztliche Attest wurde seitens der Hochschule akzeptiert.

Mit Schreiben vom 6. August 2014 teilte die Hochschule dem Kläger mit, dass er die nach der Studien- und Prüfungsordnung vorgesehenen ECTS-Punkte nach zwei Fachsemestern nicht erreicht habe. Er habe daher die Fachstudienberatung aufzusuchen. Dieser Aufforderung kam der Kläger am 16. Oktober 2014 nach.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2015 teilte der Kläger der Hochschule mit, dass er an der Klausur im Fach „Grundlagen der Volkswirtschaftslehre“ am selben Tage aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen könne. Er leide seit längerem an wiederkehrenden Phasen von Cluster-Kopfschmerzen. Deswegen sei er bereits seit dem Vormonat zum wiederholten Male in ärztlicher Behandlung. Beigefügt war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin vom 13. Juli 2015. Die Hochschule teilte dem Kläger daraufhin am 16. Juli 2015 telefonisch mit, dass insoweit kein ärztliches Attest erforderlich sei; der Kläger habe vielmehr für den Drittversuch ein Jahr Zeit.

2. Am 20. Juli 2015 (10.00 Uhr - 11.30 Uhr) nahm der Kläger an seiner zweiten Wiederholungsprüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“ teil. Das betreffende Prüfungsprotokoll enthält im Abschnitt „Besondere Vorkommnisse“ lediglich den Hinweis, dass eine Studentin um 11.08 Uhr wegen erheblicher Beschwerden krank entlassen worden sei; Hinweise auf den Kläger enthält das Protokoll nicht.

Die abgegebene Prüfungsarbeit des Klägers wurde mit der Note 5,0 (nicht bestanden) bewertet.

Mit Schreiben bereits vom 23. Juli 2015 - eingegangen am Folgetag - teilte der Kläger der Hochschule mit, dass er am 20. Juli 2015 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, die Prüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“ zu schreiben. Daher beantrage er Fristverlängerung. Ein ärztliches Attest habe er noch am Prüfungstag im Sekretariat der betriebswirtschaftlichen Fakultät abgegeben (z.Hd. des zuständigen Professors). Dem Schreiben war eine ärztliche Bescheinigung der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin vom 20. Juli 2015 beigefügt. Demnach habe zum Prüfungszeitpunkt beim Kläger eine Cluster-Kopfschmerz-Attacke bestanden. Der Cluster-Kopfschmerz sei bekannt, die Attacken würden anfallartig auftreten und längstens zwei Stunden dauern.

3. Mit Bescheid der Hochschule K. vom 8. September 2015 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er im Sommersemester 2015 die zweite Wiederholungsprüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“ nicht bestanden habe; die Prüfung sei damit endgültig nicht bestanden. Der Kläger werde deshalb exmatrikuliert (Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG).

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28. September 2015 Widerspruch und verwies erneut auf ein bereits am 20. Juli 2015 eingereichtes ärztliches Attest.

In seiner Sitzung vom 3. November 2015 fasste der Prüfungsausschuss den einstimmigen Beschluss (TOP 2), dem Widerspruch des Klägers nicht abzuhelfen.

Mit E-Mail der Hochschule vom 4. November 2015 wurde dem Kläger sodann die Sach- und Rechtslage erläutert und mitgeteilt, dass an der Exmatrikulation festgehalten werde. Ein wirksamer Rücktritt gegenüber der Aufsichtsperson vor, während oder nach der Prüfung sei ausweislich des Prüfungsprotokolls nicht erklärt worden. Unabhängig davon entspreche das am 20. Juli 2015 eingereichte ärztliche Attest nicht den Anforderungen der Hochschule. Es wurde um Mitteilung bis zum 13. November 2015 gebeten, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde.

Mit E-Mail vom 13. November 2015 teilte der Kläger der Hochschule mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte. Der Kläger verwies u. a. darauf, dass er während der Prüfung am 20. Juli 2015 Clusterkopfschmerzattacken bekommen habe. Er habe zwar versucht, die Prüfung zu Ende zu schreiben, dies sei ihm aufgrund starker Kopfschmerzen jedoch nicht möglich gewesen. Er habe sich sodann sofort nach der Prüfung in ärztliche Behandlung begeben und fristgerecht mit Schreiben vom 23. Juli 2015 ein entsprechendes ärztliches Attest vorgelegt. Das Attest sei auch inhaltlich ausreichend, vergleichbare Atteste seien durch die Hochschule in der Vergangenheit stets akzeptiert worden.

Der Widerspruch des Klägers wurde sodann mit Widerspruchsbescheid der Hochschule K. vom 17. November 2015 - zugestellt am 20. November 2015 - zurückgewiesen.

4. Hiergegen hat der Kläger am 21. Dezember 2015 (Montag) Klage erhoben. Beantragt ist,

den Bescheid der Hochschule K. vom 8. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2015 aufzuheben und

die Hochschule K. zu verpflichten, das Prüfungsverfahren durch Einräumung einer weiteren Wiederholungsprüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“ fortzusetzen.

Die Exmatrikulation sei rechtswidrig. Hinsichtlich der dieser zugrunde liegenden Prüfungsleistung des Klägers im Fach „Wirtschaftsmathematik“ gelte, dass ein wirksamer Rücktritt des Klägers wegen Prüfungsunfähigkeit i. S. v. § 9 Abs. 3 RaPO gegeben sei. Der Kläger leide an chronischen Cluster-Kopfschmerzen (ICD-10 G44.0); aufgrund einer entsprechenden Kopfschmerz-Attacke sei der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt prüfungsunfähig gewesen. So habe der Kläger im letzten Drittel der 90-minütigen Prüfung auch gegenüber der Prüfungsaufsicht gesundheitliche Probleme geäußert. Unmittelbar nach der Klausur habe der Kläger sodann in einem Umschlag ein ärztliches Attest vom 20. Juli 2015 in das Fach des zuständigen Professors gelegt. Dem Attest sei ein ärztlicherseits erstelltes, handschriftliches Beiblatt beigefügt gewesen, das detailliert die klägerischen Erkrankungssymptome beschrieben habe; dieses Beiblatt befinde sich jedoch offenbar fehlerhafterweise nicht in den Verwaltungsakten der Hochschule. Das Attest vom 20. Juli 2015 habe er der Hochschule mit Schreiben vom 23. Juli 2015 nochmals übersandt. Damit habe der Kläger seine während des Prüfungszeitraums eingetretene Prüfungsunfähigkeit unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht (§ 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO).

5. Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Exmatrikulation sei rechtmäßig. Hinsichtlich der dieser zugrunde liegenden Prüfungsleistung des Klägers im Fach „Wirtschaftsmathematik“ gelte, dass ein wirksamer Rücktritt des Klägers wegen Prüfungsunfähigkeit i. S. v. § 9 Abs. 3 RaPO nicht gegeben sei. Es sei nicht von Relevanz, ob der Kläger gesundheitliche Probleme gegenüber der Prüfungsaufsicht angezeigt habe. Denn letztlich müsse allein der Kläger entscheiden, ob er sich prüfungsunfähig fühlt oder nicht; er müsse einen Rücktritt unmissverständlich gegenüber der Prüfungsaufsicht äußern. Eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit habe der Kläger jedoch ausweislich des fehlenden Vermerks im Prüfungsprotokoll nicht geäußert, er habe die Prüfung vielmehr fortgesetzt und seine Bearbeitung abgegeben. Ein Rücktritt nach Beendigung der Prüfung sei nur unter strengen Voraussetzungen im Fall einer nicht erkennbaren Prüfungsunfähigkeit möglich. Zu einer fehlenden Erkennbarkeit der Prüfungsunfähigkeit für den Kläger zum Prüfungszeitpunkt verhalte sich das ärztliche Attest vom 20. Juli 2015 jedoch nicht. Hierbei sei auch zu bedenken, dass der Kläger offenbar bereits seit Jahren an Cluster-Kopfschmerzen leide und daher die Symptome bzw. erste Anzeichen einer Attacke ohne weiteres erkennen könne. Unabhängig davon genüge das ärztliche Attest vom 20. Juli 2015 nicht den formalen Anforderungen aus § 9 Abs. 3 Satz 3 RaPO sowie den gemäß § 9 Abs. 3 Satz 4 RaPO i. V. m. § 8 Abs. 4 Satz 5 RaPO durch den Prüfungsausschuss festgelegten und hochschulöffentlich bekanntgegebenen sowie im Internet abrufbaren Richtlinien für den Fall einer Prüfungsunfähigkeit. Dem Attest sei weder der genaue Zeitpunkt des Arztbesuches zu entnehmen, noch beziehe sich das Attest auf den Zeitpunkt der Prüfung oder erläutere einen entsprechenden Zusammenhang zwischen dem Auftreten krankheitsbedingter Beschwerden und dem Prüfungszeitpunkt. Nach der Rechtsprechung müsse jedoch aus ärztlichen Attesten bei Rücktritten von Prüfungen hinreichend deutlich hervorgehen, welche Auswirkungen die krankhaften Beeinträchtigungen auf das Leistungsvermögen des Prüflings in der konkret darzulegenden Prüfung haben. Es werde in diesem Zusammenhang bestritten, dass dem klägerseitig vorgelegten ärztlichen Attest vom 20. Juli 2015 ein ärztliches Beiblatt beigefügt gewesen sei, auf dem die klägerischen Erkrankungssymptome detailliert beschrieben worden seien. Letztlich habe der Kläger Gründe für einen Rücktritt nicht glaubhaft machen können (§ 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO).

6. Klägerseitig wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein ergänzendes ärztliches Attest vom 20. April 2016 der den Kläger behandelnden Allgemeinmedizinerin eingereicht. Hiernach bestehe beim Kläger seit zehn Jahren eine chronische Cluster-Kopfschmerzerkrankung. Dabei handele es sich um anfallsartige stärkste einseitige retrobulbäre (hinter dem Augapfel befindliche) Kopfschmerzen, welche sich ohne Voranzeichen innerhalb von Sekunden einstellten. In einer solchen Situation müsse von Prüfungsunfähigkeit ausgegangen werden. Der Kläger habe sich unverzüglich nach der Prüfung am 20. Juli 2015 in der Praxis vorgestellt und nachvollziehbar einen Cluster-Kopfschmerz-Anfall geschildert. Hierüber habe es ein kurzes ärztliches Attest gegeben, welches wohl auf dem Weg zur Hochschule postalisch verlorengegangen sei.

7. Ausweislich einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch die Beklagten vorgelegten Aktennotiz eines aufsichtsführenden Professors vom 2. Februar 2016 habe der Kläger im letzten Drittel der Prüfung vom 20. Juli 2015 ihm gegenüber gesundheitliche Probleme geäußert. In dem Zeitpunkt, als er genauer auf die Angelegenheit habe eingehen wollen, sei die im Prüfungsprotokoll vermerkte Problematik der Prüfungsteilnehmerin aufgetreten, die die Klausur vorzeitig abgeben und den Prüfungsraum verlassen habe wollen. Da ein Verlassen des Prüfungsraums nach den Regularien der Hochschule K. nicht zulässig sei, habe die Problematik erst nach eingehender Diskussion geklärt werden können; die Prüfungsteilnehmerin sei ausnahmsweise als krank entlassen worden, da sie nachdrücklich erklärt habe, Angst vor einem augenblicklichen Kollaps zu haben. Dem Kläger habe sich der Professor nunmehr nicht mehr widmen können, da die Prüfungszeit nahezu abgelaufen gewesen sei und zusammen mit der zweiten Aufsichtsperson die Modalitäten der Klausurabgabe zu organisieren gewesen seien. Am Vormittag nach der Klausur habe er sodann ein Attest des Klägers in seinem Fach vorgefunden. Zum genauen Inhalt könne er nichts mehr sagen. Er habe das Kuvert geöffnet und das Attest unmittelbar an die Fakultätsreferentin weitergegeben; verbunden habe er die Weitergabe mit dem Hinweis, dass der Kläger bereits während der Prüfung gesundheitliche Probleme geäußert habe.

8. Mit Beschluss des Gerichts vom 19. Mai 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

9. Die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1. Soweit es die inmitten stehende Prüfungsentscheidung betrifft, ist die mit Bescheid der Hochschule K. vom 8. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2015 als Körperschaft - vgl. Art. 12 Abs. 2 BayHSchG - getroffene Feststellung, dass der Kläger die Prüfungsleistung „Wirtschaftsmathematik“ aus dem Grund- bzw. Basisstudium des Bachelor-Studiengangs Betriebswirtschaft auch im zweiten Wiederholungsversuch - und damit endgültig, § 10 Abs. 1 RaPO i. V. m. § 12 Abs. 2 der Allgemeinen Prüfungsordnung der Hochschule für angewandte Wissenschaften K. (APO) - nicht bestanden hat, rechtlich einwandfrei. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Verpflichtung der Hochschule zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens durch Einräumung einer weiteren Wiederholungsprüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Bewertung der gegenständlichen Prüfung des Klägers am 20. Juli 2015 im Fach „Wirtschaftsmathematik“ als nicht bestanden ist rechtsfehlerfrei. Denn ein wirksamer Rücktritt von der genannten Prüfung i. S. v. § 9 RaPO ist nicht gegeben.

a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 RaPO wird bei Rücktritt von einer Prüfung, die bereits angetreten wurde, die Note „nicht ausreichend“ erteilt, es sei denn, der Rücktritt erfolgte aus vom Studierenden nicht zu vertretenden Gründen. Die Prüfung ist mit Stellung der Prüfungsaufgabe angetreten, § 9 Abs. 1 Satz 2 RaPO.

Die Gründe für den Rücktritt nach § 9 Abs. 1 RaPO müssen der Hochschule nach § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Eine während einer Prüfungsleistung eintretende Prüfungsunfähigkeit muss unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht werden; die Verpflichtung zur Anzeige und Glaubhaftmachung der Gründe bleibt unberührt (§ 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO). Bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit ist nach § 9 Abs. 3 Satz 3 RaPO ein ärztliches Attest vorzulegen, das auf einer Untersuchung beruhen muss, die grundsätzlich am Tag der jeweiligen Prüfung erfolgt ist.

Nach § 9 Abs. 3 Satz 4 RaPO i. V. m. § 8 Abs. 4 Satz 5 RaPO legt der Prüfungsausschuss fest, welche Angaben das ärztliche Attest enthalten muss; die Regelung ist hochschulöffentlich bekanntzugeben. Vorliegend hat der Prüfungsausschuss der Hochschule K. folgende Regelungen erlassen und am 11. Mai 2011 per Aushang hochschulöffentlich bekannt gemacht (Blatt 62 der Gerichtsakte):

„Formale Anforderungen an ärztliche Atteste

[1]) Beantragt ein(e) Student(in) aus gesundheitlichen Gründen Prüfungsunfähigkeit, muss dem Studienamt unverzüglich ein ärztliches Attest (keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) vorgelegt werden. Die ärztliche Untersuchung muss grundsätzlich spätestens am Tag der versäumten Prüfung erfolgen.

[2]) Das ärztliche Attest muss die aktuellen krankheitsbedingten und zugleich prüfungsrelevanten körperlichen, geistigen und/oder seelischen Funktionsstörungen aus ärztlicher Sicht so konkret und nachvollziehbar beschreiben, dass die Hochschule entscheiden kann, ob am Prüfungstag tatsächlich Prüfungsunfähigkeit bestanden hat. Aus diesem Attest müssen die Hindernisse, an der Prüfung teilzunehmen, schlüssig hervorgehen (z. B. notwendige Bettruhe; objektive Unfähigkeit, sich ohne erhebliche Beschwerden oder ohne die Krankheitserscheinungen zu verschlimmern, der Prüfung zu unterziehen, zum Prüfungsamt zu begeben o.ä.).

Eine Diagnose im ärztlich medizinischen Sinne ist nicht erforderlich.

[3]) Am Schluss des Attestes soll der Arzt feststellen, ob er aus ärztlicher Sicht Prüfungsunfähigkeit annimmt.

[4]) Zusätzlich ist (sofern notwendig) ein formloser Antrag auf Fristverlängerung über das Studienamt einzureichen. Die bloße Einreichung/Vorlage des ärztlichen Attestes bewirkt keine Fristverlängerung.

[5]) Ärztliche Atteste, die erst nach Notenbekanntgabe eingereicht/vorgelegt werden, werden grundsätzlich nicht anerkannt.“

b) Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben ist vorliegend kein wirksamer Rücktritt des Klägers von der streitgegenständlichen Prüfung i. S. v. § 9 RaPO gegeben. Die Prüfung ist daher gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 RaPO mit der Note „nicht ausreichend“ zu bewerten.

aa) Zunächst ist klarzustellen, dass vorliegend ein Rücktritt von einer bereits angetretenen Prüfung i. S. v. § 9 Abs. 1 RaPO inmitten steht, da der Rücktritt unstreitig erst nach Stellung der Prüfungsaufgabe erfolgte.

Insoweit ist festzustellen, dass eine (konkludente) Rücktrittserklärung des Klägers erst im - nach Prüfungsende, allerdings noch am Prüfungstag erfolgten -Einlegen des ärztlichen Attests in das Fach des zuständigen Professors zu sehen ist. Dass der Kläger tatsächlich noch am 20. Juli 2015 ein ärztliches Attest - hierbei dürfte es sich um das ärztliche Attest vom 20. Juli 2015 (Blatt 32b der Verwaltungsakte) handeln - in das Fach des Professors gelegt hat, hat der betreffende Professor in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2016 (Blatt 59 der Gerichtsakte) bestätigt und dürfte nunmehr zwischen den Beteiligten unstreitig sein.

Während der Prüfung selbst ist hingegen keine hinreichend eindeutige Rücktrittserklärung des Klägers erfolgt.

Eine ordnungsgemäße Rücktrittserklärung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit erfordert eine eindeutige Willenserklärung gegenüber der Prüfungsbehörde mit dem Ziel der Annullierung der Prüfung (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2007 - 7 ZB 06.509 - juris Rn. 13; U.v. 3.11.1992 - 7 ZB 91.541 - juris Rn. 86; VG Ansbach, U.v. 1.2.2007 - AN 2 K 06.23 u. a. - juris Rn. 35).

Zwar hat vorliegend der aufsichtsführende Professor in seiner genannten Stellungnahme vom 2. Februar 2016 (Blatt 59 der Gerichtsakte) auch bestätigt, dass der Kläger im letzten Drittel der Klausur gesundheitliche Probleme geäußert hat (so auch der Vortrag der Klagebegründung, Blatt 37 der Gerichtsakte). Eine hinreichend eindeutige (unbedingte) Rücktrittserklärung mit dem Ziel der Annullierung der Prüfung liegt im bloßen mündlichen Äußern gesundheitlicher Probleme jedoch nicht. Denn hierfür hätte der Kläger unter Verweis auf eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit die Prüfung abbrechen müssen, ohne jedoch - wie geschehen - die Bearbeitung der Aufgaben fortzusetzen und die Bearbeitung am Prüfungsende bei der aufsichtsführenden Person abzugeben (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2010 - 7 ZB 09.1921 - juris Rn. 11). In diesem Sinne ist eine formale Rücktrittserklärung des Klägers auch im Prüfungsprotokoll vom 20. Juli 2015 (Blatt 39a der Verwaltungsakte) nicht vermerkt, das jedoch die krankheitsbedingte Entlassung einer anderen Prüflingsteilnehmerin aus dem Prüfungsraum ausweist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Prüfling die Beweislast (auch) dafür trägt, dass er hinreichend eindeutig einen Prüfungsrücktritt erklärt hat.

Insoweit ist auch nicht von Relevanz, dass einer der beiden aufsichtsführenden Professoren in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2016 (Blatt 59 der Gerichtsakte) eingeräumt hat, dass er sich aufgrund des offenbar kontroversen Falls der anderen Prüflingsteilnehmerin dem gesundheitliche Probleme äußernden Kläger zeitlich nicht (mehr) habe widmen können; gleiches gilt für den Umstand, dass der betreffende aufsichtsführende Professor offenbar der aus Sicht der Hochschule unzutreffenden Auffassung gewesen ist, dass Prüflinge den Prüfungsraum nicht vorzeitig verlassen dürfen. Denn zum einen hätte der Kläger eine etwaige eindeutige Rücktrittserklärung auch an die andere Aufsichtsperson richten können. Zum anderen hätte der Kläger für einen hinreichend eindeutigen Rücktritt noch während der Prüfung jedenfalls seine Klausurbearbeitung nicht - wie geschehen (siehe hierzu die Klausur des Klägers, Blatt 39b - 39j der Verwaltungsakte) - nach Ende der Bearbeitungszeit regulär abgeben dürfen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger vielmehr gegenüber den die Klausurbearbeitungen einsammelnden Aufsichtspersonen einen Rücktritt formal zu Protokoll geben können und müssen. Dies hat er vorliegend jedoch unterlassen.

bb) Hiervon ausgehend hat der Kläger - entgegen § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO - eine nach seinem Vortrag während der Prüfungsleistung eingetretene Prüfungsunfähigkeit bereits nicht unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht.

(1) An die Unverzüglichkeit des Prüfungsrücktritts i. S.v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Prüfling muss, nachdem er seine zur Prüfungsunfähigkeit führende gesundheitliche Belastung erkannt hat, alsbald ohne weitere Verzögerung zum frühestmöglichen, ihm zumutbaren Zeitpunkt seinen Rücktritt erklären und dabei auch unverzüglich die Gründe hierfür mitteilen. Diese Obliegenheit ist Teil der auf dem Prüfungsrechtsverhältnis beruhenden Pflicht des Prüflings, im Prüfungsverfahren mitzuwirken, die ihren Rechtsgrund in dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben hat. Daher ist es auch Sache des Prüflings, sich rechtzeitig vor der Prüfung, aber auch insbesondere während der Prüfung Klarheit über seine Prüfungsfähigkeit zu verschaffen und ggf. unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen und Prüfungsunfähigkeit spätestens dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist, geltend zu machen. Zur Mitwirkungspflicht des Prüflings gehört auch, dass er sich bei Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen selbst um die Frage seiner Prüfungsfähigkeit und eines evtl. erforderlichen Rücktritts kümmert und dass diese Frage bei auftauchenden Zweifeln sofort geklärt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Prüfling die genaue krankheitsbedingte Ursache seiner Prüfungsunfähigkeit kennt und dass er die Krankheitssymptome richtig deuten und alle Auswirkungen der Krankheit zutreffend einschätzen kann. Vielmehr muss er sich bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht, also wenn ihm erhebliche Beeinträchtigungen seines Leistungsvermögens im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen geblieben sind, unverzüglich selbst um eine Aufklärung seines Gesundheitszustandes bemühen. Unterlässt er dies, obwohl es ihm zuzumuten ist, und nimmt er (weiter) an der Prüfung teil, ist es dem Prüfling verwehrt, sich nachträglich auf eine Erkrankung am Prüfungstag zu berufen. Ein Prüfling trägt die materielle Beweislast nicht nur für die den Rücktrittsgrund, sondern auch für die Unverzüglichkeit des Rücktritts (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.3.2013 - 7 CE 13.181 - juris Rn. 14; B.v. 26.11.2009 - 7 ZB 09.1423 - juris Rn. 11; B.v. 7.1.2009 - 7 ZB 08.1478 - juris Rn. 11; B.v. 23.1.2007 - 7 ZB 06.509 - juris Rn. 12; U.v. 23.9.2004 - 7 B 03.1192 - juris Rn. 16 zu § 21 Abs. 4 Satz 1 RaPO a. F.; B.v. 22.7.2003 - 7 CE 03.1872 - juris Rn. 11; VG Würzburg, U.v. 14.5.2014 - W 2 K 13.963 - juris Rn. 19; VG Augsburg, U.v. 24.1.2006 - Au 3 K 05.1950 - juris Rn. 20).

Bei Vorliegen eines Rücktrittsgrunds ist ein Prüfling somit gehalten, vor Abgabe der Arbeit die Prüfung abzubrechen und eine Prüfungsunfähigkeit unverzüglich ärztlich feststellen zu lassen (§ 9 Abs. 3 Satz 2 und 3 RaPO). Nach Abgabe der Arbeit kann ein Prüfling jedoch ohne ausreichenden Nachweis einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit nicht mehr damit durchdringen, er habe die Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen und seine Prüfungsfähigkeit unterschätzt. Ein Wahlrecht zwischen Nichtantritt oder Abbruch der Prüfung wegen erkannter Prüfungsunfähigkeit und nachträglichem Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit steht dem Prüfungsteilnehmer nicht zu. Es widerspräche dem Grundsatz der Chancengleichheit, einem Prüfling, der trotz der für ihn erkennbaren Beeinträchtigung seiner Prüfungsfähigkeit an der Prüfung in der Hoffnung teilnimmt, einen Erfolg erreichen zu können, im Falle des Nichtbestehens eine weitere Prüfungsmöglichkeit einzuräumen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.3.2013 - 7 CE 13.181 - juris Rn. 18).

Auch die Gefahr, dass der geltend gemachte Rücktrittsgrund von der Prüfungsbehörde letztlich nicht anerkannt werden könnte, macht die Pflicht eines Prüflings aus § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO zur unverzüglichen Rücktrittserklärung nicht unzumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2010 - 7 ZB 09.1921 - juris Rn. 12).

(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist vorliegend kein unverzüglicher Rücktritt des Klägers i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO gegeben.

Den Vortrag der Klägerseite als wahr unterstellt ist bei diesem während der Klausur eine Clusterkopfschmerzattacke aufgetreten; er hat sodann versucht, die Klausur zu Ende zu schreiben, was ihm aufgrund der starken Kopfschmerzen jedoch nicht möglich gewesen ist (siehe E-Mail des Klägers v. 13.11.2015, Blatt 43b der Verwaltungsakte). Der Kläger hat insoweit im letzten Drittel der Klausur gegenüber der Prüfungsaufsicht gesundheitliche Probleme geäußert (siehe Stellungnahme eines aufsichtsführenden Professors v. 2.2.2016, Blatt 59 der Gerichtsakte).

Den Vortrag der Klägerseite zugrunde gelegt ist somit davon auszugehen, dass der Kläger seinen beeinträchtigten Gesundheitszustand zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorgetragenen Kopfschmerzattacke grundsätzlich wahrgenommen hat und auch zutreffend einordnen konnte. Hierfür spricht zum einen, dass der Kläger bereits seit zehn Jahren an der gegenständlichen chronischen Symptomatik leidet (siehe ärztliches Attest v. 20.4.2016, Blatt 54 der Gerichtsakte). Zum anderen hatte der Kläger bereits eine Woche vor der streitgegenständlichen Klausur den Rücktritt von einer anderen Prüfungsleistung ebenfalls wegen Cluster-Kopfschmerzen erklärt (siehe Schreiben des Klägers v. 13.7.2015, Blatt 31a der Verwaltungsakte). Insoweit ist maßgeblich zu bedenken, dass Kenntnis einer Erkrankung bereits dann vorliegt, wenn für den Prüfling - wie hier - Anlass bestand, Zweifel an seiner uneingeschränkten Prüfungsfähigkeit zu haben, ihm also bewusst ist, dass sein Gesundheitszustand nicht unerheblich beeinträchtigt ist; nicht erforderlich ist dagegen, dass der Prüfling die erkannten Krankheitssymptome medizinisch und juristisch zutreffend unter den Begriff einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit subsumiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 3.11.1992 - 7 B 91.541 - juris Rn. 90). Nach alledem ist eine unerkannte Prüfungsunfähigkeit des Klägers vorliegend nicht gegeben.

Aufgrund seiner - den klägerischen Vortrag erneut als wahr unterstellt - subjektiv erkennbaren Kopfschmerzattacke hat sich der Kläger sodann zwar unstreitig im letzten Drittel der Prüfung an einen aufsichtsführenden Professor gewandt und gesundheitliche Probleme geäußert. Eine einen Rücktritt bedingende Prüfungsunfähigkeit hat er jedoch - wie dargelegt - gegenüber der Prüfungsaufsicht während der gesamten Prüfungszeit nicht hinreichend eindeutig geltend gemacht, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre. Der Kläger hat vielmehr - letztlich auf eigenes Risiko - weiter an der Prüfung teilgenommen und sogar seine Klausurbearbeitung regulär abgegeben (siehe oben). Wie ausgeführt ist an die Unverzüglichkeit des Rücktritts i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit ein strenger Maßstab anzulegen. Ein Wahlrecht zwischen Abbruch der Prüfung wegen erkannter Prüfungsunfähigkeit und nachträglichem Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit steht dem Prüfungsteilnehmer nicht zu. Der Kläger trägt - wie ausgeführt - letztlich die Beweislast (auch) für die Unverzüglichkeit des Rücktritts; einen hinreichend eindeutigen Rücktritt bereits während der Prüfung hat er jedoch vorliegend nicht substantiiert dargelegt, was letztlich zu seinen Lasten geht. Die (unstreitige) Einlegung des ärztlichen Attests in das Fach des zuständigen Professors später am Prüfungstag als erstmalige eindeutige Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit war demgegenüber nicht mehr unverzüglich - d. h. ohne schuldhaftes Zögern, vgl. § 121 BGB - i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO ausweislich seines Wortlauts vorsieht, dass eine - wie hier - während einer Prüfungsleistung eintretende Prüfungsunfähigkeit durch den Prüfling unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht (Hervorhebung nicht im Original) geltend gemacht werden muss; die Norm geht daher ersichtlich davon aus, dass - abgesehen von Fällen nicht erkennbarer Prüfungsunfähigkeit - bei einer während einer Prüfung eintretenden Prüfungsunfähigkeit jedenfalls noch während der Prüfungszeit gegenüber der Prüfungsaufsicht ein Prüfungsrücktritt zu erklären ist.

cc) Unabhängig davon ist der Rücktritt des Klägers jedenfalls deshalb unwirksam, da er die Gründe hierfür gegenüber der Hochschule entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO nicht unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht hat.

An den Nachweis von Rücktrittsgründen durch Vorlage eines ärztlichen Attests ist ein strenger Maßstab anzulegen; nur so können Missbräuche mit dem Ziel der Verbesserung der Prüfungschance verhindert werden. Der Nachweis ist nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling ihn nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt erbringt, zu dem er von ihm zumutbarer weise hätte erwartet werden können. Zwar ist es nicht Sache des Arztes, sondern Aufgabe des Prüfungsamts, darüber zu befinden, ob eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit vorliegt. Das hierzu vom Prüfungsteilnehmer beizubringende ärztliche Attest ist jedoch für die Prüfungsbehörde die wesentliche Entscheidungsgrundlage. Es muss daher die krankhafte Beeinträchtigung des Prüflings und ihre Auswirkungen auf dessen Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung so beschreiben, dass die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt wird, auf der Grundlage des Attests zu entscheiden, ob ein ausreichender Rücktrittsgrund nachgewiesen ist. Das ärztliche Attest muss auch ausweisen, ob der Prüfling am Ausstellungstag des Attests überhaupt ärztlich untersucht wurde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 6.8.1996 - 6 B 17/96 - BayVBl 1997, 411 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 4.3.2013 - 7 CE 13.181 - juris Rn. 15; B.v. 22.3.2012 - 7 ZB 11.2859 - juris Rn. 11; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Auflage 2010, Rn. 278).

Hiervon ausgehend sind etwaige Rücktrittsgründe des Klägers der Hochschule gegenüber jedenfalls nicht unverzüglich i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO glaubhaft gemacht worden.

Das durch den Kläger in das Fach des zuständigen Professors noch am Prüfungstag eingelegte ärztliche Attest vom 20. Juli 2015 (Blatt 32b der Verwaltungsakte) enthält lediglich auf zweieinhalb Textzeilen die Feststellung, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Prüfung an einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke gelitten habe; der Cluster-Kopfschmerz sei bekannt, die Attacken würden anfallsartig auftreten und längstens zwei Stunden dauern. Das Attest enthält jedoch keinerlei Angaben, ob das Attest auf einer ärztlichen Untersuchung am Prüfungstag - und wenn ja zu welchem genauen Zeitpunkt - beruht (vgl. auch § 9 Abs. 3 Satz 3 RaPO). Es nimmt auch nur pauschal auf das Vorliegen einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke „zum Zeitpunkt der Prüfung“ Bezug, ohne jedoch die Prüfungszeitspanne zeitlich näher zu konkretisieren. Auch wird der Schweregrad des Kopfschmerz-Anfalls nicht näher spezifiziert. Letztlich fehlt es an der erforderlichen genauen Beschreibung, ob und ggf. inwieweit sich die Cluster-Kopfschmerz-Attacke auf das Leistungsvermögen des Klägers in der konkreten Prüfung beeinträchtigend ausgewirkt hat.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass in der Verwaltungsakte der Hochschule das klägerseitig in Bezug genommene ärztliche Beiblatt zum Attest vom 20. Juli 2015, das detailliert die klägerischen Erkrankungssymptome beschrieben habe, nicht enthalten ist. Die Klägerseite trägt sowohl für die behauptete Existenz dieses Beiblatts an sich als auch für die Behauptung, dass das Beiblatt dem der Hochschule nach der Prüfung übermittelten Attest vom 20. Juli 2015 tatsächlich beigefügt war, die Beweislast, da es sich um eine für sie günstige Tatsache handelt. Einen Beweis hat die Klägerseite insoweit jedoch nicht führen können. Die den Kläger behandelnde Allgemeinmedizinerin hat in ihrem ergänzenden Attest vom 20. April 2016 (Blatt 54 der Gerichtsakte) bereits die Existenz des fraglichen Beiblatts nicht bestätigt; sie hat insoweit lediglich den unstreitigen Umstand bestätigt, dass es zur Untersuchung vom 20. Juli 2015 ein kurzes ärztliches Attest gegeben hat und sodann die - unzutreffende - Vermutung geäußert, dass dieses wohl auf dem auf dem Weg zur Hochschule postalisch verloren gegangen sei. Ohnehin gilt, dass selbst wenn man zugunsten des Klägers von einer Übermittlung auch des Beiblatts an die Hochschule ausginge, eine hinreichende unverzügliche Glaubhaftmachung der Rücktrittsgründe i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO durch das Gericht nicht bejaht werden könnte; denn das behauptete Beiblatt liegt nicht mehr - etwa in Kopie - vor (Schriftsatz der Klägerseite v. 22.4.2016, Blatt 53 der Gerichtsakte), sein Inhalt ist somit vollständig unklar und rechtlich nicht bewertbar.

Die Fürsorge- und Hinweispflicht der Prüfungsbehörde hat es vorliegend auch nicht geboten, den Kläger auf die Unzulänglichkeit des ärztlichen Attests vom 20. Juli 2015 hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Denn in den gemäß § 9 Abs. 3 Satz 4 RaPO i. V. m. § 8 Abs. 4 Satz 5 RaPO durch den Prüfungsausschuss festgelegten und durch Aushang hochschulöffentlich bekanntgemachten Regelungen (Blatt 62 der Gerichtsakte) sind unter Nr. 2 und 3 detailliert nochmals die sich im Kern bereits aus der Rechtsprechung zum Prüfungsrecht ergebenden Anforderungen an ein aussagekräftiges ärztliches Attest aufgeführt. Die genannten maßgeblichen Ziffern sind wortgleich auch im Internet veröffentlicht (Blatt 63 der Gerichtsakte). Von einem Studenten muss erwartet werden, dass er sich Kenntnis von den rechtlichen Rahmenbedingungen seines Studiums verschafft (vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, U.v. 26.11.2013 - Au 3 K 13.1339 - juris Rn. 27 f.).

Ohnehin war der Kläger vorliegend bereits mit E-Mail der Hochschule vom 21. Juli 2014 (Blatt 18 der Verwaltungsakte) mit Blick auf die bereits damals erfolgte Vorlage eines unzureichenden ärztlichen Attests auf die oben genannten Regelungen des Prüfungsausschusses hingewiesen worden; in der E-Mail waren die maßgeblichen Regelungen unter Nr. 2 und 3 im kompletten Wortlaut abgedruckt. Entgegen der Behauptung des Klägers in der Widerspruchsbegründung trifft damit auch nicht zu, dass die Hochschule in der Vergangenheit niedrigere Anforderungen an ärztliche Atteste gestellt habe. Soweit der Kläger insoweit auf die dem Schreiben vom 13. Juli 2015 beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Blatt 31a f. der Verwaltungsakte) verweisen sollte, so war hier aus Sicht der Hochschule von vornherein keine Vorlage eines ärztliches Attests erforderlich; dies wurde dem Kläger auch telefonisch mitgeteilt.

Das klägerseitig vorgelegte Attest vom 20. Juli 2015 erfüllt nach alledem nicht die Anforderungen des § 9 Abs. 3 Satz 1 und 3 RaPO hinsichtlich einer unverzüglichen Glaubhaftmachung der Rücktrittsgründe. Das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte ergänzende Attest vom 20. April 2016 (Blatt 54 der Gerichtsakte) war demgegenüber ersichtlich nicht mehr unverzüglich, so dass dessen inhaltliche Aussagekraft offen bleiben kann.

2. Soweit es die ausgesprochene Exmatrikulation betrifft, ist der durch die Hochschule K. als staatliche Einrichtung - vgl. Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG -erlassene Bescheid vom 8. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2015 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektivöffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG sind Studierende von der Hochschule u. a. dann zwingend zu exmatrikulieren, wenn sie eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden haben. Für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation kommt es nicht auf die Bestandskraft der Prüfungsentscheidung an (BayVGH, B.v. 22.5.2013 - 7 ZB 12.2542 u. a. - juris Rn. 5; B.v. 30.10.2012 - 7 C 12.1641 - juris Rn. 2).

Die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat - wie ausgeführt - die Prüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“, das nach dem in Anlage 1 zu § 4 Abs. 1 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften K. (SPO BA BW) festgelegten Studienplan eine im Grund- bzw. Basisstudium erforderliche Prüfung (Pflichtfach i. S. v. § 4 Abs. 2 SPO BA BW) darstellt, endgültig nicht bestanden. Als Folgeentscheidung war der Kläger nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG zwingend zu exmatrikulieren (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 - AN 2 K 12.1567 u. a. - juris Rn. 33).

3. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013). Dort ist in Nr. 18.1 für Streitigkeiten hinsichtlich einer Exmatrikulation der Auffangwert von EUR 5.000,- vorgesehen, in Nr. 18.6 für Streitigkeiten hinsichtlich eines hochschulrechtlichen Leistungsnachweises der halbe Auffangwert von EUR 2.500,-. Insgesamt war daher vorliegend ein Betrag von EUR 7.500,- als Streitwert festzusetzen (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 - AN 2 K 12.1567/1568 - juris Rn. 36).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.