Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 09. Apr. 2014 - S 12 R 1641/13

bei uns veröffentlicht am09.04.2014

Tenor

1. Der Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird endgültig auf 24.505,24 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein bei der Klägerin regelmäßig auftretender Pianist seine Tätigkeit selbstständig oder im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.
Das Finanzamt ... führte bei der Klägerin in der Zeit vom 27.12.2006 bis zum 03.08.2007 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 01.12.2001 bis zum 31.12.2005. Im Rahmen dieser Prüfung gelangte der Prüfer ... zu dem Ergebnis, dass der Pianist ... als abhängiger Beschäftigter zu beurteilen sei. Deswegen erfolgte durch die Klägerin am 17.01.2008 die rückwirkende Anmeldung des ... zur Sozialversicherung. Die entsprechenden Beiträge wurden für die Vergangenheit entrichtet. Sowohl Lohnsteuer als auch Sozialversicherungsbeiträge wurden auch für die auf den Prüfzeitraum folgende Zeit bis zum 20.07.2007 abgeführt.
Der Pianist ... sorgte regelmäßig in der Bar der Klägerin für die musikalische Unterhaltung der Gäste. Pro Monat spielte er durchschnittlich an 10 bis 13 Abenden jeweils 3 bis 4 Stunden. Diesem Arrangement lagen weder ein Arbeitsvertrag noch schriftliche Aufträge zugrunde. Die Vereinbarung der Auftritte erfolgte mündlich nach Bedarf. Dementsprechend erfolgte die Vergütung auf Honorarbasis nach Rechnungsstellung. Bis zum März 2007 geschah dies in bar, danach auf das von Herrn ... angegebene Konto bei der Sparkasse ... Eine Vergütung erfolgte nur für die tatsächlich erbrachten Dienste als Pianist. Es stand dem ... frei noch weitere Engagements einzugehen. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgte nicht, ebensowenig bestand ein Anspruch auf Urlaub. Weisungen hinsichtlich der Stückauswahl erfolgten nicht. Das Instrument wurde aber zur Verfügung gestellt.
Zum 20.07.2007 beendigte die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis mit Herrn ..., weswegen er von der Sozialversicherung abgemeldet wurde.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) führte in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 29.02.2012 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 01.01.2007 bis zum 31.12.2010. Der Prüfer beanstandete, dass Herr ... zum 20.07.2007 von der Sozialversicherung wieder abgemeldet worden sei, obwohl er weiterhin regelmäßig bei der Klägerin aufgetreten sei.
Mit Bescheid vom 13.03.2012 errechnete die DRV eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 24.506,24 EUR. Darin enthalten waren 5.931,50 EUR Säumnisgebühren.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 13.04.2012 Widerspruch und machte geltend, seit dem 20.07.2007 sei Herr ... in der von Frau ... (nunmehr ...), seiner Ehefrau, betriebenen Künstleragentur tätig, welche von der Klägerin von Zeit zu Zeit mit der musikalischen Untermalung des Restaurants beauftragt worden sei. Diese Umstände seien dem Finanzamt ... bekannt gewesen. Deshalb sei im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung, die zwischen dem 06.12.2010 und dem 25.05.2011 durchgeführt worden sei, auch nicht beanstandet worden, dass für Herrn ... keine Lohnsteuer abgeführt worden sei. Die Beurteilung des Finanzamtes im Rahmen der Lohnsteuerprüfung habe Indizwirkung. Ein Beschäftigungsverhältnis habe seit dem 20.07.2007 nur zwischen der Frau ... betriebenen Künstleragentur und Herrn ... bestanden. Der Künstleragentur habe es frei gestanden, auch andere Pianisten zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten einzusetzen. Es habe keine Vorgaben bezüglich der Stückauswahl gegeben. Als Vergütung sei ein bestimmtes Stundenhonorar vereinbart gewesen. Der Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätigen Personen finde keine Anwendung. Im Übrigen seien die Säumniszuschläge mangels Verschuldens nicht zu erheben gewesen.
Die DRV holte zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts eine Auskunft bei dem Steuerprüfer ... ein. Dieser teilte am 12.06.2012 schriftlich mit, bis zum Juli 2007 habe der ... noch Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit gehabt. Ab August sei die Rechnungsstellung durch seiner Ehefrau erfolgt. Diese habe unter der Steuernummer .../... beim Finanzamt ... ein Gewerbe (Künstlervermittlung) für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Ab dem Zeitpunkt, in dem Frau ... (ehemals ...) die Rechnungen an die Klägerin gestellt hat, sei man davon ausgegangen, dass Herr ... Arbeitnehmer seiner Ehefrau sei.
Auf ein Auskunftsschreiben der DRV vom 20.06.2012 teilte Herr ... am 18.09.2012 telefonisch mit, seine Frau habe nie eine Künstleragentur betrieben. Daher habe sie auch keine weiteren Künstler vermittelt. Er selbst sei nur für die Klägerin tätig gewesen und habe keine weiteren Auftraggeber gehabt. Seine Frau habe die Einkünfte beim Finanzamt versteuert. Die Rechnungen seien durch seine damalige Lebensgefährtin, jetzige Frau gestellt worden, da er damals in Scheidung lebte und aus diesem Grund kein eigenes Konto gehabt habe.
10 
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Umstände der Tätigkeit des ... hätten sich auch nach dem Juli 2007 nicht geändert, lediglich die Rechnungsstellung sei über seine damalige Lebensgefährtin erfolgt, da er kein Konto besaß und nunmehr offensichtlich eine Auszahlung in bar nicht mehr erfolgen sollte. Entgegen der Angaben der Klägerin habe das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 nicht entschieden, dass Herr ... nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Vielmehr habe dieser Sachverhalt nicht geprüft werden können, da lediglich Rechnungen von Frau ... vorlagen. Eine steuerrechtliche Prüfung sei hinsichtlich dieses Sachverhalts nicht erfolgt. Die Säumniszuschläge seien zu Recht erhoben worden.
11 
Mit ihrer hiergegen am 04.04.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und legt nochmal die tatsächlichen Bedingungen der Tätigkeit des ... dar. Ergänzend führt sie aus, die von Herrn ... getätigte Aussage sei als Schutzbehauptung anzusehen, um eine Inanspruchnahme seiner Ehefrau durch die DRV zu vermeiden.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
der Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 wird aufgehoben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids.
17 
Mit Beschluss vom 20.08.2013 wurden Herr ... ... und die AOK notwendig zum Verfahren beigeladen. Am 07.11.2013 hat das Gericht Kenntnis davon erlangt, dass Herr ... am 18.06.2013 verstorben ist. Deswegen wurde mit Beschluss vom 25.11.2013 Frau ... ... als Rechtsnachfolgerin von Herrn ... notwendig beigeladen (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.1982, Az.: 12 RK 10/80).
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
19 
Die Klage ist zulässig und begründet.
20 
Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 entscheiden hat, dass Herr ... mit seiner Tätigkeit als Pianist bei der Klägerin der Versicherungspflicht unterlag, ist dies rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Bescheide sind daher aufzuheben.
21 
Der bei der Klägerin tätig gewesene Pianist ... übte sein Engagement nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbstständige Tätigkeit aus. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens.
22 
1. Ob eine selbstständige Tätigkeit oder ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nach den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird. Diese äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einen fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teil hat. Demgegenüber kennzeichnen eine selbstständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist im Einzelfall eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Abhängigkeit wie der Selbstständigkeit auf, so kommt es bei der Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen. Grundlage der Beurteilung sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse. Die in einer vertraglichen Vereinbarung gewählte Bezeichnung oder rechtliche Einordnung einer Tätigkeit ist dagegen nicht maßgebend, wenn sie davon abweicht (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 3 KR 2/98 R).
23 
2. Nach diesen Maßgaben war der Pianist ... nicht abhängig Beschäftigter der Klägerin.
24 
Nach den vorliegenden Verhältnissen war er nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Gegen eine solche Eingliederung spricht bereits die Tatsache, dass ein Arbeits- beziehungsweise Dienstvertrag zwischen der Klägerin und Herrn ... nicht zustande gekommen ist. Auch lag dem Engagement kein schriftlicher Auftrag zugrunde. Vielmehr erfolgte eine Beauftragung mündlich nach Bedarf. Es liegt daher kein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis vor. Zwar war Herr ... bereits über mehrere Jahre für die Klägerin tätig. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit stellte er aber nicht seine gesamte Arbeitsleistung zur Verfügung. Aus den in der Verwaltungsakte befindlichen von Herrn ... gestellten Rechnungen lässt sich entnehmen, dass dieser im Monat circa an 10 bis 15 Tagen jeweils 3 bis 4 Stunden spielte. Er war zwar verpflichtet, zu den vereinbarten Zeiten zu erscheinen und für Unterhaltungsmusik zu sorgen. Im Übrigen stand es ihm jedoch frei, anderweitig tätig zu sein. Diese Freiheit hat er offenbar auch dahingehend genutzt, für die Musikschule A... als Klavierlehrer tätig zu sein.
25 
Herr ... trug auch ein eigenes unternehmerisches Risiko. Die Klägerin vergütete nur die jeweils tatsächlich geleisteten Dienste. Aus den vorliegenden Rechnungen ab Januar 2007 ist ersichtlich, dass Herr ... ein Stundenhonorar von 30 EUR berechnet hat. So erzielte er beispielsweise im Januar 2007 bei 40 abgerechneten Stunden ein Entgelt in Höhe von insgesamt 1.200 EUR brutto, im Februar 2007 bei 36 abgerechneten Stunden ein solches von 1.080 EUR brutto, im März 2007 bei 48 abgerechneten Stunden ein solches von 1.440 EUR brutto. Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde nicht gezahlt.
26 
Auch war Herr ... bezüglich Art und Weise seiner Tätigkeit nicht den Weisungen der Klägerin unterworfen. Zwar war er verpflichtet, zu der vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort zu erscheinen und am Klavier aufzuspielen. Die Auswahl der gespielten Stücke lag aber in seinem eigenen Ermessen. Ein auf die Arbeitnehmereigenschaft hinweisendes Weisungsrecht der Klägerin bestand nicht. Das Weisungsrecht bezüglich Zeit und Ort ergibt sich aus der Natur der Sache und ist für jeden Unterhaltungsmusiker eine Selbstverständlichkeit (vgl. zu alledem LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.09.2001, Az.: L 5 KR 130/00; ebenso SG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2005, Az.: S 27 RA 227/01).
27 
Als einziges Argument für die abhängige Beschäftigung spricht die Tatsache, dass die Klägerin selbst Herrn ... aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung aus dem Jahr 2007 rückwirkend zur Sozialversicherung angemeldet hat und diese Anmeldung bis zum 20.07.2007 aufrecht erhielt. Soweit die Beklagte hier argumentiert, an der Tätigkeit habe sich nach dem 20.07.2007 nichts geändert, außer dass die Rechnungsstellung durch Frau ... erfolgt sei, ist zum einen zu sagen, dass hier durchaus eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Frau ... hatte ausweislich der schriftlichen Auskunft von Herrn ... vom Finanzamt ... vom 12.06.2012 beim Finanzamt ... unter der Steuernummer .../... ein Gewerbe als Künstlervermittlerin für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Die Rechnungsstellung erfolgte ab dem 20.07.2007 durch sie als Unternehmerin für musikalische Unterhaltung. Es ist daher mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass Herr ... abhängig beschäftigt gewesen war bei seiner Ehefrau. Zum anderen folgt aus der Beurteilung des Finanzamtes ... im Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 15.08.2007 nicht zwangsweise, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für die Vergangenheit richtig war. Die Beklagte hat sich dieser Beurteilung ohne eigene rechtliche Prüfung angeschlossen. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht obliegt aber nicht dem Finanzamt. Im Übrigen hat das Finanzamt ... bei einer erneuten Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre bis 2009 die Beurteilung der Tätigkeit des Herrn ... nicht beanstandet. Der Prüfer ging laut Auskunft vom 12.06.2012 selbst davon aus, dass Herr ... abhängig Beschäftigter bei Frau ... war. Der Beklagten mag darin zuzustimmen sein, dass das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 keine Entscheidung dahingehend getroffen hat, dass Herr ... nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Es wurde aber umgekehrt auch keine Entscheidung dahingehend getroffen, dass er als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sei. Die rückwirkende Anmeldung zur Sozialversicherung hat daher allenfalls Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung des Herrn ... Die Gesamtumstände sprechen aber nach oben gesagtem für eine selbstständige Tätigkeit des Herrn ...
28 
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
II.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe

 
I.
19 
Die Klage ist zulässig und begründet.
20 
Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 entscheiden hat, dass Herr ... mit seiner Tätigkeit als Pianist bei der Klägerin der Versicherungspflicht unterlag, ist dies rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Bescheide sind daher aufzuheben.
21 
Der bei der Klägerin tätig gewesene Pianist ... übte sein Engagement nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbstständige Tätigkeit aus. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens.
22 
1. Ob eine selbstständige Tätigkeit oder ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nach den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird. Diese äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einen fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teil hat. Demgegenüber kennzeichnen eine selbstständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist im Einzelfall eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Abhängigkeit wie der Selbstständigkeit auf, so kommt es bei der Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen. Grundlage der Beurteilung sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse. Die in einer vertraglichen Vereinbarung gewählte Bezeichnung oder rechtliche Einordnung einer Tätigkeit ist dagegen nicht maßgebend, wenn sie davon abweicht (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 3 KR 2/98 R).
23 
2. Nach diesen Maßgaben war der Pianist ... nicht abhängig Beschäftigter der Klägerin.
24 
Nach den vorliegenden Verhältnissen war er nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Gegen eine solche Eingliederung spricht bereits die Tatsache, dass ein Arbeits- beziehungsweise Dienstvertrag zwischen der Klägerin und Herrn ... nicht zustande gekommen ist. Auch lag dem Engagement kein schriftlicher Auftrag zugrunde. Vielmehr erfolgte eine Beauftragung mündlich nach Bedarf. Es liegt daher kein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis vor. Zwar war Herr ... bereits über mehrere Jahre für die Klägerin tätig. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit stellte er aber nicht seine gesamte Arbeitsleistung zur Verfügung. Aus den in der Verwaltungsakte befindlichen von Herrn ... gestellten Rechnungen lässt sich entnehmen, dass dieser im Monat circa an 10 bis 15 Tagen jeweils 3 bis 4 Stunden spielte. Er war zwar verpflichtet, zu den vereinbarten Zeiten zu erscheinen und für Unterhaltungsmusik zu sorgen. Im Übrigen stand es ihm jedoch frei, anderweitig tätig zu sein. Diese Freiheit hat er offenbar auch dahingehend genutzt, für die Musikschule A... als Klavierlehrer tätig zu sein.
25 
Herr ... trug auch ein eigenes unternehmerisches Risiko. Die Klägerin vergütete nur die jeweils tatsächlich geleisteten Dienste. Aus den vorliegenden Rechnungen ab Januar 2007 ist ersichtlich, dass Herr ... ein Stundenhonorar von 30 EUR berechnet hat. So erzielte er beispielsweise im Januar 2007 bei 40 abgerechneten Stunden ein Entgelt in Höhe von insgesamt 1.200 EUR brutto, im Februar 2007 bei 36 abgerechneten Stunden ein solches von 1.080 EUR brutto, im März 2007 bei 48 abgerechneten Stunden ein solches von 1.440 EUR brutto. Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde nicht gezahlt.
26 
Auch war Herr ... bezüglich Art und Weise seiner Tätigkeit nicht den Weisungen der Klägerin unterworfen. Zwar war er verpflichtet, zu der vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort zu erscheinen und am Klavier aufzuspielen. Die Auswahl der gespielten Stücke lag aber in seinem eigenen Ermessen. Ein auf die Arbeitnehmereigenschaft hinweisendes Weisungsrecht der Klägerin bestand nicht. Das Weisungsrecht bezüglich Zeit und Ort ergibt sich aus der Natur der Sache und ist für jeden Unterhaltungsmusiker eine Selbstverständlichkeit (vgl. zu alledem LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.09.2001, Az.: L 5 KR 130/00; ebenso SG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2005, Az.: S 27 RA 227/01).
27 
Als einziges Argument für die abhängige Beschäftigung spricht die Tatsache, dass die Klägerin selbst Herrn ... aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung aus dem Jahr 2007 rückwirkend zur Sozialversicherung angemeldet hat und diese Anmeldung bis zum 20.07.2007 aufrecht erhielt. Soweit die Beklagte hier argumentiert, an der Tätigkeit habe sich nach dem 20.07.2007 nichts geändert, außer dass die Rechnungsstellung durch Frau ... erfolgt sei, ist zum einen zu sagen, dass hier durchaus eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Frau ... hatte ausweislich der schriftlichen Auskunft von Herrn ... vom Finanzamt ... vom 12.06.2012 beim Finanzamt ... unter der Steuernummer .../... ein Gewerbe als Künstlervermittlerin für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Die Rechnungsstellung erfolgte ab dem 20.07.2007 durch sie als Unternehmerin für musikalische Unterhaltung. Es ist daher mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass Herr ... abhängig beschäftigt gewesen war bei seiner Ehefrau. Zum anderen folgt aus der Beurteilung des Finanzamtes ... im Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 15.08.2007 nicht zwangsweise, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für die Vergangenheit richtig war. Die Beklagte hat sich dieser Beurteilung ohne eigene rechtliche Prüfung angeschlossen. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht obliegt aber nicht dem Finanzamt. Im Übrigen hat das Finanzamt ... bei einer erneuten Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre bis 2009 die Beurteilung der Tätigkeit des Herrn ... nicht beanstandet. Der Prüfer ging laut Auskunft vom 12.06.2012 selbst davon aus, dass Herr ... abhängig Beschäftigter bei Frau ... war. Der Beklagten mag darin zuzustimmen sein, dass das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 keine Entscheidung dahingehend getroffen hat, dass Herr ... nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Es wurde aber umgekehrt auch keine Entscheidung dahingehend getroffen, dass er als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sei. Die rückwirkende Anmeldung zur Sozialversicherung hat daher allenfalls Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung des Herrn ... Die Gesamtumstände sprechen aber nach oben gesagtem für eine selbstständige Tätigkeit des Herrn ...
28 
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
II.
29 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 09. Apr. 2014 - S 12 R 1641/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 09. Apr. 2014 - S 12 R 1641/13

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 09. Apr. 2014 - S 12 R 1641/13 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Referenzen

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.