Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 02. Sept. 2016 - AN 9 S 16.01235

published on 02/09/2016 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 02. Sept. 2016 - AN 9 S 16.01235
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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag einstweiligen Rechtschutz gegen eine von der Antragsgegnerin ausgesprochene Nutzungsuntersagung für den Betrieb seines Hotels.

Der Antragsteller betreibt auf dem Grundstück ..., FlNr. ... in der großen Kreisstadt ... das Hotel „...“, dessen Eigentümer er nach eigenen Angaben ist. Für das Grundstück in der historischen Altstadt finden sich in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Bauakten bereits Grundrisszeichnungen vom 23. September 1897 für das Bauvorhaben „Neuerrichtung eines Gastzimmers…“, in denen im Erdgeschoss zwei Gastzimmer und mehrere Küchenräume eingezeichnet sind, und die den handschriftlichen Vermerk „baupolizeilich bewilligt“ vom 11. Oktober 1897 tragen. Auch existiert eine Grundrisszeichnung vom 17. November 1926, die den damaligen Prüfstempel des Bauamts der Stadt ... trägt und in der im Erdgeschoss drei Gastzimmer und eine Küche und im ersten Obergeschoss mehrere Fremdenzimmer eingezeichnet sind.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2003 wurde dem Antragsteller von der Antragsgegnerin für das Hotel gemäß Art. 70 Abs. 3 BayBO in der damaligen Fassung eine bis29. Februar 2004 befristete isolierte Abweichung von den Bestimmungen der Art. 36 BayBO (Treppenräume und Ausgänge) und Art. 37 BayBO (notwendige Flure) sowie von §§ 10 bis 12 GastBauV gewährt. Diese stand unter der Bedingung, dass im ersten Obergeschoss nur die Zimmer 1 bis 4, 6, 8, 11, 12, 14 und 15 und im zweiten Obergeschoss nur die Zimmer 20 bis 23 als Aufenthaltsräume genutzt werden dürfen, weil nur bei diesen die Möglichkeit einer Anleiterung zur Sicherstellung des zweiten Rettungsweges durch die Freiwillige Feuerwehr bestätigt worden war. Bereits damals wurde darauf hingewiesen, dass die Beschaffenheit des Treppenhauses und der Flurabschlüsse im Erdgeschoss und im ersten und zweiten Obergeschoss des Gebäudes nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen und nur einen Notbehelf darstellten. Es müsse alles daran gesetzt werden, so schnell wie möglich die notwendigen Verbesserungen hinsichtlich des Treppenhauses und der Abschlüsse zu den Fluren zu realisieren. In einer beiliegenden Stellungnahme der Freiwilligen Feuerwehr wird ausgeführt, dass bei allen außer den genannten Gästezimmern eine Menschenrettung bei Ausfall des ersten Flucht- und Rettungsweges ausgeschlossen sei. Diese isolierte Abweichung wurde mit Bescheid vom 25. November 2003 bis 28. Februar 2006 verlängert, die Nutzung als Aufenthaltsräume weiterhin auf die genannten Zimmer beschränkt.

In der Behördenakte finden sich Vermerke über Gespräche zwischen dem Antragsteller und Vertretern der Stadt ... vom 3. August 2005 und vom 2. Februar 2006, bei denen der Antragsteller darauf hingewiesen wurde, dass er nach Ablauf der isolierten Abweichung am 28. Februar 2006 einen Nachweis über den vorbeugenden Brandschutz gemäß § 14 BauVorlV erbringen müsse. Sein Hotel dürfe dann erst wieder nach Ausführung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen, wie sie dann in dem Nachweis aufgezeigt würden, weiterbetrieben werden. Die Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen war dem Antragsteller bis zum damaligen Zeitpunkt nach eigenen Angaben aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Am 3. März 2006 fand erneut ein Gespräch statt, bei dem der Antragsteller ausführte, dass er mittlerweile aufgrund einer Umstrukturierung über weniger als 30 Gastbetten und weniger als 60 Gastplätze verfüge. Ihm wurde daraufhin mitgeteilt, dass gemäß Art. 73 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 64 Abs. 5 Satz 1 BayBO 1998 ein Nachweis über den vorbeugenden Brandschutz erforderlich sei, der jedoch nicht der Stadt... vorgelegt werden müsse. Die Einhaltung der dort getroffenen Entscheidungen liege allein in seinem Verantwortungsbereich. Abdrucke der Niederschriften dieser Gespräche erhielt der Antragsteller.

In einer handschriftlichen Notiz vom 3. März 2006 bestätigte er der Antragsgegnerin, dass in seinem Hotel nicht mehr als 28 Betten und nicht mehr als 60 Gastplätze im Restaurant zur Verfügung stünden.

Am 22. Mai 2015 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis. Diesen Antrag leitete das Gewerbeamt der Antragsgegnerin dem Stadtbauamt zur Stellungnahme zu. Letzteres teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juni 2015 mit, dass für seinen Hotelbetrieb die Bescheinigungen Brandschutz I und II fehlten. Bereits mit Schreiben vom 3. August 2005 und 2. Februar 2006 und letztmalig bei einem Ortstermin am 20. Mai 2005 (dessen Niederschrift sich in der Behördenakte befindet) sei die Notwendigkeit dieser Bescheinigungen betont worden. Er wurde nunmehr dazu aufgefordert, die Bescheinigungen Brandschutz I und II bis zum 30. Juni 2015 vorzulegen. Andernfalls werde am 7. Juli 2015 um 11:30 Uhr eine Feuerbeschau bei ihm durchgeführt. Der Erlass einer entsprechenden Anordnung wurde angekündigt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

Aus einem Aktenvermerk vom 7. Juli 2015 geht hervor, dass die geforderten Bescheinigungen nicht vorgelegt und bei der angekündigten Feuerbeschau die zu begutachtenden Räumlichkeiten nicht geöffnet wurden.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2016 ordnete die Antragsgegnerin eine Feuerbeschau am 1. Juni 2016 um 15:00 Uhr im Anwesen ... des Antragstellers an und verpflichtete ihn, hierzu den Bediensteten bzw. den durch die Stadt Beauftragten Zutritt zu sämtlichen Räumlichkeiten des Gaststätten- und Hotelbetriebs zu gewähren und das Betreten dieser Räumlichkeiten zu dulden. Der Sofortvollzug wurde angeordnet.

Die angeordnete Feuerbeschau wurde am 1. Juni 2016 durch die Architekten- & Brandschutzingenieurgesellschaft ... im Hotel des Antragstellers in seiner Gegenwart mit Vertretern der Antragsgegnerin, der Feuerwehr, eines weiteren Brandschutzsachverständigen und der Firma ... (Bauplanung) durchgeführt. Laut Protokoll bzw. Gutachten vom 9. Juni 2016 (nicht wie fälschlicherweise bezeichnet 2014) wurde das Objekt im Erdgeschoss im ersten und zweiten Obergeschoss begangen. Der anwesende Stadtkommandant stellte klar, dass maximal drei Personen gleichzeitig mit einer Drehleiter gerettet werden könnten, ein gleichzeitiger Löschangriff sei nicht durchführbar. Sicherheitstechnische Anlagen (BMA, Sicherheitsbeleuchtungsanlage, beleuchtete Fluchtwegekennzeichen, Rauchableitung im Treppenraum) waren nicht zu erkennen. Zur Flucht- und Rettungswegesituation wird folgendes ausgeführt:

- Die Geschosse sind über einen Haupttreppenraum, welcher im Erdgeschoss ungesichert an weitere Nutzungseinheiten anschließt, zu begehen.

- Die vom Treppenraum abgehenden Flure sind nicht durch Brandrauchschutztüren abgetrennt. Eine sofortige Verrauchung des ersten Rettungsweges, über alle Geschosse gleichzeitig, ist bei einer Schadenslage in einem Zimmer zu erwarten.

- Die Zimmertüren sind Kassettentüren ohne Brandschutzanforderung.

- Die baulichen Treppen sind in Teilbereichen mit unterschiedlichen Steigungsverhältnissen ausgeführt, was zu einer Beeinträchtigung des Fluchtverhaltens führen kann.

- Innerhalb des Treppenraumes bzw. des ersten Rettungsweges sind Stromverteilerkästen und Lagerräume bzw. kleinere Fremdnutzungsbereiche und Aufgänge auf den (mit Brandlasten behafteten) Speicherraum zu erkennen.

- Der zweite Rettungsweg muss ausschließlich über Rettungsgerät der Feuerwehr sichergestellt werden. Hierzu ist eine separate Stellungnahme des Stadtkommandanten Herrn ... einzuholen.

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass aufgrund des mit nicht unerheblichen Mängeln behafteten ersten baulichen Rettungsweges und den fehlenden Bauteilanforderungen nicht abschließend festgestellt werden könne, dass zu rettende Personen tatsächlich 30 Minuten in ihren Beherbergungsräumen verbleiben könnten. Es müsse mit einer gleichzeitigen Rettung von mehreren Personen an verschiedenen Stellen im Gebäude gerechnet werden. Es bestehe eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit, was vor Ort auch durch den Stadtkommandanten und den Sachverständigen für Brandschutz bestätigt worden sei.

Noch vor Ort untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Beherbergungsbetrieb mit sofortiger Wirkung und eröffnete ihm, dass bei einem Verstoß gegen diese Anordnung sofort ein Zwangsgeld fällig werde.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2016, dem Antragsteller ausweislich Postzustellungsurkunde am 15. Juni 2016 zugegangen, bestätigte die Stadt ... diese sofortige Nutzungsuntersagung vom 1. Juni 2016, ordnete deren sofortige Vollziehung an und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, bei der Feuerbeschau am 1. Juni 2016 seien erhebliche Mängel hinsichtlich des vorbeugenden Brandschutzes festgestellt worden. Insbesondere sei durch einen mangelhaften ersten baulichen Rettungsweg und durch einen nicht gesicherten zweiten Rettungsweg eine ordnungsgemäße Personenrettung im Schadensfall nicht gewährleistet. Die Nutzungsuntersagung stütze sich auf Art. 54 Abs. 4 BayBO, wonach die Bauaufsichtsbehörde auch bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen Anforderungen, stellen könne, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit notwendig sei. Eine solche Gefahr sei hier gegeben. Der erste Rettungsweg sei nicht gesichert, weil er aus den Beherbergungsräumen über offene Flure in einen nicht abgetrennten Treppenraum führe und zudem klassifizierte Brand- bzw. Rauchschutztüren zu den notwendigen Fluren, sowie eine automatisch wirkende Rauch- und Wärmeabzugseinrichtung fehlten. Auch seien Bauteilanforderungen zu den Geschossdecken, Raumtrennwänden und ähnlichem nicht erfüllt, so dass nicht abschließend festgestellt werden könne, ob zu rettende Personen tatsächlich 30 Minuten gesichert in ihren Beherbergungsräumen verbleiben könnten. Deshalb müssten im Brandfall mehrere Personen an verschiedenen Stellen des Gebäudes und im Gebäude gleichzeitig gerettet werden. Auch der zweite Rettungsweg sei nicht sichergestellt. Rettungsgeräte der Feuerwehr hätten zwar Zugang zu den Fenstern an der Ostseite Richtung ..., aufgrund der hohen Zahl gleichzeitig zu rettender Personen sei dies jedoch nicht ausreichend. Bei den südlichen Zimmern, welche in das ... mündeten, sei eine sichere Rettung über das Rettungsgerät der Feuerwehr nicht möglich. Hinsichtlich der beiden Fremdenzimmer im ersten Obergeschoss, deren westliche Fenster Richtung ... mündeten, sei zwar eine Anleiterbarkeit gegeben, dies sei jedoch ebenfalls wegen der hohen Zahl gleichzeitig zu rettender Personen nicht ausreichend. Die gleichzeitige Rettung mehrerer Personen an verschiedenen Stellen könne nach Angabe des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr ... bei dem Ortstermin auf gar keinen Fall gesichert vorgenommen werden. Die Nutzungsuntersagung sei zur Abwehr dieser Gefahr geeignet, erforderlich und angemessen. Der Sofortvollzug stehe im besonderen öffentlichen Interesse, weil die sofortige Beseitigung einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit von Gästen des Beherbergungsbetriebs inmitten stehe. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit hätte ein nicht hinnehmbares Fortbestehen der Gefährdungslage zur Folge. Der Bescheid beziehe sich allein auf den Beherbergungsbetrieb, ungeachtet dessen sei in einem Brandschutznachweis auch die vorhandene Gaststätte mit zu würdigen.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. Juli, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Gebäude stamme aus dem Mittelalter und sei erstmals im Jahre 1468 erwähnt. Die geforderten Brandschutzmaßnahmen seien nur sehr schwierig und unter hohen Kosten auszuführen, was natürlich keinen Grund für die Nichtausführung in angemessener Frist darstelle. Er selbst sei bereits 70 Jahre alt und dabei, das Anwesen zu verkaufen, der Käufer werde die Brandschutzmaßnahmen in den touristisch ruhigen Monaten Januar bis Mai 2017 durchführen. Für die laufende Saison seien bereits ca. 550 Reservierungen, davon 90% vor dem 1. Juni 2016, eingegangen. Mit seinen Gästen aus aller Welt, insbesondere Asiaten, könne er nur schwer kommunizieren und deswegen bestehende Reservierungen nicht stornieren. Diese Gäste stünden dann vor verschlossenen Türen. Auch andere Hotels und Gasthöfe in ..., die er jedoch nicht anschwärzen wolle, entsprächen nicht den geforderten Brandschutzmaßnahmen. Auch spiegle der Bescheid nicht wieder, dass er mit der Erhaltung des Hotels seit 2003 erheblichen finanziellen Belastungen ausgesetzt gewesen sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß:

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 10. Juli 2016 gegen den Bescheid der Stadt ... vom 13. Juni 2016 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt:

Der Antrag wird abgelehnt.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid vom 13. Juni 2016 und trägt ergänzend vor, der Kläger sei bereits seit langem über die Notwendigkeit der Nachrüstung des Brandschutzes informiert und trotzdem bis zum heutigen Tage untätig geblieben. Aus den Feststellungen des Brandschutzsachverständigen Herrn ... gehe hervor, dass erhebliche Brandschutzmängel, insbesondere im Bereich des ersten und zweiten Rettungsweges, vorhanden seien und somit eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Hotelgäste bestehe. Im Hinblick auf diese Gefährdungslage und darauf, dass dem Antragsteller diese Defizite bereits seit langem bekannt seien, sei die Nutzungsuntersagung dringend geboten gewesen. Deshalb könne auch nicht von einer besonderen Eilbedürftigkeit seines Antrags ausgegangen werden. Die Stadt ... habe auch deutlich zu erkennen gegeben, dass sie den verfügten Dauerverwaltungsakt unter Kontrolle halte, dem Antragsteller sei mehrfach verdeutlicht worden, dass eine - zumindest teilweise - Wiederaufnahme seines Betriebs möglich sei, wenn er kurzfristig die vorgeschlagenen brandschutztechnischen Verbesserungen umsetze. Diese Möglichkeit bestehe weiterhin.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Behördenakten und der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Streitgegenstand des vorliegenden Antrags ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 10. Juli 2016, mit der sich dieser gegen die von der Antragsgegnerin zunächst am 1. Juni 2016 mündlich ausgesprochene und am 13. Juni 2016 schriftlich bestätigte Nutzungsuntersagung für sein Hotel in ... wendet.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, dessen sofortige Vollziehung angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht überprüft zunächst, ob die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht und trifft sodann eine eigene Ermessensentscheidung, wobei es unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Anordnung vornimmt.

Maßgebend hierfür sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt eine dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos sein wird, ist das ein starkes Indiz dafür, dass das behördliche Vollzugsinteresse Vorrang gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse hat (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, Az.: 14 CS 11.535). Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, und wird die Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben, so tritt das öffentliche Interesse zurück, da es kein schutzwürdiges Interesse am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes geben kann.

1.1 Die Sofortvollzugsanordnung begegnet in formeller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist die Antragsgegnerin ihrer Pflicht aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu einer auf den Einzelfall eingehenden und nicht bloß formelhaften Begründung nachgekommen. Sie stellt dabei auf die erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit ab, die den Gästen eines Beherbergungsbetriebs drohen, der nicht über einen gesicherten ersten bzw. zweiten Rettungsweg verfügt und stellt außerdem dar, dass ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit ein nicht hinnehmbares Fortbestehen dieser Gefährdungslage zur Folge habe. Damit brachte sie nachvollziehbar zum Ausdruck, dass sie das Instrument des Sofortvollzugs hinreichend bedacht und abgewägt hat.

1.2 Die vom Gericht vorgenommene Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Der von ihm eingelegte Rechtsbehelf hat nach summarischer Prüfung in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg, weil insbesondere die angefochtene Nutzungsuntersagung voraussichtlich rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch besteht nach Überzeugung des Gerichts ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Nutzungsuntersagung.

Rechtsgrundlage für die zunächst am 1. Juni 2016 mündlich ausgesprochene, und dann am 13. Juni 2016 schriftlich bestätigte Nutzungsuntersagung ist Art. 54 Abs. 4 BayBO, dessen Voraussetzungen nach summarischer Prüfung vorliegen.

Art. 54 Abs. 4 BayBO ist neben Art. 76 Satz 1 BayBO anwendbar (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 54, Rdnr. 162 ff.). Die Vorschrift erlaubt der Bauaufsichtsbehörde auch bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen zu stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Den Maßstab für die Eingriffsschwelle bildet dabei der allgemeine sicherheitsrechtliche Grundsatz, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BayVGH, U.v. 16.1.1997 - 22 B 96.3491, Rn. 20; B.v. 29.11.2011 - 14 CS 11.2426, Rn. 19 - juris). Bei den in Art. 54 Abs. 4 BayBO genannten Rechtsgütern Leben und Gesundheit kann es aufgrund deren hohen Stellenwerts im Normalfall genügen, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts nach einer auf konkreten Tatsachen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 54, Rdnr. 49; BayVGH, B.v. 17.1.1989, Az.: 15 CS 88.3477).

Diese Eingriffsschwelle ist nach der vom Gericht vorgenommenen summarischen Prüfung erreicht.

Die bei der Ortsbegehung am 1. Juni 2016 festgestellten und in dem Gutachten der Architekten- & Brandschutzingenieurgesellschaft ... vom 9. Juni 2016 dokumentierten Zustände im Hotel „...“ blieben vom Antragsteller unwidersprochen. Aus ihnen gehen nach Überzeugung des Gerichts eklatante Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Brandschutzvorschriften hervor, weil weder der erste noch der zweite Rettungsweg gesichert sind.

Art. 31 Abs. 1 BayBO sieht für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum vor, dass in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sind. Der erste Rettungsweg muss nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBO für Nutzungseinheiten, die nicht zur ebenen Erde liegen - wie im vorliegenden Fall, da das Hotel über ein erstes und zweites zu Beherbergungszwecken genutztes Obergeschoss verfügt - über eine notwendige Treppe im Sinne des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayBO führen. Diese sind nach Art. 32 Abs. 3 Satz 1 BayBO in einem Zuge zu allen angeschlossenen Geschossen zu führen. Schon hiergegen wird im vorliegenden Fall verstoßen, weil sich nach den in der Behördenakte befindlichen Grundrissplänen die Treppe zwischen erstem und zweitem Obergeschoss nicht in einem Zug an die Treppe zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss anschließt. Art. 33 Abs. 1 Satz 1 BayBO bestimmt weiter, dass jede notwendige Treppe zur Sicherstellung der Rettungswege in einem eigenen, durchgehenden (notwendigen) Treppenraum liegen muss. Ein solcher eigener Treppenraum ist auch für das Hotel des Antragstellers erforderlich, eine Ausnahme nach Art. 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 2 oder 3 BayBO liegt nicht vor. Schon aufgrund der versetzten Anbringung der beiden Treppen kann hier von einem durchgehenden Treppenraum nicht gesprochen werden, was einen weiteren Verstoß darstellt. Daneben ist voraussichtlich Art. 33 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BayBO verletzt, da die Treppenbereiche und die von ihnen abgehenden notwendigen Flure im Sinne des Art. 34 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht durch rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse, d. h. Türen, verbunden sind. Darüber hinaus kann - entgegen der Anforderung in Art. 33 Abs. 8 Satz 1 BayBO - aufgrund der geschilderten Zustände auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine wirksame Entrauchung der Treppenräume gewährleistet ist. Dies führt dazu, dass schon der erste Rettungsweg nicht gesichert ist.

Gleiches gilt für den zweiten Rettungsweg. Er kann nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBO entweder über eine weitere notwendige Treppe - wie hier nicht - oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit führen. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude wegen der Anzahl von 28 Betten und 60 Gastplätzen um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO handelt, ist letztere Alternative gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BayBO nur zulässig, wenn keine Bedenken von Seiten der Feuerwehr wegen der Personenrettung stehen. Solche durchgreifenden Bedenken äußerte jedoch der zuständige Stadtkommandant bei der Ortseinsicht. Aufgrund der dargestellten Mängel ist nicht zu erwarten, dass Hotelgäste im Brandfall bis zu 30 Minuten in ihren Beherbergungsräumen verbleiben können. Es müsste also eine größere Anzahl von Menschen zeitgleich gerettet werden, was aufgrund der begrenzten Kapazität der Feuerwehr (maximal drei Personen gleichzeitig über die Drehleiter) nicht möglich ist. Auch kann währenddessen kein Löschangriff durchgeführt werden.

Das Fehlen des gesicherten ersten und zweiten Rettungsweges im Sinne des Art. 31 BayBO begründet nach vorläufiger Einschätzung der Kammer ohne weiteres eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Hotelgäste, Angestellten und sonstigen Personen, die sich in dem Gebäude aufhalten. Dabei bedarf es keiner tiefergehenden Erörterung, wie hoch oder niedrig die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Brandes ist. Im Falle eines solchen wären die zu erwartenden Schäden für Personen und Sachen jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verheerend, so dass die Eingriffsschwelle für ein Tätigwerden der Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung erreicht ist.

Auch hinsichtlich der Störerauswahl ist der angegriffene Bescheid nicht zu beanstanden. Verpflichtet nach Art. 54 Abs. 4 BayBO ist regelmäßig derjenigen, welche die Verfügungsgewalt über die Sache hat (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 54, Rdnr. 178), hier der Antragsteller als Eigentümer des Hotels „...“ und damit Verfügungsberechtigter.

Die Nutzungsuntersagung wahrt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Verbot des weiteren Betriebs ist geeignet, die bestehende erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Hotelgäste und sonstiger Personen, die sich in den Räumlichkeiten aufhalten, abzuwehren. Auch ist kein milderes, d. h. die Rechte des Antragstellers weniger beeinträchtigendes, aber gleich effektives Mittel ersichtlich als die komplette Schließung. Insbesondere kommt wohl nicht - wie in der Vergangenheit - die Schließung einzelner Hotelzimmer in Betracht, weil für keines der Zimmer die erforderlichen Rettungswege gesichert sind. Die mit der Nutzungsuntersagung verbundene Beeinträchtigung des Antragstellers steht auch nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte kann sich der Antragsteller schon deswegen nicht mit Aussicht auf Erfolg berufen, weil diese hinter den Rechtsgütern Leben und Gesundheit zurücktreten müssen. Dies gilt hier vor allem angesichts der verheerenden Schäden, die im Brandfall zu erwarten sind. Aufgrund der dargestellten Brandschutzmängel säßen wohl gerade Personen in den hinteren Zimmern der Obergeschosse bei einem Feuer schon durch den sich frei ausbreitenden Rauch regelrecht in der Falle, so dass bei Ihnen nicht nur mit Verletzungen, sondern mit dem Tod zu rechnen wäre. Dass der Brandschutz in seinen Räumlichkeiten mangelhaft war, und von Seiten der Bauordnungsbehörde Nachbesserungen gefordert wurden, war dem Antragsteller zudem seit vielen Jahren bekannt und wurde von ihm auch im vorliegenden Verfahren nicht bestritten. Auch wenn die Antragsgegnerin über einen längeren Zeitraum hinweg nicht bauaufsichtlichen tätig geworden ist, durfte er nicht darauf vertrauen, dass die Brandschutzmängel dauerhaft geduldet würden. Wenn er dennoch Reservierungen entgegennahm, so geschah dies auf eigenes Risiko. Auch seine finanzielle Belastung in den Vorjahren kann zu keiner anderen Einschätzung führen. Die Wirtschaftlichkeit seines Betriebs steht im unternehmerischen Risiko des Antragstellers.

Der vom Gericht vorgenommenen Interessenabwägung liegt im Wesentlichen der voraussichtliche Ausgang des Hauptsacheverfahrens zugrunde. Die vom Antragsteller erhobene Anfechtungsklage wird aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Daneben besteht auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs. Das Gericht schließt sich insofern den Ausführungen der Antragsgegnerin an - ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids hätte ein Fortbestehen der Gefährdungslage zur Folge, das nicht hinnehmbar ist.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei wurde entsprechend gängiger Praxis für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte des Betrags festgesetzt, der der wirtschaftlichen Bedeutung des Streitgegenstands den Antragsteller entspricht.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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published on 12/03/2018 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Klägerin begehrt die Aufhebung des
published on 12/03/2018 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Kläger begehren
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.