Sozialgericht München Beschluss, 06. Juni 2017 - S 46 AS 990/17 ER

bei uns veröffentlicht am06.06.2017

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren höhere Leistungen für den Monat Mai 2017.

Die Antragstellerin zu 1 (künftig Antragstellerin) ist die Mutter der beiden im Dezember 2009 geborenen Zwillinge (Antragsteller zu 2 und 3). Sie war vor dem Leistungsbezug in der Vermögensverwaltung und als Maklerin erwerbstätig. Die Antragsteller bewohnen in A-Stadt eine Mietwohnung (Gesamtmiete monatlich 878,- Euro, weitere 60,- Euro für Garage) und beziehen seit März 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner. Für die Kinder wird Kindergeld und Unterhaltsvorschuss gezahlt.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Hauses in B-Stadt. Dieses Haus erwarb sie mit notariellem Kaufvertrag vom 24.10.2005 für 340.000,- Euro von ihren Eltern. Das Haus verfügt über drei Geschosse. Im Erdgeschoss ist ein Leibgeding für den inzwischen verstorbenen Großvater eingetragen. Für das erste Obergeschoss wurde im notariellen Kaufvertrag ein Mietvertrag mit den Eltern der Antragstellerin auf Lebenszeit der Eltern zu einer Miete von monatlich 400,- Euro vereinbart. Das zweite Obergeschoss war laut notariellem Kaufvertrag fremdvermietet.

Das Erdgeschoss des Hauses ist seit geraumer Zeit für 850,- Euro nettokalt pro Monat vermietet. Nachdem der Antragsgegner diese Mieteinnahme mit Bescheid vom 25.11.2015 (Seite 570 der Verwaltungsakte) als Einkommen anrechnete, teilte die Antragstellerin mit E-Mail vom 10.01.2016 (S. 638) mit, dass die Mieteinnahmen ihrem Vater zustünden und diese ab Februar an den Vater überwiesen werden würden. Im April 2016 legte sie eine Vereinbarung vor, wonach sie die Mieteinnahmen aus dem Haus an ihren Vater abgetreten habe (S. 671).

Nachdem die Antragstellerin mehrfach erfolglos aufgefordert wurde, die Abtretungsvereinbarung aufzulösen, wurden – teils nach Widerspruchverfahren oder Eilverfahren (S. 37 AS 216(17 ER) – bis 31.01.2017 Leistungen ohne Anrechnung dieser Miete gewährt, zuletzt mit Bescheid vom 01.08.2016 (S. 767). Mit Schreiben vom 28.11.2016 (S. 778) legte der Antragsgegner der Antragstellerin nochmals dar, dass das Nießbrauchsrecht keinen Anspruch auf die Mieteinnahme verschaffe.

Mit Bescheid vom 05.01.2017 (S. 798) bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für die Zeit von Februar 2017 bis einschließlich Juli 2017. Als Bedarf wurde neben dem Regelbedarf der Mehrbedarf für Alleinerziehende und die Kosten der Mietwohnung einschließlich Garage berücksichtigt. Als Einkommen wurden die Zahlungen für Unterhaltsvorschuss (2 x 201,- Euro), das Kindergeld und die Miete von 850,- Euro angerechnet. Als monatliche Leistung ergaben sich insgesamt 1054,55 Euro. Dagegen legt die Bevollmächtigte der Antragsteller Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2017 (S. 834) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen wurde am 02.05.2017 die Klage S 46 AS 998/17 erhoben, die zwischenzeitlich zurückgenommen und erneut erhoben wurde.

Die Antragsteller haben am 02.05.2017 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und Prozesskostenhilfe beantragt. Es seien über den 31.04.2017 hinaus weiterhin Leistungen ohne Anrechnung von Mieteinkünften zu gewähren.

Nachdem die Antragstellerin zum 16.05.2017 eine Arbeitsstelle fand, beschränkten die Antragsteller den Eilantrag auf den Monat Mai 2017. Grund hierfür seien die außerordentlicher Ausgaben für das Haus in B-Stadt. Es habe im Mai Heizöl nachgetankt werden müssen. Die Eltern würden sowohl den ersten Stock als auch das Dachgeschoss nutzen. Die Bank, die den Erwerb des Hauses finanziert habe, betreibe die Zwangsversteigerung des Hauses.

Die laufende Bewilligung wurde mit Bescheid vom 17.05.2017 ab 01.06.2017 ganz aufgehoben.

Die Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, Leistungen für den Monat Mai 2017 ohne Anrechnung von Mieteinnahmen zu erbringen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Eilantrag abzulehnen.

Er verweist auf die bisherige Geschichte der Mieteinnahmen und auf das aktuelle Auftreten der Antragstellerin als Finanzberaterin im Internet. Drüber hinaus wurde der Anstellungsvertrag. Danach ist die Antragstellerin ab 16.05.2017 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden für 2000,- Euro pro Monat angestellt mit einer Gehaltszahlung am Ende des Monats.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, aber unbegründet.

Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Es ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund erkennbar.

Nach dem Anstellungsvertrag hat die Antragstellerin Ende Mai 2017 einen halben Monatslohn von 1000,- Euro erhalten. Zusammen mit der bewilligten Leistung ist der Gesamtbedarf für Mai 2017 im Wesentlichen abgedeckt.

Außerdem steht der Antragstellerin seit vielen Monaten eine Miete in Höhe von 850,- Euro monatlich für das Erdgeschoss in dem Haus in B-Stadt zu. Dass sie in der Absicht, die Anrechnung ihrer Mieteinnahmen zu verhindern, einen Abtretungsvertrag mit Ihrem Vater abgeschlossen hat, ändert daran nichts. Dieser Abtretungsvertrag ist nach § 138 BGB unwirksam. Sie kann die Mieter umgehend wieder auffordern, die Miete an sie selbst zu überweisen. Nach dem notariellen Kaufvertrag steht der Anspruch auf die Miete für das Erdgeschoss eindeutig der Antragstellerin zu, nicht ihren Eltern. Die Abtretung ohne Gegenleistung dient allein der Leistungsoptimierung.

Dass die Antragstellerin darüber hinaus einen Anspruch auf 400,- Euro Miete gegenüber ihren Eltern hat, kann in diesem Eilverfahren dahinstehen.

Es besteht auch kein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit. Im Eilverfahren hat die Antragstellerin primär auf die hohen Kosten für die Heizölbeschaffung für das Haus in B-Stadt im Mai 2017 hingewiesen. Dies ist aber kein Bedarf, der im Rahmen des Eilverfahrens zu decken wäre. Nach dem Vortrag der Antragstellerin wurden diese Kosten bereits von ihren Eltern bezahlt. Im Übrigen sind derartige Kosten durch eine vernünftige Bewirtschaftung des Hauses und Vorauszahlungen der Bewohner zu decken. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Mai auch eine geringere Menge Heizöl genügt hätte, weil die Heizperiode vorbei ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt. Spätestens nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit bestand keine Erfolgsaussicht mehr.

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht München Beschluss, 06. Juni 2017 - S 46 AS 990/17 ER zitiert 3 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86b


(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

Referenzen

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.