Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 02. Feb. 2012 - 2 L 225/11

bei uns veröffentlicht am02.02.2012

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin – 5. Kammer – vom 29. Juni 2011 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Durch Urteil vom 29.06.2011 hat das Verwaltungsgericht die (zuletzt) in erster Linie auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Klage abgewiesen.

2

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

3

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (vgl. §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).

4

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Maßgebend für diese Pflicht des Gerichts ist der Gedanke, dass die Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit haben müssen, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Das rechtliche Gehör kann auch dadurch verletzt werden, dass ein ausdrücklich gestellter Beweisantrag mit einer Begründung abgelehnt wird, die im Prozessrecht keine Stütze findet. Allgemein anerkannt ist in diesem Zusammenhang, dass ein Beweisantrag abgelehnt werden kann, wenn das Gericht die Beweistatsachen als wahr unterstellt oder das Beweismittel ungeeignet ist. In Asylverfahren darf ein Gericht die Einholung von (weiteren) Auskünften außerdem unter (substantiiertem) Hinweis auf die eigene Sachkunde ablehnen (vgl. Beschl. des Senats vom 3.04.2009 - 2 L 10/09 -, m.w.N.). Das Gericht muss in diesem Fall allerdings nachvollziehbar begründen und insbesondere angeben, woher es seine Sachkunde hat. Wie konkret der Nachweis der eigenen Sachkunde des Gerichts zu sein hat, hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, Beschl. vom 27.02.2001 - 1 B 206/00 -, Rn. 6, m.w.N., zit. nach juris). Ähnliches gilt, wenn ein Beweisantrag als ungeeignet abgelehnt wird. Auch in diesem Fall muss das Gericht angeben, warum es den Beweisantrag als ungeeignet ansieht (vgl. BVerwG, Beschl. vom 30.07.2008 - 5 B 57/08 -, Rn. 4, m.w.N., zit. nach juris).

5

An diesen Maßstäben ist auch unter Berücksichtigung der Argumentation des Klägers in der Begründung des Zulassungsantrags festzuhalten. Die von ihm genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht einschlägig, da es darin nicht um die Einholung eines Sachverständigengutachtens geht, sondern um die – davon zu unterscheidenden – verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, unter denen das Gericht einen auf die Vernehmung eines Zeugen gerichteten Beweisantrags ablehnen darf (BVerwG, Beschl. vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 -, zit. nach juris).

6

Die Anwendung der oben ausgeführten Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit seiner Gehörsrüge nicht durchdringt.

7

Die in erster Instanz in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2011 gestellten Beweisanträge hat das Gericht – wie nach § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehen – durch einen in der Sitzung verkündeten und begründeten Beschluss abgelehnt, soweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt worden war. Dem vom Kläger außerdem gestellten Antrag auf Vernehmung eines Zeugen hat das Gericht entsprochen. Insoweit macht der Kläger auch keine Zulassungsgründe geltend.

8

Der Kläger rügt nicht, dass die mündlich vom Gericht gegebenen Gründe für die Ablehnung des Beweisantrags nicht protokolliert worden sind. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung ist nur festgehalten worden, dass das Gericht „eine kurze Begründung für die Ablehnung der Beweisanträge“ gegeben habe. Ebenfalls wird nicht gerügt, dass die mündlich gegebene Begründung nicht mit den in den Urteilsgründen für die Ablehnung der Beweisanträge angeführten Gründe identisch gewesen seien (vgl. BVerwG, Beschl. vom 29.12.2010 - 7 B 6/10 -, Rn. 30, zit. nach juris).

9

Im vorliegenden Verfahren hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die vom Kläger vorgelegten Dokumente nicht zum Nachweis der Herkunft des Klägers geeignet seien. Dies gelte auch dann, wenn es sich nicht um „Totalfälschungen“ handele. Ein Gutachter könne nur feststellen, „ob ein Dokument von einer bestimmten Person oder Stelle ausgestellt und in dem Sinne als echt anzusehen“ sei (vgl. S. 8 Urteilsabdruck). Diese Argumentation ist ohne Weiteres einleuchtend. Offensichtlich hat das Verwaltungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sich durch ein Sachverständigengutachten – so wie der Kläger dies beantragt bzw. wie der Antrag vom Gericht verstanden worden ist – nicht klären ließe, ob das Dokument (etwa aus Gefälligkeit oder gegen Bezahlung) zwar von der zuständigen Stelle, aber mit falschem Inhalt ausgestellt worden ist.

10

Wenn der Kläger in der Begründung des Zulassungsantrags nunmehr vorträgt, es sei auch möglich, die deutsche Botschaft im Irak zu veranlassen, Einblick in irakische Register zu nehmen, vermag dies seiner Gehörsrüge nicht zum Erfolg zu verhelfen. Wenn der Kläger damit geltend machen will, das Verwaltungsgericht habe seinen Beweisantrag verkannt, muss er sich darauf verweisen lassen, dass er es unterlassen hat, in der mündlichen Verhandlung nach der Ablehnung des Beweisantrags erneut einen (thematisch klarstellenden) Beweisantrag zu stellen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 22.10.2009, a.a.O.).

11

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch auf den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 78 Abs. 5 Nr. 2 AsylVfG. Eine Abweichung von der in der Begründung des Zulassungsantrags genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liegt – wie bereits ausgeführt – nicht vor.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG.

13

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 29. Dez. 2010 - 7 B 6/10

bei uns veröffentlicht am 29.12.2010

Gründe I. 1 Die Kläger wenden sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, d

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die den Beigeladenen für die Errichtung einer Biogasanlage erteilt worden ist.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines Wohngrundstücks im T. Weg in M. Die Beigeladenen führen in ca. 180 m Entfernung vom Wohnhaus der Kläger einen im Außenbereich gelegenen landwirtschaftlichen Betrieb. Zu diesem Betrieb gehören ein genehmigter Schweinemaststall mit 560 Liegeplätzen, eine Getreidehalle und ein Güllebehälter. Die Beigeladenen sind überdies Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen im Umfang von ca. 15,8 ha und Pächter landwirtschaftlicher Flächen im Umfang von ca. 100 ha. Der anlagenbezogene LKW-Verkehr zum Betrieb der Beigeladenen führt u.a. über den T. Weg, der als Gemeindestraße gewidmet ist.

3

Im April 2002 zeigten die Beigeladenen den Immissionsschutzbehörden an, dass sie beabsichtigen, eine Biogasanlage zu errichten und ihren Schweinemastbetrieb auf 2 200 Tiere zu erweitern. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord wies den Landkreis M. nach einem Ortstermin darauf hin, dass ein gemeinsames Genehmigungsverfahren für die Biogasanlage und die Anlagen zur Erweiterung der Schweinezucht nicht in Betracht komme. Im April 2004 beantragten die Beigeladenen beim Landkreis die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Haltung von 2 200 Schweinen, die - nach Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG - zunächst abgelehnt wurde. Auf die dagegen von den Beigeladenen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Koblenz den Landkreis zur Neubescheidung. Mit Bescheid vom 27. November 2006 wurde die Genehmigung für die Erweiterung der Schweinemast auf 2 200 Tiere unter Auflagen erteilt. Nach Ziffer I 1 der Genehmigung darf die Schweinemast nur unter der Bedingung betrieben werden, dass die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Biogasanlage vollziehbar und die Biogasanlage funktionsfähig ist.

4

Im Frühjahr 2004 beantragten die Beigeladenen beim Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur biologischen Behandlung von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen mit einem Durchsatz von 10 t pro Tag sowie einer Verbrennungsmotoranlage zur Erzeugung von Strom für den Einsatz von Biogas mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 bis 10 Megawatt. Nach dem Inhalt der Antragsunterlagen können in der Biogasanlage 6 600 t Gülle, 5 950 t Getreide und 100 t Abfälle aus der Landespflege vergoren und einem Blockheizkraftwerk, das abluftseitig mit Abgasschalldämpfern betrieben werden soll, zugeleitet werden. Der Schwerlastverkehr zur Anlage soll in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr erfolgen. Die Leistung der Anlage sollte ursprünglich 2 x 536 kW betragen. Mit Schreiben vom 18. Februar 2005 änderten die Beigeladenen den Antrag dahingehend ab, dass die installierte elektrische Leistung der Anlage 0,5 MW nicht überschreite.

5

Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 erteilte der Beklagte im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage. Der dagegen von den Klägern eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung eines Gutachtens zu den Stoffströmen der geplanten Biogasanlage mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2006 zurückgewiesen.

6

Die Kläger haben gegen die Genehmigung der Biogasanlage fristgerecht Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger nach Einholung von Gutachten zu den Lärm- und Geruchsimmissionen zurückgewiesen: Die Genehmigung vom 29. Juli 2005 sei rechtmäßig und verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte habe die Genehmigung der Biogasanlage und die Erweiterung der Schweinemast von 560 auf 2 200 Mastplätze zu Recht in zwei getrennte immissionsschutzrechtliche Verfahren aufgespalten. Die erweiterte Schweinemastanlage und die Biogasanlage stellten keine einheitliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b der 4. BImSchV dar. Technisch und rechtlich handele es sich um zwei eigenständige Anlagen und nicht um eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Die baurechtliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB verlange zwar einen Zusammenhang beider Betriebe, der vorliegend durch die schon vorhandene Schweinemast hergestellt werde. Immissionsrechtlich bestehe eine solche Verbindung aber gerade nicht, wie schon die unterschiedlichen Genehmigungserfordernisse und die unterschiedliche Zuordnung der Biogasanlagen einerseits und der Schweinemastanlagen mit einer Größe von 2 200 Mastplätzen andererseits im Anhang zur 4. BImSchV zeigten. Abgesehen davon sei die Erweiterung der Schweinemast für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage technisch auch nicht erforderlich. Die in der Genehmigung für die Erweiterung der Schweinemast normierte Bedingung der Vollziehbarkeit der Genehmigung für die Biogasanlage führe ebenfalls nicht zu einer technischen Verbundenheit, sondern garantiere lediglich, dass die anfallende Gülle einer Verstromung zugeführt werden könne.

7

Zudem würden Dritte durch die Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG nicht in eigenen Rechten verletzt.

8

Die Biogasanlage verstoße nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht gegen nachbarschützende immissionsschutzrechtliche Bestimmungen. Von dem Vorhaben gehe kein unzumutbarer Verkehrslärm aus. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für Wohngebiete würden nach den Feststellungen des Gutachters P. in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2008 auch während der Getreideerntezeit eingehalten.

9

Auch unzumutbare Lärmbelästigungen durch die Biogasanlage im Sinne von Ziff. 6 der TA Lärm könnten sicher ausgeschlossen werden. Angesichts der Lage des Grundstücks der Kläger am Rande des Außenbereichs erscheine es sachgerecht, einen Mittelwert zwischen Dorfgebiet und allgemeinem Wohngebiet zu bilden. Jedenfalls aber könne den Klägern kein Schutz zugebilligt werden, der über denjenigen für ein allgemeines Wohngebiet hinausgehe. Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet würden nach dem Gutachten des Gutachters P. vom 1. Oktober 2008 sicher eingehalten.

10

Die Kläger würden durch das Vorhaben auch nicht von erheblichen Geruchsimmissionen betroffen. Dabei habe die Erweiterung der Schweinemast außer Betracht zu bleiben, weil sie Gegenstand einer gesonderten Genehmigung sei und die Geruchsimmissionen nicht der Biogasanlage unmittelbar zugeordnet werden könnten.

11

Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen aus Biogasanlagen fehle es an rechtsverbindlichen Konkretisierungen. Mangels unmittelbarer Anwendbarkeit der VDI-Richtlinie und der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sei die Frage der Erheblichkeit der Immissionen im gerichtlichen Verfahren primär anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Nach der Gesamtschau der dem Senat vorliegenden Gutachten und Sachverständigenstellungnahmen sei nicht damit zu rechnen, dass die Kläger auf ihrem Grundstück durch die Biogasanlage unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt wären. Nach dem Geruchsgutachten und der Ammoniakprognose des Ingenieurbüros R. von Januar 2004 sei im Hinblick auf die Erweiterung der Schweinemast auf 2 200 Mastplätze davon auszugehen, dass auf keiner Beurteilungsfläche mit geschlossener Wohnbebauung eine Wahrnehmungshäufigkeit von 0,10 (entsprechend 10 % der Jahresstunden) erreicht oder überschritten werde und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Ammoniakimmissionen vorlägen. Auch der Gutachter Prof. St. sei in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 davon ausgegangen, dass bei keiner der vier beauftragten Betriebsvarianten mit erheblichen Geruchsimmissionen durch die Biogasanlage zu rechnen sei.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensrügen gestützt ist.

II.

13

Die Beschwerde ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung an die Vorinstanz begründet (§ 133 Abs. 6 VwGO).

14

1. Die Beschwerde macht ohne Erfolg die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend.

15

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier.

16

a) Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob eine Biogasanlage mit einer zeitgleich geplanten und beantragten Schweinemastanlage, die dem förmlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG unterfällt und deren anfallende Gülle über die Schweinemastanlage entsorgt werden muss, eine Gesamtanlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) der 4. BImSchV ist, was zur Folge hätte, dass auch die Genehmigung der Biogasanlage im förmlichen Genehmigungsverfahren hätte erfolgen müssen.

17

Soweit diese Frage ausweislich der Beschwerdebegründung darauf zielt, ob Biogasanlage und Schweinemast eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV darstellen, rechtfertigt sie die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sich dies ohne Weiteres verneinen lässt. Nach § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV liegen die im Anhang bestimmten Voraussetzungen auch vor, wenn mehrere Anlagen derselben Art in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen (gemeinsame Anlage) und zusammen die maßgebenden Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen erreichen oder überschritten werden. Ein enger betrieblicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Anlagen auf demselben Betriebsgelände liegen, mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und einem vergleichbaren technischen Zweck dienen. Bestimmend dafür, ob Anlagen derselben Art zugehören, sind technologische Gesichtspunkte unter besonderer Berücksichtigung der Emissionsart. Anlagen, die verschiedenen Nummern des Anhangs zur 4. BImSchV zugeordnet werden, sind in der Regel keine Anlagen derselben Art (vgl. Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 2, Stand März 2010, § 1 4. BImSchV Rn. 16; Jarass, BImSchG, 8. Aufl. 2010, § 4 Rn. 20; Böhm, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand Oktober 2010, § 4 Rn. 62). So liegen die Dinge auch hier. Nach den nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die Biogasanlage der Nr. 8.6 b) Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV zuzuordnen. Die (erweiterte) Schweinemast unterfällt dagegen der Nr. 7.1 g) Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV.

18

b) Auch soweit die Beschwerde bei wohlwollender Auslegung die Frage als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig und -fähig aufwerfen will,

ob eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Biogasanlage als Teil oder Nebeneinrichtung im Sinne von § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlage zu qualifizieren und deshalb § 2 Abs. 1 Nr. 1b der 4. BImSchV einschlägig ist,

kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht. Wie sich aus § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV ergibt, ist für genehmigungsbedürftige Anlagen, die entweder als Nebeneinrichtung oder als Teile in einem Unterordnungsverhältnis zu einer genehmigungspflichtigen Hauptanlage stehen, nur eine - Haupt- und Nebenanlage umfassende - Genehmigung erforderlich. Die Form des Genehmigungsverfahrens wird durch § 2 Abs. 1 der 4. BImSchV bestimmt. Die Vorschrift stellt klar, dass Anlagen in Spalte 2 des Anhangs nicht dem vereinfachten Verfahren unterliegen, wenn sie Teile der in Spalte 1 des Anhangs genannten Anlagen sind (BRDrucks 226/85, S. 42, 43). Ist auch nur eine der Anlagen in Spalte 1 des Anhangs aufgeführt, wird das Genehmigungsverfahren insgesamt mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt (vgl. Ludwig, .a.a.O. § 1 4. BImSchV Rn. 37; Bd. 1, Stand August 2010, § 4 BImSchG Rn. 26). D.h., ein förmliches Verfahren für eine Gesamtanlage ist auch dann durchzuführen, wenn die Nebeneinrichtung dem förmlichen Verfahren und die Haupteinrichtung dem vereinfachten Verfahren unterliegt (Ludwig, a.a.O. § 2 4. BImSchV Rn. 11).

19

Das Oberverwaltungsgericht hat sich die Frage, ob die Biogasanlage eine Nebeneinrichtung der (erweiterten) Schweinemast darstellt, nicht gestellt, sondern die Prüfung des § 2 Abs. 1 Nr. 1b der 4. BImSchV inhaltlich darauf verkürzt, ob Biogasanlage und Schweinmast eine gemeinsame Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV darstellen. Gleichwohl kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung auch insoweit nicht in Betracht, denn die abstrakten Voraussetzungen, unter denen eine Anlage als Teil oder Nebeneinrichtung einer anderen Anlage anzusehen ist, sind bereits geklärt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu klären und entzieht sich einer generellen Beantwortung.

20

Zum Kernbestand einer genehmigungsbedürftigen Gesamtanlage gehören alle Teilanlagen, die bei den zur Erreichung des jeweiligen Betriebszwecks (Herstellung, Gewinnung, Verarbeitung, Bearbeitung) notwendigen Verfahrensschritten eingesetzt oder benutzt werden. Der Kernbestand setzt sich aus dem Anlagenkern und den sonstigen wesentlichen Bestandteilen zusammen. Zum Anlagenkern gehören die Haupteinrichtungen, in denen der durch den Betriebszweck gekennzeichnete eigentliche Betriebsvorgang stattfindet (z.B. Reaktionsbehälter, Rohrleitungen, Antriebsmotoren, Brenner, Gebläse). Zu den sonstigen wesentlichen Bestandteilen gehören die übrigen Betriebseinheiten, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind, insbesondere Hilfseinrichtungen wie Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen sowie Sicherheitsvorkehrungen wie Sicherheitsventile und Abschaltvorkehrungen (Feldhaus, a.a.O. § 4 Rn. 22, 23; Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 7 C 71.82 - BVerwGE 69, 351 = Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 2 = juris Rn. 10).

21

Demgegenüber haben Nebeneinrichtungen keine Verfahrensschritte zum Gegenstand, die zur Erreichung des Betriebszwecks unmittelbar erforderlich sind, sie sind aber auf diesen Zweck hin ausgerichtet. Im Verhältnis zum Kernbestand haben sie eine "dienende" Funktion. Auf die Notwendigkeit der Nebeneinrichtung für das Funktionieren der Hauptanlage kommt es nicht an. Maßgebend ist die tatsächliche Einbeziehung in den auf die Hauptanlage bezogenen und von dieser bestimmten Funktionszusammenhang. Ob eine (Teil-)Anlage als Nebeneinrichtung zu qualifizieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, ob die Anlage im Einzelfall für den Betrieb der Kernanlage bedeutsam ist (Ludwig, in: Feldhaus, a.a.O. § 1 4. BImSchV Rn. 34; Urteil vom 6. Juli 1984 a.a.O.).

22

Auch die Frage, ob eine dem Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB unterfallende Biogasanlage Teil oder Nebeneinrichtung einer Tierhaltungsanlage ist, ist grundsätzlich anhand der jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen. Etwas anderes folgt nicht ohne Weiteres aus dem von § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB geforderten räumlich-funktionalen Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Biogasanlage. Dieser räumlich-funktionale Zusammenhang bedingt zwar nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur die Nähe des Vorhabens zur Hofstelle, sondern bezieht sich auch auf die Möglichkeit der Verwendung in der Anlage anfallender Reststoffe als Dünger auf den Betriebsflächen und insbesondere die gemeinsame Nutzung bestehender baulicher Anlagen im Betrieb der Hofstelle und der Biogasanlage (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 7 C 6.08 - BVerwGE 132, 372 ff. = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 378 = juris Rn. 20). Das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen eines Betriebes" in § 35 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 1 BauGB verlangt aber nur, dass die Biogasanlage im Anschluss an eine bereits bestehende privilegierte Anlage im Außenbereich errichtet und betrieben werden darf. Ihm kann dagegen nicht entnommen werden, dass die Biogasanlage gegenüber dem klassischen landwirtschaftlichen Basisbetrieb, an den angeknüpft wird, von untergeordneter Bedeutung sein muss. Das in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enthaltene Merkmal des "Dienens" kann auf § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ebenso wenig übertragen werden wie die (räumliche) Beschränkung der Anlage auf die Maße einer noch zulässigen "mitgezogenen" Nutzung (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 18, 19). Umgekehrt lässt sich aus dem Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erst recht nicht herleiten, dass die Tierhaltungsanlage Teil oder Nebeneinrichtung der Biogasanlage ist.

23

Es versteht sich von selbst und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass es für die anhand der Einzelfallumstände vorzunehmende Beurteilung, ob eine Biogasanlage den Charakter einer Nebeneinrichtung hat, u.a. darauf ankommt, ob und inwieweit die Biogasanlage dem Betreiber zur Verwertung seiner tierischen Nebenprodukte dient, ob und inwieweit der Betreiber die durch die Produktion des Biogases erzeugte Energie in seinem Betrieb nutzt, welche Größe die jeweiligen Einrichtungen haben, welches Verhältnis der Eigenanteil an der Gesamteinsatzmenge oder der eigen genutzten Energie hat oder wie die Gärrückstände verwertet werden. Allein ein betriebstechnischer Zusammenhang reicht nicht aus (vgl. Peine/Knopp/Radcke, Das Recht der Errichtung von Biogasanlagen, 2009, S. 52, 53).

24

Davon ausgehend mag Einiges dafür sprechen, dass eine nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegierte Biogasanlage bei Anlegung der vorgenannten immissionsschutzrechtlichen Maßstäbe in der Regel als Nebeneinrichtung des landwirtschaftlichen Betriebes, dem sie räumlich-funktional zugeordnet ist, qualifiziert werden kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage, ob die Biogasanlage dem landwirtschaftlichen Betrieb dient, zuverlässig nur unter Würdigung der jeweiligen Einzelfallumstände beurteilt werden kann.

25

Die auf Seite 5 der Beschwerdebegründung formulierte Frage, wann Anlagen Gesamtanlagen sind und des förmlichen Genehmigungsverfahrens bedürfen, ist ersichtlich ungeeignet, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Diese Frage kann offensichtlich nur einzelfallbezogen nach Maßgabe der in §§ 1 und 2 der 4. BImSchV geregelten gesetzlichen Voraussetzungen beurteilt werden.

26

c) Auch die weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,

ob - bei Annahme einer Gesamtanlage - § 10 BImSchG dann auch drittschützende Wirkung für von dem Vorhaben betroffene Nachbarn entfaltet, wenn die Nichteinbeziehung der Biogasanlage in das förmliche Verfahren (und damit die Betrachtung als Gesamtanlage gemeinsam mit der Schweinemast) sie in der Geltendmachung ihrer materiellen Rechtspositionen (Eigentum, Gesundheit) beeinträchtigen kann,

bzw. ob ein betroffener Nachbar überhaupt in seinen Rechten verletzt werden kann, wenn ein durchzuführendes förmliches Genehmigungsverfahren nicht durchgeführt wird,

rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.

27

Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage ist schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts werden Dritte durch die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG nicht in eigenen Rechten verletzt (UA S. 16 unten). Eine Anfechtungsklage Dritter könne daher nur dann zur Aufhebung der Genehmigung führen, wenn das fehlerhafte Verfahren zu einer Verletzung eigener materieller Rechte der Dritten geführt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit auf ein eigenes Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07) verwiesen. In diesem Urteil (DVBl 2009, 390 = juris Rn. 35 ff.) sind Rechtsprechung und Schrifttum zur drittschützenden Wirkung von Verfahrensvorschriften, namentlich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach mit der Anfechtungsklage grundsätzlich nur die Verletzung eigener materieller Rechte, nicht aber die Verletzung von Verfahrenrechten geltend gemacht werden kann, ausführlich dargestellt (Rn. 36). Damit setzt die Beschwerde sich inhaltlich nicht auseinander. Sie beschränkt sich vielmehr der Sache nach darauf, die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts unter Hinweis auf die Folgen bei der Bewertung der Lärm- und Geruchsimmissionen als fehlerhaft anzugreifen. Das reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage nicht aus.

28

2. Die Beschwerde ist aber begründet, soweit sie einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht. Die Kläger rügen zu Recht, dass das Oberverwaltungsgericht gegen § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen hat.

29

In der Beschwerdebegründung ist ausführlich und differenziert nach den Komplexen Verkehrslärm, Betriebslärm und Geruchsimmissionen dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Reihe von Beweisanträgen gestellt hat, denen das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht nicht nachgegangen sei. Ob dieser Vorwurf im Einzelnen zutrifft, kann der Senat nicht beurteilen, weil das Oberverwaltungsgericht es unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO versäumt hat, die Gründe, aus denen es von einer weiteren Beweiserhebung abgesehen hat, schlüssig und nachvollziehbar darzulegen.

30

Nach § 86 Abs. 2 VwGO kann ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat das Oberverwaltungsgericht einen solchen Beschluss zu den vom Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten 13 Beweisanträgen gefasst und der Vorsitzende den Beschluss auch im Einzelnen mündlich begründet. Damit ist dem Erfordernis des § 86 Abs. 2 VwGO zwar zunächst Genüge getan. Da aber förmliche Beweisanträge nur in bestimmten Fällen abgelehnt werden können (z.B. weil sie nach der Rechtsauffassung des Tatsachengerichts nicht erheblich sind, die Behauptung ins Blaue hinein aufgestellt wurde, usw.), muss die Begründung für die Ablehnung zur Ermöglichung der Verfahrenskontrolle durch das Revisionsgericht aktenkundig sein. Soweit dies nicht durch Aufnahme in die Sitzungsniederschrift geschieht, muss das Gericht daher seine Begründung für die Zurückweisung der Beweisanträge in den Entscheidungsgründen darlegen. Unterbleibt dies, liegt darin ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO (Beschluss vom 10. Juni 2003 - BVerwG 8 B 32.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 57 = juris Rn. 7).

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Zugleich stellt ein solches Vorgehen einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei hat das Tatsachengericht diese Ergebnisse schlüssig, insbesondere in sich widerspruchsfrei darzustellen. Mangelt es hieran, so betrifft dies bereits die tragfähige Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich die Überprüfbarkeit seiner Entscheidung, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist (Beschluss vom 13. November 2007 - BVerwG 7 B 32.07 - juris Rn. 4).

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Davon ausgehend ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen. Das Oberverwaltungsgericht hat zu der Frage, ob die Kläger durch die Biogasanlage von unzumutbaren Lärm- und/oder Geruchsimmissionen betroffen werden, Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. K. vom 15. April 2008 zu den Stoffströmen, des Sachverständigen Dipl.-Ing. P. vom 1. Oktober 2008 zu den Lärmimmissionen und des Sachverständigen Prof. St. vom 30. Dezember 2008 zu den Geruchsimmissionen eingeholt. Die Kläger haben gegen die Gutachten, namentlich das Stoffstromgutachten des Sachverständigen K., umfassende Einwendungen erhoben. Der Sachverständige K. hat sein Gutachten unter dem 10. Juni 2009 sowie dem 13. August 2009 ergänzt. Der Sachverständige Prof. St. hat unter dem 14. Juli 2009 und der Sachverständige P. unter dem 23. Juli 2009 ergänzend Stellung genommen. Nach Vorliegen der ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen haben die Kläger mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2009 und insbesondere vom 21. September 2009 erneut umfangreiche Einwendungen erhoben. Der Schriftsatz vom 24. August 2009 betrifft in erster Linie das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. St. vom 14. Juli 2009, der Schriftsatz vom 21. September 2009 behandelt schwerpunktmäßig das Stoffstromgutachten des Sachverständigen K. nebst ergänzenden Stellungnahmen. Inhaltlich richteten sich die Einwendungen der Kläger gegen das Stoffstromgutachten und die ergänzenden Stellungnahmen vor allem gegen die vom Sachverständigen Klein als praxisüblich angenommenen Transportkapazitäten für die Anlieferung von Getreide und Grasschnitt, die Berechnung der anfallenden Gärrestmengen, die angenommenen Transportkapazitäten für die Abfuhr der Gärreste sowie die Transportzeiträume und die Anzahl der täglich möglichen Transporte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 7. Oktober 2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu diesen Themenbereichen insgesamt 13 Beweisanträge gestellt (vgl. Bl. 1099, 1100 und Bl. 1106 bis 1117 Band VI GA).

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Das Oberverwaltungsgericht geht in den Gründen der angegriffenen Entscheidung auf keinen dieser Beweisanträge konkret ein. Es finden sich vielmehr nur pauschale Ausführungen des Inhalts, dass den weiteren Beweisanregungen, Sachermittlungsanregungen und Beweisanträgen der Kläger nicht mehr nachzugehen sei (vgl. etwa UA S. 24, 36), ohne dass eine erkennbare und nachvollziehbare Zuordnung zu den einzelnen Beweisanträgen erfolgt. Dieses Vorgehen wird den Anforderungen des § 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO offenkundig nicht gerecht.

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Eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum die Beweisanträge der Kläger jeweils abgelehnt worden sind, konnte auch nicht etwa deshalb unterbleiben, weil - wie es in einigen Formulierungen des Oberverwaltungsgerichts anklingt (vgl. UA S. 26, 34, 36) - die Kläger ihre Einwendungen gegen die Eignung der Gutachten nicht mithilfe von Sachverständigengutachten untermauert haben. Es versteht sich von selbst, dass das Tatsachengericht seiner Verpflichtung, die Ablehnung von Beweisanträgen nachvollziehbar zu begründen, nicht dadurch enthoben ist, dass der Beweisantragsteller seine Einwendungen nicht durch eigene Sachverständigengutachten belegt.

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Nur beispielhaft ist etwa zu den Rügen der Beschwerde hinsichtlich der geltend gemachten Mängel des Stoffstromgutachtens und der Ausbreitungsrechnungen auf Folgendes hinzuweisen:

Die Kläger haben die Mängel, die den Sachverständigengutachten nach ihrer Auffassung anhaften, - teilweise unter Bezugnahme auf bzw. Beifügung fachkundiger Äußerungen - im Einzelnen dargelegt. Dies trifft insbesondere auf den Schriftsatz vom 21. September 2009 und den darin erhobenen zentralen Einwand zu, der Sachverständige K. sei im Ergebnis von zu geringen Gärrestmengen ausgegangen, weil er von einer Rezirkulation der abgepressten Flüssigkeitsmenge ausgegangen sei, die aber nicht praxistauglich sei. An diesem Vorbringen knüpfen offensichtlich die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge 1.3 und 1.4 an. Zu all dem verhalten sich die Entscheidungsgründe nicht. Der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts, für eine Gärrestmenge von über 25 000 t gebe es nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters K. vom 13. August 2009 keine reale Grundlage (UA S. 24) ist in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht schlüssig, weil die Einwendungen der Kläger aus dem Schriftsatz vom 21. September 2009 sich gerade auf diese Passage des Ergänzungsgutachtens vom 13. August 2009 (S. 7, 8) beziehen. Abgesehen davon übersieht das Oberverwaltungsgericht, dass die Kläger insoweit unter Vorlage von Auszügen aus dem auch vom Sachverständigen K. verwendeten Kalkulationsprogramm Biogasrechner von KTBL (Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V.) einen methodischen und damit von der konkreten Inputmenge losgelösten Fehler des Gutachtens geltend machen.

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Die dem Beweisantrag zu 1.11 zugrunde liegende Kritik einer unzureichenden Berücksichtigung der Schwachwindhäufigkeit sowie der Hauptwindrichtungen im Standortbereich M. bei der Erstellung der Ausbreitungsrechnungen findet sich im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 24. August 2009. Auch dazu - wie zu den anderen Beweisanträgen - verhalten sich die Entscheidungsgründe nicht in einer Weise, die es dem Senat ermöglicht, festzustellen, ob die Ablehnung der Beweisanträge im Prozessrecht eine Stütze findet.

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Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die in der mündlichen Verhandlung erfolgte Ablehnung der 13 Beweisanträge der Kläger daraufhin nachzuvollziehen, ob die Beweisanträge ausgehend von der Rechtsauffassung des Gerichts nach dem Akteninhalt zulässigerweise hätten abgelehnt werden dürfen (Beschluss vom 10. Juni 2003 - BVerwG 8 B 32.03 - a.a.O. Rn. 7). Der Senat macht daher von der durch § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumten Befugnis Gebrauch und verweist den Rechtsstreit unter Aufhebung des angegriffenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück.

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Für das weitere Verfahren merkt der Senat an, dass die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Beweisaufnahme schon im Ausgangspunkt daran "krankt", dass - unstreitig - die genehmigte elektrische Leistung der Anlage von 0,5 MW und die Menge der genehmigten Inputstoffe nicht aufeinander abgestimmt sind, weil die Antragsunterlagen hinsichtlich der Inputstoffe nach Reduzierung der elektrischen Leistung von 1 MW auf 0,5 MW nicht entsprechend angepasst worden sind. Es ist zumindest zweifelhaft, dass dieser Widerspruch - wie das Oberverwaltungsgericht meint - für die Gewährleistung der Nachbarrechte nicht relevant ist, denn die Menge der Inputstoffe ist sowohl für den Umfang der Lärm- als auch der Geruchsimmissionen von maßgeblicher Bedeutung.

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Sollte eine erneute/weitere Beweisaufnahme erforderlich werden, wird das Oberverwaltungsgericht u.a. zu erwägen haben, ob die bisherigen Feststellungen zu den praxisüblichen Transportkapazitäten und -zeiträumen in der Landwirtschaft hinreichend tragfähig sind, die Gärrestmengen im Hinblick auf die geplante Nassvergärung nachvollziehbar errechnet sind und hinsichtlich der Geruchsimmissionen eine zusätzliche Ausbreitungsrechnung angezeigt ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.