Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 23. Apr. 2012 - 8 W 136/12

23.04.2012

Tenor

1. Auf die befristete Beschwerde des Beteiligten Ziff. 2 wird Ziff. 1 des Beschlusses des Notariats VI Esslingen a. N. - Nachlassgericht - vom 23.2.2012

aufgehoben;

es verbleibt damit bei der mit Beschluss vom 16.6.2009 angeordneten Nachlasspflegschaft.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Mit Beschluss vom 16.6.2009 hat das Notariat Esslingen - Nachlassgericht - für diejenigen, die Erben des am 20.4.2009 verstorbenen Erblassers werden, zur Sicherung des Nachlasses Pflegschaft angeordnet. Der Wirkungskreis des Nachlasspflegers umfasste die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Zum Nachlasspfleger wurde der Beteiligte Ziff. 1 bestellt.
Mit Schreiben vom 9.1.2012 teilte der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht mit, dass er mit Schreiben vom 21.11.2011 Nachlassinsolvenzantrag gestellt habe. Gleichzeitig legte er seine Schlussrechnung vor und regte an, die Nachlasspflegschaft aufzuheben, da die Verfügungsbefugnis über den Nachlass auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen sei. Der Aufrechterhaltung der Nachlasspflegschaft bedürfe es deshalb nicht mehr.
Am 30.1.2012 eröffnete das Amtsgericht Esslingen über den Nachlass des Erblassers wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren und ernannte den Beteiligten Ziff. 2 zum Insolvenzverwalter.
Mit Beschluss vom 23.2.2012 hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft auf. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte Ziff. 2 am 22.3.2012 Beschwerde ein. Er ist der Ansicht, dass die Nachlasspflegschaft bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht aufgehoben werden könne. Der Nachlasspfleger vertrete auch weiterhin die unbekannten Erben und nehme im Insolvenzverfahren die Verfahrensrechte war, die normalerweise dem Insolvenzschuldner zustünden. Insbesondere sei die Nachlasspflegschaft im Hinblick auf noch zu erwartende und zu prüfende Beschlüsse, die auch zugestellt werden müssten, erforderlich.
Der Beteiligte Ziff. 1 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 342 Abs. 1 Nr. 2, 58 ff. FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde fristgerecht beim Nachlassgericht eingereicht.
Der Nachlassinsolvenzverwalter ist beschwerdeberechtigt, da der Nachlasspfleger auch im Insolvenzverfahren als gesetzlichem Vertreter der unbekannten Erben deren Rechte und Pflichten wahrnimmt (MünchKommBGB/Leipold, § 1960 Rn. 100).
2.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
10 
Anders als die Nachlassverwaltung, die gemäß § 1988 BGB mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens endet, erlischt das Amt des Nachlasspflegers nicht automatisch, wenn auch die Befugnisse des Nachlasspflegers beträchtlich schrumpfen und sich im wesentlichen auf das insolvenzfreie Vermögen und die Vertretung der Erben im Insolvenzverfahren beschränkt. Auch zwingt die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft, vielmehr kann die Notwendigkeit der Wahrung der Rechte und Pflichten des noch nicht feststehenden Erben-Insolvenzschuldners die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft gebieten. Der Erbe hat dieselben Rechte und Pflichten wie jeder andere Schuldner im Insolvenzverfahren, insbesondere die Auskunftspflicht nach § 20 InsO, Mitwirkungspflichten nach §§ 98, 99 InsO, Rechtsmittel gegen die Eröffnung des Verfahrens (§ 34 InsO) sowie die Möglichkeit des Bestreitens von Forderungen im Prüfungstermin (§ 176). Auch ist er Anspruchsinhaber bei Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 InsO. (Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2. Auflage, Rn. 606, 614, 851; MünchKomm/Leipold a.a.O. Rn. 20, 54, 100; Kübler/Prütting/Bork, Insolvenzordnung, § 315 Rn. 6). Diese Pflichten erledigen sich nicht durch die endgültige Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auch wenn ein einstweiliges Insolvenzverfahren vorangegangen ist, in dem der Nachlasspfleger bereits einen Teil dieser Pflichten erfüllt hat.
11 
Damit besteht im Gegensatz zur Auffassung der Nachlassrichterin das Fürsorgebedürfnis auch weiterhin, und eine Aufhebung der Nachlasspflegschaft ist derzeit nicht veranlasst. Ziff. 1 des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 23.2.2012 war deshalb aufzuheben.

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Referenzen - Gesetze

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Insolvenzordnung - InsO | § 34 Rechtsmittel


(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldne

Insolvenzordnung - InsO | § 60 Haftung des Insolvenzverwalters


(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzust

Insolvenzordnung - InsO | § 20 Auskunfts- und Mitwirkungspflicht im Eröffnungsverfahren. Hinweis auf Restschuldbefreiung


(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 S

Insolvenzordnung - InsO | § 98 Durchsetzung der Pflichten des Schuldners


(1) Wenn es zur Herbeiführung wahrheitsgemäßer Aussagen erforderlich erscheint, ordnet das Insolvenzgericht an, daß der Schuldner zu Protokoll an Eides Statt versichert, er habe die von ihm verlangte Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen richtig u

Insolvenzordnung - InsO | § 99 Postsperre


(1) Soweit dies erforderlich erscheint, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder zu verhindern, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen durch begründeten Beschluß an,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1988 Ende und Aufhebung der Nachlassverwaltung


(1) Die Nachlassverwaltung endigt mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. (2) Die Nachlassverwaltung kann aufgehoben werden, wenn sich ergibt, dass eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist.

Referenzen

(1) Die Nachlassverwaltung endigt mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens.

(2) Die Nachlassverwaltung kann aufgehoben werden, wenn sich ergibt, dass eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist.

(1) Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so soll er darauf hingewiesen werden, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303a Restschuldbefreiung erlangen kann.

(1) Wenn es zur Herbeiführung wahrheitsgemäßer Aussagen erforderlich erscheint, ordnet das Insolvenzgericht an, daß der Schuldner zu Protokoll an Eides Statt versichert, er habe die von ihm verlangte Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig erteilt. Die §§ 478 bis 480, 483 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1a) Das Gericht kann an Stelle des Gerichtsvollziehers die Maßnahmen nach § 802l Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung durchführen, wenn

1.
eine Aufforderung zur Auskunftserteilung nach § 97 Absatz 1 nicht zustellbar ist und
a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder
b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist, oder
c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor der Aufforderung zur Auskunftserteilung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Schuldners bekannt ist;
2.
der Schuldner seiner Auskunftspflicht nach § 97 nicht nachkommt oder
3.
dies aus anderen Gründen zur Erreichung der Zwecke des Insolvenzverfahrens erforderlich erscheint.
§ 802l Absatz 2 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(2) Das Gericht kann den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen,

1.
wenn der Schuldner eine Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung oder die Mitwirkung bei der Erfüllung der Aufgaben des Insolvenzverwalters verweigert;
2.
wenn der Schuldner sich der Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten entziehen will, insbesondere Anstalten zur Flucht trifft, oder
3.
wenn dies zur Vermeidung von Handlungen des Schuldners, die der Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zuwiderlaufen, insbesondere zur Sicherung der Insolvenzmasse, erforderlich ist.

(3) Für die Anordnung von Haft gelten die § 802g Abs. 2, §§ 802h und 802j Abs. 1 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Der Haftbefehl ist von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft nicht mehr vorliegen. Gegen die Anordnung der Haft und gegen die Abweisung eines Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls wegen Wegfalls seiner Voraussetzungen findet die sofortige Beschwerde statt.

(1) Soweit dies erforderlich erscheint, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder zu verhindern, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen durch begründeten Beschluß an, dass die in dem Beschluss bezeichneten Unternehmen bestimmte oder alle Postsendungen für den Schuldner dem Verwalter zuzuleiten haben. Die Anordnung ergeht nach Anhörung des Schuldners, sofern dadurch nicht wegen besonderer Umstände des Einzelfalls der Zweck der Anordnung gefährdet wird. Unterbleibt die vorherige Anhörung des Schuldners, so ist dies in dem Beschluß gesondert zu begründen und die Anhörung unverzüglich nachzuholen.

(2) Der Verwalter ist berechtigt, die ihm zugeleiteten Sendungen zu öffnen. Sendungen, deren Inhalt nicht die Insolvenzmasse betrifft, sind dem Schuldner unverzüglich zuzuleiten. Die übrigen Sendungen kann der Schuldner einsehen.

(3) Gegen die Anordnung der Postsperre steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Das Gericht hat die Anordnung nach Anhörung des Verwalters aufzuheben, soweit ihre Voraussetzungen fortfallen.

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.

(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.