Sozialgericht Düsseldorf Urteil, 12. Okt. 2016 - S 2 KA 223/16
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Rücknahme bestandskräftiger Abrechnungsbescheide.
3Der Kläger ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit Vertragsarztsitz in E. Die Abrechnungsbescheide für die Quartale 1/2014 bis 1/2015 sind bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger seinen Widerspruch betreffend das Quartal 2/2014 zurückgenommen und im Übrigen den Abrechnungsbescheiden nicht widersprochen hatte.
4Unter dem 29.10.2015 wandte sich der Kläger an die Beklagte und begehrte das Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Abrechnungsbescheide 1/2014 bis 1/2015. Er habe erst jetzt erfahren, dass für diese Abrechnungszeiträume ein höheres Honorar bestimmt worden sei, als es in den Bescheiden festgesetzt worden sei.
5Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Über die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte entscheide die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) nach pflichtgemäßem Ermessen. Es sei
6ermessensfehlerfrei, wenn sie hierbei das Interesse der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung über das Interesse des einzelnen Leistungserbringers an der Korrektur bestandskräftiger Abrechnungsbescheide stelle. Im Übrigen seien die angefochtenen Abrechnungsbescheide rechtmäßig.
7Diesem Bescheid widersprach der Kläger. Ein Rundschreiben der Beklagten vom 13.01.20016 stelle richtig fest, dass die Vergütung rückwirkend ab 2012 zu erhöhen sei. Nur durch Abänderung der Honorarbescheide könne der angestrebte Zweck, nämlich Besserversorgung der Patienten, erreicht werden. Im Übrigen stelle die Ablehnung auch einen Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Gleichbehandlung dar. Wahrscheinlich habe die große Mehrheit der Psychotherapeuten gegen die fraglichen Honorarbescheide Widerspruch erhoben. Er als Praxisneugründer und Anfänger mit wesentlich höheren Anfangskosten als etablierte Praxen habe von der Notwendigkeit des ständigen und regelmäßigen Widerspruchs gegen die Bescheide nichts gewusst. Die Aufhebung der Bescheide und Gewährung der Mehrvergütung gebiete sich auch aus Gründen der Rechtssicherheit und aus dem Rechtsstaatsprinzip.
8Am 08.04.2016 hat der Kläger Klage erhoben.
9Er nimmt Bezug auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und wirft darüber hinaus die Frage auf, ob sich die Abrechnungsbescheide nicht lediglich auf die Feststellung der Menge der erbrachten Leistungen bezögen und nicht auf die zu erstattende Honorarsumme. Die Erstattungsbeträge seien grundsätzlich feststehend und nicht variabel durch Bescheid festzustellen.
10Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2016 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
11Der Kläger beantragt,
12unter Abänderung des Bescheides vom 18. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2016 die Beklagte zu verurteilen, die bestandskräftigten Honorarbescheide für die Quartale 1/2014 bis 1/2015 aufzuheben und die Honorare für diese Quartale unter Berücksichtigung der Beschlusslage des Erweiterten Bewertungsausschusses neu festzusetzen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt ihre Entscheidung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung mache eine KÄV von ihrem Rücknahmeermessen rechtmäßig Gebrauch, wenn sie die Belastung der Gesamtvergütung mit Nachzahlungen für die Vergangenheit so gering wie möglich halte und deshalb regelmäßig bestandskräftige Honorarbescheide für die Vergangenheit nicht zurücknehme.
16Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist zulässig. Im Zeitpunkt ihrer Erhebung am 08.04.2016 war sie noch unzulässig, da das nach § 78 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zwingend durchzuführende Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) noch nicht abgeschlossen war. Dies geschah erst mit Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016. Der ursprüngliche Zulässigkeitsmangel ist dadurch geheilt worden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 78 Rn. 3).
19Die Klage ist jedoch unbegründet.
20Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da diese rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale 1/2014 bis 1/2015 zu seinen Gunsten korrigiert. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
21Für die von dem Kläger begehrte Bescheidkorrektur und Nachvergütung kann von vornherein nur § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) herangezogen werden. Denn Abs. 1 der Vorschrift betrifft nur Sozialleistungen, dazu gehört die Gewährung vertragsärztlichen Honorars jedoch nicht (BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 28/07 R – (Rn. 38) m.w.N.). Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB X kann ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
22Die von dem Kläger beanstandeten Honorarbescheide für die Quartale 1/2014 bis 1/2015 stellen, soweit es die antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt 35.2 EBM betrifft, rechtswidrige, nicht begünstigende Verwaltungsakte dar.
23Regelungsgehalt der Abrechnungsbescheide im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X ist nicht nur die Feststellung der Menge der erbrachten Leistungen, sondern auch und gerade die Festsetzung der Höhe des Honorars für das jeweilige Quartal (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2015 - B 6 KA 22/14 R – (Rn. 31)). Bei den Abrechnungsbescheiden handelt es sich, ausgehend von der Beanstandung des Klägers, der höheres Honorar begehrt, um "nicht begünstigende" Verwaltungsakte, weil mit der Bewilligung des festgesetzten Honorars zugleich höheres Honorar versagt worden war. Die Abrechnungsbescheide für die Quartale 1/2014 bis 1/2015 waren auch rechtswidrig. Denn die Honorierung der zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt 35.2 EBM ist gemäß § 87 Abs. 2c Satz 6 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) so auszugestalten, dass die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Das ist für die Zeit ab 01.01.2012 erst durch den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 43. Sitzung am 22.09.2015 geschehen.
24Die Rücknahme eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes steht aber, wenn sie - wie hier - für die Vergangenheit erfolgen soll, gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X ("kann") im Ermessen der Behörde. Die Beklagte hat dieses Ermessen fehlerfrei im ablehnenden Sinne ausgeübt.
25Bei der Ausübung von Ermessen und bei dessen Überprüfung ist die Struktur der zu treffenden Ermessensentscheidung zu beachten. Dabei ist davon auszugehen, dass eine allgemeine Verpflichtung der Behörden, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts der Bestandskraft zu korrigieren, nicht besteht (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 117, 302, 315 m.w.N.; BVerfG (Kammer), NVwZ 2008, 550, 551; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) NVwZ 2007, 709, 710 (13)). Dies gilt in besonderem Maße im Vertragsarztrecht. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Korrektur früherer Honorarbescheide gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X mit der Folge von Nachvergütungen für vergangene Quartale zur Abweichung von dem aus § 85 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V abzuleitenden Gebot führt, dass die von den Krankenkassen für ein Quartal geleisteten Gesamtvergütungen an diejenigen Ärzte und Psychotherapeuten zu verteilen sind, die in diesem Quartal an der vertragsärztlichen bzw. psychotherapeutischen Versorgung teilgenommen haben (sog. Quartalsprinzip). Ausgehend von dem Ausnahmecharakter der Möglichkeit, gegenwärtige Gesamtvergütungsanteile für vergangene Honoraransprüche zu verwenden, ist die Ausübung des Ermessens des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X dahingehend, dass eine Bescheidkorrektur und damit auch die Gewährung von Nachvergütungen abgelehnt wird, im Regelfall nicht zu beanstanden. Dies gilt zumal dann, wenn viele gleichgelagerte Nachvergütungsanträge im Raum stehen und keine Rückstellungen zur Begleichung der Nachforderungen gebildet worden waren (BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 28/07 R – (Rn. 43) m.w.N.).
26Diese Erwägungen des BSG entfalten Bedeutung für die Quartale 1/2012 bis 4/2012. Im Jahre 2012 waren die antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen (Kapitel 35.2 EBM) aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vergüten. Seit 2013 - und damit auch in den hier streitbefangenen Quartalen 1/2014 bis 1/2015 - werden diese Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen honoriert. Als Einzelleistungen werden sie ohne Mengenbegrenzung und in voller Höhe nach festen Preisen ausgezahlt. Das führt dazu, dass der Beklagten ab 2013 keine eigenen Mittel aus der Gesamtvergütung für die zweckbestimmte Vergütung und Nachvergütung dieser Leistungen zur Verfügung stehen. Insofern hat sie in dem Rundschreiben ihres Vorstandes vom 13.01.2016 allen Betroffenen mitgeteilt, durch die Änderungen aufgrund des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22.09.2015 ergebe sich ein finanzieller Mehrbedarf bei der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen von bundesweit rund 80 Mio. Euro jährlich. Für das Jahr 2012 sei dieser Betrag - entsprechend der damaligen Beschlusslage - aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu entrichten. Für die Jahre 2013 bis 2015 übernähmen die gesetzlichen Krankenkassen die Mehrkosten. Sowohl in diesem Rundschreiben ("Anspruch auf Nachvergütung nur bei fristgerechtem Widerspruch", "Umsetzung durch die KV Nordrhein") als auch in ihrem Publikationsorgan KVNO aktuell 1+2/2016, S. 8, 9 ("Nachvergütung nur bei fristgerechtem Widerspruch", "Umsetzung durch die KV Nordrhein") hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Nachvergütung für Nicht-Widerspruchsführer ausscheiden muss. Das deutet darauf hin, dass Gespräche mit den Krankenkassen bezüglich einer Nachvergütung für die Nicht-Widerspruchsführer, sofern solche geführt worden sind, jedenfalls nicht zu einer Zahlungsbereitschaft der Krankenkassen geführt haben. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Nachvergütung der betroffenen psychotherapeutischen Leistungen aus der Gesamtvergütung besteht seit 2013 nicht, da dies zu Lasten der anderen Fachgruppen gehen würde und die rechtlichen Vorgaben, diese Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu bezahlen, unterlaufen würde.
27Im Übrigen folgt aus der Struktur der gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu treffenden Ermessensentscheidung, dass diese im Falle von Anträgen auf vertragsärztliche Nachvergütungen für Leistungen in früheren Quartalen nur in atypischen Fällen im Sinne einer Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt sein kann. Ein solcher atypischer Fall kann etwa dann in Betracht kommen, wenn die KÄV direkten oder indirekten Einfluss auf ihre Mitglieder genommen hätte, von der Einlegung von Rechtsbehelfen abzusehen. Ein direkter Einfluss kann z.B. in gezielten Äußerungen der KÄV an ihre Mitglieder liegen, insbesondere wenn sie in Rundschreiben mitgeteilt hätte, alle Mitglieder würden unabhängig von einer individuellen Widerspruchseinlegung gleichgestellt, oder wenn sie jedenfalls sinngemäß hätte erkennen lassen, sie wäre froh über nicht zu viele Widerspruchsverfahren und werde die Leistungserbringer, die keine Rechtsbehelfe ergriffen, letztlich gleichstellen. Gleiches gilt, wenn sich die KÄV in solcher Weise individuell gegenüber einem einzelnen Arzt geäußert hätte. Ein indirekter Einfluss kann z.B. dann angenommen werden, wenn die KÄV gegenüber Berufsverbänden angekündigt hätte, die Rechtmäßigkeit der Honorierung unabhängig von der individuellen Widerspruchseinlegung zu überprüfen (zu Vorstehendem BSG, Urteil vom 17.09.2008 - B 6 KA 28/07 R – (Rn. 44) m.w.N.). Anhaltspunkte für eine dahingehende direkte oder indirekte Einflussnahme sind vorliegend weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
28Die Ablehnung der Nachvergütung im Falle des Klägers stellt auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. Nach der Rechtsprechung des BVerfG muss wesentlich Gleiches gleich und muss wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbietet damit auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (z.B. BVerfGE 98, 365, 385; 103, 310, 318; 112, 268, 278; 116, 164, 180). Von der Gruppe der Widerspruchsführer, denen Nachvergütungen gewährt werden, unterscheidet sich der Kläger wesentlich dadurch, dass er eben keine Widersprüche gegen die Abrechnungsbescheide eingelegt hatte. Das ist deswegen wesentlich, weil die Einlegung von Widersprüchen bei den betroffenen Körperschaften (KÄV bzw. Krankenkassen) Veranlassung geben muss, je nach Risikoeinschätzung der Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe Rückstellungen im Haushalt zu bilden. Diese können aber nur dann verlässlich kalkuliert werden, wenn ein Überblick über die Zahl der betroffenen Leistungserbringer besteht. Dieser Überblick lässt sich anhand der eingelegten Widersprüche gewinnen.
29Schließlich ist auch die Rechtssicherheit nicht gefährdet. Im Gegenteil: Bestandskräftige Verwaltungsakte (hier: Abrechnungsbescheide) sind gemäß § 77 SGG für die Beteiligten grundsätzlich bindend, d.h. sowohl der Leistungserbringer als auch die KÄV können sich auf den Inhalt des Bescheides verlassen und sind aus seinen Regelungen entsprechend berechtigt und/oder verpflichtet. Die Bestandskraft dient damit auch der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 77 Rn. 4) als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips (vgl. Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2002, Art. 2 Abs. 1 Rn. 168 f. m.w.N.).
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.
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(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn
- 1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder - 2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.
(2) (weggefallen)
(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.