Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 01. März 2019 - AN 1 K 18.01037

bei uns veröffentlicht am01.03.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger und seine Ehefrau sind je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … ( …Straße ).

Das Grundstück ist an die von der Beklagten betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2017 setzt die Beklagte für das genannte Grundstück gegenüber dem Kläger einen Beitrag zur Verbesserung der Entwässerungseinrichtung in Höhe von 582,32 EUR fest.

Veranlagt wurden die Grundstücksfläche von 1.001 m² zu 0,25 EUR/m² sowie eine Geschossfläche von 474,39 m² zu 0,70 EUR/m².

Abgerechnet wurden die in den Jahren 2011 bis 2016 durchgeführten Verbesserungsmaßnahmen.

Die Bevollmächtigten des Klägers legten mit Schreiben vom 10. März 2017, eingegangen bei der Beklagten per Telefax am selben Tag, Widerspruch ein.

Soweit mit dem streitgegenständlichen Bescheid Verbesserungsbeiträge auch für das Jahr 2011 erhoben würden, sei Verjährung eingetreten. Zudem stehe das Grundstück des Klägers mit den in § 1 der Verbesserungsbeitragssatzung genannten Maßnahmen in keinem örtlichen Zusammenhang, weshalb er nicht zu den Kosten der Verbesserungsmaßnahmen herangezogen werden könne. Durch die Verbesserung der Entwässerungsanlage würden sich keine besonderen Vorteile für den Kläger ergeben.

Die Satzung vom 28. Oktober 2016 sei eine Woche nach der Bekanntmachung, also am 4. November 2016 in Kraft getreten. Die Beitragspflicht sei deshalb frühestens am 4. November 2016 entstanden. Tatsächlich seien allerdings Beiträge aus dem Jahr 2011 bis 2016 festgesetzt worden und damit für einen Zeitraum, in dem eine Festsetzung nicht hätte erfolgen dürfen.

Damit liege eine Ermessensüberschreitung vor, die zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides führe.

Ferner sehe Art. 5 Abs. 1a KAG vor, dass die Gemeinden und Landkreise die voraussichtlichen Beitragspflichtigen möglichst frühzeitig über beabsichtigte beitragsfähige Vorhaben und das Verfahren der Beitragserhebung einschließlich in Betracht kommender Billigkeitsmaßnahmen informieren sollen. Eine derartige Information sei unterblieben.

Die Beklagte wies die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 darauf hin, eine Verjährung sei nicht eingetreten, da erst mit dem technischen Abschluss aller in der Satzung benannten Maßnahmen im Jahr 2016 die Beitragspflicht für die verbesserte Entwässerungseinrichtung entstanden sei (BayVGH, U.v. 27.2.2003 - 23 B 02.1032).

Die Beklagte betreibe gemäß § 1 der Entwässerungssatzung eine einzige Einrichtungseinheit für das gesamte Stadtgebiet inklusive der Ortsteile, die auch alle Entwässerungsanlagen umfasse. Dies habe zur Folge, dass bei Verbesserungsmaßnahmen, auch wenn sie sich nur in einem Teilbereich der Einrichtung positiv auswirkten, der Aufwand auf das gesamte Einrichtungsgebiet zu verteilen und der Beitrag auch im gesamten Einrichtungsgebiet zu erheben sei. Eine unterschiedliche Belastung der Grundstücke, die sich an den einzelnen Baumaßnahmen orientiere, würde zu einer unzulässigen abschnittsweisen Abrechnung führen (Art. 5 Abs. 1 S. 5 KAG, BayVGH, B.v. 30.5.2000 - 23 B 98.88).

In dem Bescheid würden nur Maßnahmen abgerechnet, die in der Satzung vom 28. Oktober 2016 genannt seien. Für die Abrechnung der Vorausleistungen sei bereits die Verbesserungsbeitragssatzung vom 13. Oktober 2010 erlassen worden. Die Kalkulation der Beitragssätze sei auf Grund der Kostenschätzung getroffen worden. Da sich jedoch im Bereich der Verbesserungsmaßnahmen als auch bei den Vorgaben zur Kalkulation (BayVGH, B.v. 21.3.2012 - 20 CS 12.373) Änderungen ergeben hätten, sei die Satzung insgesamt neu gefasst und am 5. November 2016 bekannt gemacht worden. Die Beitragssätze seien auf der Grundlage der entstandenen Kosten kalkuliert worden.

Es sei richtig, dass bei bereits verwirklichtem Beitragstatbestand die Beitragsschuld erst mit Inkrafttreten einer gültigen Beitragssatzung entstehen könne. Deswegen hätten die Bescheide auch erst nach Inkrafttreten der Verbesserungsbeitragssatzung erlassen werden können. Es seien jedoch keine Beiträge aus den Jahren 2011 bis 2016 festgesetzt worden, sondern es sei der Verbesserungsbeitrag für das Maßnahmenpaket, das von 2008 bis 2016 abgearbeitet worden sei, abgerechnet worden.

Bei der Bestimmung des Art. 5 Abs. 1a KAG handele es sich um eine reine Ordnungsvorschrift, so dass mögliche Verletzungen keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide hätten.

Nichtsdestotrotz habe die Beklagte in den dem Beitragserlass vorangehenden Bürgerversammlungen sowie auch in einem Pressebericht vom 10. Februar 2017 die Bürger von der bevorstehenden Abrechnung des Verbesserungsbeitrags informiert.

Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom 16. November 2017 dem Landratsamt … zur Entscheidung vor.

Das Landratsamt … wies den Widerspruch mit Bescheid vom 2. Mai 2018 zurück.

Die Beklagte habe dem Informationsgebot aus Art. 5 Abs. 1a KAG entsprochen. Im Übrigen stelle die genannte Bestimmung eine reine Ordnungsvorschrift dar, die die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht berühre. Soweit eine fehlende Anhörung gerügt werde, wäre ein derartiger etwaiger Verfahrensfehler - abgesehen davon, dass dieser gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b KAG i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO heilbar wäre - unbeachtlich. Grund hierfür sei, dass auch bei einer Anhörung des Klägers keine andere Entscheidung in der Sache getroffen und der Bescheid in der jetzigen Form erlassen worden wäre. Somit sei der Verfahrensverstoß nicht sachentscheidungserheblich (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 127 Nr. 5 Buchst. b)).

Der Bescheid beruhe auf einer gültigen Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung der Beklagten vom 28. Oktober 2016 als einer ausreichenden Rechtsgrundlage.

Es liege auch eine wirksame Stammsatzung (Entwässerungssatzung) vom 26. November 2014 in der Form der 1. Satzung zur Änderung der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten vom 28. Oktober 2016 vor.

Zudem existiere eine wirksame Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten in der Gestalt der 5. Änderungssatzung vom 28. Oktober 2016.

Die Beklagte betreibe mehrere technisch selbständige Entwässerungsanlagen gemäß Art. 21 Abs. 2 GO als eine Entwässerungseinrichtung. Entstehe ein Verbesserungsaufwand durch Verbesserungsmaßnahmen an dieser Einrichtung, werde der Aufwand auf die Grundstücke im gesamten Einrichtungsgebiet verteilt und der Verbesserungsbeitrag im gesamten Einrichtungsgebiet erhoben. Somit unterlägen auch diejenigen Grundstücke der Beitragspflicht, die in keinem örtlichen Zusammenhang mit den Verbesserungsmaßnahmen stünden und somit auch nicht von der verbesserten Anlage erschlossen seien (Nitsche/Baumann/Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand 08/2017, § 3 VBS 30.01, Nr. 4, Buchst. b)). Der Vorteil für den Kläger bestehe darin, dass bei dem Anschluss eines Grundstücks an die örtliche Entwässerungseinrichtung, also auch bei deren Verbesserung - da jede Verbesserung eines Einrichtungsteils notwendig auch eine Verbesserung der Gesamteinrichtung bedeute -, dessen Gebrauchswert und die Nutzbarkeit erhöht werde, der Grundstückswert gesteigert werde und damit zugleich eine höhere Belastbarkeit geschaffen werde (Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand 08/2017, Nr. 21.00 Erl. 2.2.). So entstehe auch für das Grundstück des Klägers ein besonderer Vorteil durch die Verbesserungsmaßnahmen an der Entwässerungseinrichtung.

Die Beitragsschuld für die unter § 1 VBS/EWS aufgeführten Verbesserungsmaßnahmen sei mit Abschluss dieser Maßnahmen entstanden. Bei der Betrachtung der Verbesserungsmaßnahmen seien diese nicht einzeln zu betrachten, sondern als Maßnahmenpaket, welches 2008 begonnen und 2016 fertiggestellt worden sei. Unter dem Begriff „Maßnahme“ sei im Hinblick auf den Grundsatz der Einrichtungseinheit nicht nur der unmittelbar der Erschließung des einzelnen Grundstücks dienende Kanal zu verstehen. Vielmehr sei damit alles gemeint, was entsprechend der auszuführenden Planung, wenn auch zeitlich gestaffelt in mehreren Bauabschnitten, geschaffen werden solle (Nitsche/Baumann/Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, zu § 3 BGS 20.03, Nr. 7).

Die Beitragsschuld sei mit der tatsächlichen Beendigung der Verbesserungsmaßnahmen 2016 entstanden. Somit habe die Festsetzungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2016 begonnen.

Der Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 4. Mai 2018 zugestellt.

Der Kläger ließ mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 4. Juni 2018, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag, gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt …, Klage erheben und beantragen,

  • 1.Der Bescheid der Großen Kreisstadt … vom 13. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 2. Mai 2018 wird aufgehoben.

  • 2.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Zur Begründung wurde auf den Sachvortrag aus dem Widerspruchsverfahren verwiesen.

Das Landratsamt … übermittelte mit Schreiben vom 11. Juni 2018 die Widerspruchsakte und wies darauf hin, dass die Klage nicht gegen den Freistaat Bayern gerichtet werden könne. Es werde beantragt, die Klage abzuweisen.

Auf gerichtliche Anfrage teilten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 26. Juni 2018 mit, bei der Nennung des Freistaats Bayern als Beklagten handele es sich um eine Falschbezeichnung. Richtigerweise hätte sich die Klage gegen die Große Kreisstadt … richten müssen. Trotz der falschen Beklagtenbezeichnung sei allerdings erkennbar, gegen wen sich die Klage in Wahrheit richten sollte und auch richten müsste.

Dies ergebe sich bereits aus dem Sachvortrag sowie aus den vorgelegten Unterlagen, mithin dem Bescheid der Großen Kreisstadt … vom 13. Februar 2017 sowie aus dem Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 2. Mai 2018.

Es werde beantragt,

das Klagerubrum formlos zu berichtigen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Juli 2018 wurde den Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass antragsgemäß die Bezeichnung des Beklagten berichtigt wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 16 zu § 79; BayVGH, U.v. 16.4.1984 - 6 B 82 A.1895, juris).

Zur Begründung der Klage trugen die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 2. November 2018 vor, das veranlagte Grundstück stehe auch im Miteigentum der Ehefrau des Klägers. Diese hätte deshalb ebenfalls Adressatin des streitgegenständlichen Bescheides vom 13. Februar 2017 sein müssen. Deshalb sei der Bescheid rechtswidrig.

Der Kläger sei zu einem Grundstücksflächen- und Geschossflächenbeitrag herangezogen worden. Hierdurch werde der Kläger doppelt belastet. Die Grundstücksfläche beinhalte nämlich auch mindestens die Geschossfläche der Bebauung im Erdgeschoss.

In § 5 Abs. 4 der Verbesserungsbeitragssatzung sei bestimmt, dass Dachgeschosse nur herangezogen werden, wenn und soweit sie ausgebaut sind; berechnet würden nur 60 Prozent.

Es stelle sich hier die Frage der ordnungsgemäßen Überprüfung. Wie könne und solle die Behörde überprüfen, ob das in Ansatz zu bringende Dachgeschoss tatsächlich ausgebaut ist.

Eine Überprüfung auf dem Grundstück des Klägers sei nicht erfolgt. Hinzu komme, dass der Ansatz in Höhe von 60 Prozent willkürlich sei.

Zudem werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Beklagte der Informationspflicht aus Art. 5 Abs. 1a KAG nicht nachgekommen sei.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 29. November 2018,

die Klage abzuweisen.

Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG bestimme, dass mehrere Beitragspflichtige Gesamtschuldner seien. Die Gesamtschuldnerschaft sei in § 421 BGB definiert.

Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 KAG i.V.m. § 44 AO regele die Gesamtschuldnerschaft für das Abgabenrecht. Hiernach schulde jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Die Leistung brauche nur einmal erbracht zu werden. Der Beklagten stehe ein Ermessen zu, von mehreren Gesamtschuldnern nur einen in Anspruch zu nehmen. Die Entscheidung über die Auswahl des Gesamtschuldners bedürfe keiner Begründung (BayVGH, U.v. 5.1.1999 - 6 B 94.3522).

Die Beklagte habe als Beitragsmaßstab eine Kombination aus der Grundstücksfläche und der tatsächlich vorhandenen Geschossfläche der beitragspflichtigen Gebäude gewählt. Dieser Maßstab sei nach der ständigen Rechtsprechung des BayVGH anerkannt.

Zur Grundstücksfläche zähle auch die Dachfläche der Gebäude, da gerade hier das Niederschlagswasser anfalle. Die Kostenmassen, die auf die Grundstücksflächen verteilt würden, bezögen sich auf die Niederschlagswasserbeseitigung und die Kostenmassen, die auf die Geschossflächen verteilt würden, bezögen sich auf die Schmutzwasserbeseitigung. Eine Doppelbelastung scheide somit aus.

Dachgeschosse könnten nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nur zum Beitrag herangezogen werden, wenn und soweit sie in einer Form ausgebaut sind, die für den ständigen Aufenthalt von Personen in Betracht kommt. Ausgebaut bedeute, dass unter objektiven Gesichtspunkten eine über das normale Maß einer Dachbodennutzung hinausgehende Nutzung möglich ist, die den Vorteil aus der Abwasserbeseitigung erhöht.

Bei der erstmaligen Veranlagung treffe die Gemeinde eine Ermittlungspflicht. Dies sei bei der Beklagten, die als Große Kreisstadt auch Baugenehmigungsbehörde sei, unproblematisch. Zu Veränderungen eines Gebäudes müsse die Gemeinde keine eigenen Ermittlungen anstellen, da nach § 15 BGS/EWS der Beitragsschuldner verpflichtet sei, Veränderungen zu melden und Auskunft zu erteilen.

Die Veranlagung mit weniger als 100 Prozent der Fläche gemäß den Außenmaßen sei bei der Zweidrittelregelung und einer 60-Prozent-Regelung gerichtlich anerkannt, da Dachgeschosse wegen der Dachschrägen nur eingeschränkt nutzbar seien (BayVGH, B.v. 26.3.2007 - 23 ZB 07.49)

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2019 wiesen die Bevollmächtigten des Klägers erneut darauf hin, dass die Beklagte ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, da zu keinem Zeitpunkt ein Augenschein vor Ort erfolgt sei.

Hinsichtlich der Veranlagung des Dachgeschosses werde darauf hingewiesen, dass sich dort Fremdenzimmer befänden. Diese Zimmer nutzten nur besuchsweise sich aufhaltende Personen. Die Zimmer würden damit nicht zum ständigen Aufenthalt von Personen genutzt.

Der Ansatz von 60% der Geschossfläche für die Beitragsbemessung sei reine Willkür.

Die Beitragserhebung sei unter anderem auch wegen der „Sanierung des Kanals in der … und Austausch des Sammlers auf den Gebäuden der Fa. …“ erfolgt. Die Beklagte habe die hydraulische Sanierung des Sammelkanals auf dem Privatgelände beabsichtigt und dies auch umgesetzt. Fraglich sei jedoch, weshalb hier eine Beitragsschuld begründet werde, da die Maßnahme auf dem Privatgelände erfolgt sei. Mithin hätte hier der Grundstückseigentümer ausschließlich Beitragsschuldner sein müssen.

Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel an der Darstellung der Kalkulation, die für den Verbesserungsbeitrag herangezogen wurde. Hier sei eine Kostenzuordnung für Grundstücksfläche und für Geschossfläche, mithin der Ansatz einer Summe von 2.154.979,73 EUR (Grundstücksfläche) und der Ansatz einer Summe über 2.714.049,98 EUR (Geschossfläche) erfolgt. Ausgehend von diesen Summen sei dann für den Beitrag ein Ansatz in Höhe von jeweils 75% gewählt worden. Diese Vorgehensweise sei nicht transparent, eine Überprüfung der angegebenen Summen daher nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2017 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 2. Mai 2018 sind nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Soweit der Kläger rügt, die Beklagte habe entgegen Art. 5 Abs. 1a KAG die voraussichtlich Beitragspflichtigen nicht möglichst frühzeitig über beabsichtigte beitragsfähige Vorhaben und das Verfahren der Beitragserhebung einschließlich in Betracht kommender Billigkeitsmaßnahmen informiert, hat die Beklagte dargelegt, dass sie in Bürgerversammlungen und auch in einem Pressebericht am 10. Februar 2017 über die bevorstehende Abrechnung der Verbesserungsmaßnahmen informiert hat. Zudem hätte ein Verstoß gegen die bloße Sollvorschrift des Art. 5 Abs. 1a KAG nicht die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides zur Folge.

Die Beklagte war berechtigt, den Kläger als Miteigentümer des veranlagten Grundstücks gemäß des Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG als Gesamtschuldner heranziehen. Einer gesonderten Begründung, weshalb der Kläger und nicht seine Ehefrau, die weitere Miteigentümerin des veranlagten Grundstücks ist, als Gesamtschuldner ausgewählt worden ist, bedurfte es nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2010 - 20 CS 10.1642, juris Rn. 8; B.v. 28.8.2003 - 23 CS 03.2169).

Der Beitragsbescheid vom 13. Februar 2017 findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 8. März 2016 (GVBl S. 36), und in den Bestimmungen der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung der Beklagten vom 28. Oktober 2016 (VBS/EWS).

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil bietet.

Die Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (§ 1 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten - EWS - vom 26.11.2014), an die das veranlagte Grundstück des Klägers angeschlossen ist.

Die Beklagte hat von der Ermächtigung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG Gebrauch gemacht und die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung vom 28. Oktober 2016 (VBS/EWS) erlassen, die gemäß § 9 VBS/EWS eine Woche nach ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt vom 5. November 2016 am 12. November 2016 in Kraft getreten ist.

Bedenken gegen die formelle und materielle Rechtswirksamkeit der genannten Satzung bestehen nicht. Bei den in § 1 Abs. 1 VBS/EWS bezeichneten Maßnahmen handelt es sich um Verbesserungsmaßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung, die sich nach der Verkehrsauffassung positiv auf die Gesamtanlage auswirken (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.2010 - 20 N 09.3077, GK 2010/19; U.v. 11.3.2010 - 20 B 09.1890, GK 2010/12; U.v. 19.8.2004 - 23 B 04.200). Der Gemeinde kommt bei der Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen ein weites (Beurteilungs-)Ermessen zu, das vorliegend nicht überschritten worden ist.

Soweit der Kläger rügt, dass in § 1 Abs. 1 VBS/EWS auch der „Austausch des Sammlers auf den Gebäuden der Fa. …“ als beitragspflichtige Verbesserungsmaßnahme genannt wird, handelt es sich, wie von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, um einen offensichtlichen Schreibfehler. Wie sich dem letzten Absatz des § 1 Abs. 2 VBS/EWS entnehmen lässt, befindet sich der Sammler nicht auf den Gebäuden, sondern auf dem Grundstück der Fa. …, und ist Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten. Es ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass auch dinglich gesicherte Leitungen, die auf Privatgrund verlaufen, durch Widmung in die öffentliche Entwässerungseinrichtung einbezogen werden können (BayVGH, B.v. 15.4.2004 - 4 ZB 03.773, juris Rn. 4). In Verbindung mit der oben genannten Erläuterung in § 1 Abs. 2 VBS/EWS ist es zweifelsfrei erkennbar, dass es in § 1 Abs. 1 VBS/EWS statt „Gebäuden der Fa. …“ richtig „Grundstück der Fa. …“ heißen muss.

Ebenfalls rechtlich nichts zu erinnern ist gegen die in § 5 Abs. 4 Satz 3 VBS/EWS getroffene Regelung, wonach Dachgeschosse nur herangezogen werden, soweit sie ausgebaut sind und (zu Gunsten der Beitragspflichtigen) hiervon nur 60% berechnet werden.

Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, nach der Dachgeschosse auch dann beitragsrelevante Gebäudeflächen darstellen, wenn sie die baulichen Voraussetzungen für Vollgeschosse oder für Aufenthaltsräume nicht erfüllen (BayVGH, B.v. 6.8.2012 - 20 CS 12.1143, juris Rn. 19 m.w.N., B.v. 26.3.2007 - 23 ZB 07.49, juris Rn. 4, m.w.N). Ein Verstoß liegt auch nicht darin, dass ausgebaute Dachgeschosse nur mit 60 v. H. berechnet werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erachtet in ständiger Rechtsprechung solche Regelungen für zulässig, weil Dachgeschosse im Verhältnis zu den darunter liegenden Geschossen wegen der Dachschräge in der Regel nur eingeschränkt nutzbar sind (BayVGH, B.v. 26.3.2007 - 23 ZB 07.49, juris Rn. 4 m.w.N.). Für den Satzungsgeber, der unter Beachtung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes typisieren und generalisieren kann, war es nicht geboten, für Dachgeschosse mit schrägen Decken eine eigene, die beitragspflichtige Geschossfläche je nach Dachneigung reduzierende Berechnung, vorzusehen.

Die Beklagte hat zeitgleich mit dem Erlass der Verbesserungsbeitragssatzung vom 28. Oktober 2016 auch eine geänderte Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (5. Änderungssatzung) mit neuen Beitragssätzen erlassen und in Kraft gesetzt, und damit den Vorgaben der Rechtsprechung Rechnung getragen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2015 - 20 ZB 15.217, juris; B.v. 26.2.2007 - 23 ZB 06.3286, GK 2008/26).

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte in der Globalkalkulation den Verbesserungsaufwand zu 75 v.H. über Beiträge und zu 25 v.H. über Entwässerungsgebühren deckt. Eine Mischfinanzierung ist dem leitungsgebundenen Abgabenrecht nicht fremd. Vielmehr ist es im Regelfall so, dass der Satzungsgeber im Wege seines Ermessens nicht den höchstzulässigen Beitragssatz in der Satzung beschließt, sondern einen geringeren Beitragssatz. Die nicht über Beiträge gedeckten Kosten werden dann über Gebühren refinanziert. Hierbei muss lediglich sichergestellt sein, dass es nicht zu einer „Doppelabschöpfung“ kommt (vgl. Lohmann in Driehaus, KAG, § 8 Rn. 847). Die von der Beklagten gewählte Form ist somit ein zulässiges Finanzierungsmodell (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand Nov. 2018, Teil IV, Art. 5 Abschn. A, Frage 1 Nr. 7).

Da im Übrigen keine substantiierten Einwände gegen die Globalkalkulation vorgetragen wurden, war eine Überprüfung der Beitragskalkulation von Amts wegen (§ 86 VwGO) nicht veranlasst (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2014 - 20 ZB 14.1744, juris; 3.7.2012 - 20 ZB 12.941, juris; U.v. 29.4.2010 - 20 BV 09.2024, juris bestätigt durch BVerwG, B.v. 13.4.2011 - 9 B 63.10).

Der Kläger kann mit seiner Rüge, sein Grundstück profitiere nicht von den durchgeführten Verbesserungsmaßnahmen, nicht durchdringen. Wie im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt worden ist, wirkt sich die Verbesserungsmaßnahme auf das gesamte Gebiet der öffentlichen Entwässerungseinrichtung aus. Es gilt das Prinzip der Solidargemeinschaft (BayVGH, B.v. 14.1.2004 - 23 ZB 03.3115).

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, vor der Festsetzung der beitragspflichtigen Geschossflächen eine Ortsbesichtigung durchzuführen. Der Kläger räumt selbst ein, dass das Dachgeschoss des veranlagten Grundstücks ausgebaut ist und über Fremdenzimmer verfügt. Wie oft die Fremdenzimmer tatsächlich genutzt werden, ist für den Vorteil, den das Grundstück mit seiner Bebauung aus der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ziehen kann, unerheblich.

Im Übrigen konnte die Beklagte die beitragspflichtigen Geschossflächen anhand der ihr als Baugenehmigungsbehörde (Art. 9 Abs. 2 GO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV) vorliegenden Unterlagen errechnen. Es wäre wiederum Sache des Klägers angebliche Unrichtigkeiten bei der Ermittlung der Geschossflächen substantiiert zu rügen.

Die Heranziehung (auch) des überbauten Teils des Grundstücks zu einem Grundstücksflächenbeitrag ist zulässig. Zur Grundstücksfläche zählt nämlich auch die Dachfläche der Gebäude, da gerade hier Niederschlagswasser anfällt. Die Kostenmassen, die auf die Grundstücksflächen verteilt werden, beziehen sich auf die Niederschlagswasserbeseitigung, die Kostenmassen, die auf die Geschossflächen verteilt werden, auf die Schmutzwasserbeseitigung. Eine unzulässige Doppelbelastung liegt deshalb nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 2. Mai 2018 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Die Klage war deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2014 - 20 ZB 14.1744

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die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsakts erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 5 können bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden, so gilt die Versäumung der Einspruchsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 110 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.

(2) Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung und für eine geleistete Sicherheit. Andere Tatsachen wirken nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Die Vorschriften der §§ 268 bis 280 über die Beschränkung der Vollstreckung in den Fällen der Zusammenveranlagung bleiben unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.948,56 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die angeführten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.

Zum geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 124 a Rn. 63 m. w. N.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 - 20 ZB 11.1146 - juris).

„Darlegen“ im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert mehr als einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf das behauptete Vorliegen eines Zulassungsgrundes. Es bedeutet vielmehr „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 a Rn. 38, 49; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 a Rn. 59 und 63). Mit Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und der hier im Stil einer Berufungsbegründung vorgebrachten Kritik an dem angefochtenen Urteil wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung.

Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass die angefochtenen Vorauszahlungsbescheide als Herstellungsbescheide aufrechterhalten werden können und ihre Rechtsgrundlage in der (aktuellen) Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS/WAS) der Beklagten vom 24. August 2011 finden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats:

Da die Beklagte, wie vom Verwaltungsgericht dargelegt, bis zum Erlass der BGS/WAS 2011 über wirksames Satzungsrecht nicht verfügt hatte, hat dies, weil auch eine Übergangsregelung durch den Gemeinderat nicht beschlossen wurde, zur Folge, dass die Altanschließer wie hier der Kläger ohne Unterschied nach neuem Satzungsrecht nochmals zu veranlagen und früher geleistete Beiträge lediglich anzurechnen sind (vgl. BayVGH, U.v. 29.4.2010, Az. 20 BV 09.2010 = BayVBl 2011, 240). Somit konnten die Beiträge für die streitgegenständlichen Grundstücke nur in Anrechnung erbrachter Vorleistungen erhoben werden.

Durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Herstellungsbeitragssatzung und den darin bestimmten Beitragssätzen hat der Kläger nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs genügt es nicht, wenn ein Kläger ohne jegliche substantiierte Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Sie besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Kläger die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe oder ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben sollen. Solange sie dieser Pflicht nicht nachkommen, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, U.v. 17.4.2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188; BayVGH, B.v. 2.8.2006 - 23 ZB 06.643 - juris). Dass es für den Kläger nicht ganz einfach ist, die vom Beklagten ermittelten Beitragssätze auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet ihn nicht davon, sich im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht selbst durch Akteneinsicht sachkundig zu machen, notfalls mit Hilfe eines von ihm beauftragten Sachverständigen. Um dieser Mitwirkungspflicht nachkommen zu können, ist dem Kläger ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht in die Kalkulationsunterlagen eingeräumt (vgl. BayVGH vom 10.8.2005 - 23 ZB 05.1236 - juris). Schließlich kann und muss der Kläger auch mittels förmlichen Beweisantrags z. B. in der mündlichen Verhandlung auf die Klärung der Frage einer Überdeckung hinwirken. Dies hat der Kläger aber nicht getan, obwohl das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hatte, dass die BGS/WAS 2011 als erstmals wirksames Satzungsrecht maßgebend sein dürfte.

Darauf, dass dem Vertrag vom 20. Januar 1967 im Hinblick auf die angerechneten Vorleistungen kein immerwährender Beitragsverzicht entnommen werden kann, hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen und weiter darauf, dass ein solcher auch unzulässig gewesen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 25.5.2000, Az. 6 ZB 00.25; B.v. 7.5.1987, Az. 23 CS 86.2452). Die offenkundige Unzufriedenheit des Klägers mit der Höhe des seinerzeit von seinen Rechtsvorgängern vereinbarten Entschädigungsbetrages kann kein tragender Einwand gegen die streitgegenständliche Beitragserhebung sein; immerhin wurde seinen Rechtsvorgängern als weitere Gegenleistung die der seinerzeitigen Vorteilslage entsprechende „Anschlussgebühr“ (der Vertrag wurde vor in Kraft treten des Kommunalabgabengesetzes geschlossen) für Wasser und Kanal erlassen.

Vor diesem Hintergrund sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache nicht ersichtlich.

Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags, die gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 3 VwGO keiner weiteren Begründung bedarf, wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.