Sozialgericht Aachen Urteil, 13. Okt. 2016 - S 15 P 99/15


Gericht
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.2015 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 07.07.2015 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 26.08.2015 verurteilt, die Kosten für den Einbau einer Duschkabine und einer Thermostatarmatur nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Übernahme der Kosten für den Einbau einer Duschkabine und einer Thermostatarmatur als wohnumfeldverbessernde Maßnahmen.
3Die im Jahre 0000 geborene, unter Betreuung stehende Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert. Sie leidet unter fortgeschrittener Demenz mit Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, regelmäßiger Harn- und Stuhlinkontinenz, arterieller Hypertonie, Herz-rhythmusstörungen, mäßiggradiger Bewegungseinschränkung beider Schulter-, Hüft- und Kniegelenke sowie der Lendenwirbelsäule, leichtgradiger Spastik in beiden Ellenbogengelenken und gelegentlichem Schwindel. Gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt sie eine Mietwohnung im Souterrain eines ihrem Sohn gehörenden Zweifamilienhauses. Seit dem 01.03.2015 bezieht sie von der Beklagten Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit nach Maßgabe der Pflegestufe III (gerichtlicher Vergleich vom 13.10.2016 im Verfahren S 15 P 98/15). Am 09.02.2015 beantragte der Betreuer der Klägerin bei der Beklagten als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes den Einbau einer bodengleichen Dusche, da die bisherigen Wohnverhältnisse mit Rollstuhl nicht befahrbar seien und die Einstiegshöhe 35 cm betrage. Er fügte ein Angebot der Firma Rible über 3.009,74 EUR und des Fliesenlegermeisters Königs über 678,30 EUR bei. In einer Stellungnahme nach Aktenlage befürwortete der Sozialmedizinische Dienst (SMD) der Beklagten den Einbau einer bodengleichen Dusche und eines Haltegriffes; die übrigen Maßnahmen im Kostenvoran-schlag seien nicht erforderlich (Duscharmatur und Klappsitz) bzw. nicht pflegeerleichternd (Duschkabine). Mit Bescheid vom 26.02.2015 gewährte die Beklagte einen Zuschuss in Höhe von 1.871,89 EUR, wobei die veranschlagte Duscharmatur einschließlich der Thermostatarmatur, ein Eckschwammkorb, ein Duschklappsitz und die Duschkabine nicht berücksichtigt wurden.
4Auf den Widerspruch des Betreuers der Klägerin fand am 06.05.2015 ein Hausbe-such durch den SMD der Beklagten statt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Pflegesituation durch die Installation eines Duschklappsitzes verbessert werde. Dies gelte jedoch nicht für eine Duschkabine, da diese eine Einengung und Behinderung des Pflegebereichs in der Dusche bewirke. Der durch die Duschkabine erzielbare Spritzschutz stelle keine Verbesserung der Pflegesituation dar. Das geplante Anbringen einer Thermostatarmatur statt der vorhandenen Einhebelmischarmatur ohne thermostatische Regelung stelle den Austausch vorhandener sanitärer Einrichtungen gegen zeitgemäßere Produkte dar, der nicht zuschussfähig sei. Da das Duschen vollständig durch einen Pflegedienst übernommen werde, könne erwartet werden, dass zuverlässig verhindert werde, dass die Klägerin unbeabsichtigt die Einhebelmischarmatur betätige und eine zu heiße Wassertemperatur verursache, zumal die extrem antriebsgeminderte und verlangsamte Klägerin nach gutachterlicher Einschätzung kaum zu einer solchen Maßnahme in der Lage sei. Bei dem beantragten Eckschwammkörbchen handele es sich um einen nicht zuschussfähigen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.
5Durch Teilabhilfebescheid vom 07.07.2015 bewilligte die Beklagte weitere Kosten für den Einbau eines Duschklappsitzes; insgesamt wurde ein Betrag in Höhe von 2.420,82 EUR übernommen (Bescheid vom 12.01.2016). Den weitergehenden Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 26.08.2015 als unbegründet zurück. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, bei dem Eckschwammkorb handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, die beantragte Duschkabine bewirke eine Einengung und Behinderung des Pflegebereichs in der Dusche und die Thermostatarmatur stelle eine Modernisierungsmaßnahme dar. Das auch im Bereich der Pflegeversicherung geltende Wirtschaftlichkeitsgebot gestatte es nicht, solche Maßnahmen zu bezuschussen, die allgemein der Steigerung des Wohnkomforts dienten oder die ein Haus- oder Wohnungsbesitzer auch ohne Vorliegen von Pflegebedürftigkeit vorgenommen hätte.
6Hiergegen richtet sich die am 22.09.2015 erhobene Klage, mit der nur noch die Be-zuschussung der Duschkabine und der Thermostatarmatur begehrt wird. Die Klägerin trägt vor, die Thermostatarmatur stelle keine Modernisierungsmaßnahme dar, sondern sei dringend erforderlich, um sie vor Verletzungen zu schützen. Da sie, um sich abzustützen, immer wieder nach der nächstbesten Möglichkeit greife um Halt zu finden, bestehe die große Gefahr, dass sie nach dem derzeit vorhandenen Mischhebel greife und es durch ungewollte Einstellungen zu Verbrühungen komme. Die Mischbatterie befinde sich unmittelbar hinter dem Duschklappsitz, so dass sie sich nur ungünstig dagegen lehnen müsse, um die Temperatur bereits zu verstellen. Da sie stuhlinkontinent sei, werde sie im Bedarfsfall im Stehen abgeduscht. Beim Hinsetzen greife sie unwillkürlich nach der Mischbatterie und verstelle die Wassertemperatur. Die beantragte Duschkabinenabtrennung sei keineswegs für die Pflege hinderlich. Die beantragte Duschkabine sei weiträumig zu öffnen, so dass auch das Pflegepersonal mit eintreten könne. Gleichzeitig verhindere die Duschkabine, dass das Wasser aus der Dusche sich im Badezimmer verteile und hierdurch sowohl die Fliesen unkontrollierbar rutschig mache als auch das Mobiliar beschädige. Ein von der Beklagten vorgeschlagener Duschvorhang beeinträchtige die Pflege, da ein solcher Vorhang sich beim Duschen aufgrund thermischer Gegebenheiten in die Duschkabine nach innen ziehe und an den Pflegepersonen festklebe. Durch die fehlende Duschabtrennung seien bereits die Türzargen und das Badmobiliar durch die ständige Feuchtigkeit angegriffen.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.2015 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 07.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2015 zu verurteilen, die Kosten für den Einbau einer Duschkabine und einer Thermostatarmatur als weitere Maßnahmen der Wohnumfeldverbesserung zu übernehmen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Im Rahmen des Klageverfahrens hat sie sich bereit erklärt, weitere Kosten in Höhe von 55,- EUR für eine Duschwinkelstange inklusive Befestigungsmaterialien und einen Duschvorhang zu übernehmen.
12Das Gericht hat im gleichzeitig verhandelten Parallelverfahren S 15 P 98/15 Beweis erhoben über den Hilfebedarf der Klägerin seit März 2015 durch Vernehmung der Altenpflegerin Monique Schiffer als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift verwiesen.
13Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten – insbesondere die vom Betreuer der Klägerin zur Verfügung gestellten Fotos des Bades – und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren, soweit von Bedeutung, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Klage ist auch sachlich begründet.
16Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26.02.2015 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 07.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2015 entspricht nicht der Sach- und Rechtslage und ist daher rechtswidrig. Durch ihn wird die Klägerin beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil sie Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten für den Einbau einer Duschkabine und einer Thermostatarmatur als Maßnahme der Verbesserung ihres individuellen Wohnumfeldes hat.
17Gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewährt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung wiederhergestellt wird. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 4.000,- EUR je Maßnahme nicht übersteigen (§ 40 Abs. 4 Satz 2 SGB XI).
18Unzweifelhaft sollen die beantragten Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes der Klägerin der Ermöglichung bzw. erheblichen Erleichterung ihrer häuslichen Pflege dienen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zielt das Tatbestandsmerkmal "Ermöglichung oder erhebliche Erleichterung der häuslichen Pflege" darauf ab, die Pflegebedürftigen möglichst lange in der häuslichen Wohnumgebung belassen und eine Heimunterbringung abwenden zu können (BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 P 12/07 R – SozR 4-3300 § 40 Nr. 9). Eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes "ermöglicht" die häusliche Pflege, wenn sie objektiv erforderlich ist, um die Pflege im häuslichen Umfeld erst durchführen zu können (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 4). "Erheblich erleichtert" wird die häusliche Pflege, wenn ohne Durchführung der zu bezuschussenden Maßnahmen eine Überforderung der Pflegeperson droht und deshalb eine stationäre Unterbringung des Pflegebedürftigen in Betracht zu ziehen ist. Maßstab für die Beurteilung der Erheblichkeit der mit der Maßnahme angestrebten Erleichterung der Pflege ist, ob damit die Pflege in zentralen Bereichen des Hilfebedarfs deutlich und spürbar ein-facher wird (BSG, Urteil vom 25.11.2015 – B 3 P 3/14 R – SozR 4-3300 § 40 Nr. 13). Aus der Perspektive des Pflegebedürftigen kann eine erhebliche Pflegeerleichterung vorliegen, wenn er sich bei der Pflege weniger anstrengen muss oder eine für ihn und die Pflegeperson potentiell gefahrvolle Situation vermieden wird (BSG, Urteil vom 25.11.2015 a.a.O.).
19Der beantragte Austausch der vorhandenen Einhebelmischbatterie durch eine Thermostatarmatur stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine von der Pflegeversicherung nicht zu übernehmende Modernisierungsmaßnahme dar, sondern ist zur Weiterführung der Pflege der Klägerin im häuslichen Umfeld erforderlich. Denn dadurch wird verhindert, dass die Klägerin bei unwillkürlichen Bewegungen auf der Suche nach Halt die Wassertemperatur verstellt und der Gefahr von Verbrühungen und entsprechenden Ausweichbewegungen mit potentiellen Stürzen ausgesetzt ist. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus den Schilderungen des Ehemannes der Klägerin und den eingereichten Fotos über die Ausstattung der Dusche. Da die Klägerin wegen ihrer Inkontinenz im Stehen abgeduscht wird und sich die vorhandene Mischbatterie unmittelbar über bzw. neben dem Duschklappsitz befindet, besteht eine große Gefahr, dass die Klägerin zum Festhalten nach der Einhebelmischbatterie anstatt nach dem weiter außen angebrachten Haltegriff greift. Soweit der SMD in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 06.05.2015 ein solches Verhalten wegen der Antriebsminderung und Verlangsamung der Klägerin für unwahrscheinlich gehal-ten hat, ist diese Einschätzung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Die Zeugin Schiffer, die die Klägerin seit Januar 2015 aus der Tagespflegeeinrich-tung kennt, hat bekundet, dass die Klägerin einen ständigen Bewegungsdrang habe und häufig hinfalle. Außerdem dürfte es bereits ausreichen, dass die Klägerin sich während des Duschvorganges beim Sitzen unglücklich nach hinten anlehnt, um die Temperatur bei der vorhandenen Mischbatterie bereits zu verändern.
20Durch die beantragte Duschkabine wird entgegen der Auffassung der Beklagten die Pflege nicht erschwert, sondern erleichtert. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ist die bodengleiche Dusche so groß, dass die Pflegeperson die Dusche gemeinsam mit der Klägerin betreten und die Klägerin duschen kann. Die vorgesehene Duschkabine ist weiträumig zu öffnen, so dass insoweit keine Beeinträchtigung entsteht. Die Duschkabine ist darüber hinaus erforderlich, um die Klägerin vor Stürzen auf dem nassen Fußboden zu bewahren. Der von der Beklagten vorgeschlagene Duschvorhang kann diesen Zweck nicht erfüllen, da er sich einerseits aufgrund der thermischen Verhältnisse nach innen ziehen und an der Pflegeperson festkleben und andererseits den Austritt des Wassers auf den Fußboden nicht verhindern kann. Denn eine Möglichkeit, den Duschvorhang zum Boden hin zu befestigen fehlt, da keine Duschtasse vorhanden ist.
21Die Zuschussgewährung für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes steht nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI im Ermessen der Pflegekassen, weil sie bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen den Zuschuss gewähren "können", aber nicht müssen (Udsching, SGB XI, 4. Aufl. 2015, § 40 Rdnr. 32). Das Ermessen bezieht sich sowohl auf das "Ob" der Bezuschussung als auch auf deren Höhe. Gleichwohl konnte die Kammer vorliegend eine Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der beantragten Kosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, d.h. bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.579,18 EUR (4.000,- EUR - 2.420,82 EUR) aussprechen. Durch die Übernahme der Kosten für den Einbau einer bodengleichen Dusche und eines Duschklappsitzes hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie grundsätzlich zur Finanzierung der kompletten Um-baumaßnahme bereit ist, wenn die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Sie hat die Zahlung für die Thermostatarmatur und die Duschkabine allein aus Rechtsgründen abgelehnt, weil es sich ihrer Auffassung nach hierbei nicht um pflegeerleichternde Maßnahmen handelt. Entsprechend hat sie ihre Ablehnungsentscheidung allein auf die negative Beurteilung des SMD gestützt. Damit hat sie schlüssig zu erkennen gegeben, dass sie im Falle der abweichenden gerichtlichen Bewertung kein weiteres Leistungshindernis sieht (vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2015 a.a.O.).
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Die Pflegekasse kann in geeigneten Fällen die Notwendigkeit der Versorgung mit den beantragten Pflegehilfsmitteln unter Beteiligung einer Pflegefachkraft oder des Medizinischen Dienstes überprüfen lassen. Entscheiden sich Versicherte für eine Ausstattung des Pflegehilfsmittels, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht, haben sie die Mehrkosten und die dadurch bedingten Folgekosten selbst zu tragen. § 33 Abs. 6 und 7 des Fünften Buches gilt entsprechend.
(2) Die Aufwendungen der Pflegekassen für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel dürfen monatlich den Betrag von 40 Euro nicht übersteigen; bis zum 31. Dezember 2021 gilt ein monatlicher Betrag in Höhe von 60 Euro. Die Leistung kann auch in Form einer Kostenerstattung erbracht werden.
(3) Die Pflegekassen sollen technische Pflegehilfsmittel in allen geeigneten Fällen vorrangig leihweise überlassen. Sie können die Bewilligung davon abhängig machen, daß die Pflegebedürftigen sich das Pflegehilfsmittel anpassen oder sich selbst oder die Pflegeperson in seinem Gebrauch ausbilden lassen. Der Anspruch umfaßt auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben zu den Kosten der Pflegehilfsmittel mit Ausnahme der Pflegehilfsmittel nach Absatz 2 eine Zuzahlung von zehn vom Hundert, höchstens jedoch 25 Euro je Pflegehilfsmittel an die abgebende Stelle zu leisten. Zur Vermeidung von Härten kann die Pflegekasse den Versicherten in entsprechender Anwendung des § 62 Abs. 1 Satz 1, 2 und 6 sowie Abs. 2 und 3 des Fünften Buches ganz oder teilweise von der Zuzahlung befreien. Versicherte, die die für sie geltende Belastungsgrenze nach § 62 des Fünften Buches erreicht haben oder unter Berücksichtigung der Zuzahlung nach Satz 4 erreichen, sind hinsichtlich des die Belastungsgrenze überschreitenden Betrags von der Zuzahlung nach diesem Buch befreit. Lehnen Versicherte die leihweise Überlassung eines Pflegehilfsmittels ohne zwingenden Grund ab, haben sie die Kosten des Pflegehilfsmittels in vollem Umfang selbst zu tragen.
(4) Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 4 000 Euro je Maßnahme nicht übersteigen. Leben mehrere Pflegebedürftige in einer gemeinsamen Wohnung, dürfen die Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des gemeinsamen Wohnumfeldes einen Betrag in Höhe von 4 000 Euro je Pflegebedürftigem nicht übersteigen. Der Gesamtbetrag je Maßnahme nach Satz 3 ist auf 16 000 Euro begrenzt und wird bei mehr als vier Anspruchsberechtigten anteilig auf die Versicherungsträger der Anspruchsberechtigten aufgeteilt. § 40 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) Für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel. Zur Gewährleistung einer Absatz 1 Satz 1 entsprechenden Abgrenzung der Leistungsverpflichtungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung werden die Ausgaben für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel zwischen der jeweiligen Krankenkasse und der bei ihr errichteten Pflegekasse in einem bestimmten Verhältnis pauschal aufgeteilt. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt in Richtlinien, die erstmals bis zum 30. April 2012 zu beschließen sind, die Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel nach Satz 1, das Verhältnis, in dem die Ausgaben aufzuteilen sind, sowie die Einzelheiten zur Umsetzung der Pauschalierung. Er berücksichtigt dabei die bisherigen Ausgaben der Kranken- und Pflegekassen und stellt sicher, dass bei der Aufteilung die Zielsetzung der Vorschriften des Fünften Buches und dieses Buches zur Hilfsmittelversorgung sowie die Belange der Versicherten gewahrt bleiben. Die Richtlinien bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und treten am ersten Tag des auf die Genehmigung folgenden Monats in Kraft; die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden werden. Die Richtlinien sind für die Kranken- und Pflegekassen verbindlich. Für die nach Satz 3 bestimmten Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel richtet sich die Zuzahlung nach den §§ 33, 61 und 62 des Fünften Buches; für die Prüfung des Leistungsanspruchs gilt § 275 Absatz 3 des Fünften Buches. Die Regelungen dieses Absatzes gelten nicht für Ansprüche auf Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel von Pflegebedürftigen, die sich in vollstationärer Pflege befinden, sowie von Pflegebedürftigen nach § 28 Absatz 2.
(6) Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung nach § 36, nach den §§ 37 und 37c des Fünften Buches sowie der Beratungseinsätze nach § 37 Absatz 3 konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben. Wird ein Pflegehilfsmittel nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 5 oder ein Hilfsmittel nach Absatz 5, das den Zielen von Absatz 1 Satz 1 dient, von einer Pflegefachkraft bei der Antragstellung empfohlen, werden unter den in den Richtlinien nach Satz 6 festgelegten Voraussetzungen die Notwendigkeit der Versorgung nach Absatz 1 Satz 2 und die Erforderlichkeit der Versorgung nach § 33 Absatz 1 des Fünften Buches vermutet. Die Empfehlung der Pflegefachkraft darf bei der Antragstellung nicht älter als zwei Wochen sein. Einer ärztlichen Verordnung gemäß § 33 Absatz 5a des Fünften Buches bedarf es bei Vorliegen einer Empfehlung nach Satz 1 nicht. Die Empfehlung der Pflegefachkraft für ein Pflegehilfsmittel oder ein Hilfsmittel, das den Zielen des Absatzes 1 Satz 1 dient, ist der Kranken- oder Pflegekasse zusammen mit dem Antrag des Versicherten in Textform zu übermitteln. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zugleich nach § 53 Satz 1 die Aufgaben des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen wahrnehmend, legt bis zum 31. Dezember 2021 in Richtlinien fest, in welchen Fällen und für welche Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel nach Satz 2 die Erforderlichkeit oder Notwendigkeit der Versorgung vermutet wird; dabei ist auch festzulegen, über welche Eignung die empfehlende Pflegefachkraft verfügen soll. In den Richtlinien wird auch das Nähere zum Verfahren der Empfehlung durch die versorgende Pflegefachkraft bei Antragstellung festgelegt. Die Bundespflegekammer und die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene sind an den Richtlinien zu beteiligen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zugleich nach § 53 Satz 1 die Aufgaben des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen wahrnehmend, wird beauftragt, die in den Richtlinien festgelegten Verfahren in fachlicher und wirtschaftlicher Hinsicht unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes Bund, der Bundespflegekammer und der Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene zu evaluieren. Ein Bericht über die Ergebnisse der Evaluation ist dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 1. Januar 2025 vorzulegen.
(7) Die Pflegekasse hat über einen Antrag auf Pflegehilfsmittel oder Zuschüsse zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine Pflegefachkraft oder der Medizinische Dienst nach Absatz 1 Satz 2 beteiligt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Über einen Antrag auf ein Pflegehilfsmittel, das von einer Pflegefachkraft bei der Antragstellung nach Absatz 6 Satz 2 empfohlen wurde, hat die Pflegekasse zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang, zu entscheiden. Kann die Pflegekasse die Fristen nach Satz 1 oder Satz 2 nicht einhalten, teilt sie dies den Antragstellern unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.