Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Juni 2015 - 4 M 71/15

Gericht
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe
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Die statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung einen Anordnungsanspruch hinsichtlich einer Verletzung seines Anhörungsrechtes aus § 84 KVG LSA nicht glaubhaft gemacht hat.
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Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 KVG LSA ist der Antragsteller zu wichtigen Angelegenheiten, welche die Ortschaft betreffen - hier unstreitig die Schließung der Kindertagesstätte „(...)“ (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 KVG LSA) -, mit Ausnahme der Fälle des § 53 Abs. 4 Satz 5 und 6 und der dem Antragsgegner kraft Gesetzes obliegenden Aufgaben, rechtzeitig vor der Beschlussfassung des Gemeinderates oder des zuständigen Ausschusses zu hören.
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Aus dieser Regelung ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers nicht, dass der Ortschaftsrat nach Durchführung einer solchen Anhörung nochmals zwingend angehört werden muss, wenn der Hauptverwaltungsbeamte gegen die erste Beschlussfassung des Gemeinderates gem. § 65 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KVG LSA Widerspruch erhebt und gem. § 65 Abs. 3 Satz 4 KVG LSA eine erneute Beschlussfassung erfolgen muss. Mit dem Verwaltungsgericht bezieht sich § 84 Abs. 2 Satz 1 KVG LSA nicht auf jeden einzelnen Beschluss zu einer wichtigen Angelegenheit, sondern nur auf den die Angelegenheit entscheidenden Beschluss (a.M. wohl Blum u.a., NKomVG, § 94 Rdnr. 6 zu § 94 Abs. 1 NKomVG). Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Formulierung „rechtzeitig vor der Beschlussfassung“ stellt auf den Abschluss des Verfahrens ab. Weiterhin soll der Ortschaftsrat wie schon durch § 87 Abs. 1 Satz 3 bzw. Satz 5 GO LSA durch § 84 Abs. 2 KVG LSA bei wichtigen Angelegenheiten die Interessen der Ortschaft in den Entscheidungsprozess des Gemeinderates einbringen und der Gemeinderat die Möglichkeit haben, Kenntnis von allen relevanten Belangen zu erhalten. Es ist dazu aber grundsätzlich ausreichend, wenn der Ortschaftsrat vor der abschließenden Beschlussfassung mit einer hinreichenden Frist auf sein Anhörungsrecht hingewiesen wurde und Gelegenheit hatte, zu den maßgeblichen Fragen Stellung zu nehmen (vgl. auch Klang/Gundlach/Kirchmer, GO LSA, 3. A., § 87 Rdnr. 2 S. 402 zu § 87 Abs. 1 GO LSA unter Hinweis auf VG Oldenburg, Beschl. v. 21. August 2003 - 2 B 170/03 -, zit. nach JURIS; Koehler/Koehler, LKV 2012, 349, 350). Die Einräumung von Anhörungsrechten gebietet es nicht, lediglich aus formalen Gründen eine Anhörung durchzuführen, ohne dass eine solche sachlich erforderlich ist.
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Eine erneute Anhörung ist nach Einlegung eines Widerspruches i.S.d. § 65 Abs. 3 KVG LSA und vor der zweiten Beschlussfassung des Gemeinderates deshalb nach Sinn und Zweck des Anhörungsrechts nur dann notwendig, wenn eine derart wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder ein derart langer Zeitraum verstrichen ist, dass der Gemeinderat davon ausgehen muss, dass die bisherige Stellungnahme des Ortschaftsrates nicht mehr ohne weiteres gelten kann. Dass einer dieser Fälle gegeben ist, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Soweit der Antragsteller auf die Ansätze im Haushaltsplan und die Steuerung der Verwaltung hinsichtlich der Aufnahme von Kindern verweist, handelt es sich nicht um wesentliche Änderungen der Sachlage, sondern allenfalls um zusätzliche Erwägungen, die er auch im Rahmen einer Ergänzung seines Vorbringens hätte einbringen können. Denn wie im Rahmen einer erstmaligen Anhörung ist der Ortschaftsrat auch bei einer erneuten Beschlussfassung i.S.d. § 65 Abs. 3 Satz 4 KVG LSA nicht daran gehindert, seine Stellungnahme von sich aus bis zu der Entscheidungsfindung zu ergänzen. Im Übrigen sieht § 85 Abs. 4 Satz 1 KVG LSA ausdrücklich vor, dass der Ortsbürgermeister an Verhandlungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse mit beratender Stimme teilnehmen kann, so dass auch dadurch eine Gelegenheit besteht, zusätzliche Erwägungen vorzutragen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und erfolgt in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 7 ff.). Insoweit wird auf die Darlegungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.