Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 29. Okt. 2014 - 9 W 196/13

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2014:1029.9W196.13.0A
bei uns veröffentlicht am29.10.2014

Tenor

Die Beschwerde des Notars vom 26. November 2013 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat der Notar zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Kostenberechnung des Notars vom 28. März 2011, und zwar betreffend die darin enthaltene Hebegebühr nach § 149 KostO.

2

Mit notariell beurkundetem Grundstücks-Kaufvertrag vom 7. Dezember 2010 (Bl. 18 - 38 d. A.) verkaufte die Beteiligte zu 1.) ein in … belegenes Grundstück nebst Gebäude/Ferienwohnanlage zum Preis von 380.000,00 € an den Beteiligten zu 2.). Nach § 2 Buchst. d) i.V.m. § 11 Ziffer II. des Kaufvertrages war Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises, die nach den Vorstellungen der Vertragsparteien frühestens am 30. Dezember 2010 eintreten sollte, unter anderem die Zahlung der Grunderwerbsteuer auf ein von dem Notar zu diesem Zwecke einzurichtendes Notaranderkonto. Der Beteiligte zu 2.) sollte die von ihm zu entrichtende Grunderwerbsteuer innerhalb von zwei Wochen ab Vertragsschluss auf das Notaranderkonto einzahlen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung der Grunderwerbsteuer war die Beteiligte zu 1.) zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. § 8 Abs. 1 des Vertragstextes lautet: „Die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung sowie die Grunderwerbsteuer und die Kosten der Geldverwahrung trägt der Käufer“. Der Notar richtete bei der … Sparkasse ein Anderkonto ein, das er unter der Massenummer 40/10 führte. Der Beteiligte zu 2.) zahlte am 30. Dezember 2010 13.300,00 € auf das Anderkonto. Von diesem Betrag wurde am 12. Januar 2011 die Grunderwerbsteuer bezahlt und der Restbetrag in der Folgezeit an den Beteiligten zu 2.) ausgekehrt. Mit der streitgegenständlichen Rechnung vom 28. März 2011 (Bl. 39 f. d. A.) macht der Notar Hebegebühren für die Abwicklung der Zahlungen über das Notaranderkonto in Höhe von 75,69 € netto geltend.

3

Im Rahmen einer Prüfung der Amtsführung des Notars im Januar 2012 wurde die Verfahrensweise des Notars, die Anlegung eines Anderkontos zur Sicherstellung der Zahlung der Grunderwerbsteuer, von der Präsidentin des Landgerichts Kiel mit der Begründung beanstandet, dass der Notar mit diesem Service seine Pflichten der Wahrnehmung der Interessen der Urkundsbeteiligten und die Maßgabe des § 54a Abs. 2 BeurkG überschreite. Mit Schreiben vom 8. März 2012 (Bl. 12 d. A.) wies die Präsidentin des Landgerichts Kiel den Notar an, hinsichtlich der Massenummer …/10 eine Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen.

4

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2013 (Bl. 53 - 56 d. A.) hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel die Kostenberechnung des Notars vom 28. März 2011 um die Hebegebühr von 75,69 € netto ermäßigt. Gegen diesen ihm am 1. November 2013 zugestellten Beschluss wendet sich der Notar mit seiner am 26. November 2013 bei Gericht eingegangenen Beschwerde gleichen Datums, der das Landgericht mit Beschluss vom 2. Dezember 2013 (Bl. 62 f. d. A.) nicht abgeholfen hat.

II.

5

Das Beschwerdeverfahren und die Kostenberechnung richten sich gemäß § 136 Abs. 1 des am 1. August 2013 in Kraft getretenen Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) noch nach altem Recht, da die Kostenberechnung und die Beschwerde aus der Zeit vor dem 1. August 2013 datieren. Es sind also die Bestimmungen der KostO anzuwenden. Die Beschwerde ist gemäß § 156 Abs. 7 KostO statthaft, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

6

Dem Notar steht eine Hebegebühr nach § 149 KostO nicht zu, da der Grundstückskaufvertrag vom 7. Dezember 2010 (UR-Nr. … / 2010 des Notars) nicht über ein Notaranderkonto hätte abgewickelt werden dürfen.

7

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht, hat das Landgericht die ausschließlich zur Sicherstellung der Grunderwerbsteuerzahlung durch den Käufer erfolgte Einrichtung eines Notaranderkontos als unzulässig angesehen. Ein berechtigtes Sicherungsinteresse der am Verwahrgeschäft beteiligten Personen im Sinne des § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG hat nicht bestanden.

8

1. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Argumentation des Notars darauf hinausliefe, jedes Grundstücksgeschäft über ein Notaranderkonto abzuwickeln. Dies stünde aber im klaren Gegensatz zum Willen des Gesetzgebers, der mit der Regelung des § 54a Abs. 2 BeurkG - wie sich aus der vom Landgericht zitierten Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 21. März 1996 ergibt - gerade keine „formularmäßig vorgesehene Verwahrung“ wollte.

9

2. Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, ob es für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „berechtigten Sicherungsinteresses“ auf die objektive Notwendigkeit der Abwicklung über ein Notaranderkonto oder auf einen entsprechenden Wunsch der Vertragsparteien ankommt (siehe zum Meinungsstand Weingärtner, in ders./Gassen, DONot, Dienstordnung für Notarinnen und Notare, Kommentar 11. Auflage 2011, Rn. 4 vor § 27 mit zahlreichen Nachweisen).

10

a) Objektiv notwendig ist die Abwicklung des Kaufvertrages über ein Notaran-derkonto zur Sicherstellung der Zahlung der Grunderwerbsteuer durch den Käufer nicht gewesen. Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die gewählte Vertragsgestaltung etwaige Unsicherheiten für den Verkäufer dahingehend, ob der Käufer vereinbarungsgemäß die Grunderwerbsteuer zahlt, nur früher beseitigt, das aus der Nichtzahlung folgende Risiko einer eigenen Inanspruchnahme aber nicht beseitigt. Der Verkäufer ist hinreichend dadurch geschützt, dass er vom Kaufvertrag zurücktreten kann und eine eigene Grunderwerbsteuerpflicht damit auf Antrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entfiele oder aber die Steuer zur Ermöglichung der Vertragsdurchführung selbst zahlt.

11

b) Aber auch dann, wenn man mit der anderen Auffassung auf den Willen der Vertragsparteien abstellt, ist die Abwicklung des Kaufvertrages vom 7. Dezember 2010 über ein Notaranderkonto nicht berechtigt gewesen. Die Vertreter dieser Auffassung halten das Verwahrgeschäft nur dann für gerechtfertigt, wenn die Parteien nach ausdrücklicher Belehrung durch den Notar über alternative Möglichkeiten unbedingt und aus nachvollziehbaren Gründen die Abwicklung über das Notaranderkonto wünschen und dies ein Ausnahmefall bleibt (vgl. nur Weingärtner, aaO.). Der Vertragsurkunde selbst lässt sich nicht entnehmen, dass der Notar die Parteien überhaupt über alternative Möglichkeiten belehrt hat und die Aufnahme des § 11 Abs. 2 des Vertrages auf unbedingten Wunsch der Parteien erfolgt ist. Vielmehr knüpft die Einrichtung des Notaranderkontos dort an das allseitige Interesse an einer zügigen Abwicklung und Eigentumsumschreibung an. Zudem ergibt sich aus dem zur Akte genommenen Bericht des Notarprüfers Dr. … vom 18. Januar 2012 und der Stellungnahme des Notars, dass dieser die Abwicklung über ein Notaranderkonto nicht nur aus etwaigen besonderen Gründen des hier zu beurteilenden Kaufvertrages erwogen hat, sondern diese regelmäßig für erforderlich hält.

III.

12

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 156 Abs. 6, 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO. Die Gerichtsgebührenfreiheit gemäß § 156 Abs. 7 S. 3 KostO ist nicht einschlägig, wenn der Notar gegen die landgerichtliche Entscheidung iSd § 156 Abs. 7 S. 1 KostO Beschwerde einlegt.

IV.

13

Gegen diesen Beschluss ist für den beteiligten Notar die Rechtsbeschwerde gegeben (§§ 156 Abs. 4, Abs. 5 Satz 3 KostO, 71 Abs. 1 bis 3 FamFG). Sie ist binnen einer Frist von 1 Monat ab Zustellung des Beschlusses bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe einzulegen und zu begründen.


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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 29. Okt. 2014 - 9 W 196/13 zitiert 4 §§.

Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG 1983 | § 16


(1) Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben,1.wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung,

Referenzen

(1) Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben,

1.
wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet;
2.
wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

(2) Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben,

1.
wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. Ist für den Rückerwerb eine Eintragung in das Grundbuch erforderlich, so muß innerhalb der Frist die Auflassung erklärt und die Eintragung im Grundbuch beantragt werden;
2.
wenn das dem Erwerbsvorgang zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig oder infolge einer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist;
3.
wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

(3) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert,

1.
wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet;
2.
wenn die Herabsetzung (Minderung) auf Grund des § 437 des Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird.

(4) Tritt ein Ereignis ein, das nach den Absätzen 1 bis 3 die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 der Abgabenordnung) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses.

(4a) Wenn die Anteile in Erfüllung eines Rechtsgeschäfts im Sinne des § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder des § 1 Absatz 3a nach Abschluss dieses Rechtsgeschäfts übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b verwirklicht wird, so wird auf Antrag die Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder § 1 Absatz 3a aufgehoben oder geändert. In den Fällen des Satzes 1 endet die Festsetzungsfrist für den aufgrund des Übergangs der Anteile erfüllten Tatbestand nach § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist der aufzuhebenden oder zu ändernden Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder nach § 1 Absatz 3a.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn einer der in § 1 Absatz 2 bis 3a bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war. Die Vorschrift des Absatzes 4a gilt nicht, wenn einer der in § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder Nummer 3 oder in § 1 Absatz 3a oder in § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b bezeichneten Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war.