Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

Aktenzeichen: AN 9 K 15.00660

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 24.02.2016

9. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 920 09

Hauptpunkte: Erweiterung eines Lebensmittelmarktes, Stellplatznachweis für geändertes Vorhaben, Änderung der Stellplatzsatzung, Reduzierung des Stellplatzbedarfs pro m2 Geschossfläche ,Anrechnung von vorhandenen Stellplätzen

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

vertreten durch: ...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

... Rechtsamt

vertreten durch den Oberbürgermeister ...

- Beklagte -

wegen Baurechts

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 9. Kammer, durch ... und durch den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ..., aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Februar 2016 am 24. Februar 2016 folgendes

Urteil:

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 30. März 2015, Az.: ..., wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage von der Stadt ... die Erteilung der Baugenehmigung für die Erweiterung eines ihrer Lebensmittelmärkte.

Die Grundstücke in der ... Straße ... und ..., Fl.-Nrn. ... und ... der Gemarkung ... in der Stadt ... stehen im Eigentum der .... Auf ihnen befinden sich ein ...Lebensmittelmarkt, der von der Klägerin betrieben wird, ein so genannter Non-Food-Fachmarkt und ein Bäckereicafé, für die von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Mai 2009, Az.: ..., die Baugenehmigung erteilt worden ist. Diese war unter anderem mit der Auflage Nr. 26 versehen, wonach gemäß Art. 47 BayBO für das Bauvorhaben nach den Richtzahlen der Anlage der Satzung über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradstellplätzen (StellplatzS - StS) der Stadt... vom 14. Dezember 2007 129 Stellplätze für Kraftfahrzeuge zu errichten seien. § 2 StS i. V. m. der Richtzahlenliste verlangte in seiner damaligen Fassung für Läden, Waren- und Geschäftshäuser einen Stellplatz pro 10 m² Verkaufsfläche. Hieraus ergab sich bei einer zugrunde gelegten Verkaufsfläche des ...-Lebensmittelmarktes von 863,74 m² eine Anzahl von 86 Stellplätzen. Für den Non-Food-Fachmarkt und das Bäckereicafé waren insgesamt 40 Stellplätze erforderlich, was zuzüglich dreier Stellplätze für Behinderte eine Gesamtzahl von 129 Stellplätzen ergab. Diese Anzahl wurde auf dem Grundstück auch tatsächlich geschaffen. Für das Gebiet, in dem sich das Anwesen befindet, besteht kein Bebauungsplan.

Mit Bauantrag vom 15. Juli 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau und die Erweiterung des bestehenden ...Marktes. Es handelte sich dabei im Wesentlichen um eine Erweiterung des bestehenden Verkaufsraums nach Südosten, wobei vier vorhandene Pkw-Stellplätze überbaut werden sollten. Die Brutto-Grundfläche des ...-Marktes sollte sich um 115,12 m² auf 1.450,13 m² erhöhen. Die Verkaufsfläche sollte von 863,74 m² auf 977,33 m² erweitert werden. Hiermit erhöhte sich die Anzahl der benötigten Pkw-Stellplätze für den ...Markt von 86 auf 98 (977,33 m² geteilt durch 10 m² = 97,733 = gerundet 98), der Gesamtstellplatzbedarf erhöhte sich damit von 129 auf 141. Da nach Überbauung der vier Stellplätze nur noch 125 Stellplätze auf dem Gelände verblieben, die überbauten Stellplätze aber zu ersetzen waren, sollten die 16 Stellplätze abgelöst werden. Die Art des Betriebes sollte sich im Vergleich zum bisherigen Betrieb nicht ändern.

Mit Wirkung zum 1. Oktober 2014 änderte die Stadt ... ihre Stellplatzsatzung. Nr. 3.3 der Richtzahlenliste (Anlage zu § 2 Abs. 1 StS) in der nun gültigen Fassung sieht für Läden, Waren- und Geschäftshäuser, für Lebensmitteldiscountmärkte (und andere) mit einer Brutto-Grundfläche nach DIN 277-1 von über 1.200 m² nur noch einen Pkw-Stellplatz pro 40 m² Brutto-Grundfläche vor.

Mit Bauantrag vom 11. November 2014, bei der Beklagten am 19. November 2014 eingegangen, änderte die Klägerin ihren ursprünglichen Bauantrag dahingehend ab, dass sie nun auf Grundlage der geänderten Stellplatzsatzung eine Neuveranlagung ihrer Stellplatzpflicht verlangte. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die Baumaßnahme würden vier der vorhandenen Stellplätze überbaut werden. Gleichzeitig erhöhe sich die Brutto-Grundfläche des ...-Marktes um 115,12 m². Hieraus resultiere nach der neuen Stellplatzsatzung ein Stellplatz-Mehrbedarf von drei Pkw-Stellplätzen (115,12 m² geteilt durch 40 m² = 2,878 = gerundet 3). Es seien also insgesamt sieben Pkw-Stellplätze zusätzlich für den ...-Markt erforderlich. Die noch vorhandene Anzahl von 125 Stellplätzen (129 Stellplätze abzüglich der vier zu überbauenden) auf dem Gelände reiche aus, den gesamten Bedarf zu decken. Bei Zugrundelegung der neuen Satzung für das gesamte Anwesen sei für den bestehenden ...-Markt nur eine Anzahl von 36 Stellplätzen (1.450,13 m² geteilt durch 40 m² = 36,253 = gerundet 36), für die gesamte Anlage nur eine Anzahl von 56 Stellplätzen (55 Stellplätze plus ein Stellplatz für Behinderte) erforderlich. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob das beantragte Bauvorhaben (auch in Bezug auf die zu schaffenden Stellplätze) mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar sei, sei derjenige Sachverhalt bzw. dasjenige öffentliche Recht, welches zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorliege. Für die Frage der Stellplatzpflicht sei daher die am 1. Oktober 2014 in Kraft getretene Stellplatzsatzung der Stadt ... maßgebend, und zwar für die gesamte Anlage, nicht nur den Erweiterungsbau. Dementsprechend seien in den neuen Bauvorlagen zu den verbleibenden 125 keine weiteren Stellplätze dargestellt, eine Ablöse sei nicht vorgesehen. Im Übrigen unterschied sich die geänderte nicht von der alten Planung.

Mit Schreiben vom 21. November 2014 teilte die Beklagte mit, dass der Bauantrag unter Berücksichtigung der neuen Bauunterlagen nicht genehmigungsfähig sei. Für das Vorhaben seien gemäß Art. 47 Abs. 1 BayBO in Verbindung mit der Stellplatzsatzung der Stadt... sieben Stellplätze für Kraftfahrzeuge nachzuweisen. Da auf dem Baugrundstück selbst jedoch keine weiteren Kfz-Stellplätze untergebracht werden könnten, seien diese bei der Stadt ... abzulösen, was die Bauherrin ablehne. Die Voraussetzung für eine von ihr beantragte Neuveranlagung des gesamten Anwesens nach der seit 1. Oktober 2014 gültigen Stellplatzsatzung lägen nicht vor. Eine solche sei nur bei einer vollständigen Nutzungsänderung zulässig. Der bestehende Markt sei mit rechtskräftigem Bescheid genehmigt, die Nutzung hierfür aufgenommen. Die dort enthaltenen Auflagen seien einzuhalten. Ein bereits genehmigtes Vorhaben könne nicht nochmals nach einer für den Bauwerber günstigeren Rechtslage genehmigt werden. Der Klägerin wurde des Weiteren mitgeteilt, dass die Stadt ... aus diesem Grund beabsichtige, die beantragte Baugenehmigung abzulehnen. Ihr wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Mit Bescheid vom 30. März 2015 versagte die Beklagte für das Vorhaben „Umbau und Erweiterung eines bestehenden ...-Marktes sowie Neuveranlagung der Stellplätze“ die Baugenehmigung. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, das zur Genehmigung gestellte Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig, weil es Art. 47 BayBO in Verbindung mit der Stellplatzsatzung der Stadt... widerspreche. Der zur Genehmigung notwendige Nachweis der baurechtlich erforderlichen Stellplätze liege nicht vor. Aufgrund der Erweiterung des Marktes seien drei zusätzliche Kfz-Stellplätze zu schaffen. Weil von den bestehenden Stellplätzen vier überbaut würden, seien insgesamt sieben Kfz Stellplätze neu zu schaffen. Diese könnten auf dem Baugrundstück nicht untergebracht werden, die Möglichkeit einer Ablöse werde von der Bauwerberin zurückgewiesen. Die von ihr verlangte komplette Neuveranlagung für das gesamte Anwesen nach Maßgabe der Stellplatzsatzung in der Fassung vom 1. Oktober 2014 komme nicht in Betracht. Im Rahmen des baulichen Bestandsschutzes werde ausschließlich die beantragte Erweiterung beurteilt. Bereits vorhandene Stellplätze könnten nicht angerechnet werden und zwar unabhängig davon, ob die vorhandenen Stellplätze für die bisherige Nutzung ausreichten. Art. 47 Abs. 1 S. 2 BayBO bestimme, dass im Falle der baulichen Änderung oder Nutzungsänderung die dadurch zusätzlich erforderlich werdenden Kraftfahrzeugstellplätze zuzüglich zu den bereits vorhandenen (notwendigen) und genutzten herzustellen seien. Darüber hinaus dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass der tatsächliche Stellplatzbedarf eines Lebensmittelmarktes je nach Standort innerhalb einer Großstadt sehr unterschiedlich sein könne. Innerstädtische Lebensmittelmärkte würden überwiegend von Bewohnern der umliegenden Wohnquartiere zu Fuß aufgesucht, andere überwiegend mit dem PKW angefahren. Der ...-Markt in der ... Straße zähle zur letzteren Kategorie. Die Änderung der Stellplatzsatzung mit deutlich geringeren Richtzahlen für den Lebensmittel-Einzelhandel verfolge unter anderem den Zweck, die Errichtung von Einzelhandelsgeschäften, die der Nahversorgung dienten, im Innenstadtbereich zu erleichtern.

Mit Schriftsatz ihres Prozessvertreters vom 20. April 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat die Klägerin hiergegen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Insbesondere könne dem Bauvorhaben nicht entgegengehalten werden, es erfülle nicht die Verpflichtung aus Art. 47 BayBO, Stellplätze nachzuweisen. Das gesamte Anwesen hätte bezüglich seiner Stellplatznachweisverpflichtung neu veranlagt werden müssen. Bei dem Antrag auf Reduzierung der Stellplatzanzahl bzw. Neuveranlagung handle es sich um einen eigenständigen Gegenstand des Bauantrags. Anwendbar sei hierfür die Stellplatzsatzung der Stadt ... in der Fassung vom 1. Oktober 2014. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob das Vorhaben mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar sei, sei derjenige Sachverhalt bzw. dasjenige öffentliche Recht, welches zum Zeitpunkt der Entscheidung gelte, so auch Simon/Busse, BayBO, Art. 68, Rn. 141. Nach dem neuen Schlüssel seien auf dem gesamten Anwesen lediglich 56 Stellplätze vorzuhalten. Auch nach Überbau von vier bestehenden Stellplätzen durch den Erweiterungsbau würden auf dem Grundstück 125 Stellplätze verbleiben. Die von der Stadt ... behauptete Verpflichtung, die vier überbauten Stellplätze zu ersetzen und die aufgrund der Erweiterung notwendig werdenden drei neuen Stellplätze zu schaffen, sei damit durch die vorhandene Anzahl an Stellplätzen bereits erfüllt. Der hier einschlägige Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO bestimme, dass bei der Änderung von Anlagen Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen seien, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen könnten. Der Klägervertreter führt in diesem Zusammenhang die Kommentarstelle in Simon/Busse, BayBO, Art. 47, Rn. 59, an, wonach angesichts bereits vorhandener Stellplätze danach zu fragen sei, ob eine Nutzungsänderung überhaupt eine Pflicht zum Nachweis zusätzlicher Stellplätze auslöse. Diese Prüfung habe die Beklagte unterlassen, sie hätte zu dem Ergebnis geführt, dass die bereits vorhandenen Stellplätze ausreichten. Darüber hinaus sei es unverständlich, dass sich die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid auf „baulichen Bestandsschutz“ berufe. Bestandsschutz bedeute nämlich, dass eine bauliche Anlage, die in der Vergangenheit über einen bestimmten Zeitraum formell und materiell rechtmäßig war, trotz späterer ihr zum Nachteil gereichender Rechtsänderungen nicht Gegenstand behördlicher Nachforderungen sein könne. Eine für die Klägerin nachteilhafte Forderung in Bezug auf die Schaffung von Stellplätzen könne die Beklagte hierauf nicht stützen. Auch finde sich für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen integrierten Einzelhandelsstandorten und solchen, die vor allem mit dem Kfz angefahren werden, weder in der Stellplatzsatzung selbst noch in ihrer Begründung und den entsprechenden Vollzugshinweisen ein Hinweis. Es stelle zudem einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, bei der Änderung baulicher Anlagen keine stellplatzbezogene Neubetrachtung vorzunehmen, bei der Neuerrichtung hingegen schon. Würde ein Mitbewerber auf demselben Grundstück einen entsprechenden Lebensmittelmarkt neu errichten, müsste er lediglich 36 Stellplätze schaffen. Es werde auf den Fall in der ... verwiesen, der von der Beklagten anders entschieden worden sei.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Bescheid der Stadt ... vom 30. März 2015, Az.: ..., wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung für den Umbau und die Erweiterung des bestehenden ...-Marktes auf dem Anwesen ... Straße ... zu erteilen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wiederholt die Beklagte im Wesentlichen ihre Rechtsauffassung aus dem angegriffenen Bescheid. Für die überbauten vier Stellplätze aus dem bisherigen Bestand sei Ersatz zu schaffen, durch den Erweiterungsbau würden zusätzliche drei Stellplätze nach der Stellplatzsatzung in der Fassung vom 1. Oktober 2014 notwendig werden. Nach der Erweiterung des Marktes seien auf dem Grundstück also sieben Stellplätze zu schaffen. Diese seien in den Bauvorlagen jedoch nicht dargestellt und die Klägerin sei auch nicht bereit gewesen, eine Ablöse zu zahlen. Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO sei so zu verstehen, dass im Falle der baulichen Änderung oder Nutzungsänderung die dadurch erforderlich werdenden zusätzlichen Kraftfahrzeugstellplätze zuzüglich zu den bereits vorhandenen (notwendigen) und genutzten herzustellen seien und eine Anrechnung nicht stattfinden könne, so auch Simon/Busse, BayBO, Art. 47, Rn. 69 und 74. Das Tatbestandsmerkmal der Änderung einer baulichen Anlage sei unstreitig erfüllt, durch diese Änderung seien auch zusätzliche Kraftfahrzeuge zu erwarten. Die Stellplatzpflicht knüpfe bei baulichen Änderungen an den durch die Änderung zusätzlich notwendigen Stellplatzbedarf an, die Stellplatzpflicht für den baulichen Bestand bleibe hingegen unberührt, sie werde im Änderungsverfahren keiner baurechtlichen Überprüfung unterzogen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die aufgrund der Baugenehmigung vom 22. Mai 2009 nachzuweisenden 129 Pkw-Stellplätze einer öffentlichrechtlichen Zweckbindung unterlägen, weil ihre Errichtung und Bereitstellung notwendige Voraussetzung der Genehmigung des Bauvorhabens in seiner ursprünglichen Gestalt gewesen seien. Die damalige Baugenehmigung sei bestandskräftig und entfalte wie jeder andere Verwaltungsakt hinsichtlich seiner inhaltlichen Bestimmungen eine Bindungswirkung, welche nicht aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung der Rechtslage entfalle. Die vorhandenen Stellplätze dürften nicht allein deswegen zweckentfremdet werden, weil nach Änderung der Stellplatzsatzung für vergleichbare Neubauvorhaben geringere Anforderungen gestellt würden. Die Behörde sei nicht verpflichtet, Stellplätze auf Antrag aus ihrer Zweckbindung zu entlassen. Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung beruhe auf der Entscheidung des Gesetzgebers, der in Art. 47 BayBO zwischen der Errichtung einer Anlage (Abs. 1 Satz 1) und der Änderung einer Anlage (Abs. 1 Satz 2) unterscheide. Der Fall in der ... sei mit dem streitgegenständlichen nicht zu vergleichen. Dort sei noch während der Bauausführung, also vor Fertigstellung des Lebensmittelmarktes ein Änderungsantrag (Tekturantrag) gestellt worden. In diesem Änderungsverfahren sei zu Recht eine komplette Neuveranlagung aufgrund der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Stellplatzsatzung durchgeführt worden. Der Lebensmittelmarkt in der ... sei hingegen bereits am 14. Dezember 2009 fertig gestellt, und seine Nutzung aufgenommen worden. Die nunmehr beantragte, streitgegenständliche Erweiterung stelle kein Änderungsverfahren im Sinne einer Tektur dar, sondern sei ein neues Baugenehmigungsverfahren.

In der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2016 waren die Beteiligten vertreten und stellten die schriftsätzlich angekündigten Anträge.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden- und die Gerichtsakte, sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist entsprechend dem Klageantrag allein die Erteilung einer Baugenehmigung für das gegenständliche Bauvorhaben. Die Frage eines Anspruchs der Klägerin auf „Neuveranlagung der Stellplatzverpflichtung“ bzw. „Reduzierung der Stellplatzanzahl“ für die gesamten Nutzungen auf dem Baugrundstück wurde von dieser im Gerichtsverfahren nicht als eigener Klagegegenstand geltend gemacht. Ein solcher bestünde auch nicht, da eine bestehende bauliche Anlage, die einer baurechtlichen Überprüfung bereits unterzogen worden ist und für die eine bestandskräftige Baugenehmigung besteht, nur dann der Baubehörde zur erneuten rechtlichen Beurteilung und Verbescheidung vorgelegt werden kann, wenn diese Anlage neu errichtet wird oder an ihr eine nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erneut die Genehmigungspflicht auslösende Änderung vorgenommen wird.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für das mit Bauantrag vom 11. November 2014 zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Der ablehnende Bescheid der Stadt ... vom 30. März 2015, Az.: ..., ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin insofern in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Der Anspruch ergibt sich aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO, da dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Das Vorhaben ist genehmigungspflichtig nach Art. 55 Abs. 1 BayBO und auch genehmigungsfähig.

In bauplanungsrechtlicher Hinsicht bestehen gegen die Zulässigkeit des Vorhabens ebenso wenig Bedenken wie in bauordnungsrechtlicher Hinsicht. Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, der Erteilung der Baugenehmigung stehe einzig die Frage des Stellplatznachweises entgegen.

Aber auch die Anforderung des Art. 47 Abs. 1 S. 2 BayBO, Kfz-Stellplätze in ausreichender Anzahl zu schaffen, so dass die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufgenommen werden können, wird hier durch die in den Bauplänen dargestellten 125 Kfz-Stellplätze erfüllt. Die Klägerin ist nicht - wie die Beklagte meint - verpflichtet, für den Anbau an den bestehenden Markt drei zusätzliche Kfz-Stellplätze zu schaffen oder von der Stadt ... abzulösen, und sie muss auch nicht die vier durch den Erweiterungsbau überbauten Stellplätze an anderer Stelle wiederherstellen oder ablösen.

Es sind keine drei zusätzlichen Stellplätze zu schaffen. Bei der Beurteilung der erforderlichen Anzahl an Kfz-Stellplätzen ist nicht nur isoliert der Erweiterungsbau in den Blick zu nehmen, sondern das Gesamtvorhaben Lebensmittelmarkt zu betrachten, der mit der Baugenehmigung vom 22. Mai 2009 genehmigte, baulich und von der Nutzung her eigenständige Non-Food-Markt sowie das Café sind dabei nicht in die Prüfung einzubeziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Falle der Änderung einer baulichen Anlage im Sinne des § 29 BauGB Gegenstand der bebauungsrechtlichen Prüfung grundsätzlich das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt. Ob bei der Prüfung abweichend vom Grundsatz nur die Änderung zu betrachten ist, hängt davon ab, ob die Änderung einer isolierten bebauungsrechtlichen Beurteilung überhaupt zugänglich ist. (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.2000, Az.: 4 B 106.99, Rn. 2 - juris). Dieser Grundsatz muss auch für die bauordnungsrechtliche Prüfung gelten. Maßgebend ist immer, inwieweit sich die Änderung vom Bestand abtrennen lässt, ohne die Genehmigungsfrage neu aufzuwerfen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 47, Rn. 65). Dies könnte etwa der Fall sein, wenn sich auf einem Grundstück mehrere, voneinander unabhängig genutzte bauliche Anlagen befinden, und nur eine von ihnen geändert wird, die anderen hingegen unverändert bleiben, wie hier der Non-Food-Markt und das Café. Der bestehende Lebensmittelmarkt und der geplante Erweiterungsbau sollen eine untrennbar miteinander verbundene bauliche Einheit bilden und nach Fertigstellung auch gemeinsam genutzt werden. Damit stellte sich die Frage neu, wie hoch der Gesamtstellplatzbedarf des geänderten Lebensmittelmarktes sein wird. Die Bauordnungsbehörde muss dabei die Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zugrunde legen, für die Kammer ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend. Maßgeblich ist damit die Stellplatzsatzung der Stadt ... in der Fassung vom 1. Oktober 2014, zuletzt geändert durch Satzung vom 11. März 2015. § 2 Abs. 1 der Satzung verweist auf die Richtzahlenliste, die als Anlage Bestandteil der Satzung ist. Nr. 3.3 sieht für Läden, Waren- und Kaufhäuser, Verbrauchermärkte, Lebensmitteldiscountmärkte und andere mit einer Brutto-Grundfläche über 1.200 m² einen Stellplatz pro 40 m² Brutto-Grundfläche vor. Bei einer Brutto-Grundfläche von 1.450,13 m² nach der Erweiterung ergibt sich hieraus für den gesamten ...-Markt ein Bedarf von gerundet 36 Stellplätzen. Gegenüber der zum Zeitpunkt der ursprünglichen Baugenehmigung vom 22. Mai 2009 geltenden Stellplatzsatzung, welche für den ...-Markt noch 86 Stellplätze vorsah, stellt dies eine Erleichterung dar. Um nun den durch die Änderung ausgelösten Mehrbedarf zu ermitteln, ist ein rechnerischer Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage und dem Stellplatzbedarf des genehmigten Altbestandes vorzunehmen. Abzustellen ist auch für den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bzw. zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH, U.v. 18.9.1995, Az.: 1 B 92.1423; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die neue bayerische Bauordnung, EL 47, Art. 47, Rn. 63 f.; VG München, U.v. 21.9.2015, Az.: M 8 K 14.1638, Rn. 33; U.v. 30.1.2012, Az.: M 8 K 10.5020, Rn. 30 - juris). Danach wären für den Altbestand bei einer Brutto-Grundfläche von 1.335,01 m² gerundet 33 Stellplätze erforderlich, für den gesamten Lebensmittelmarkt nach der Erweiterung - wie dargestellt - drei mehr.

Diese drei neu erforderlich werdenden Stellplätze dürfen auf die bereits auf dem Grundstück befindlichen 86 dem Lebensmittelmarkt zugewiesenen Stellplätze (nach Überbau 82) angerechnet werden. Dies folgt daraus, dass bei der Genehmigungsentscheidung über den Erweiterungsbau das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Form zu betrachten ist, und hierbei insgesamt die neue Rechtslage anzuwenden ist.

Die bestandskräftige Baugenehmigung des Altbestandes vom 22. Mai 2009, in deren Auflage Nr. 26 die Errichtung von 129 Stellplätzen gefordert wird, steht dem nicht entgegen. Zwar ist zutreffend, dass die dort geforderten und tatsächlich geschaffenen Stellplätze einer öffentlichrechtlichen Zweckbindung unterliegen, die es der Klägerin verbieten würde, auf diesen Flächen bei Weitergeltung der alten Baugenehmigung eine fremde Nutzung aufzunehmen; die Beklagte könnte dann die Erfüllung der bestandskräftigen Auflage Nr. 26 durchsetzen. Diese vorhandene Zweckbindung wird hier aber nicht aufgegeben, insbesondere werden die vorhandenen Stellplätze nicht zweckentfremdet, wie die Beklagte meint. Sie dienen nach wie vor der Aufnahme des durch den Betrieb des ...-Marktes bedingten Verkehrs. Es sind nach neuer Rechtslage lediglich nicht mehr alle tatsächlich vorhandenen Stellplätze für die Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens erforderlich.

Dem kann auch nicht Art. 47 Abs. 1 S. 2 BayBO entgegen gehalten werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich aus ihm kein Anrechnungsverbot auf den Altbestand herleiten. Schon der Wortlaut legt das nicht nahe. Die Norm regelt lediglich, dass bei der Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage nur Stellplätze in solcher Zahl und Größe geschaffen werden müssen, um die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Fahrzeuge aufnehmen zu können. Ausgesagt ist damit, dass die Bauordnungsbehörde bei einem bestandskräftig genehmigten Vorhaben, für welches die in der Baugenehmigung geforderten Stellplätze tatsächlich nicht geschaffen worden sind, im Falle von dessen Änderung das neuerliche Baugenehmigungsverfahren nicht zum Anlass für Nachforderungen aus der alten Baugenehmigung nehmen, sondern lediglich den Mehrbedarf einfordern darf, welcher sich aus einer Gegenüberstellung des (fiktiven) Alt- und des Neubedarfs berechnet (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2004, Az.: 20 B 03.2531, Rn. 19 - juris).

Außerdem ist der Stellplatzbedarf für bauliche Anlagen bzw. der durch eine Änderung oder Nutzungsänderung ausgelöste Mehrbedarf an Stellplätzen, auf den Art. 47 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 2 BayBO abstellen, keine empirisch messbare Größe, sondern wird gemäß Art. 47 Abs. 2 BayBO durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr oder - wie hier - durch den kommunalen Satzungsgeber aufgrund vielfältiger Erwägungen festgelegt. Entschließt sich die Beklagte aufgrund der ihr eingeräumten Rechtsetzungsbefugnis dazu, die Anforderungen an die Gesamtanzahl der notwendigen Stellplätze für bestimmte Vorhaben herabzusetzen, so ist dieser Wille maßgebend.

Die Klägerin ist auch nicht verpflichtet, für die durch den Erweiterungsbau überbauten Stellplätze Ersatz zu schaffen. Eine solche Pflicht folgt nicht aus der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 22. Mai 2009. Der Überbau resultiert unmittelbar aus der Erweiterung des bestehenden Marktes, ist also Teil des zur Genehmigung gestellten Änderungsvorhabens. Durch eine jede Baugenehmigung, durch die die Änderung an einem Altbestand genehmigt wird, wird gleichzeitig insoweit in die Bestandskraft der alten Baugenehmigung eingegriffen, als der genehmigte Altbestand geändert werden soll. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Wo die alten - zur Baugenehmigung gehörenden - Baupläne noch eine Außenwand und davor vier Stellplätze vorsahen, ist in den neuen Plänen der Erweiterungsbau dargestellt, was dazu führt, dass mit Genehmigung dieser Änderung die Baugenehmigung für das Bestandsgebäude insoweit modifiziert wird.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift:

Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift:

Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach:

Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen

Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 59.500,- Euro festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 24. Feb. 2016 - AN 9 K 15.00660

bei uns veröffentlicht am 24.02.2016

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach Aktenzeichen: AN 9 K 15.00660 Im Namen des Volkes Urteil vom 24.02.2016 9. Kammer Sachgebiets-Nr.: 920 09 Hauptpunkte: Erweiterung eines Lebensmittelmarktes, S

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 8 K 14.1638

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 21. September 2015

8. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

- isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen einer Baugenehmigung;

- Ermittlung der Zahl der nach der Stellplatzsatzung der ... erforderlichen Stellplätze;

- Anrechnung fiktiver Stellplätze bei einer Nutzungsänderung;

- Entbehrlichkeit der Vorlage der Bescheinigungen für Standsicherheit bei einer Nutzungsänderung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagte -

wegen Aufl. Baugenehmigung ...-str. 4 FlNr. ... Gem. ...

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 8. Kammer,

durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Vorsitzenden, die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2015 am 21. September 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Auflage Ziff. 2 der Baugenehmigung vom ... April 2014, Az.: ..., zweiter und vierter Spiegelstrich (Standsicherheitsnachweis I und II) wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 5/7 und die Beklagte 2/7 zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer eines mit Vorder- und Rückgebäude bebauten Grundstücks Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., ...-straße 4. Mit seiner Klage begehrt er die Aufhebung von Nebenbestimmungen der ihm am ... April 2014 erteilten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung im 1. Obergeschoss seines Rückgebäudes.

Das Vordergebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück wurde in den 1950er Jahren wiederaufgebaut. Für den Wiederaufbau des Vordergebäudes an der ...-straße wurde am ... Dezember 1950 eine Baugenehmigung erteilt. Mit der Tekturgenehmigung vom ... Juni 1951 nach Plan-Nr. ... wurde die Errichtung eines rückwärtigen Gebäudeteils mit einer Wohneinheit im 1. Obergeschoss bestehend aus einer Küche, einem WC und einem Schlafzimmer genehmigt. Das zweigeschossige rückwärtige Gebäude ist über einen erdgeschossigen Zwischenbau mit dem viergeschossigen Vordergebäude verbunden. Zwischen dem Vorder- und Rückgebäude liegt ein Innenhof, von dem über eine Außentreppe der Eingang zu der im 1. Obergeschoss des Rückgebäudes befindlichen Wohneinheit erfolgte. Im Erdgeschoss des Vordergebäudes waren insgesamt vier Läden und im erdgeschossigen Zwischenbau und im Erdgeschoss des rückwärtigen Gebäudeteils jeweils ein Lagerraum genehmigt. Im 1. Obergeschoss des Vordergebäudes befand sich Wohnnutzung.

Mit Bescheid vom ... Oktober 1994 genehmigte die Beklagte eine Büro-, Laden- und Lagernutzung im Erdgeschoss, sowie eine Büronutzung mit Teeküche im 1. Obergeschoss des Vordergebäudes des streitgegenständlichen Anwesens. In den genehmigten Plänen sind in dem östlichen Teil des Erdgeschosses zwei kleinere Lagerräume und ein größerer Lagerraum im Bereich des erdgeschossigen Zwischenbaus und des Rückgebäudes, der über einen separaten Eingang von dem Innenhof verfügt, dargestellt. Im vorderen Bereich ist ein 42,64 m² großer Verkaufsraum dargestellt. Im westlichen Teil des Vordergebäudes wurden drei Lagerräume und ein Büroraum genehmigt. Im 1. Obergeschoss des rückwärtigen Anbaus ist in den Plänen ein 25,55 m² großer Aufenthaltsraum mit einem Abstellraum und WC dargestellt.

In der Betriebsbeschreibung vom 17. Juli 1994 ist dargelegt, dass sich in dem Objekt ...-straße 4, Erdgeschoss bis 1. Obergeschoss, seit den 1950er Jahren ein Eisenwerkzeug- und Beschlägeverkauf befinde. Läden 1 und 2 würden zu einem Verkaufsraum für Beschläge und Läden 3 und 4 würden als Lager mit Schaufensterfront genutzt. Im 1. Obergeschoss befänden sich die dazugehörigen Büroräume der Beschlagsfirma.

Am ... Dezember 2003 erteilte die Beklagte eine weitere Baugenehmigung, die u. a. eine Nutzungsänderung von zwei Lagerräumen in einen Laden im Erdgeschoss des Anwesens ...-straße 4 erfasste. Im westlichen Teil des Vordergebäudes wurde ein 65,83 großer Laden anstelle der ursprünglich genehmigten Lagerräume genehmigt.

Mit Bauantrag vom 4. Februar 2013 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines „Personalraumes (Gewerbe) zu Praxis“ im 1. Obergeschoss des Rückgebäudes nach Plan-Nr. .... Geplant war die Umnutzung des ursprünglich mit der Baugenehmigung vom ... Oktober 1994 genehmigten Aufenthaltsraums in einen Praxisraum für einen Heilpraktiker. Nach den zur Genehmigung eingereichten Plänen sollte die Größe des umgenutzten Raumes mit 25,55 m² unverändert bleiben. Bauliche Veränderungen waren für die beantragte Nutzungsänderung nicht vorgesehen.

Mit Bescheid vom ... April 2014, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 8. April 2014 zugestellt, erteilte die Beklagte die beantragte Baugenehmigung. Auf Seite 1 des Bescheids wurde die erteilte Baugenehmigung mit der Auflage Nr. 1 verbunden, für das Bauvorhaben sei 1 Stellplatz für Kraftfahrzeuge erforderlich, der gemäß Vertrag vom 3. März 2014 abgelöst werde. Auf Seite 2 des Bescheids wird mit der Auflage Nr. 2, Spiegelstriche zwei und vier, die Vorlage der Bescheinigungen Standsicherheit I und II gefordert.

Zur Begründung der ermittelten Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge wird auf das Schreiben der Beklagten vom 1. August 2013 verwiesen, in dem ausführt wurde, es sei zuletzt im Vordergebäude ein Laden und nicht mehr eine Büronutzung genehmigt worden. In einem Büro seien die Flächen für Personalräume in die Stellplatzberechnung einzubeziehen, bei einem Laden hingegen zähle nur die reine Verkaufsfläche. Daher könne für den Personalraum, der zuletzt einem Laden zugeordnet gewesen sei, kein Stellplatzguthaben aus dem Bestand angenommen werden.

Zur Begründung der Vorlagepflicht für die Standsicherheitsnachweise I und II wurden in dem Bescheid jeweils die einschlägigen Rechtsgrundlagen angegeben.

Mit Schriftsatz vom 16. April 2014, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 17. April 2014, erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage und beantragten:

I.

Die Auflage Ziff. 1 der Baugenehmigung vom ... April 2014, Az.: ... wird aufgehoben.

II.

Die Auflage Ziff. 2 der Baugenehmigung vom ... April 2014, Az.: ..., zweiter und vierter Spiegelstrich (Standsicherheitsnachweis I und II), wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2014 führten die Bevollmächtigten des Klägers zur Begründung der Klage im Wesentlichen aus, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die genehmigte Nutzungsänderung keinen zusätzlichen Stellplatzbedarf auslöse. Die Beklagte sei der Auffassung, dass durch die Nutzungsänderung von Wohnen in einen Personalaufenthaltsraum ein - ggf. fiktiv vorhandener - Stellplatz untergegangen sei. Dies sei unzutreffend und beruhe auf einer unrichtigen Auslegung des § 2 Abs. 5 Satz 1 der Stellplatzsatzung. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 der Satzung erfolge die Ermittlung der Zahl der notwendigen Stellplätze für jede Nutzungseinheit gesondert. Es sei somit bei der Berechnung der (fiktiv) anzusetzenden Stellplätze auf die jeweilige Nutzungseinheit und den dieser Einheit zuzuordnenden Stellplatzbedarf abzustellen. In den Fällen, in denen seit jeher eine baulich selbstständige Nutzungseinheit vorliege und diese bauliche Selbstständigkeit auch ununterbrochen erhalten bleibe, könne eine Nutzungsänderung nicht dazu führen, dass diese Flächen als unselbstständige Nebenflächen und damit als stellplatzneutrale Nebennutzung zu einer Hauptnutzung einzustufen seien.

Bei den streitgegenständlichen Praxisflächen handele es sich seit jeher um eine selbstständige Nutzungseinheit im Sinne von § 2 Abs. 5 Satz 1 der Stellplatzsatzung. In den genehmigten Bauplänen vom ... Juni 1951 sei dieser Bereich als gesonderte Wohneinheit mit einem lediglich teilweise durch nicht tragende Wandteile gegliederten großen Raum (im Plan mit Küche und Schlafzimmer bezeichnet) sowie einem WC und einem Abstellraum dargestellt. Die Wohneinheit befinde sich zudem räumlich getrennt von dem übrigen Gebäude im Hinterhof im 1. Obergeschoss über einer Lagerfläche. Sie verfüge über einen eigenen Treppenzugang welcher ausschließlich der Erschließung der Wohnung diene. An dieser räumlichen Trennung von den übrigen Nutzungen und der gesonderten Zugänglichkeit und damit dem Vorliegen einer selbstständigen Nutzungseinheit habe sich bei der von der Beklagten ausgeführten Nutzungsänderung in einen Personalaufenthaltsraum nichts geändert. Wie sich den Planunterlagen für die jetzige Nutzungsänderung entnehmen lasse, seien aus dem großen Raum lediglich die nicht tragenden Wandteile entfernt worden, das WC und der Nebenraum seien erhalten geblieben, an der Art der wegemäßigen Erschließung sei keine Änderung erfolgt. Die räumliche Trennung von den übrigen Nutzungen und die gesonderte Zugangsmöglichkeit, welche allein der Erschließung dieser Räume diene, seien maßgebliche Kriterien für das Vorliegen einer - gesondert zu betrachtenden - Nutzungseinheit.

Der Verwaltungsgerichtshof München habe in seiner aktuellen Entscheidung vom 23. Dezember 2013 (15 CS 13.1445) darüber hinaus eine Nutzungseinheit wie folgt definiert: „Nutzungseinheit in diesem Sinn sei aber auch eine in sich abgeschlossene Folge von Aufenthaltsräumen einschließlich der Einheit zugeordneter Nebenräume.“

Die streitgegenständlichen Räume erfüllten die vorgenannten Voraussetzungen für eine eigenständige Nutzungseinheit. Unabhängig von der Frage, ob und durch welche der in dem Vordergebäude ansässigen Firmen die streitgegenständlichen Räume als Aufenthaltsraum genutzt worden seien, habe eine gesonderte Nutzungseinheit seit jeher und ununterbrochen vorgelegen. Die besondere räumliche Trennung vom Vordergebäude, die alleinige und in sich abgeschlossene Lage im Obergeschoss des Gebäudes, die Erschließung mittels eines eigenen Treppenaufgangs und das Erfordernis des Durchquerens der gesamten rückwärtigen Hoffläche und der Durchfahrt zur Erreichbarkeit des Vordergebäudes und der dort ausgeübten Nutzung schlössen die Bildung einer Einheit mit den Räumen des Vordergebäudes - unabhängig von der Art der jeweils ausgeübten Nutzungen - aus.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Stellplatzsatzung in Verbindung mit der Anlage 1 sei für diese Räume für den Zeitraum der Wohnnutzung gemäß Nummer 1.1 ein Stellplatz nachzuweisen gewesen.

Im vorliegenden Fall werde durch die Nutzungsänderung kein Mehrbedarf an Stellplätzen ausgelöst, weil ein rechnerischer Vergleich zwischen dem genehmigten Altbestand und dem jetzigen Stellplatzbedarf ergebe, dass ein Erfordernis eines zusätzlichen Stellplatzes nicht geschaffen werde (VG München, U. v. 30.01.2012 - M 8 K 10.5020). Für die ausgeübten Altnutzungen sei ein fiktiver Stellplatz anzurechnen. Für die jetzt genehmigte Nutzung als Therapieraum für einen Heilpraktiker sei bei einer Nutzfläche von ca. 25 m² gemäß Nummer 2.2 der Anlage zur Stellplatzsatzung ebenfalls nur ein Stellplatz nachzuweisen. Die Nutzungsänderung sei somit Stellplatzneutral.

Die Forderung der Beklagten zur Vorlage der Bescheinigungen Standsicherheit I und Standsicherheit II sei rechtswidrig. Die Kommentarliteratur verneine die Erforderlichkeit bautechnischer Nachweise in den Fällen, in denen bei der Änderung bzw. Nutzungsänderung einer bereits errichteten Anlage die bautechnische Frage nicht neu aufgeworfen werde. Dies sei dann der Fall, wenn an die neue Nutzung keine anderen bautechnischen Anforderungen zu stellen seien als an die bisherige Nutzung. Als Beispiel werde dabei auf eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung in einem Gebäude der Gebäudeklasse 5 verwiesen, bei welcher die Nutzungsänderung keinen Einfluss auf die Standsicherheit des Gebäudes habe. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben. Bei dem Gebäude handele es sich ausweislich der Baugenehmigung um ein solches der Gebäudeklasse 5. Mit der streitgegenständlichen Nutzungsänderung werde in den Räumlichkeiten selbst keinerlei bauliche Veränderung vorgenommen, sondern lediglich eine gewerbliche Nutzung in eine freiberufliche Nutzung geändert. Aufgrund der geringen Größe der Nutzungseinheit bestehe auch nicht die Gefahr, dass sich die Beurteilung der Standsicherheit durch eine geänderte Nutzungsintensität ändere. Die Räume würden im Ergebnis in dem bautechnischen Zustand belassen und mit einer vergleichbaren Intensität genutzt, wie dies bereits seit Jahren erfolgte, weshalb die geforderten Nachweise unter keinem bautechnischen Gesichtspunkt erforderlich seien.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2015 stellte die Beklagte den Antrag,

die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung des Antrags verwies die Beklagte auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids.

Mit Schriftsatz vom 10. August 2015 ergänzten und vertieften die Bevollmächtigten des Klägers ihre Ausführungen und führten aus, aus den Unterlagen zur Baugenehmigung 1994 ergebe sich gerade nicht, dass der streitgegenständliche Raum im 1. Obergeschoss des Rückgebäudes als Personal-Aufenthaltsraum genehmigt worden sei. Darüber hinaus sei dieser Eintragung auch keine Zuordnung zu den Laden- oder Lagerflächen im Erdgeschoss zu entnehmen. Genehmigt sei ein Aufenthaltsraum - für welche Aufenthaltszwecke auch immer - der durch die Firma ... & Partner GmbH genutzt worden sei, welche im Übrigen auch die Räume im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss des Vordergebäudes zu unterschiedlichen Zwecken (Lager, Verkaufsraum, Büro) genutzt habe.

Zwar sei zutreffend, dass die Stellplatzsatzung der Beklagten Büroflächen mit der Stellplatzberechnung vollumfänglich berücksichtige, bei einer Ladennutzung jedoch nur die Verkaufsnutzflächen. Aus den Unterlagen sei jedoch gerade nicht ersichtlich, dass der Aufenthaltsraum den Ladenflächen im Erdgeschoss zugeordnet gewesen sei. Zudem werde dieser in den Plänen gerade nicht als Personalaufenthaltsraum bezeichnet. Dass es an einer Zuordnung zu den Ladenflächen im Erdgeschoss fehle, bestätigten auch die Pläne zur Baugenehmigung 2003, in denen die Flächen im rückwärtigen Gebäude nicht dargestellt seien.

Mit Schreiben vom 24. August 2015 verwiesen die Bevollmächtigten des Klägers auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 26. Juni 1998 (BRS 60. 124) zum Vergleich des Stellplatzbedarfes vor und nach der Nutzungsänderung. Es sei entgegen der Auffassung der Beklagten allein auf die letzte genehmigte Nutzung abzustellen. Mit Bescheid vom ... Juli 1994 sei die Nutzungsänderung in „Aufenthaltsraum“ genehmigt worden. Hier gehe auch die Beklagte noch davon aus, dass diese Nutzung einen Stellplatzbedarf von einem Stellplatz auslöse (siehe Schreiben der Beklagten vom 26. März 2013).

Entgegen der Annahme der Beklagten habe eine weitere formell genehmigte Nutzungsänderung der streitgegenständlichen Räume nicht stattgefunden. Ins-besondere lasse sich aus den Genehmigungsunterlagen aus dem Jahr 2003 eine solche neuerliche Nutzungsänderung nicht entnehmen. Der durch die vorherigen Nutzungen der Räume als Hausmeisterwohnung und „Aufenthaltsraum“ bereits ausgelöste Stellplatzbedarf von einem Stellplatz sei somit anzurechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts-, die vorgelegten Behördenakten sowie das schriftliche Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die erhobene Anfechtungsklage die statthafte Klageart.

Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes ist die Anfechtungsklage gegeben. Ob diese zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, U. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 - BayVBl. 2001, 632 - juris Rn. 25). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

II.

Die Klage hat in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Soweit sich die Klage gegen die Nebenbestimmung in Ziffer 1 der Baugenehmigung vom ... April 2014 richtet, hat sie in der Sache keinen Erfolg, da die angegriffene Nebenbestimmung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Beklagte hat zu Recht für die streitgegenständliche Nutzungsänderung einen zusätzlichen Stellplatz für die Kraftfahrzeuge gefordert.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO sind bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Ermittelt wird der durch eine Nutzungsänderung verursachte Mehrbedarf durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage (sog. Sollbedarf) und des genehmigten Altbestandes. Bei der rechnerischen Ermittlung des Bedarfs ist dabei auch im Hinblick auf den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (bzw. der letzten mündlichen Verhandlung) abzustellen (vgl. BayVGH, U. v. 18.9.1995 - 1 B 92.1423 - n. v.; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Mai 2013, Art. 47 Rn. 63).

Für die Ermittlung des Stellplatzbedarfs ist vorliegend die Stellplatzsatzung der Beklagten vom ... Dezember 2007 (StPlS) maßgeblich (MüABl. 2008, Sondernummer 1, S. 1), Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO.

1.1 Der notwendige Bedarf an Stellplätzen beim streitgegenständlichen Bauvorhaben ergibt sich rechnerisch aus der Nutzfläche, wobei ein Stellplatz je 30 m² angesetzt wird (Ziff. 2.2 der Anlage 1 zur Stellplatzsatzung). Bei einer Nutzfläche von 25,55 m² ergibt sich somit ein Bruchteil von 0,75. Gemäß § 2 Abs. 6 der Stellplatzsatzung wird dieser Bruchteil auf 1 Stellplatz aufgerundet, so dass sich ein Stellplatzbedarf von einem Stellplatz für das streitgegenständliche Vorhaben ergibt.

1.2 Als Folge des Bestandsschutzes, den die bisherigen Nutzungen genießen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit bei der Ermittlung der Zahl der tatsächlich herzustellenden bzw. abzulösenden Stellplätze die tatsächlich vorhandenen oder auch nur fiktiven Stellplätze, die auf die bisherige Nutzung entfallen, auf den Stellplatzbedarf anzurechnen (vgl. BayVGH, B. v. 22.4.2004 - 20 B 03.2531 - juris Rn. 19).

1.2.1 Vorliegend kommt - entgegen der Ansicht des Klägers - die Anrechnung eines fiktiven Stellplatzes nicht in Betracht, da ein solcher nicht mehr vorhanden ist.

Mit Baugenehmigung vom ... Juni 1951 (Plan-Nr. ...) wurde im 1. Obergeschoss des rückwärtigen Gebäudeteils eine gesonderte Wohneinheit genehmigt. Diese Wohnung löste einen Stellplatzbedarf von 1 Stellplatz aus (vgl. Art. 47 Abs. 2 BayBO i. V. m. § 2 Abs. 1 Punkt 1.1 der Anlage der Stellplatzsatzung).

Im Erdgeschoss wurden im östlichen und im westlichen Bereich des Vordergebäudes jeweils zwei Läden und im Bereich des rückwärtigen Teils des Gebäudes ein Lager genehmigt.

1.2.2 Durch die mit der Baugenehmigung vom ... Oktober 1994 genehmigte Nutzungsänderung ist der auf die Wohneinheit im 1. Obergeschoss des rückwärtigen Gebäudeteils entfallene fiktive Stellplatz ersatzlos weggefallen.

Im Rahmen der Nutzungsänderung ist die Wohnnutzung zugunsten der Nutzung als „Aufenthaltsraum“ aufgegeben worden. Die Nutzung des streitgegenständlichen Raumes als ein „Aufenthaltsraum“ löste dagegen keinen zusätzlichen Stellplatz aus, der an die streitgegenständliche Nutzung als Praxis eines Heilpraktikers weitergereicht werden könnte. Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei der Nutzung als „Aufenthaltsraum“ um keine selbstständige Nutzungseinheit, sondern lediglich um eine betrieblich erforderliche Nebennutzung, die gemäß § 2 Abs. 5 der Stellplatzsatzung der jeweiligen Hauptnutzung zuzuordnen ist. Zwar erfolgt nach § 2 Abs. 4 der Stellplatzsatzung die Ermittlung der Zahl der notwendigen Stellplätze bei baulichen Anlagen mit unterschiedlichen Nutzungsarten nach der jeweiligen Nutzungsart. Bei der Nutzung eines Raums als „Aufenthaltsraum“ liegt jedoch kein gesonderter Nutzungstyp vor. Der Begriff „Aufenthaltsraum“ ist als Oberbegriff für Räume zu verstehen, die generell für den Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Aufenthaltsräume können verschiedenen Nutzungstypen zugeordnet werden. Eine Nutzung als Aufenthaltsraum ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine selbstständige Hauptnutzung sondern lediglich eine Nebeneinrichtung zu einem bestimmten Nutzungstyp, die in der Regel der Erholung des beschäftigten Personals dient. Damit handelte es sich bei der Nutzung als „Aufenthaltsraum“ nicht um eine gesonderte (Haupt-)Nutzungsart im Sinne des § 2 Abs. 4 der Stellplatzsatzung.

1.2.3 An dieser Beurteilung ändert auch die Argumentation des Klägers, der im Jahr 1994 genehmigte Aufenthaltsraum sei von den übrigen Nutzungen des streitgegenständlichen Anwesens baulich getrennt, nichts. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass insbesondere die räumliche Trennung des streitgegenständlichen Raumes von den übrigen Nutzungseinheiten eine Selbstständigkeit des Aufenthaltsraumes gegenüber anderen Nutzungen im Gebäude begründet. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 2013 (15 CS 13.1445), in der das Gericht den Begriff einer gesonderten Nutzungseinheit aus brandschutzrechtlicher Sicht definiert hat. Ein entsprechendes Verständnis des Begriffs der Nutzungseinheit im Sinne der Stellplatzsatzung der Beklagten würde jedoch der Zielsetzung der Stellplatzpflicht widersprechen. Grundsätzlich soll das Verkehrsaufkommen, das von dem jeweiligen Grundstück ausgeht, von diesem selbstständig aufgenommen werden können. Ist die Nutzung bestimmter Flächen oder Räume grundsätzlich nicht geeignet, ein Verkehrsaufkommen auszulösen, erscheint die Einbeziehung solcher Flächen in die Stellplatzpflicht nicht gerechtfertigt. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint die Bestimmung der Stellplatzpflicht allein nach dem Kriterium der baulichen Abgeschlossenheit nicht sachgerecht. Schließlich grenzt § 2 Abs. 5 Satz 2 der Stellplatzsatzung eine stellplatzpflichtige Hauptnutzung von einer stellplatzneutralen untergeordneten Nebennutzung nach dem Kriterium der betrieblichen Zusammengehörigkeit ab und spielt die konkrete bauliche Ausgestaltung nur eine untergeordnete Rolle. Aus diesen Gründen kann die von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vorgenommene Definition des Begriffs einer Nutzungseinheit im Sinne des Brandschutzes für den Bereich des Stellplatzrechts nicht entsprechend herangezogen werden.

1.2.4 Der im Jahr 1994 als Aufenthaltsraum genehmigte Raum war als notwendiger Personalraum der Hauptnutzung als Ladennutzung zugeordnet, § 2 Abs. 5 Satz 2 der Stellplatzsatzung. Mit der Baugenehmigung vom ... Oktober 1994 wurden im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Anwesens eine Büronutzung und eine Ladennutzung mit den jeweils dazugehörigen Lagerräumen genehmigt. Im 1. Obergeschoss des vorderen Gebäudeteils wurden ebenfalls zwei Büroräume mit einer Teeküche genehmigt. Für die Zuordnung des genehmigten Aufenthaltsraumes zu der Ladennutzung spricht zum einen die Situierung des Aufenthaltsraumes über dem der Ladennutzung zugeordneten Lagerraum. Der rückwärtige Lagerraum verfügte über einen Hinterausgang, über den auf dem kürzesten Wege über eine Außentreppe der Aufenthaltsraum im 1. Obergeschoss erreicht werden konnte. Diese Zuordnung wird zum anderen durch die Regelung des § 29 der Arbeitsstättenverordnung 1975 bekräftigt, wonach den Arbeitnehmern - wenn die Art der ausgeübten Tätigkeit es erforderte - ein leicht erreichbarer Pausenraum zur Verfügung gestellt werde musste. Dies galt nach § 29 Abs. 1 Satz 2 der Arbeitsstättenverordnung nicht, wenn die Arbeitnehmer in Büroräumen oder vergleichbaren Arbeitsräumen beschäftigt waren und dort die Voraussetzungen für eine gleichwertige Erholung während der Pausen gegeben waren. Diese Bestimmung zeigt, dass für eine Büronutzung in der Regel keine zusätzlichen Pausen- bzw. Aufenthaltsräume erforderlich waren, für eine Ladennutzung dagegen musste ein Personalraum eingerichtet werden.

1.2.5 Ein der Ladennutzung betrieblich zugeordneter Aufenthaltsraum löste keine zusätzliche Stellplatzpflicht aus. Nach § 2 Abs. 5 Satz 2 der Stellplatzsatzung sind betrieblich erforderliche Nebennutzungen der Hauptnutzung zuzuordnen. Dies bedeutet vorliegend, dass für die Bestimmung der Zahl der erforderlichen Stellplätze auf die reine Verkaufsfläche der Ladennutzung abzustellen ist. Die Verkaufsfläche ist dabei als eine Nutzfläche aller dem Kundenverkehr dienenden Räume zu verstehen. Da ein Personalaufenthaltsraum regelmäßig nicht dem Kundenverkehr dient, ist dieser bei der Bestimmung der notwendigen Stellplatzzahl nicht zu berücksichtigen. Aus diesem Grund liegt für die Nutzung des streitgegenständlichen Raumes als Aufenthaltsraum kein fiktives Stellplatzguthaben vor, der auf die neue Nutzung übertragen werden könnte.

1.3 Dieses Ergebnis wird schließlich auch dadurch bekräftigt, dass bei der Ermittlung des Gesamtbestades der Stellplätze im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens im Jahr 2003 betreffend einen Laden im Erdgeschoss der Aufenthaltsraum im 1. Obergeschoss des rückwärtigen Gebäudeteils nicht gesondert angesetzt wurde.

2. Soweit der Kläger mit seiner Klage die Aufhebung der in Ziffer 2 der Baugenehmigung vom ... April 2014 - zweiter und vierter Spiegelstrich - ausgesprochenen Verpflichtung zur Vorlage der Bescheinigungen über die Standsicherheit I und II begehrt, hat die Klage Erfolg.

2.1 Die Rechtsgrundlagen für die Vorlagepflicht von Standsicherheitsnachweisen finden sich in den Art. 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 BayBO (Standsicherheitsnachweis Gebäudeklasse 5) und Art. 78 Abs. 2 Nr. 1 BayBO (Bescheinigung über die Standsicherheit II).

Nach diesen Vorschriften ist der Bauherr grundsätzlich zur Vorlage des von einem Prüfsachverständigen bescheinigten Standsicherheitsnachweises sowie der Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich der Standsicherheit verpflichtet. Diese Verpflichtungen gelten grundsätzlich gleichermaßen auch bei der Durchführung einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung. Jedoch folgt aus dem Rechtsgedanken des Art. 57 Abs. 4 BayBO, der eine Nutzungsänderung der Verfahrensfreiheit unterstellt, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Betracht kommen, dass auch die Vorlage der Standsicherheitsnachweise nur dann in Frage kommt, wenn an die nutzungsgeänderte Anlage andere bautechnische Anforderungen zu stellen sind als zuvor (vgl. Schirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand 120. EL Mai 2015, Art. 62 Rn. 28). Wenn die Vorgänge bei der Nutzungsänderung das statisch-konstruktive Gefüge der Anlage unberührt lassen, insbesondere, wenn die neue Nutzung zu geringeren Lasten als die ursprüngliche Nutzung führt, ist die Vorlage der bautechnischen Nachweise nicht erforderlich. Dies wird auch durch die Regelung des § 1 Abs. 5 BauVorlV bestätigt. Nach dieser Vorschrift soll die Bauaufsichtsbehörde auf die bautechnischen Nachweise einschließlich deren Prüfung und deren Bescheinigung durch Prüfsachverständigen verzichten, soweit diese zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nicht erforderlich sind. Da die Vorschrift des § 1 Abs. 5 BauVorlV als eine „Soll-Vorschrift“ formuliert ist, stellt der Verzicht auf die Vorlage der bautechnischen Nachweise beim Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen den Regelfall dar. Der Beklagten bleibt es unbenommen, in besonderen, sich von dem Regelfall abweichenden Fällen, die Vorlage dieser Unterlagen ausnahmsweise dennoch zu verlangen.

Ein Fall, bei dem auf die Vorlage eines Standsicherheitsnachweises verzichtet werden soll, liegt insbesondere dann vor, wenn die durch die Nutzungsänderung entstandene Lastenverteilung gegenüber den ursprünglichen Lasten nicht nur unverändert geblieben ist, sondern sich sogar verringert. In einem solchen Fall verändern sich durch die Nutzungsänderung offensichtlich nicht die bautechnischen Anforderungen an die bauliche Anlage, so dass die Pflicht zur Vorlage der Standsicherheitsnachweise nicht gerechtfertigt erscheint.

2.2 So liegt der Fall hier. Durch die Nutzungsänderung des Aufenthaltsraums in den Praxisraum eines Heilpraktikers haben sich die bautechnischen Anforderungen an die bauliche Anlage offensichtlich nicht geändert, weil vorliegend davon auszugehen ist, dass sich die durch die neue Nutzung ausgelösten Lasten gegenüber den Lasten der ursprünglichen Nutzung verringert haben. In Anbetracht der geringen Größe des Raumes von nur 25.55 m² ist bei der genehmigten Nutzung des Raums als Praxisraum eines Heilpraktikers mit einer gleichzeitigen Nutzung des Raums durch maximal 2 bis 3 Personen auszugehen. Dagegen halten sich in einem Aufenthaltsraum regelmäßig weitaus mehr Mitarbeiter auf. Die Möblierung der Praxisräume eines Heilpraktikers besteht in der Regel nur aus einem Tisch und 3 bis 4 Stühlen. Die Aufenthaltsräume werden dagegen zusätzlich für die Ablage von persönlichen Gegenständen der Mitarbeiter genutzt, was die Aufstellung von Schränken bzw. Regalen erfordert. Auch bauliche Veränderungen im Inneren des Raumes fanden im Rahmen der Nutzungsänderung nicht statt.

Jedenfalls ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Lastenverteilung durch die Nutzungsänderung nicht nachteilig geändert hat. Ein besonderer Ausnahmefall, der eine von dem § 1 Abs. 5 BauVorlV abweichende Vorgehensweise rechtfertigen würde, ist vorliegend nicht ersichtlich.

Die Argumentation der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, insbesondere bei älteren Gebäuden könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Bausubstanz in einem derartig schlechten Zustand sei, dass die ursprünglich gegebene Standsicherheit auch bei einer vermeintlich standsicherheitsneutralen Nutzungsänderung überprüft werden müsse, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen ist die streitgegenständliche Nutzungsänderung schon wegen der Geringfügigkeit der damit verbundenen Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Nutzung nicht geeignet, als Anlass für eine umfassende Untersuchung der gesamten Bausubstanz des streitgegenständlichen Gebäudes zu dienen. Zum anderen können bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen gemäß Art. 54 Abs. 4 BayBO nachträgliche Anforderungen nur zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit gestellt werden. Eine Überprüfung der bestandsgeschützten Bausubstanz eines alten Gebäudes durch die Beklagte über den Umweg der Vorlage einer Standsicherheitsbescheinigung durch den Bauherren aus Anlass einer Nutzungsänderung, die offensichtlich keine Veränderung der bautechnischen Anforderungen mit sich bringt, stünde im Widerspruch zu der Regelung des Art. 54 Abs. 4 BayBO, die Eingriffe in den Bestandsschutz nur unter engen Voraussetzungen des Bestehens einer Gefahr für Leben und Gesundheit ermöglicht. Ohne die streitgegenständliche Nutzungsänderung lägen die oben genannten Voraussetzungen für die Einleitung der bauaufsichtlichen Maßnahmen zur Prüfung der Standsicherheit des Gebäudes nicht vor. Eine hinsichtlich der bautechnischen Anforderungen offensichtlich neutrale Nutzungsänderung ist grundsätzlich nicht geeignet, eine Überprüfung des alten Gebäudebestands auf seine Standsicherheit zu ermöglichen.

III.

Nach alledem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 17.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.