Sozialgericht Heilbronn Beschluss, 02. Aug. 2012 - S 7 AL 4417/11 ER

bei uns veröffentlicht am02.08.2012

Tenor

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Mit dem am 15.12.2011 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Antragsteller die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Er sprach am 07.11.2011 bei der Antragsgegnerin persönlich vor. Er behauptet, ihm sei dort mitgeteilt worden, ohne eigene oder arbeitgeberseitige Kündigung könne er kein Arbeitslosengeld erhalten. In dem Gesprächsvermerk der Antragsgegnerin vom 07.11.2011 wurde erfasst:
„Arbeitssuchendmeldung am 07.11.2011. Meldung während ungekündigtem Beschäftigungsverhältnis.
[…]     
AUSGEHÄNDIGTE UNTERLAGEN:
Arbeitspaket Teil 3
[…]     
BEMERKUNGEN:
Kunde meldet sich asu, er wurde mündl. gekündigt. Da er noch keine Kündigung hat nur aus aufgenommen. Er wird mit der Kündigung vorsprechen, sobald er diese erhält. Das heutige Datum kann dann als Alodatum anerkannt werden, im Fall diese schon ab 071111 gültig ist.“ (Bl. 110 der Verwaltungsakte)
Die Antragsgegnerin begründete die noch nicht erfolgte Alg-Bewilligung damit, dass zur abschließenden Bearbeitung des Alg-Antrages noch die Vorlage von Unterlagen durch den Antragsteller notwendig gewesen sei. Nachdem der Antragsteller die angeforderten Unterlagen am 28.12.2011 vorlegte, bewilligte die Antragsgegnerin ihm gegenüber mit Bescheid vom 28.12.2011 Alg ab dem 07.11.2011.
Daraufhin hat der Antragsteller das einstweilige Rechtschutzverfahren für erledigt erklärt und begehrt die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten durch die Antragsgegnerin. Sie habe den Anlass für das gerichtliche Eilverfahren gegeben. Dem Antragsteller sei es wegen der Aussage eines Mitarbeiters der Antragsgegnerin, ohne Kündigung könne ihm kein Alg gewährt werden nur durch Anrufung des Gerichts möglich gewesen, eine Klärung zu erwirken.
II.
Nachdem der Antragsteller den einstweiligen Rechtsschutzantrag für erledigt erklärt hat und (nur noch) eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten begehrt, war über den Antrag hinsichtlich der Erstattung außergerichtlicher Kosten gesondert durch Beschluss zu entscheiden, § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in entsprechender Anwendung.
Danach entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren nicht durch Urteil (hier: Beschluss) beendet wird. Die nach § 193 Abs. 1 SGG (entsprechend) zu treffende Entscheidung erfolgt nach richterlichem Ermessen. Anders als in vergleichbaren Verfahrensordnungen hat das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren dabei keine inhaltlichen Voraussetzungen für die Entscheidung über die Kosten zu beachten. Daraus folgt, dass die Sozialgerichte bei der Kostenentscheidung freier sind und die vergleichbaren kostenrechtlichen Vorschriften anderer Prozessordnungen nicht uneingeschränkt herangezogen werden können. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben bei der Kostenentscheidung allerdings als wesentliches Kriterium das mutmaßliche Ergebnis des Rechtsstreits aufgrund einer Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu werten. Bei der Frage der Kostentragung ist es in der Regel billig, dass der die Kosten trägt, der unterliegt, jedoch sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und auch darauf abzustellen, welcher Beteiligter Anlass zur Einlegung des Rechtsbehelfs gegeben hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A., § 193 Rn. 12a f.).
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller - trotz faktischen Erfolges - keine Kosten zu erstatten. Der einstweilige Rechtsschutzantrag wäre im Falle einer Entscheidung durch das Gericht aller Voraussicht nach ohne Erfolg geblieben.
Erforderlich für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches (Anspruch in der Hauptsache) und eines Anordnungsgrundes (Notwendigkeit einer Eilentscheidung des Gerichts).
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Es kann hier dahinstehen, ob der erforderliche Anordnungsanspruch vorliegt, da jedenfalls kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurde. In den Fällen, in denen der Antragsteller begehrt, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Alg zu erhalten, fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer am Anordnungsgrund, wenn der Antragsteller - wie hier - nicht glaubhaft macht, zuvor erfolglos einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestellt zu haben (vgl. SG Heilbronn, Beschl. v. 28.03.2012, Az. S 7 AL 357/12 ER, juris-Rn. 18; SG Heilbronn, Beschl. v. 14.06.2010, Az. S 7 AL 1569/10 ER, juris-Leits. 4. & Rn. 22; Brand in Niesel, SGB III, 4. A. § 118 Rn. 11 m.w.N.). Durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II können schwere (existenzgefährdende) Nachteile im Falle der Verwehrung der Alg-Zahlung abgewendet werden, sodass es einer gerichtlichen Verpflichtung des SGB III-Trägers zur vorläufigen Gewährung von Alg nicht bedarf. Für den Fall, dass sich nachträglich herausstellt, dass der Anordnungsanspruch tatsächlich bestand, kann der SGB II- Träger gegenüber dem leistungspflichtigen SGB III-Träger Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend machen und der Antragsteller erhält eine Nachzahlung, soweit das Alg die Leistungen nach dem SGB II übersteigt. Stellt sich hingegen bei einer vorläufigen Leistungsgewährung nach dem SGB III heraus, dass der Anspruch auf Alg tatsächlich nicht bestand, kann der SGB III-Träger lediglich gegenüber dem Leistungsempfänger eine Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen geltend machen - was stets mit dem Risiko behaftet ist, die Forderung nicht durchsetzen zu können. Zum Schutz der Versichertengemeinschaft unter Berücksichtigung der Existenzsicherung des Antragstellers durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II ist aus diesen Gründen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in der gegebenen Konstellation regelmäßig zu verneinen.
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Gründe, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen würden, hat der Antragsteller nicht vorgebracht.
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Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin Anlass für das einstweilige Rechtsschutzverfahren gegeben hat. Aus dem Gesprächsvermerk vom 07.11.2011 ist ersichtlich, dass der Antragsteller sich am 07.11.2011 arbeitslos meldete und die Antragsgegnerin ihm eine Alg-Bewilligung ab diesem Tag für den Fall in Aussicht stellte, dass die übrigen Voraussetzungen für den Alg-Bezug tatsächlich vorliegen und die entsprechenden Nachweise vorgelegt werden. Demgemäß hat sie sich sodann während des laufenden Gerichtsverfahrens auch verhalten und mit Bescheid vom 28.12.2012 Alg ab dem 07.11.2011 bewilligt.
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Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Heilbronn Beschluss, 02. Aug. 2012 - S 7 AL 4417/11 ER zitiert 8 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Referenzen

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.