Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 30. März 2007 - 15 WF 41/07

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2007:0330.15WF41.07.0A
30.03.2007

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 22. Dezember 2006 dahingehend abgeändert, dass die an den Verfahrensbevollmächtigten aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 628,14 € festgesetzt wird.

Gründe

1

Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässig.

2

Zwar übersteigt der Beschwerdewert die gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG erforderlichen 200,00 € nicht. Das Familiengericht hat aber gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG die Beschwerde zugelassen, weil die zur Entscheidung stehende Frage, ob in einem ohne mündliche Verhandlung entschiedenen Sorgerechtsverfahren des § 1671 BGB eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG anfällt, grundsätzliche Bedeutung hat.

3

Die Beschwerde ist begründet.

4

Dem Beschwerdeführer steht eine Terminsgebühr für das Verfahren auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts in analoger Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV zu. Nach dieser Vorschrift entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat - nach entsprechender schriftlicher Ermittlung des Sachverhalts - ohne mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Zustimmung der Antragstellerin auf den Antragsgegner übertragen. In diesem Verfahren ist im Sinne von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben.

5

Bislang wurde obergerichtlich lediglich festgestellt, dass die Vorschrift analog anwendbar ist, soweit in einer Wohnungseigentumssache das Verfahren ohne mündliche Verhandlung beendet wird (vgl. BGH, NJW 2006, 2495; vgl. auch LG Potsdam, NJW 2005, 3583). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass § 44 Abs. 1 WEG die mündliche Verhandlung dem Richter grundsätzlich nicht freistellt und auch nicht von einem Antrag eines Verfahrensbevollmächtigten abhängig macht.

6

Nach Auffassung des Senates gebieten die einschlägigen Bestimmungen der § 50 a und § 50 b FGG eine „mündliche Verhandlung“ in Streitigkeiten über die elterliche Sorge. Denn gemäß § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG soll das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge die Eltern in der Regel persönlich anhören. Das bedeutet eine zwingende persönliche, also mündliche Anhörung der Eltern (vgl. BGH, FamRZ 2001, 907; Keidel/Kunze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 13. Aufl., § 50 a Rn. 10). Auch Kinder ab etwa vier Jahren (BGH, FamRZ 1984, 1084) sind gemäß § 50 b Abs. 1 FGG in derartigen Verfahren persönlich anzuhören, weil zumindest eine der dort genannten Anhörungsvoraussetzungen regelmäßig gegeben ist (vgl. Keidel/Kunze/Winkler, a.a.O., Rzn. 6 ff. zu § 50 b FGG m. w. N.).

7

Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichtes nicht, dass der Gesetzgeber durch die Fassung der in Rede stehenden Vergütungsvorschrift eine Grenze für die möglichen Ausnahmeregelungen ziehen wollte. Die gesetzgeberischen Ziele bestanden bei Schaffung des RVG in einer Vereinfachung, der Erhöhung der Transparenz, Angleichung der Gebührentatbestände in den verschiedenen Verfahrensarten sowie der Einführung eher leistungsorientierter Gebühren (vgl. Bundestagsdrucksache, 14/9037, S. 49, 51). Diese Grundsätze sprechen nach Auffassung des Senates dafür, die Honoraransprüche des Rechtsanwaltes in ZPO-Verfahren und FGG-Verfahren nach denselben Grundsätzen zu behandeln.

8

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 u. 3 RVG).


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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 30. März 2007 - 15 WF 41/07 zitiert 6 §§.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 33 Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren


(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf An

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 56 Erinnerung und Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1671 Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern


(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem An

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 44 Beschlussklagen


(1) Das Gericht kann auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären (Anfechtungsklage) oder seine Nichtigkeit feststellen (Nichtigkeitsklage). Unterbleibt eine notwendige Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage eines W

Referenzen

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.

(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Das Gericht kann auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären (Anfechtungsklage) oder seine Nichtigkeit feststellen (Nichtigkeitsklage). Unterbleibt eine notwendige Beschlussfassung, kann das Gericht auf Klage eines Wohnungseigentümers den Beschluss fassen (Beschlussersetzungsklage).

(2) Die Klagen sind gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Der Verwalter hat den Wohnungseigentümern die Erhebung einer Klage unverzüglich bekannt zu machen. Mehrere Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Das Urteil wirkt für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch wenn sie nicht Partei sind.

(4) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten gelten nur dann als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 der Zivilprozessordnung, wenn die Nebenintervention geboten war.