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| Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom .. Juli ... in Form des Teilabhilfebescheids vom ... Dezember ... in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... März ... ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger ist in Ausübung seiner Tätigkeit als ... in der Praxis des Beigeladenen zu 1. seit .. Januar ... nicht abhängig beschäftigt und unterliegt nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. |
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| Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V-,§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch -SGB XI-, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -SGB III-). Der Kläger ist als Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. In der Kranken- und Pflegeversicherung besteht wegen Überschreitens der Jahresentgeltgrenze Versicherungsfreiheit. |
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| Gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, Az. B 12 KR 13/07 R, juris Rn. 15). |
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| Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus der von ihnen getroffenen Vereinbarung ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von der Vereinbarung abweichen. (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 17; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az. B 12 KR 31/06 R, juris Rn. 17). |
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| Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung zu der Überzeugung gelangt, dass die gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände vorliegend überwiegen. Der Vertrag über die ... freie Mitarbeit spricht für eine selbständige Tätigkeit und die tatsächlichen Verhältnisse weichen von den darin geschlossenen Regelungen nicht rechtserheblich ab. Der Beigeladene zu 1. hat gegenüber dem Kläger keine Weisungsbefugnis (hierzu unter a.) und der Kläger trägt selbst ein unternehmerisches Risiko (hierzu unter b.). |
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| a. Eine Weisungsbefugnis des Beigeladenen zu 1. gegenüber dem Kläger ist in dem Vertrag über eine Tätigkeit als freier zahnärztlicher Mitarbeiter ausdrücklich ausgeschlossen worden und wird nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Beigeladene zu 1. auch nicht praktiziert. Er unterliegt keiner Supervision des Beigeladenen zu 1. und es gibt auch keine Dienstpläne, an die er sich halten muss. Der Beigeladene zu 1. hat keine Befugnis, ihm bestimmte Patienten zuzuweisen oder ihm Patienten wieder abzuziehen und er ist ihm gegenüber nicht zur Erbringung von Leistungen, z.B. zur Übernahme von Notdiensten, verpflichtet. Stattdessen entscheidet allein der Kläger, welche Patienten er behandelt. Er hat einen eigenen Patientenstamm und die Zeuginnen haben glaubhaft erklärt, dass er seine Behandlungen in von ihm zuvor bestimmten Zeitblöcken vornimmt und eigene Zeitvorgaben für die Terminierung bestimmter Behandlungen vorgibt. Folglich steuert er seinen Patientenstrom eigenverantwortlich. Ebenso fehlt es an einem Weisungsrecht im Hinblick auf die zeitliche Nutzung der Behandlungsräume. Der Kläger kann frei über die vorhandenen Behandlungszimmer verfügen. Dagegen spricht nicht, dass zur Vermeidung von Doppelbelegungen ein gemeinsamer Terminkalender geführt wird, da dies Voraussetzung für eine flexible Nutzung unentbehrlich ist. Nach den überzeugenden Angaben des Beigeladenen zu 1. ist immer mindestens eines der vier Behandlungszimmer frei. Darüber hinaus stehen auch die anderen Behandlungszimmer zur Verfügung, wenn der Beigeladene zu 1. weniger Termine hat oder im Urlaub ist. Der Kläger ist weder hinsichtlich seiner Zeiten noch hinsichtlich der Wochentage eingeschränkt und nimmt auch Termine außerhalb der Praxis war. Er ist in seiner Arbeitszeit frei. Die Öffnungszeiten der Praxis und die Schichtpläne der Mitarbeiterinnen haben sich nach Aussage der Zeugin ... geändert, als der Kläger seine Tätigkeit aufgenommen hat und sie und die Zeugin Bauer haben glaubhaft erklärt, dass sie nach Absprache auch länger bleiben, wenn der Kläger noch abends einen Termin hat. Im Übrigen hat der Kläger rund um die Uhr Zugang zu den Praxisräumen und kann dort jederzeit unter Einhaltung der Hygienevorschriften Behandlungen vornehmen. Er ist auch in seiner Urlaubsplanung frei, da eine wechselseitige Krankheits- oder Urlaubsvertretung des Klägers weder vorgesehen ist noch praktiziert wird. Der Beigeladene zu 1. hat glaubhaft erklärt, die Praxis diesen Sommer für eine Woche schließen zu müssen, da sich die Urlaubszeiten überschneiden. Zutreffend hat er darauf hingewiesen, dass so etwas nicht vorgekommen ist, als er noch eine angestellte ... beschäftigt hat, die auf seine Urlaubsplanung Rücksicht nehmen musst. |
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| Die Eingliederung in die Praxis beschränkt sich mangels Weisungsrecht des Beigeladenen zu 1 und mangels Personalverantwortung des Klägers gegenüber den Mitarbeiterinnen auf die Örtlichkeit (Praxis), die Führung eines gemeinsamen Terminkalenders (Vermeidung von zeitlichen Überschneidungen) und die Inanspruchnahme der Mitarbeiterinnen. Da es an jeglicher Weisungsbefugnis des Beigeladenen zu 1. fehlt, genügt die räumliche Eingliederung nach Überzeugung des Gerichts vorliegend nicht, um eine abhängige Beschäftigung anzunehmen. Das Bundessozialgericht hat bezüglich der „Eingliederung“ in einen fremden Arztbetrieb für einen Arztvertreter bereits 1959 ausgeführt, dass eine Abhängigkeit nicht damit begründet werden könne, der Vertreter werde im Rahmen eines fremden "Arztbetriebes" tätig, indem er die Patienten regelmäßig in den Räumen des Praxisinhabers behandele, die von diesem festgelegten Sprechstunden einhalte, die in der Praxis vorhandenen Geräte (z.B. Röntgeneinrichtungen) benutze und sich des vorhandenen ärztlichen Hilfspersonals bediene. Um eine "Eingliederung" in diesem Sinne annehmen zu können, müsste aber ein - wie immer geartetes - Unterordnungsverhältnis vorliegen. Entscheidend für die Rechtstellung sei - auch unter dem Gesichtspunkt der sog. "Eingliederungstheorie", dass er bei Ausübung seiner Tätigkeit nicht den Weisungen des Praxisinhabers unterworfen sei und somit nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern auf Grund eines freien Dienstvertrages tätig werde (BSG, Urteil vom 27.05.1959, Az. 3 RK 18/55, juris Rn. 15). |
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| b. Der Kläger trägt auch ein unternehmerisches Risiko. |
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| Der Argumentation, der Kläger trage kein unternehmerisches Risiko, weil er die Arbeitsmittel nicht selbst angeschafft habe und bei seiner Tätigkeit nicht offen bleibe, ob er dafür überhaupt Entgelte erhalte, kann nicht gefolgt werden. Entscheidend ist, dass er nur dann eine Vergütung erhält, wenn er Patienten behandelt. Jeder niedergelassene Vertragsarzt hat die Sicherheit, für die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Honorar zu erhalten. Wäre dieser Gesichtspunkt ausschlaggebend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, könnte kein Vertragsarzt selbständig tätig sein (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Mai 2011, Az. L 11 R 1075/11 ER-B, juris Rn. 18). |
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| Der Kläger erbringt ... Leistungen auf eigene Rechnung. Die von ihm erbrachten Leistungen werden über die Abrechnungsnummer auch deutlich getrennt von den Leistungen des Beigeladenen und den Mitarbeiterinnen erfasst. Mit der vereinbarten Art der Vergütung erhält der Beigeladene zu 1. für die Überlassung der Praxisräume und der Mietarbeiterinnen statt eines festen Betrags eine am Umsatz des Klägers orientierte Beteiligung. Gleichzeitig verbleibt dem Kläger keine feste monatliche Vergütung, sondern nur ein prozentualer Anteil am Honoraraufkommen der von ihm behandelten Patienten. Angestellte erhalten hingegen unabhängig von der Patientenakquise ein monatlich feststehendes Arbeitsentgelt. |
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| Es spricht auch nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit des Klägers, dass nicht er, sondern der Beigeladene zu 1. gegenüber den Krankenkassen abrechnet. Aufgrund zulassungsrechtlicher Vorschriften hat der Kläger von der Kassen... Vereinigung eine Genehmigung mit einem Jahresbudget von 137.000,-- EUR erhalten. Diese Genehmigung ist unabhängig von einem Angestelltenverhältnis oder einer Selbständigkeit erfolgt. Der Kläger ist nicht befugt, selbst gegenüber den Krankenkassen abzurechen, da die Genehmigung nicht mit einer eigenen Zulassung/einem eigenen Abrechnungsstempel einhergeht. Rechtliche Bindungen, die der Kläger nach dem Zulassungsrecht zu beachten hat, können allenfalls ein Indiz dafür sein, wie er seine Beziehungen zu dem Beigeladenen zu 1. regeln will. Sie haben aber dann keine Bedeutung für das Verhältnis zu diesem, wenn der mit ihm geschlossene Vertrag und seine tatsächliche Abwicklung keinen Zweifel über die gewollte Gestaltung der Beziehung zulassen (BSG, Urteil vom 14. September 1989, Az. 12 RK 64/87, juris Rn. 26; LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). |
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| Nach alledem übt der Kläger seit ... Januar ... in der Praxis des Beigeladene zu 1. eine selbstständige Tätigkeit aus und ist nicht abhängig beschäftigt. Der Bescheid der Beklagten vom ... Juli ... in Form des Teilabhilfebescheids vom ... Dezember ... in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2012 ist somit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben. Darüber hinaus war entsprechend dem weiteren Antrag des Klägers festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung unterlag. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Antrag unterlägen wäre, die Abgabe zur Arbeitslosenversicherung mit dem derzeitigen Prozentsatz analog einem Angestellten als freiwillige Leistung zuzulassen. |
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