Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Feb. 2011 - 18 UF 257/10

bei uns veröffentlicht am02.02.2011

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Reutlingen - Familiengericht - vom 11.08.2010, Az: 2 F 416/08, in Ziff. 2 wie folgt

abgeändert:

Ein Ausgleich der Anrechte der Antragstellerin aus den Versicherungsverträgen bei der A. Lebensversicherungs-AG mit den Nrn. u. findet wegen Geringfügigkeit des Ausgleichswerts gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht statt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner aufgehoben.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.800,00 EUR

Gründe

 
I.
Das Familiengericht hat durch Beschluss vom 11.08.2010 die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen den Beteiligten durchgeführt. Insoweit wird auf den erstinstanzlichen Beschluss verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 17.09.2010 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs eingelegt, soweit ein Ausgleich ihrer Rentenanwartschaften bei der A. Lebensversicherungs-AG erfolgt ist.
Sie beantragt, dass wegen Geringfügigkeit gemäß § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG ein Ausgleich insoweit nicht stattfinden soll.
Sie führt aus, dass das Familiengericht keine besonderen Gründe festgestellt habe, dass der Versorgungsausgleich doch stattfinden soll.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
Er ist der Meinung, dass die Wertgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG durch die Summe der Anwartschaften überschritten werde und er als selbständiger Abschleppunternehmer auf den Wertausgleich angewiesen sei, da er keine andere Altersvorsorge betreibe.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist durch die Entscheidung des Familiengerichts beschwert, da sie geltend macht, dass sie höhere Anwartschaften abgeben muss, als sie gesetzlich schuldet.
Die Beschwerde ist jedoch nur teilweise begründet.
Gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen.
10 
Gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG liegt ein geringer Ausgleichswert dann vor, wenn höchstens eine Monatsrente von 25,20 EUR bzw. ein Kapitalwert von höchstens 2982 EUR (Ende 2008) ausgeglichen wird.
11 
Die einzelnen Anrechte der Antragstellerin bei der Lebensversicherungs AG unterschreiten zwar jeweils diese Wertgrenzen, jedoch ist bei der Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG darauf zu achten, dass der Halbteilungsgrundsatz bei kumulierenden Ausschlussgründen nicht verletzt wird. Die Werte in § 18 Abs. 3 VersAusglG stellen eine Obergrenze für den Wertausschluss dar. Deshalb darf die Gesamtsumme der nicht auszugleichenden Anrechte diese Obergrenze nicht übersteigen (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, § 18 Rdnr. 17, 18 VersAusglG). Allerdings führt dies nicht dazu, dass der Ausgleich geringfügiger Anrechte insgesamt zu unterbleiben hat, denn dies ist dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht zu entnehmen und würde auch nicht dem Zweck der Vorschrift entsprechen, einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für den zuständigen Versorgungsträger gering zu halten.
12 
Dies führt dazu, dass lediglich die Anrechte mit den Nrn. und zu Gunsten des Antragsgegners gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht auszugleichen sind, weil ansonsten die Obergrenze überschritten wäre. Um den Zweck der Vorschrift zu realisieren, einen unverhältnismäßig hohen Verteilungsaufwand nicht entstehen zu lassen, auf den auch die Antragstellerin in ihrer Beschwerde hingewiesen hat, waren die beiden kleineren Anrechte vom Ausgleich auszunehmen.
13 
Der Antragsgegner konnte keine Gründe dartun, die unter wirtschaftlichen Aspekten einen Ausgleich dennoch geboten erscheinen lassen. Insoweit ist er auf den Wertzuwachs dieser Anrechte nicht dringend angewiesen. Hier ist auch auf einen Vergleich der Anrechte bei beiden Parteien abzustellen. Der Antragsgegner hat in der gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt bereits monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 718,52 EUR erworben, die Antragstellerin dagegen nur in Höhe von 416,28 EUR. Im Versorgungsausgleich wird er davon, aufgrund der Verrechnung gemäß §§ 10 Abs. 2 VersAusglG nur einen ganz geringen Betrag abgeben müssen.
14 
Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass die Antragstellerin dringender auf die Anwartschaften angewiesen ist als der Antragsgegner, auch unter Berücksichtigung, dass der Antragsgegner bereits fünf Jahre älter ist als die Antragstellerin. Die Antragstellerin hat während ihrer Berufstätigkeit zuletzt durchschnittlich jeweils einen Entgeltpunkt an Rentenanwartschaften pro Jahr erworben. Sie wird daher die Differenz zum Antragsgegner nicht mehr einholen können. Der Antragsgegner kann jedoch in seinem verbleibenden Berufsleben noch weitere ausreichende Rentenanwartschaften erwerben, um seine Versorgung im Alter sicherzustellen. Er ist auch als selbständiger Unternehmer nicht daran gehindert, sich eine solide Altersversorgung aufzubauen. Es lagen daher keine besonderen Gründe vor, trotz der Geringfügigkeit, den Versorgungsausgleich dennoch durchzuführen.
15 
Soweit die Wertgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG überschritten war, war die Beschwerde zurückzuweisen.
16 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1, 3 FamFG.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über den Versorgungsausgleich


Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 18 Geringfügigkeit


(1) Das Familiengericht soll beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. (2) Einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert soll das Familiengericht nicht ausgleichen. (3) Ein Wer

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 10 Interne Teilung


(1) Das Familiengericht überträgt für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person best

Referenzen

(1) Das Familiengericht soll beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist.

(2) Einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert soll das Familiengericht nicht ausgleichen.

(3) Ein Wertunterschied nach Absatz 1 oder ein Ausgleichswert nach Absatz 2 ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.

(1) Das Familiengericht überträgt für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (interne Teilung).

(2) Sofern nach der internen Teilung durch das Familiengericht für beide Ehegatten Anrechte gleicher Art bei demselben Versorgungsträger auszugleichen sind, vollzieht dieser den Ausgleich nur in Höhe des Wertunterschieds nach Verrechnung. Satz 1 gilt entsprechend, wenn verschiedene Versorgungsträger zuständig sind und Vereinbarungen zwischen ihnen eine Verrechnung vorsehen.

(3) Maßgeblich sind die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht.

(1) Das Familiengericht soll beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist.

(2) Einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert soll das Familiengericht nicht ausgleichen.

(3) Ein Wertunterschied nach Absatz 1 oder ein Ausgleichswert nach Absatz 2 ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.