Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Apr. 2013 - 5 P 13/12

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2013:0424.5P13.12.0A
24.04.2013

Gründe

1

Der Antrag auf Entbindung des ehrenamtlichen Richters von seinem Amt ist unbegründet. Gemäß § 79 PersVG LSA i. V. m. §§ 21 Abs. 5 ArbGG ist ein ehrenamtlicher Richter auf Antrag der zuständigen Stelle von seinem Amt zu entbinden, wenn eine Voraussetzung für die Berufung in das Amt nachträglich fortfällt. § 79 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA bestimmt, dass die ehrenamtlichen Richter Beschäftigte des Landes, einer Gemeinde, etc. sein müssen. Dies ist bei dem Beteiligten auch nach seiner Versetzung an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt der Fall. Gemäß § 21 Abs. 1 ArbGG sind als ehrenamtliche Richter Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu berufen. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG können zu ehrenamtlichen Richtern aus Kreisen der Arbeitgeber beim Bund, den Ländern, den Gemeinden, den Gemeindeverbänden und anderen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts auch Beamte und Angestellte nach näherer Anordnung der zuständigen obersten Bundes- oder Landesbehörde bestellt werden.

2

Diese Anordnung folgt aus dem Gemeinsamen Runderlass der Staatskanzlei und der Ministerien vom 11. April 2002 - 7654-501.7 - (im Folgenden: GemRdErl.) über die Berufung von Beamtinnen, Beamten sowie Angestellten zu ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit (JMBl. LSA S. 246).

3

Anders als bei sonstigen Verwaltungsanordnungen oder Richtlinien sind die Regelungen in dem Gemeinsamen Runderlass vom Senat wie Rechtsvorschriften auszulegen, weil der Gemeinsame Runderlass kraft der Regelung in § 22 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG normergänzenden Charakter hat. Anders als bei Verwaltungsvorschriften, denen eine unmittelbare Außenwirkung nicht zukommt und deren Inhalt nicht unmittelbar, sondern durch ihre Anwendung über den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Rechtswirkungen entfalten, besteht bei normergänzenden Verwaltungsvorschriften kein Anlass, der Frage nachzugehen, wie die Anordnung nach der Verwaltungspraxis der Behörden tatsächlich gehandhabt wird (vgl. zu normersetzenden und ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften: BVerwG, Urt. v. 25.03.1981 - 7 C 8/79 - Rdnr. 18 ).

4

Nach der Ziffer 1.1. Satz 1 des GemRdErl. sollen zu ehrenamtlichen Richtern in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit aus dem Kreis der Arbeitgeber nur Beamte des höheren und gehobenen Dienstes sowie vergleichbare Angestellte berufen werden, die in ihrer dienstlichen Eigenschaft Arbeitgeberfunktion ausüben. Dazu gehören nach Ziffer 1.1. Satz 2 des GemRdErl. insbesondere Behördenleiter, Dienststellenleiter, Abteilungsleiter, Referatsleiter, Amtsleiter und Geschäftsleiter sowie deren Vertreter. Der Beteiligte nimmt seit seiner Versetzung von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, bei der er als Abteilungsleiter tätig war, bei dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt die Aufgaben als Referatsleiter 102 (Organisation, Informationstechnik) in der Abteilung 1 (Zentraler Service) wahr. Mit dem Wechsel seiner Verwendung nach der Versetzung sind deshalb die Voraussetzungen für die Berufung als ehrenamtlicher Richter nicht entfallen, weil er auch als Referatsleiter nach wie vor zu dem Personenkreis gehört, die nach dem Wortlaut der Ziffer 1.1. Satz 2 des GemRdErl. („insbesondere“) zu ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreise der Arbeitgeber berufen werden können. Aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Satz 1 kann nicht gefolgert werden, dass nach der Anordnung nur solche Referatsleiter zu ehrenamtlichen Richtern auf der Arbeitgeberseite berufen werden können, die für Personalangelegenheiten der Arbeitnehmer oder auf dem Gebiet des Arbeits-, Tarif- und Sozialrechts selbständig und verantwortungsvoll tätig sind. Satz 2 der Ziffer 1.1. des GemRdErl. enthält eine solche Einschränkung nicht. Vielmehr bestimmt die Regelung abstrakt generell, welchen Organwaltern ungeachtet der konkret wahrzunehmenden Aufgaben kraft der ihnen überantworteten Leitungsfunktion Arbeitgeberfunktionen beigemessen werden, wenn er im Anschluss an den Satz 1 im Satz 2 ausführt, dass zu den Beamten und Angestellten, die in ihrer dienstlichen Eigenschaft Arbeitgeberfunktion ausüben, insbesondere (u. a.) Referatsleiter gehören.

5

Ungeachtet dessen ergibt sich aus dem Sachzusammenhang mit der Ziffer 1.2. des  GemRdErl., dass der Beteiligte auf Grund der von ihm seit der Versetzung wahrzunehmenden Aufgaben nach wie vor Arbeitgeberfunktionen ausübt. Wenn nach der Ziffer 1.2. neben den in der Ziffer 1.1. genannten Personen auch Referenten und Sachbearbeiter zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden können, sofern sie in Personalangelegenheiten für Arbeitnehmer oder auf dem Gebiet des Arbeits-, Tarif- und Sozialrechts selbständig und verantwortungsvoll tätig sind, so rechtfertigt dies im Umkehrschluss hinsichtlich des in der Ziffer 1.1. Satz 2 des GemRdErl. genannten Personenkreises keine weitergehenden Anforderungen hinsichtlich der wahrzunehmenden Aufgaben zu stellen, während es andererseits im Anwendungsbereich der Ziffer 1.1. Satz 1 des GemRdErl. nicht darauf ankommt, ob der Beamte „selbständig und verantwortungsvoll“ tätig wird, weil dies anders als bei den Referenten und Sachbearbeitern i. S. d. Ziffer 1.2. GemRdErl. bei Referatsleitern kraft dieser Funktion angenommen wird. Dies zugrunde gelegt kommt die Entbindung des beteiligten ehrenamtlichen Richters nicht in Betracht, weil er als Referatsleiter Aufgaben auf dem Gebiet des Arbeits- und Tarifrechts wahrnimmt. Die Aufgaben des Referats 102 bei dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt umfassen neben der Verantwortung für die Informationstechnik und das Vordruckwesen die Aufbau- und Ablauforganisation im Landesverwaltungsamt einschließlich der Geschäftsverteilungspläne aller Referate, die inneren Ordnungen und die Regelung der Arbeitszeit, etwaige organisatorische Anpassungen der Strukturen, die Durchführung von Organisationsuntersuchungen zur Feststellung des Stellen- und Planpersonalbedarfs, die Fortführung der internen Aufgabenkritik unter der Maßgabe des Personalentwicklungskonzeptes des Landes Sachsen-Anhalt, die Bewirtschaftung der dem Landesverwaltungsamt zugewiesenen Planstellen und Stellen, deren sachgerechte Verteilung und Verwendung sowie die Erfüllung der durch Kabinettsbeschlüsse auferlegten Einsparquoten, die Bewertung der Arbeitsplätze der Tarifbeschäftigten und die Bewertung der Dienstposten der Beamten im Landesverwaltungsamt sowie nach Maßgabe der dem Landesverwaltungsamt zustehenden Befugnisse auch in den nachgeordneten Dienststellen (vgl. http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=11165).

6

Entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht entscheidend ist, ob der Beamte auch rechtsgestaltend die Dienst- oder Arbeitsverhältnisse, etwa durch die Begründung oder Beendigung von Arbeits- oder Dienstverhältnissen oder die Abordnung, Versetzung, Beurlaubung oder Suspendierung ihm unterstellter Beschäftigter beeinflussen kann. Sieht nämlich die Ziffer 1.2. des GemRdErl. für Referenten und Sachbearbeiter vor, dass neben der Tätigkeit in Personalangelegenheiten für Arbeitnehmer auch eine (sonstige) Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeits-, Tarif- und Sozialrechts genügt, so gelten für Referatsleiter jedenfalls keine weitergehenden Anforderungen.

7

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 21 Abs. 5 Satz 4 ArbGG).


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Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Apr. 2013 - 5 P 13/12 zitiert 3 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 21 Voraussetzungen für die Berufung als ehrenamtlicher Richter


(1) Als ehrenamtliche Richter sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu berufen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und im Bezirk des Arbeitsgerichts tätig sind oder wohnen. (2) Vom Amt des ehrenamtlichen Richters ist ausgeschlossen, 1. wer infolg

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 22 Ehrenamtlicher Richter aus Kreisen der Arbeitgeber


(1) Ehrenamtlicher Richter aus Kreisen der Arbeitgeber kann auch sein, wer vorübergehend oder regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres keine Arbeitnehmer beschäftigt. (2) Zu ehrenamtlichen Richtern aus Kreisen der Arbeitgeber können auch berufen

Referenzen

(1) Als ehrenamtliche Richter sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu berufen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und im Bezirk des Arbeitsgerichts tätig sind oder wohnen.

(2) Vom Amt des ehrenamtlichen Richters ist ausgeschlossen,

1.
wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist;
2.
wer wegen einer Tat angeklagt ist, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann;
3.
wer das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nicht besitzt.
Personen, die in Vermögensverfall geraten sind, sollen nicht als ehrenamtliche Richter berufen werden.

(3) Beamte und Angestellte eines Gerichts für Arbeitssachen dürfen nicht als ehrenamtliche Richter berufen werden.

(4) Das Amt des ehrenamtlichen Richters, der zum ehrenamtlichen Richter in einem höheren Rechtszug berufen wird, endet mit Beginn der Amtszeit im höheren Rechtszug. Niemand darf gleichzeitig ehrenamtlicher Richter der Arbeitnehmerseite und der Arbeitgeberseite sein oder als ehrenamtlicher Richter bei mehr als einem Gericht für Arbeitssachen berufen werden.

(5) Wird das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung nachträglich bekannt oder fällt eine Voraussetzung nachträglich fort, so ist der ehrenamtliche Richter auf Antrag der zuständigen Stelle (§ 20) oder auf eigenen Antrag von seinem Amt zu entbinden. Über den Antrag entscheidet die vom Präsidium für jedes Geschäftsjahr im voraus bestimmte Kammer des Landesarbeitsgerichts. Vor der Entscheidung ist der ehrenamtliche Richter zu hören. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die nach Satz 2 zuständige Kammer kann anordnen, daß der ehrenamtliche Richter bis zu der Entscheidung über die Entbindung vom Amt nicht heranzuziehen ist.

(6) Verliert der ehrenamtliche Richter seine Eigenschaft als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber wegen Erreichens der Altersgrenze, findet Absatz 5 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Entbindung vom Amt nur auf Antrag des ehrenamtlichen Richters zulässig ist.

(1) Ehrenamtlicher Richter aus Kreisen der Arbeitgeber kann auch sein, wer vorübergehend oder regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres keine Arbeitnehmer beschäftigt.

(2) Zu ehrenamtlichen Richtern aus Kreisen der Arbeitgeber können auch berufen werden

1.
bei Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind;
2.
Geschäftsführer, Betriebsleiter oder Personalleiter, soweit sie zur Einstellung von Arbeitnehmern in den Betrieb berechtigt sind, oder Personen, denen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist;
3.
bei dem Bund, den Ländern, den Gemeinden, den Gemeindeverbänden und anderen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts Beamte und Angestellte nach näherer Anordnung der zuständigen obersten Bundes- oder Landesbehörde;
4.
Mitglieder und Angestellte von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Vorstandsmitglieder und Angestellte von Zusammenschlüssen solcher Vereinigungen, wenn diese Personen kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Als ehrenamtliche Richter sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu berufen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und im Bezirk des Arbeitsgerichts tätig sind oder wohnen.

(2) Vom Amt des ehrenamtlichen Richters ist ausgeschlossen,

1.
wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist;
2.
wer wegen einer Tat angeklagt ist, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann;
3.
wer das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nicht besitzt.
Personen, die in Vermögensverfall geraten sind, sollen nicht als ehrenamtliche Richter berufen werden.

(3) Beamte und Angestellte eines Gerichts für Arbeitssachen dürfen nicht als ehrenamtliche Richter berufen werden.

(4) Das Amt des ehrenamtlichen Richters, der zum ehrenamtlichen Richter in einem höheren Rechtszug berufen wird, endet mit Beginn der Amtszeit im höheren Rechtszug. Niemand darf gleichzeitig ehrenamtlicher Richter der Arbeitnehmerseite und der Arbeitgeberseite sein oder als ehrenamtlicher Richter bei mehr als einem Gericht für Arbeitssachen berufen werden.

(5) Wird das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung nachträglich bekannt oder fällt eine Voraussetzung nachträglich fort, so ist der ehrenamtliche Richter auf Antrag der zuständigen Stelle (§ 20) oder auf eigenen Antrag von seinem Amt zu entbinden. Über den Antrag entscheidet die vom Präsidium für jedes Geschäftsjahr im voraus bestimmte Kammer des Landesarbeitsgerichts. Vor der Entscheidung ist der ehrenamtliche Richter zu hören. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die nach Satz 2 zuständige Kammer kann anordnen, daß der ehrenamtliche Richter bis zu der Entscheidung über die Entbindung vom Amt nicht heranzuziehen ist.

(6) Verliert der ehrenamtliche Richter seine Eigenschaft als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber wegen Erreichens der Altersgrenze, findet Absatz 5 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Entbindung vom Amt nur auf Antrag des ehrenamtlichen Richters zulässig ist.