Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss, 27. Okt. 2017 - VGH N 2/15

ECLI:ECLI:DE:VERFGRP:2017:1027.1N2.15.00
27.10.2017

Tenor

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit des Bevollmächtigten der Antragstellerin wird auf 180.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand der Normenkontrolle waren vier Fragenkomplexe, die mit der Ausgestaltung des Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz – Finanzierungsfonds – zusammenhingen: Die Veranschlagung der Zuführungen zu dem Fonds im Haushaltsgesetz 2014/2015 angesichts der investitionsbezogenen Kreditobergrenze, das Landesgesetz über den Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz als solches, die Behandlung des Finanzierungsfonds im Ausführungsgesetz zu der ab 1. Januar 2020 anzuwendenden neuen Schuldenregel (sog. Schuldenbremse) sowie die mit Wirkung zum 1. Januar 2016 vorgenommene veränderte Ausgestaltung des Finanzierungsfonds. Mit Urteil vom 22. Februar 2017 hat der Verfassungsgerichtshof dem Normenkontrollantrag ganz überwiegend stattgegeben und dem Land Rheinland-Pfalz auferlegt, der Antragstellerin die notwendigen Auslagen zu drei Vierteln zu erstatten.

II.

2

Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG –, das für nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 VerfGHG vertretungsberechtigte Rechtslehrer an einer Hochschule entsprechend gilt (vgl. Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein u.a. [Hrsg.], BVerfGG, Losebl. [Stand: Januar 2017], § 34a Rn. 81; Schenk, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf [Hrsg.], BVerfGG, 2015, § 34a Rn. 9; Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl. 2017, § 1 RVG Rn. 10), ist der Gegenstandswert in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien – Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers – nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5.000,00 €.

3

In der verfassungsgerichtlichen Praxis ist für das Verfassungsbeschwerdeverfahren anerkannt, dass sich Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bewertungskriterien sowie deren Verhältnis zueinander und damit der Gegenstandswert vorrangig nach der subjektiven Bedeutung des Verfahrens für den Beschwerdeführer richten, einschließlich der weiteren Auswirkungen auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Stellung und sein Ansehen. Zu berücksichtigen ist auch die objektive Bedeutung der Sache, wobei diese, wenn sie neben dem subjektiven Interesse eigenständiges Gewicht hat, zu einer Erhöhung und Vervielfachung des Ausgangswertes führt. Je stärker die Flächenwirkung der angestrebten Entscheidung und je größer die Zahl denkbarer Anwendungsfälle ist, desto höher ist ihr Wert zu veranschlagen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wirken sich nur dann werterhöhend aus, wenn sie über den Aufwand hinausgehen, welcher der Bedeutung der Sache entspricht. Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse dienen nur der Korrektur des danach gefundenen Ergebnisses unter sozialen Aspekten (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 20. August 2014 – VGH B 16/14 –, AS 43, 45 f.; Beschluss vom 20. Oktober 2014 – VGH A 17/14 –, AS 43, 92 f.; vgl. auch entsprechend BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1989 – 1 BvR 1291/85 –, BVerfGE 79, 365 [366 ff.]).

4

Die für das Verfassungsbeschwerdeverfahren geltenden Grundsätze können allerdings, anders als im Verfahren der Normenkontrolle auf kommunalen Antrag nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV –, § 2 Nr. 1 Buchst. a VerfGHG (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 25. November 2016 – VGH N 18/14 –, n.v.), nicht uneingeschränkt auf das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1, 135 Abs. 1 Nr. 1 LV, § 2 Nr. 1 Buchst. a VerfGHG übertragen werden. Eine subjektive Bedeutung für die in Art. 130 Abs. 1 Satz 1 LV genannten „Sachwalter der Allgemeinheit“ hat die Sache nicht, denn das abstrakte Normenkontrollverfahren ist ein prinzipiell von subjektiven Berechtigungen oder Kompetenzen unabhängiges objektives Verfahren zum Schutz der Landesverfassung (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 7. April 1961 – VGH 2/61 –, AS 8, 224 [225]; Jutzi, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 130 Rn. 51; vgl. auch entsprechend LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Januar 2015 – LVG 9/13 –, juris Rn. 14).

III.

5

Nach diesen Maßstäben wird der Gegenstandswert der Tätigkeit des Bevollmächtigten der Antragstellerin auf 180.000,00 € festgesetzt.

6

Bei der Bestimmung des Gegenstandswertes ist vorliegend die nicht unbeträchtliche objektive Bedeutung des Verfahrens in Rechnung zu stellen. So hat der Verfassungsgerichtshof über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Haushaltsgesetzes und der Bestimmungen des Landesgesetzes über den Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz hinaus die verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche die bisherige, noch bis zum 31. Dezember 2019 geltende investitionsbezogene Kreditobergrenze formuliert, nachgeschärft sowie Auswirkungen des ab dem 1. Januar 2020 geltenden strukturellen Verschuldungsverbots dargelegt. Insoweit ist die Flächenwirkung des Verfahrens für die Frage der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung eines Vorsorgevermögens erheblich.

7

Nach alledem ist ein Gegenstandswert von 180.000,00 € angemessen. Der die objektive Bedeutung der Sache widerspiegelnde Wert trägt auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit angemessen Rechnung.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss, 27. Okt. 2017 - VGH N 2/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss, 27. Okt. 2017 - VGH N 2/15

Referenzen - Gesetze

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss, 27. Okt. 2017 - VGH N 2/15 zitiert 3 §§.

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

Referenzen

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.