Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 08. Sept. 2003 - 1 Ws 242/03

published on 08.09.2003 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 08. Sept. 2003 - 1 Ws 242/03
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Tenor

Der Antrag des Anzeigeerstatters auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 31. Juli 2003 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

 
I.
Der Anzeigeerstatter wirft „Verantwortlichen der Fa. B. GmbH & Co. KG“ vor, sie hätten ihn in seiner Gesundheit dadurch beeinträchtigt, dass sie in ihrem nur 300 Meter Luftlinie von seinem Privathaus entfernten Gewerbebetrieb unerlaubt eine Anlage betrieben und Lärm verursacht hätten (§§ 327 Abs. 2, 325 a StGB).
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nicht zulässig.
Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag die Tatsachen angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Hierzu gehört auch die Bezeichnung des oder der Beschuldigten, soweit der Anzeigeerstatter diese zumutbarerweise nennen kann. Der Beschuldigte muss entweder namentlich genannt oder wenigstens in eindeutig erkennbarer Weise bezeichnet sein. Es ist zwar Aufgabe des Oberlandesgerichts, über die Einhaltung des Legalitätsprinzips zu wachen; hierzu gehört jedoch nicht, dass das Gericht erst Ermittlungen darüber anzustellen hätte, wer als Beschuldigter in Betracht kommen könnte (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 112; OLG Stuttgart, Die Justiz 1987, 80; OLG Düsseldorf VRS 77, 226; Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 172 Rdn. 34; Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 35).
Die Bezeichnung „Verantwortliche der Fa. B. GmbH & Co. KG“ lässt die Identität der Beschuldigten nicht erkennen. Mit der Bezeichnung einer juristischen Person ist allenfalls der Kreis der natürlichen Personen umrissen, innerhalb dessen der oder die mutmaßlichen Täter zu suchen wären. Es kann sich - wie die hier nicht maßgebliche Strafanzeige ausweist - um Geschäftsführer der Komplementär-GmbH handeln, aber auch um eine dieser Personen oder um weitere Personen oder - bei zwischenzeitlichen Änderungen - um gänzlich andere natürliche Personen. Diese natürlichen Personen hätte die Rechtsanwältin, die entsprechend § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO den Antrag abgefasst und unterzeichnet hat, namentlich benennen müssen, da im Falle der Erhebung der angestrebten öffentlichen Klage die Person des oder der Angeschuldigten aufzuführen ist (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO). Deren Ermittlung darf der Anzeigeerstatter im Klageerzwingungsverfahren nicht dem Strafsenat überlassen.
Bereits dieser Formmangel macht den Klageerzwingungsantrag unzulässig.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung genügt auch in einem anderen wesentlichen Punkt nicht den Vortragserfordernissen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO. Erforderlich ist eine aus sich selbst heraus verständliche, in sich geschlossene Sachdarstellung; diese muss in groben Zügen auch den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide sowie die Darlegung enthalten, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Erwägungen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft nicht zutreffen sollen (vgl. BVerfG NJW 2000, 1027; OLG Stuttgart, Die Justiz 2000, 127; Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 172 Rdn. 27; Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 38). Aufgrund des Klageerzwingungsantrags soll gerichtlich geprüft werden, ob die Staatsanwaltschaft unter Verstoß gegen das Legalitätsprinzip das Verfahren eingestellt hat anstatt die öffentliche Klage zu erheben. Der Antrag muss es dem Oberlandesgericht daher ermöglichen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten und etwaige Beiakten allein aufgrund seines Inhalts eine Schlüssigkeitsprüfung dahin vorzunehmen, ob nach dem Vorbringen des Anzeigeerstatters ein für die Erhebung der öffentlichen Klage hinreichender Tatverdacht in Betracht kommt. Dabei ist die Auseinandersetzung mit der Beweislage das Kernstück des Klageerzwingungsantrags, das Auslassungen nicht verträgt (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 79). Zu den diesbezüglich erforderlichen Darlegungen gehört auch die Darstellung eines über den Gegenstand des Klageerzwingungsverfahrens anhängigen oder anhängig gewesenen Zivilprozesses oder Verwaltungsgerichtsverfahrens, an dem der Anzeigeerstatter und der Beschuldigte beteiligt sind oder waren. Der Anzeigeerstatter ist gehalten, etwa bereits ergangene Urteile inhaltlich mitzuteilen. Nur so kann es vermieden werden, dass in der Sache divergierende Entscheidungen über denselben Verfahrensgegenstand ergehen, die nicht auf unterschiedlichen Beweislastregelungen beruhen. Auch kann der Strafsenat über die Frage einer etwaigen Aussetzung des Klageerzwingungsverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Zivilprozesses oder Verwaltungsgerichtsverfahrens (analog §§ 154 d, 262 Abs. 2 StPO) nur dann entscheiden, wenn er im Antrag über dessen Stand bzw. vorläufiges Ergebnis informiert wird (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 145; Senatsbeschluss vom 06. Mai 2003 - 1 Ws 113/03).
Im vorliegenden Fall erwähnt der Anzeigeerstatter zwar den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, der nunmehr in der Berufungsinstanz beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängig ist. Er teilt jedoch den Inhalt des am 05. Februar 2003 ergangenen Urteils ebenso wenig mit wie den Inhalt des im Zivilprozess vor dem Landgericht Ellwangen am 20. Februar 2002 ergangenen Urteils. Beide Entscheidungen sind offenbar zu seinen Ungunsten ausgegangen; sie sind dem Klageerzwingungsantrag auch nicht in Kopie beigefügt worden.
Ein solch lückenhafter Klageerzwingungsvortrag reicht nicht aus, um dem Senat eine Schlüssigkeitsprüfung zu ermöglichen. Nicht einmal der Gegenstand der beiden anderweitig anhängigen bzw. anhängig gewesenen Verfahren und die Parteirollen der Beteiligten werden im Antrag mitgeteilt. Der bei der Schlüssigkeitsprüfung auf das Antragsvorbringen beschränkte Senat vermag daher nicht zu beurteilen, inwieweit dem Zivilprozess und dem Verwaltungsgerichtsverfahren Bedeutung für die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung im Klageerzwingungsverfahren zukommt. Es ist nicht Aufgabe des Senats im Klageerzwingungsverfahren, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aus zahlreichen Anlagen zusammenzusuchen; dies ist vielmehr Aufgabe des Rechtsanwalts, der nach § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO den Antrag abfassen und unterzeichnen muss.
Auch dieser Vortragsmangel macht den Antrag unzulässig.
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(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der S

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Bew

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(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.