Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 14. Apr. 2015 - 16 F 10/15
Gericht
Tenor
Der Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, die ehrenamtliche Richterin C. B. , I. Markt 15, L. , von ihrem Amt einer ehrenamtlichen Richterin bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf zu entbinden, wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Dem Begehren des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, die ehrenamtliche Richterin B. von ihrem Amt einer ehrenamtlichen Richterin bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf für die Amtszeit vom 1. Mai 2015 bis zum 30. April 2020 zu entbinden, weil sie als bei der Q. AG beschäftigte Bankkauffrau, deren Anteile von der öffentlichen Hand gehalten würden, im öffentlichen Dienst beschäftigt sei, ist nicht zu entsprechen.
3Die Voraussetzungen einer Entbindung nach § 24 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1 und § 22 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor, weil die ehrenamtliche Richterin nicht als Angestellte im öffentlichen Dienst im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO tätig ist.
4Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt der Zweck der Vorschrift des § 22 Nr. 3 VwGO darin, Interessen- und Pflichtenkollisionen zu vermeiden, die richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten und das Verwaltungsgericht, vor dem typischerweise ein Staatsbürger Rechtsschutz gegenüber der Behörde einer (mittelbar oder unmittelbar) staatlichen Institution begehrt, nicht in den Verdacht zu bringen, dass es die Verwaltung zum Nachteil des Bürgers schütze. Durch die Inkompatibilitätsnorm des § 22 Nr. 3 VwGO soll daher erreicht werden, dass der Rechtssuchende auf der Richterbank neben den Berufsrichtern nicht ehrenamtliche Richter antrifft, die ihrerseits der Verwaltung als Beamte oder Angestellte unmittelbar angehören oder mittelbar als leitende Angestellte einer privatrechtlichen Organisation bei einer zumindest mehrheitlichen Beteiligung der öffentlichen Hand die Verwaltung repräsentieren und ihr folglich zugeordnet werden. Der Ausschluss von leitenden Angestellten solcher privatrechtlicher Unternehmen soll nicht nur etwaige Interessenkollisionen verhindern, sondern dient auch der Vermeidung des Anscheins der Voreingenommenheit der Laienrichter und damit dem Ziel der Rechtspflege, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten durch ein unparteiisches Gericht entscheiden zu lassen.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 1985 ‑ 16 E 114/85 -, NVwZ 1986, 1030, vom 9. März 2001 - 16 F 18/01 -, NVwZ 2002, 234 = juris, Rn. 3 ff., vom 25. Oktober 2001 ‑ 16 F 77/01 -, juris, Rn. 3 ff., vom 17. September 2012 - 16 F 19/12 ‑, juris, Rn. 2 ff., und vom 19. Februar 2015 ‑ 16 F 6/15 ‑, juris, Rn. 2 ff.; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 20. Aufl. 2014, § 22 Rn. 2 sowie Geiger, in: Eyermann, Kommentar zur VwGO, 14. Aufl. 2014, § 22 Rn. 6; a.A. etwa Funke-Kaiser, in: Bader/Funke‑Kaiser/ Stuhlfauth/Kuntze/v. Albedyll, Kommentar zur VwGO, 6. Aufl. 2014, § 22 Rn. 6.
6Die Voraussetzungen einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst im Sinne von § 22 Nr. 3 VwGO sind hier nicht erfüllt. Zwar werden die Anteile der Arbeitgeberin der ehrenamtlichen Richterin, der Q. AG, zu 69,49 % vom Land Nordrhein-Westfalen und zu 30,51 % von der NRW.Bank, deren Eigentümer das Land Nordrhein-Westfalen ist, gehalten, so dass die öffentliche Hand zu 100 % an dem Unternehmen beteiligt ist. Die ehrenamtliche Richterin B. ist als Bankkauffrau bei der Q. AG aber nicht in leitender Funktion tätig.
7Der Begriff des leitenden Angestellten im öffentlichen Dienst ist im Hinblick auf die Gerichtsorganisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit (§ 22 Nr. 3 VwGO) in der Weise zu bestimmen, dass leitender Angestellte jedenfalls derjenige ist, der eine herausgehobene Stellung in dem Unternehmen hat und dieses Unternehmen und damit die öffentlich-rechtliche Eignerin repräsentieren und verpflichten kann. Eine solche Funktion hat der Geschäftsführer des Unternehmens, aber etwa auch derjenige, der Prokura oder Handlungsvollmacht hat.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2001 - 16 F 18/01 -, NVwZ 2002, 234 = juris, Rn. 13.
9Eine solche Funktion übt die ehrenamtliche Richterin jedoch nicht aus. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Tätigkeit, die sie aufgrund des erlernten Ausbildungsberufs „Bankkaufmann“ wahrnimmt, einer der bezeichneten Funktionen etwa aufgrund der Wahrnehmung sonstiger Aufgaben in unternehmerischer Funktion gleichzustellen wäre. Ein solcher Sachverhalt hat sich für den Senat nicht ergeben.
10Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Annotations
(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn er
- 1.
nach §§ 20 bis 22 nicht berufen werden konnte oder nicht mehr berufen werden kann oder - 2.
seine Amtspflichten gröblich verletzt hat oder - 3.
einen Ablehnungsgrund nach § 23 Abs. 1 geltend macht oder - 4.
die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt oder - 5.
seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk aufgibt.
(2) In besonderen Härtefällen kann außerdem auf Antrag von der weiteren Ausübung des Amtes entbunden werden.
(3) Die Entscheidung trifft ein Senat des Oberverwaltungsgerichts in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 4 auf Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 5 und des Absatzes 2 auf Antrag des ehrenamtlichen Richters. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß nach Anhörung des ehrenamtlichen Richters. Sie ist unanfechtbar.
(4) Absatz 3 gilt entsprechend in den Fällen des § 23 Abs. 2.
(5) Auf Antrag des ehrenamtlichen Richters ist die Entscheidung nach Absatz 3 von dem Senat des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, wenn Anklage nach § 21 Nr. 2 erhoben war und der Angeschuldigte rechtskräftig außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen worden ist.
Zu ehrenamtlichen Richtern können nicht berufen werden
- 1.
Mitglieder des Bundestages, des Europäischen Parlaments, der gesetzgebenden Körperschaften eines Landes, der Bundesregierung oder einer Landesregierung, - 2.
Richter, - 3.
Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind, - 4.
Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, - 4a.
(weggefallen) - 5.
Rechtsanwälte, Notare und Personen, die fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgen.
(1) Ein ehrenamtlicher Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn er
- 1.
nach §§ 20 bis 22 nicht berufen werden konnte oder nicht mehr berufen werden kann oder - 2.
seine Amtspflichten gröblich verletzt hat oder - 3.
einen Ablehnungsgrund nach § 23 Abs. 1 geltend macht oder - 4.
die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt oder - 5.
seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk aufgibt.
(2) In besonderen Härtefällen kann außerdem auf Antrag von der weiteren Ausübung des Amtes entbunden werden.
(3) Die Entscheidung trifft ein Senat des Oberverwaltungsgerichts in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 4 auf Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 5 und des Absatzes 2 auf Antrag des ehrenamtlichen Richters. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß nach Anhörung des ehrenamtlichen Richters. Sie ist unanfechtbar.
(4) Absatz 3 gilt entsprechend in den Fällen des § 23 Abs. 2.
(5) Auf Antrag des ehrenamtlichen Richters ist die Entscheidung nach Absatz 3 von dem Senat des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, wenn Anklage nach § 21 Nr. 2 erhoben war und der Angeschuldigte rechtskräftig außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen worden ist.