Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 14. Juli 2006 - 8 WF 96/06

bei uns veröffentlicht am14.07.2006

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 / Bevollmächtigten des Antragsgegners gegen den Beschluss des Richters des Amtsgerichts Besigheim vom 26.6.2006 wird

zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe

 
Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Richter des Amtsgerichts hat im angefochtenen Beschluss die Erinnerung der Beteiligten Ziffer 1 gegen die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts vom 27.10.2005 zutreffend zurückgewiesen. Die Festsetzung einer Terminsgebühr gemäß Anmerkung Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG wurde für das zugrunde liegende Sorgerechtsverfahren zu Recht abgelehnt, in dem eine mündliche Verhandlung nicht erfolgt ist und lediglich einer der beiden Söhne der Antragstellerin und des Antragsgegners persönlich angehört wurde.
Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich um keine Verfahren gemäß der genannten Anmerkung zu Nr. 3104 VV / RVG, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (vgl. Gerold / Müller-Rabe, 17. Aufl., RN 29 zu Nr. 3104 VV / RVG). Die Bevollmächtigte des Antragsgegners beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.7.2003 (NJW 03, 3133), in der der Bundesgerichtshof für das Wohnungseigentumsverfahren die Sondervorschrift in § 44 WEG kostenrechtlich dahingehend ausgelegt hat, dass damit im Grundsatz eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Auch der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung für sonstige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausdrücklich den Grundsatz anerkannt, dass dort eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und ohne deren Durchführung deshalb keine Verhandlungsgebühr (jetzt Terminsgebühr) für einen im Verfahren tätigen Verfahrensbevollmächtigten entsteht. Auch die neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der die frühere Entscheidung für das Wohnungseigentumsverfahren auch unter Geltung des RVG bestätigt wird (BGH, Beschluss vom 9.3.2006, Rpfleger 06, 438) befasst sich lediglich mit der Auslegung von § 44 WEG, der seiner Zielsetzung nach zur Gleichstellung eines WEG-Verfahrens mit einem Verfahren nach der ZPO führt.
Demgegenüber ist die Bestimmung in § 50a Abs. 1 Satz 2 FGG, wonach in Sorgerechtsverfahren die Eltern eines Kindes vom Gericht in der Regel persönlich, also mündlich, anzuhören sind, nicht der Anordnung einer mündlichen Verhandlung gleich zu stellen. Die Anhörung dient nicht vorrangig der Gewährung von rechtlichem Gehör, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Gericht (vgl. Keidel / Engelhardt, 15. Aufl., RN 3 zu § 50a FGG). Auch hat der Gesetzgeber in Anmerkung Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV / RVG trotz unmittelbarer Geltung dieser Vorschrift auch für Verfahren nach dem FGG für die Entstehung einer Terminsgebühr ohne mündliche Verhandlung nur darauf abgestellt, ob eine mündliche Verhandlung gesetzlich vorgeschrieben ist - dieser Terminus wird auch in § 44 WEG verwendet - und nicht auch auf Fälle Bezug genommen in denen lediglich eine persönliche Anhörung vorgeschrieben ist. Für eine erweiternde Anwendung der Vorschrift besteht danach keine Veranlassung.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 war danach zurückzuweisen.
Gemäß § 33 Abs. 9 RVG ergeht die vorliegende Entscheidung gerichtskostenfrei und außergerichtliche Kosten im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

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Referenzen - Gesetze

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Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 33 Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren


(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf An

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 56 Erinnerung und Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landge

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 44 Beschlussklagen


(1) Das Gericht kann auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären (Anfechtungsklage) oder seine Nichtigkeit feststellen (Nichtigkeitsklage). Unterbleibt eine notwendige Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage eines W

Referenzen

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Das Gericht kann auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären (Anfechtungsklage) oder seine Nichtigkeit feststellen (Nichtigkeitsklage). Unterbleibt eine notwendige Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage eines Wohnungseigentümers den Beschluss fassen (Beschlussersetzungsklage).

(2) Die Klagen sind gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Der Verwalter hat den Wohnungseigentümern die Erhebung einer Klage unverzüglich bekannt zu machen. Mehrere Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Das Urteil wirkt für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch wenn sie nicht Partei sind.

(4) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten gelten nur dann als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 der Zivilprozessordnung, wenn die Nebenintervention geboten war.

(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.

(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.