Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 09. Nov. 2005 - 8 W 392/05

bei uns veröffentlicht am09.11.2005

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 23.7.2005

aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 an das Landgericht Tübingen

zurückverwiesen.

2. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 gegen die im Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 23.7.2005 zugleich erfolgte Zurückweisung ihres Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Erstbeschwerdeverfahren wird als unzulässig verworfen.

3. Die vorliegende Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Entscheidung über eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten im Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Gegenstandswert im Rechtsbeschwerdeverfahren: bis 20.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Notwendigkeit einer Kontrollbetreuung für vermögensrechtliche Angelegenheiten der Beteiligten Ziffer 1 in Zusammenhang mit der von ihr dem Beteiligten Ziffer 3, ihrem Sohn, erteilten Generalvollmacht. Die Beteiligte Ziffer 2 ist der Auffassung, die Beteiligte Ziffer 1, ihre Großmutter, sei bereits seit Beginn des Jahres 2002 geschäftsunfähig.
1.) Die am ....1922 geborene Beteiligte Ziffer 1 hat am 10.5.1990 zusammen mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben des Überlebenden und ihre beiden Söhne - den inzwischen verstorbenen Vater der Beteiligten Ziffer 2 und den Beteiligten Ziffer 3 - als Erben des Überlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt haben. Ersatzerben sollten deren Kinder sein, wobei auch die Beteiligte Ziffer 2 ausdrücklich genannt wurde. Weiter wurde den beiden Söhnen jeweils ein Hausgrundstück zugewendet, wobei der Vater der Beteiligten Ziffer 2 das Grundstück mit dem Haus in M. erhalten sollte, in dem die Beteiligte Ziffer 1 auch heute noch lebt.
Nach dem Tod ihres Ehemanns im Jahr 1996 hat die Beteiligte Ziffer 1 dem Beteiligten Ziffer 3 1997 eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt, die auch für den Fall einer Betreuungs- oder Unterbringungsbedürftigkeit und ähnliches gelten sollte. Eine Ausfertigung wurde dem Beteiligten Ziffer 3 am 4.7.1997 erteilt, wobei dieser bereits damals im Haus der Beteiligten Ziffer 1 lebte.
Im Jahr 2000 verstarb der Vater der Beteiligten Ziffer 2.
In den Jahren 2002 und 2003 hat die Beteiligte Ziffer 1 weitgehende notariell beurkundete Vermögensverfügungen getätigt. Sie hat Briefgrundschulden auf den beiden schon testamentarisch erwähnten Immobilien bestellt und auf den Beteiligten Ziffer 3 übertragen. Ein an dem Hausgrundstück in M. bestehendes Teileigentumsrecht hat sie auf den Beteiligten Ziffer 3 übertragen, der das Eigentum zwischenzeitlich auf eine WZ-Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG mit Sitz in M. weiter übertragen hat.
Ihr Hausgrundstück in M. hat die Beteiligte Ziffer 1 an den Beteiligten Ziffer 3 zum Preis von 265.000,-- EUR verkauft, wobei gleichzeitig bereits zuvor erstellte Briefgrundschulden im Wert von 300.000,-- EUR übertragen wurden. Der Kaufpreis wurde teilweise durch Aufrechnung mit in der Vergangenheit erfolgten und in der Zukunft noch erwarteten Hilfeleistungen des Beteiligten Ziffer 3 verrechnet. Ein weiterer Kaufpreisteil wurde dem Beteiligten gestundet und die Stundung später auch noch verlängert. Ein der Beteiligten Ziffer 1 gewährtes Wohnrecht sollte nach dem Kaufvertrag zunächst nicht ins Grundbuch eingetragen werden. Die Auflassung wurde gleichzeitig erklärt und Antrag auf Eintragung ins Grundbuch gestellt.
2.) Die Beteiligte Ziffer 2 hat mit Antrag ihrer Bevollmächtigten vom 10.5.2004 beim Notariat - Vormundschaftsgericht - die Errichtung einer umfassenden Betreuung nebst entsprechender vorläufiger Anordnung für die Beteiligte Ziffer 1 mit der Begründung beantragt, diese habe zu ihrem Nachteil umfassende Vermögensverfügungen zugunsten des Beteiligten Ziffer 3 vorgenommen. Die Beteiligte Ziffer 1 sei bereits seit mehreren Jahren geschäftsunfähig.
Nachdem sich nach den Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts im Zusammenhang mit der dem Beteiligten Ziffer 3 erteilten Generalvollmacht keine Anhaltspunkte für ein Gebrauchmachen des Beteiligten Ziffer 3 von dieser Vollmacht ergaben und sich andererseits Anhaltspunkte dafür ergaben, dass Kaufpreiszahlungen auf ein Konto der Beteiligten Ziffer 1 geflossen waren, beantragte die Beteiligte Ziffer 2 für ihre Großmutter die Bestellung eines Kontrollbetreuers gemäß § 1896 Abs. 3 BGB. Sie machte geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an der Redlichkeit des Beteiligten Ziffer 3 und seiner Tauglichkeit als Generalbevollmächtigter. Es bestehe ein Interessenkonflikt zwischen dessen eigenen Vermögensinteressen und den Interessen der Beteiligten Ziffer 1.
Die Beteiligte Ziffer 1 ist der Anregung auf Anordnung einer Kontrollbetreuung durch von ihr bestellte Bevollmächtigte entgegengetreten.
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Das Notariat - Vormundschaftsgericht - hat die Anordnung einer Kontrollbetreuung und die Vornahme weiterer diesbezüglicher Prüfungsmaßnahmen mit Beschluss vom 17.1.2005 abgelehnt.
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3.) Mit ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde hat die Antragstellerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
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Sie hat geltend gemacht, das Vormundschaftsgericht hätte sowohl die aktuelle Geschäftsfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 als auch die Wirksamkeit von deren Vermögensverfügungen im Jahre 2002 und 2003 weiter überprüfen müssen. Die Betroffene sei nach dem persönlichen Eindruck der Beteiligten Ziffer 2 schon Ende des Jahres 2001 geschäftsunfähig gewesen. Dass der mit den Vermögensverfügungen der Beteiligten Ziffer 1 in den Jahren 2002 / 2003 befasste Stuttgarter Notar dies nicht bemerkt habe, genüge noch nicht zur Zerstreuung der Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen, die sich wegen des ersichtlichen Verstoßes gegen ihre eigene Interessen bei den Verfügungen zugunsten des Beteiligten Ziffer 3 aufdrängten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der insoweit tätige Stuttgarter Notar schon langjährig mit dem Beteiligten Ziffer 3 zusammen gearbeitet habe. Bei aktueller Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen müsse ein Kontrollbetreuer auch Rückforderungsansprüche der Betroffenen gegen den Beteiligten Ziffer 3 wegen der bei diesem zu ihrem Nachteil eingetretenen, von ihm bewusst herbeigeführten Bereicherung prüfen und durchsetzen. Dieser sei erst durch die Verfügungen seiner Mutter im Jahre 2002 zu eigenem Vermögen gekommen. Er sei Bauherr bzw. Geschäftsführer und Initiator eines Seniorenzentrums, dessen Bau erst 1995 begonnen worden sei. Nicht zuletzt entspreche es auch dem objektiven Interesse der Betroffenen, das zugunsten des Vaters der Beteiligten Ziffer 2 bzw. zu ihren Gunsten als Ersatzbedachter angeordnete Vermächtnis nicht auszuhöhlen.
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Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 mit Beschluss vom 16.7.2005 kostenpflichtig zurückgewiesen.
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Es hat zur Begründung ausgeführt, ein Bedürfnis für die Anordnung einer Kontrollbetreuung könnte auch dann nicht festgestellt werden, wenn man mit der Beschwerdeführerin davon ausgehen würde, dass die Beteiligte Ziffer 1 inzwischen geschäftsunfähig geworden sei, so dass sie den Beteiligten Ziffer 3 im Zusammenhang mit einer Benutzung der ihm 1997 erteilten Generalvollmacht inzwischen nicht mehr selbst kontrollieren könnte. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Generalvollmacht - etwa wegen Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 schon bei Erteilung im Jahr 1997 - bestünden nicht. Selbst bei einem Gebrauchmachen von der Vollmacht durch den Bevollmächtigten müsste als weitere Voraussetzung für die Anordnung einer Kontrollbetreuung noch festgestellt werden, dass der Bevollmächtigte nicht im Interesse der Vollmachtgeberin handelt.
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Diesbezügliche Umstände des Einzelfalls seien aber nicht feststellbar. Die im wesentlichen zugunsten des Beteiligten Ziffer 3 erfolgten Vermögensverfügungen habe die Beteiligte Ziffer 1 jeweils selbst vorgenommen, ohne dass der hierbei beurkundende Notar nach pflichtgemäßer Prüfung Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 gehabt habe. Nachdem die Beteiligte Ziffer 2 gegen den Beteiligten Ziffer 3 und den beteiligten Notar nur pauschal Verdachtsmomente geltend gemacht habe, bestünden für die Kammer keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine schon bei den früheren Verfügungen bestehende Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 oder eine Unredlichkeit des Beteiligten Ziffer 3 bei der Annahme der Verfügungen.
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Nachdem auch die Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Beteiligte Ziffer 1 ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann, bestehe kein hinreichender Anlass, sie allein aufgrund des pauschalen Vorbringen ihrer Enkelin dem von Betroffenen oft als sehr belastend empfundenen Verfahren einer Überprüfung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit zu unterwerfen, wie es insbesondere auch mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens verbunden sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Betroffener wie auch vorliegend bereits eine Generalvollmacht auch als Vorsorgevollmacht erteilt habe.
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Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass insbesondere auch ein Widerruf dieser Generalvollmacht, wie ihn die Beteiligte Ziffer 2 für erforderlich halte, absehbar nicht in Betracht komme, da weder Anhaltspunkte für eine objektive Änderung der Situation noch für eine Trübung des früher sehr guten persönlichen Verhältnisses zwischen den Beteiligten Ziffer 1 und 3 bestünden. Selbst wenn die Beteiligte Ziffer 1 entsprechend dem Vorbringen der Beteiligten Ziffer 2 nunmehr vermögenslos sei, könnte ein Kontrollbetreuer danach keine wesentlichen Aktivitäten mehr entfalten.
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Etwaige eigene Interessen der Beteiligten Ziffer 2 als Ersatzerbin und / oder Ersatzvermächtnisnehmerin seien bei der Frage nach der Notwendigkeit einer Kontrollbetreuung nicht zu berücksichtigen, zumal sie etwaige Ersatzansprüche gemäß § 2287 BGB gegebenenfalls erst nach dem Ableben der Beteiligten Ziffer 1 geltend machen könnte.
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Den Prozesskostenhilfeantrag der Beteiligten Ziffer 2 für das Beschwerdeverfahren hat das Landgericht im selben Beschluss wegen von Anfang an fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen.
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4.) Die Beteiligte Ziffer 2 hat sowohl gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde als auch gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe weitere Beschwerde bzw. sofortige Beschwerde eingelegt.
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Sie begehrt weiterhin die Anordnung einer Kontrollbetreuung und macht geltend, das Landgericht wäre aufgrund der vorgetragenen sowie aus den bisherigen Ermittlungen ersichtlichen Umstände verpflichtet gewesen, weiteren Beweis über die Geschäftsfähigkeit und die weiteren persönlichen Umstände der Beteiligten Ziffer 1 zu erheben. Es sei ersichtlich, dass der Beteiligte Ziffer 3 durch die Annahme der Schenkungen und sonstigen Vermögensverfügungen der Beteiligten Ziffer 1 gegen deren Interessen verstoßen habe. Bei deren nahe liegender Geschäftsunfähigkeit bestehe danach auch die erhebliche Gefahr, dass er durch Benutzung der ihm erteilten Generalvollmacht weiter zum Nachteil der Beteiligten Ziffer 1 handeln werde und diese jedenfalls in Zukunft noch ganz vermögenslos stellen werde. Dass letzteres bereits geschehen sei, sei bislang lediglich eine - allerdings naheliegende - Befürchtung der Beteiligten Ziffer 2. Die unterbliebene Beweisaufnahme, deren Unterlassung eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs darstelle, hätte sich auch auf die Frage der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 bereits bei Vornahme ihrer Vermögensverfügungen ab dem Jahr 2002 erstrecken müssen. Unter diesen Umständen hätte auch die Erfolgsaussicht bei der Prüfung des Prozesskostenhilfeantrags der Beteiligten Ziffer 2 für das Beschwerdeverfahren vom Landgericht nicht verneint werden dürfen.
22 
Die Beteiligte Ziffer 1 ist der Rechtsbeschwerde durch ihre Bevollmächtigten entgegengetreten.
23 
Sie lässt geltend machen, die ergangene Entscheidung des Landgerichts sei zutreffend. Ein Anlass für weitere Ermittlungen habe in Anbetracht der nicht hinreichend substantiierten Verdächtigungen der Beteiligten Ziffer 2 nicht bestanden.
II.
24 
Die weitere Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde durch das Landgericht ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Beteiligte Ziffer 2 ist als Enkelin der Beteiligten Ziffer 1 auch im Verfahren der weiteren Beschwerde beschwerdebefugt (§ 69g Abs. 1 S. 1 FGG). Das als solches nicht befristete Rechtsmittel der weiteren Beschwerde ist auch formgerecht durch Anwaltsschriftsatz eingelegt (§ 29 I FGG).
25 
In der Sache hat das Rechtsmittel der Beteiligten Ziffer 2 auch insoweit Erfolg, als das Verfahren wegen bislang ungenügender Ermittlungen des Landgerichts, die es gemäß § 12 FGG schon von Amts wegen hätte vornehmen müssen, unter Aufhebung der ergangenen Beschwerdeentscheidung an das Landgericht zur weiteren Veranlassung und erneuten Entscheidung zurückzuverweisen war.
26 
1.) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Vormundschaftsgericht im Ausgangspunkt allerdings davon ausgegangen, dass im Fall der Erteilung einer Vorsorgevollmacht, an deren Wirksamkeit keine Zweifel bestehen, auch bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers nicht stets ein Kontrollbetreuer gemäß § 1896 Abs. 3 BGB zu bestellen ist, auch wenn der Vollmachtgeber wegen seiner Geschäftsunfähigkeit die Ordnungsmäßigkeit einer vom Vollmachtgeber für ihn erfolgenden Geschäftsführung nicht mehr selbst überwachen kann.
27 
Auch ein zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten in Betracht kommender Interessenkonflikt genügt als solcher noch nicht, um stets die Anordnung einer Kontrollbetreuung zu rechtfertigen. Eine solche Anordnung kommt vielmehr regelmäßig nur dann in Betracht, wenn aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Kontrollbetreuung bestehen, weil entweder die Art oder der Umfang der für den Vollmachtgeber auszuführenden Geschäfte dies erfordern oder aber ein konkretes Verhalten des Bevollmächtigten vorliegt, aus dem sich die Möglichkeit einer nicht im Interesse des Vollmachtgebers erfolgenden Geschäftsführung ergibt (allgemeine Meinung; vgl. OLG Köln, FamRZ 00, 909; BayObLGZ 03, 106; OLG Schleswig, FG-Prax 04, 70 und SchlAH 03, 171).
28 
Ebenso ist es bei der Überprüfung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung auf Rechtsfehler - hierauf ist der Senat als Rechtsbeschwerdeinstanz beschränkt - nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht allein deshalb, weil ein Verfahrensbeteiligter einen anderen Beteiligten nach seinem persönlichen Eindruck für geschäftsunfähig hält, bereits ein Sachverständigengutachten über dessen Geschäftsfähigkeit von Amts wegen eingeholt hat. Angesichts des mit der Überprüfung der eigenen geistigen Leistungsfähigkeit verbundenen Eingriffs in die persönliche Sphäre eines Betroffenen stellt eine derartige Maßnahme eine Entscheidung dar, die regelmäßig das Vorliegen von erheblichen Verdachtsmomenten voraussetzt. Sie wird vielfach erst dann in Betracht kommen, wenn trotz einer persönlicher Anhörung des Betroffenen durch das entscheidende Gericht noch ein Klärungsbedarf bestehen bleibt.
29 
2.) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung jedoch erhebliche Anhaltspunkte für eine inzwischen nicht mehr bestehende Geschäftsfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 - sei es in Form einer geistigen Erkrankung oder Geistesschwäche oder jedenfalls in Form einer Willensschwäche - übergangen, die es zumindest angezeigt erschienen ließen, die Beteiligte Ziffer 1 zu ihrem eigenen Schutz persönlich anzuhören. Zumindest diese Maßnahme war zunächst erforderlich, ehe über die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen abschließend entschieden werden konnte.
30 
a) Das Landgericht hat die aus den bisherigen Ermittlungen sich ergebende persönliche Situation der Betroffenen nicht hinreichend berücksichtigt, die eine weitere Aufklärung zu ihrem Schutz erforderlich macht.
31 
Die Beteiligte Ziffer 1 hat ihrem Sohn, dem Beteiligten Ziffer 3 ab dem Jahr 2002 erhebliche Schenkungen gemacht und ausweislich des mit ihm abgeschlossenen Kaufvertrags nicht nur bisher bereits erbrachte persönliche Pflegeleistungen des Sohns pauschal verrechnet, sondern auch erwartete künftige Pflegeleistungen unabhängig von deren Erbringung teilweise bindend mit Kaufpreisansprüchen verrechnet. Weiter hat sie auf das Eigentum an dem verkauften Haus, in dem sie wohnte zunächst weiter wohnen bleiben wollte, durch Übereignung und Stellung eines Antrags auf Eintragung im Grundbuch alsbald verzichtet, obwohl der Kaufpreis von ihr gestundet wurde. Ebenso hat sie das im Kaufvertrag vereinbarte Wohnrecht nicht dinglich sichern lassen, obwohl sie aufgrund der alsbald übertragenen, bereits bestellten Eigentümergrundschulden, deren Betrag den Gesamtkaufpreis noch überstiegen, mit einem alsbaldigen Gebrauchmachen des Beteiligten Ziffer 3 zur Absicherung von Krediten rechnen musste, nachdem ihr Sohn Geschäftsführer und Kommanditist eines Unternehmens war, das eine Altenwohn- und Betreuungseinrichtung erst in der Anfangsphase vorbereitete. Dies tat sie, obgleich sie ausweislich des geschlossenen Kaufvertrags damit rechnete, nicht auf Dauer in ihrem Haus bleiben zu können und bereits in Betracht zog, künftig in eine Heimeinrichtung übersiedeln zu müssen.
32 
Das in diesen Geschäften mit ihrem Sohn, dem Beteiligten 3, zum Ausdruck kommende völlige Außerachtlassen einer nahe liegenden dinglichen Sicherstellung ihrer Vermögensinteressen auch für den Fall eines Vermögensverfalls ihres Sohnes ist auffallend. Es widerspricht vernünftigem Verhalten. Es ist so ungewöhnlich, dass das Landgericht von Amts wegen gehalten war, die Beteiligte 1 selbst anzuhören und sich damit Klarheit darüber zu verschaffen, ob diese die bestehende Problemlage überblickte oder wegen bestehender Geschäftsunfähigkeit nicht mehr zu überblicken vermag. Auf die - amtsbekannt oft nur oberflächliche - Prüfung der Notare im Rahmen der Beurkundung von Vollmachten und Verträgen durfte sich das Landgericht nicht verlassen. Ebenso liegt nahe, bei Zweifeln gegebenenfalls ergänzend weitere neutrale Bezugspersonen anzuhören, nachdem die Beteiligte Ziffer 1 in der Woche mehrfach eine betreuende Tageseinrichtung besucht.
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Ob sich nach einer persönlichen Anhörung noch weitere hinreichende Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit ergeben, die weitere Ermittlungen wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich machen, wird das Landgericht nach dem näheren Ergebnis seiner Anhörung zu entscheiden haben.
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Das Landgericht konnte und durfte bei seiner Entscheidung auch deshalb nicht offen lassen, ob die Beteiligte Ziffer 1 inzwischen geschäftsunfähig war, weil, sollte sich dies im Zug von Ermittlungen ergeben, auch geprüft werden müsste, ob die Beteiligte Ziffer 1 nicht schon seit Anfang des Jahres 2002 geschäftsunfähig war. Ein einschlägig erfahrener Sachverständiger kann vielfach auch für zurückliegende Zeiträume Aussagen zur Entwicklung des Verlusts geistiger Fähigkeiten machen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn wie hier bei Zweifeln unter Umständen auch weitere, neutrale Bezugspersonen des Betroffenen befragt werden können.
35 
c) Ebenso durfte das Landgericht die Frage der Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 nicht mit der Erwägung offen lassen, dass für diese bei jetzt bestehender Geschäftsunfähigkeit und Vermögenslosigkeit durch einen Kontrollbetreuer ohnehin absehbar nichts mehr zu veranlassen wäre. Wäre die Beteiligte Ziffer 1 jetzt geschäftsunfähig und würden u. U. veranlasste weitere Ermittlungen auch ihre Geschäftsunfähigkeit schon seit Anfang des Jahres 2002 ergeben, könnte sich durchaus ein Bedürfnis für eine Tätigkeit eines Kontrollbetreuers zur Herbeiführung einer Rückabwicklung von Schenkungen an den Beteiligten Ziffer 3 ergeben, um die Beteiligte Ziffer 1 für den Fall eines nicht auszuschließenden künftigen Bedarfs für eine Versorgung außerhalb ihres Hauses sicher zu stellen. Dass eine zusätzliche Sicherung zumindest im Umfang des von der Beteiligten Ziffer 1 und dem Beteiligten Ziffer 3 vereinbarten Kaufpreises erreicht ist, steht auch nach den Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts noch nicht fest. Im Fall eines - Geschäftsunfähigkeit unterstellt - bestehenden Unvermögens der Beteiligten Ziffer 1, ihre geschäftlichen Interesse selbst verantwortlich wahrzunehmen, könnte auch die Gefahr weiterer Schenkungen bestehen.
36 
Auch dem Umstand, das ein Handeln des Beteiligten Ziffer 3 aufgrund der ihm erteilten Generalvollmacht bislang nicht ersichtlich ist, käme bei unterstellter Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten Ziffer 1 bei einseitigen Verzicht auf Sicherheiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zu. Denn es läge bei bestehender Geschäftsunfähigkeit nahe, anzunehmen, dass die Betroffene nach deren Eintritt nach Vorgaben des Beteiligten 3 gehandelt hat.
37 
3.) Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 war danach der Beschluss des Landgerichts vom 7.3.2004 aufzuheben und die Sache zur weiteren Veranlassung an das Landgericht zurückzuverweisen.
38 
Gemäß § 131 Abs. 3 KostO ergeht die vorliegende Entscheidung gerichtsgebührenfrei. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass die Beteiligte Ziffer 2 ihr Rechtsmittel im Interesse einer aus ihrer Sicht für die Beteiligte Ziffer 1 erforderlichen Kontrollbetreuung eingelegt hat, auch wenn gleichzeitig ein persönliches Interesse der Beteiligten Ziffer 2 an der Erhaltung von Erbaussichten bestehen dürfte. Der Gesetzgeber hat einem Abkömmling ein eigenes Beschwerderecht in Betreuungsangelegenheiten unabhängig von dessen schon im Regelfall bestehender Stellung als gesetzlicher Erbe eingeräumt.
39 
Bei der Festsetzung des Beschwerdewerts gemäß § 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 u. 3 KostO tritt der Senat auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren der Schätzung des Landgerichts bei.
III.
40 
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 gegen die Zurückweisung ihres Prozesskostenhilfeantrags für das Beschwerdeverfahren ist unzulässig. Aufgrund der Verweisung in § 14 FGG auf die Prozesskostenhilferegelung gemäß der ZPO ist ein Rechtsmittel gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren seit der Neuregelung in § 574 ZPO ab dem 1.1.2002 nur noch zulässig, wenn das Landgericht das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zugelassen hat (OLG Frankfurt, FG Prax 03, 175 m.w.N.; Bassenge / Herbst / Roth, 10. Aufl., RN 8 zu § 14 FGG).
41 
Auf die vom Landgericht vorab auch geäußerten Zweifel an der Bedürftigkeit der Beteiligten Ziffer 2 kam es danach nicht an.
42 
Auch diese Entscheidung ergeht gemäß §§ 131 b S 4, 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei.

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 09. Nov. 2005 - 8 W 392/05 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2287 Den Vertragserben beeinträchtigende Schenkungen


(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die He

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(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.

(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.